Ansiedlungswillige müssen ebenso wie Private mit vorsintflutlichen Übertragungsraten auskommen, die eine Ansiedlung unmöglich machen Darauf müssen Sie den Fokus richten. Sie müssen die Staatsstraßen des Glasfasernetzes ausbauen. Österreich haben wir, die SPD-Fraktion, schon vor zwei Jahren als beispielgebend gesehen. Vor etwa einem Jahr sind zumindest Teile der CSU-Fraktion nach Oberösterreich gefahren. Geholfen hat es aber immer noch nicht. Jetzt kommt der Clou: Klammheimlich wollen Sie, Herr Zeil, das Programm im Jahr 2011 fortschreiben. Ursprünglich wollten Sie 2010 fertig sein. Zum Jahresende 2010 wollten Sie die weißen Flecken auf der Landkarte gelöscht haben. Das ist nicht geschehen. Das ist für mich ein blankes Eingeständnis des Scheiterns.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bis dato habe ich viel Mühe darauf verwendet, auf das einzugehen, was Sie, Herr Zeil, gesagt haben. Ich habe Ihre Äußerungen zerpflückt. In meinen Augen war Ihr Vortrag eine Regierungserklärung light. Es müsste noch mehr kommen.
Jetzt gehe ich auf das ein, was Sie bewusst oder unbewusst nicht angeführt oder ausgelassen haben. Zur Wirtschaft gehören die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie die Unternehmen. Sie haben kein Wort zu der im europäischen Vergleich katastrophalen Lohnentwicklung verloren. Auch konservative Volkswirte fordern flächendeckend 3 % für alle. In den letzten zehn Jahren haben die bundesdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Schnitt etwa 1 % zugelegt. In Norwegen waren es sagenhafte 27 %. Der europäische Schnitt bewegt sich zwischen sieben und acht Prozent. Das ist ein Grund für die Wachstumsschwäche, die wir auf dem Binnenmarkt noch immer haben.
Versetzen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage, Geld auszugeben und zu konsumieren. Dann wird es auch besser im Land.
Ihr "Amtsbrüderle" in Berlin hat sich auf fremdes Terrain vorgewagt. Wie ist Ihre Position dazu? Was ist mit einem Tariftreuegesetz? Was ist mit Mindestlöhnen? Was ist mit Equal Pay für Leiharbeitnehmer gemäß der europäischen Richtlinie? Nach dem Motto "Wer hat es erfunden?" reklamieren Sie für sich immer die Koautorenschaft für die soziale Marktwirtschaft und für den Liberalismus. Am Anfang hat es mich noch amüsiert, jetzt irritiert es mich. Wo steht denn etwas von der Anpassung des ökonomischen Weltbilds und des Gerechtigkeitspostulats an heutige Erfordernisse? Wo ist die zündende Idee gegen das Ausbluten ländlicher Räume, das Bayerns Bischöfe brandmarken? Sie schreiben es nur in Ihr Programm hinein. Wo ist das Signal aus dem Wirtschaftsministerium, grenzüberschreitende Europaregionen zu fördern? Ich denke an die Region Donau-Moldau. Der Freistaat sollte dazu ein ganz klares Bekenntnis abgeben und sich hinter die Regionen stellen, die sich, wie in diesem Fall Bayern, Österreich und Tschechien, zusammentun, um gegenüber Brüssel auftreten zu können. Wann kommt endlich der liberale Geistesblitz, entgegen dem Montgelas’schen Zentralismus die Autonomie und Eigenverantwortlichkeit der Landkreise zu stärken? Wir brauchen ein Regionalmanagement mit eigener Budgethoheit, bei dem die Menschen und die Kommunalpolitiker vor Ort darüber entscheiden können, welches Konzept für sie vernünftig ist, in welches es sich zu investieren rentiert. Sie müssen darüber entscheiden, welches Start-up und welche Firma sie unterstützen.
Wieso sprechen Sie kein ministerielles Machtwort gegen die Gedankenspiele in Ihrer Partei, die Gewerbesteuer abzuschaffen? Das würde mich wirklich interessieren. Soweit ich weiß, sind auch sämtliche von der CSU geführte Spitzen in den kommunalen Gebietskörperschaften für den Erhalt der Gewerbesteuer. Warum sind Sie angesichts von mehr als 6.000 Insolvenzen im ersten Halbjahr so schüchtern? Davon habe ich nichts gelesen. Weshalb verlieren Sie keine Silbe zu den Zukunftssorgen unserer ehedem blühenden Luft- und Raumfahrtindustrie? Das brennt auf den Nägeln. Darauf müssen Sie Antworten liefern. Den Unternehmen müssen Sie eine politische Richtschnur geben, in welche Richtung investiert und geforscht werden soll, um den Arbeitnehmern Perspektiven geben zu können.
Erklären Sie mir schließlich den innovativen Ansatz im Deal der Kanzlerin mit der Atomlobby. Erklären Sie es. Was ist daran innovativ?
