Protocol of the Session on November 11, 2010

Herr Minister.

Wenn Sie beispielsweise Leuchtmunition in Richtung auf Polizeibeamte abfeuern, dann ist eben die Gefahr der Körperverletzung massiv. Das geschieht nicht nur rein zufällig. Dann ist das eben schon der Beginn von Gewaltanwendung, Herr Kollege.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel.

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Wenn Sie von Sitzblockaden sprechen, kann ich Ihnen nur sagen: Die sind nicht immer gerechtfertigt, die sind nicht immer gedeckt vom Demonstrationsrecht. Natürlich ist Versammlungsfreiheit gewährleistet, aber wenn dann in den letzten Tagen thematisiert worden ist, wie hoch die Kosten dieses Einsatzes sind, sage ich: Ja, natürlich sind dann am Schluss 19.000 Beamte im Einsatz gewesen, um in der Tat mit einem aus der Polizeisicht möglichst geringen Maß an

Gewalteinwirkung doch durchzusetzen, dass dieser Rechtsstaat seine Geltung behält.

19.000 Polizeibeamte waren notwendig, um zum Beispiel dann all diese Sitzblockierer insbesondere von den Schienen und der Straße zu tragen. Aber die Blockaden waren illegal. Es ist in unserem Land nicht ohne Weiteres erlaubt, sich mitten auf eine befahrbare Bahnstrecke zu setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Entschuldigung, da könnten allein zehn Leute aus diesem Haus den gesamten Nahverkehr im Großraum München lahmlegen. Das ist nicht erlaubt, das ist weder legal noch legitim, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Sie versuchen letztendlich, diese Rechtsmaßstäbe zu verrücken, und da werden wir nicht mitmachen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wer Gewalt, insbesondere auch gegen Polizeibeamte, ausübt, ist wohlgemerkt kein Vorbild für demokratischen Widerstand. Das ist schlichtweg kriminell, und dabei können noch so hehre Ziele verfolgt werden. Darüber darf es letztendlich in der Demokratie keinen ernsthaften Streit oder Diskussionen geben. Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung muss von allen politischen und gesellschaftlichen Kräften geächtet sein, und hier darf es auch keine Verharmlosung oder Bagatellisierung geben und erst recht keine falschen Rechtfertigungsversuche.

Wer dies infrage stellt, meine Damen und Herren, rüttelt an den Grundfesten unseres demokratischen Rechtsstaates. Es ist eine jahrhundertelange Entwicklung, eine großartige Errungenschaft des modernen demokratischen Rechtsstaates, dass es das Gewaltmonopol des Staates gibt, dass es eine effektive Justiz gibt und dass es für jeden Bürger in diesem Staat die Möglichkeit gibt, sich dort sein Recht zu suchen. Aber keiner hat das Recht, sozusagen mit seinem persönlichen Faustrecht das durchzusetzen, was er für richtig hält.

Wenn wir das infrage stellen lassen, dann wäre wirklich letztendlich die Axt an die Wurzeln dieser Demokratie und dieses Rechtsstaates gelegt. Darum geht es, egal, welche politischen Ziele jeweils verfolgt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Dass sich Gewalttäter nicht durchsetzen konnten, dafür hat in der Tat unsere Polizei gesorgt. Deshalb ist es richtig, an dieser Stelle noch einmal allen eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten für ihren Einsatz ausdrücklich zu danken. In der Schlussphase waren 19.000 Polizeibeamte aus ganz Deutschland im Einsatz, und es war insgesamt - ich freue mich, dass wir uns hier weitgehend wenigstens in dieser Einschätzung einig sind - ein kluger, ein planvoller, ein maßvoller Einsatz, der zum Erfolg geführt hat. Ich danke allen dort eingesetzten Polizeibeamten ganz herzlich für diese großartige Arbeit.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich wünsche allen verletzten Polizeibeamtinnen und beamten baldige Genesung. Ich freue mich, dass unsere bayerischen Beamten, die dort im Einsatz waren, inzwischen alle wieder wohlbehalten zurück sind und wir in Bayern jedenfalls nur vier oder fünf leichte Verletzungen zu beklagen haben.

Die extrem langen Einsatzzeiten haben die eingesetzten Kräfte in der Tat teilweise an den Rand der Belastungsfähigkeit gebracht. Für das gezeigte außergewöhnliche Engagement und als Anerkennung für die professionelle Einsatzbewältigung habe ich veranlasst, dass allen dort eingesetzten Polizeibeamten aus Bayern zwei Tage Extra-Dienstbefreiung gewährt werden.

(Beifall bei der CSU, der FDP und Abgeordneten der SPD - Georg Schmid (CSU): Sehr gut!)

Sie werden - das will ich allerdings auch klar sagen diese Tage wahrscheinlich überwiegend erst in der nächsten Woche genießen können; denn - das will ich an dieser Stelle schon auch noch einmal ansprechen - bereits am kommenden Wochenende steht unserer Polizei in Bayern noch einmal eine große Belastung bevor, wobei ich jetzt schon dankbar bin, dass uns dabei dann wiederum umgekehrt Polizeibeamte aus Hessen, aus Berlin und von der Bundespolizei unterstützen werden. Das ist zum einen der sogenannte Heldengedenkmarsch, den die Neonazis am kommenden Samstag hier in München veranstalten, der natürlich, um hier jede Gewalt in der Münchner Innenstadt von vornherein auszuschließen, massiv begleitet werden muss.

Dazu kommt eine größere Gewerkschaftsdemo in Nürnberg, die sicherlich als solche völlig gewaltfrei ist, aber die natürlich gegebenenfalls auch gegen Störungen von anderen geschützt werden muss. Und wir haben schließlich am Sonntag dann noch das große Fußballderby des FC Bayern gegen den 1. FC Nürnberg, wo wir auch alles dafür tun wollen, dass nicht ein paar wenige - und da sind wir auch wieder in der

Situation - verrückte Fans letztendlich eine ganze Veranstaltung außer Rand und Band bringen können.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Deshalb ist es wichtig, dass wir auch da von vornherein mit genügend Polizeikräften präsent sind.

(Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit, weil in den letzten zwei, drei Tagen noch einmal die Belastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betont worden ist, sagen, dass sich das Präsidium der bayerischen Bereitschaftspolizei fortlaufend bemüht, den Einheiten immer mindestens ein dienstfreies Wochenende im Monat zu gewährleisten, möglichst natürlich zwei. Eine Garantie dafür ist in Anbetracht sich immer wieder kurzfristig ergebender Einsatzlagen nicht möglich. Das erleben wir jetzt am kommenden Wochenende.

Entscheidend ist - da bin ich völlig einig mit vielen Forderungen in den letzten Tagen -, dass wir über genügend Polizeikräfte verfügen. Da will ich schon noch einmal deutlich hervorheben, dass sich der Freistaat Bayern mit den Entscheidungen dieser Staatsregierung und dieses Landtages in einer wirklich hervorragenden Ausnahmesituation befindet: Wir sind das einzige Bundesland, das in diesen Jahren - seit dem vergangenen Jahr und in den nächsten zwei Jahren insgesamt über 1.700, 1.800 neue Stellen für unsere Polizei schafft.

(Beifall bei der CSU)

In anderen Ländern wird abgebaut und gespart. Wir sind die einzigen, die Polizei aufbauen. Ich kann nur sagen: Das ist gut, das ist wichtig für die Stärke unserer Polizei und unsere Sicherheit, und ich bedanke mich auch bei der Mehrheit des Hohen Hauses dafür, dass diese Stärkung unserer Polizei im letzten Jahr und in diesem Jahr möglich war und ist.

Die Polizei gewährleistet die Umsetzung demokratisch getroffener Entscheidungen. Sie schützt unseren Rechtsstaat, und es sollte für uns alle das Mindeste sein, dies auch durch Zustimmung zu dem Dringlichkeitsantrag der Mehrheitsfraktionen hier zum Ausdruck zu bringen.

Unsere Polizei, liebe Kolleginnen und Kollegen, garantiert unser aller Sicherheit in Bayern wie in Deutschland, und sie hat deshalb unsere volle Rückendeckung und Unterstützung verdient.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir fahren auf der Rednerliste fort. Nächster Redner ist Herr Kollege Pohl für die Freien Wähler. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst an das anschließen, was der Herr Staatsminister zu den Polizeibeamten gesagt hat, und mich auch ganz herzlich für den Einsatz dieser Menschen bedanken, die hier wiederum unsere Sicherheit garantiert haben.

Das war beileibe kein einfacher Einsatz, und es war nicht so, wie es hier Frau Kollegin Tausendfreund dargestellt hat: dass einige Wenige ausgeschert sind und Gewalttaten begangen haben.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es geht bei dieser Debatte - das möchte ich zu Beginn einmal ganz deutlich sagen - nicht um die Frage, ob und, wenn ja, wann man aus der Atomkraft aussteigen soll oder nicht. Um diese Frage geht es nicht. Es geht darum, inwieweit es ein Recht gibt, seine Meinung friedlich zu sagen, und wo der gewaltsame Widerstand beginnt, der zu verurteilen ist.

Ich muss schon sagen: Bei den Diskussionen der letzten Wochen, aber auch bei den Szenen, die wir gesehen haben, habe ich mich an die 80er-Jahre zurückerinnert gefühlt. Damals wurden Debatten darüber geführt, ob es ein Spannungsfeld zwischen Legalität und Legitimität gibt, ob es einen Widerstand gibt, der zwar nicht legal, aber aufgrund seiner Ziele legitim ist. Da, meine Damen und Herren, müssen wir einen Riegel vorschieben.

Herr Kollege Hartmann, Sie haben die Frage aufgeworfen, wo Gewalt beginnt. Sie haben sich dazu bekannt, mit auf den Schienen gesessen zu sein. Wenn Sie auf den Schienen saßen, haben Sie Grenzbereiche der Nötigung ausgetestet. Zumindest dies ist einmal festzuhalten. Eines ist klar: Wer sich auf Straßen und Schienen setzt, begeht Gewalt.

Die einzige Frage hierzu ist, ob es sich um eine rechtswidrige Gewaltanwendung und damit um Nötigung handelt oder ob man das Ganze mit dem Demonstrationsrecht noch rechtfertigen kann. Wie ich gesagt habe, handelt es sich um einen Grenzbereich. Ich würde als Parlamentarier derartige Grenzbereiche nicht austesten wollen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Wir dürfen selbstverständlich unseren Respekt vor allen Menschen bekunden, die friedlich für ein Anliegen demonstrieren. Aber wir dürfen die Motive nicht bewerten. Es gibt keine guten und keine bösen Demonstranten. Es gibt keine guten und keine bösen Ziele. Vielmehr schützt das Demonstrationsrecht alle Meinungskundgaben, wenn sie sich friedlich vollziehen.

Herr Kollege Pohl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hartmann?

Nein. Eine Zwischenbemerkung kann am Schluss gemacht werden.

Wir müssen zwischen friedlich und unfriedlich unterscheiden. Allein dazwischen verläuft die Trennlinie.

Herr Staatsminister Herrmann hat vorhin das Fußballspiel angesprochen, das am Sonntag stattfinden wird. Es kann nicht angehen, dass dann irgendjemand Gewalt anwendet, weil ihm der Schiedsrichter nicht passt. Genauso wenig kann jemand Gewalt anwenden, weil ihm die Politik der Bundesregierung nicht passt. Das nächste Mal wird für irgendein anderes Anliegen demonstriert, das anderen nicht passt. Dann sagt einer der Demonstranten: Na ja, ich war damit nicht einverstanden, und auch der andere war damit nicht einverstanden; der hat Gewalt angewendet; also darf auch ich das tun. - Aber so geht das nicht.

Deswegen spielt es überhaupt keine Rolle, ob hier irgendjemand einen angeblichen oder tatsächlichen Atomkompromiss aufgekündigt hat.

Wir müssen uns auch davor hüten, gewissen Menschen, die ihre Meinung kundtun, eine höhere Legitimation, ein höheres demokratisches Recht zuzuordnen. Natürlich ist es eindrucksvoll, wenn 50.000 oder 100.000 Menschen demonstrieren. Aber 50.000 und 100.000 Menschen sind in Deutschland noch keine Mehrheit. Das bitte ich einmal festzuhalten.