- Hören Sie das Murren auf. Das hat sehr wohl miteinander zu tun. Wer eine moderne Industriepolitik betreibt, darf nicht die Anachronismen fördern und die ausgestorbenen und nur künstlich am Leben erhaltenen Dinosaurier am Netz lassen. Wir fordern ein klares Bekenntnis zum Atomkonsens. Wir werden es immer wieder prüfen. Die Menschen im Lande wollen es so, sonst hätten am Wochenende in München nicht 50.000 demonstriert.
(Zuruf von der CSU: 25.000! - Dr. Thomas Beyer (SPD): Wart ihr dabei? - Super, die CSU war auf der Demo!)
Als Niederbayer schließe ich nach der glorreichen Kabinettssitzung vom Dienstag mit der ehrlich empfundenen Erwartung, dass jetzt ein Run aus dem Landkreis Starnberg, der Ihnen, Herr Zeil, nicht unbekannt ist, in die Boom-Region Bayerwald einsetzen wird, weil es dort am schönsten ist und die Zukunftsaussichten am besten sind.
Mein Fazit lautet: I wie Innovationsschwäche, I wie Investitionsstau und T wie Talentvergeudung. Das ist eine bittere Bilanz und eine grobe Verkennung dessen, was unser Freistaat in diesen Zeiten leisten sollte.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe noch nie 20 Minuten erlebt, in denen mit so viel Freude ein Land schlechtgeredet wurde. 20 Minuten haben Sie das Land nur schlechtgeredet.
Herr Roos, die Bürgerinnen und Bürger Bayerns und dieses Land haben das nicht verdient. Ihre Rede war nur destruktiv und polemisch.
Ich sage Ihnen eines: Mit Polemik kann man ein Land nicht führen. Deswegen sind Sie auch nicht an der Regierung.
Von 20 Minuten haben Sie keine einzige Minute für die Zukunft verwendet. Sie haben nur das kritisiert, was Ihnen nicht passt und was nicht läuft. Bayern ist aber ein starkes Land. Es ist deswegen ein starkes Land, weil es fleißige Menschen und starke Unternehmer hat und weil es immer eine gute Regierung hatte, der die SPD nicht angehört hat.
Bayerns Wohlstand hängt von seinen Ideen ab. Mit immer wieder neuen Innovationen hat Bayern seinen wirtschaftlichen Aufschwung gemeistert. Wir haben keine Rohstoffvorkommen, wir müssen deshalb mit neuen Ideen neue Märkte erschließen. Nur so können wir auch in Zukunft Wohlstand erwirtschaften. Unser Ziel heißt: Bayern wird auch in Zukunft Vorreiter in den zentralen Wachstumsmärkten sein. - Was brauchen wir dafür? Innovationen entstehen schließlich nicht allein im wissenschaftlichen Elfenbeinturm, sondern Innovationen verlangen sehr viel mehr: Tüftler, Träumer, Teams und herausragende Persönlichkeiten, den Geist der Inspiration, Fleiß und Unternehmer, welche die Gunst der Stunde nutzen. Wir brauchen auch Offenheit für Neues in der Gesellschaft und keine Blockadehaltung gegenüber technologischem Fortschritt. All dies ermöglicht erst Innovation.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bedarf auch der Politik. Wir kommen nicht weiter, wenn die Politik vor technischem Fortschritt nur warnt oder nur Bedenken äußert. Bayern ist deswegen so stark, weil bayerische Politiker und die Politiker der CSU immer mutige Entscheidungen getroffen haben, auch in schwierigen Situationen.
(Beifall bei der CSU und der FDP - Lachen bei der SPD und den GRÜNEN - Florian Ritter (SPD): Auch bei der HGAA! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe)
Der technische Fortschritt fällt nicht vom Himmel. Es bedarf einer verantwortlichen Politik. Nicht Technikgläubigkeit ist gefragt, sondern wir müssen Innovationen anstoßen, die ethisch vertretbar sind. Wir brauchen ein werteorientiertes, vorausschauendes und entschlossenes Handeln für Innovationen, gerade auch in der Politik. Was wäre Bayern, und wo wäre Bayern ohne Alfons Goppel, ohne die Entscheidungen, die während seiner Zeit getroffen wurden? Was wäre Bayern ohne Franz Josef Strauß und die Entscheidungen in seiner Zeit? Der Minister hat den Bau des Flughafens genannt.
(Harald Güller (SPD): Es wäre vor allem deutlich reicher! - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN - Unruhe)
und die Entscheidungen, die wir getroffen haben: Offensive Zukunft I, Offensive Zukunft II, High-Tech-Offensive? Die Regionen, von denen Sie gesprochen haben, haben davon profitiert, deswegen ist auch die Arbeitslosigkeit in diesen Regionen geringer, Herr Roos, auch wegen dieser Entscheidungen.
gemeinsam in der Koalition, lieber Herr Kollege Thalhammer -: Die Innovationen und Weichenstellungen, die wir jetzt mit FBI - Familie-Bildung-Innovation - fortsetzen, haben Bayern in den letzten Jahrzehnten nicht nur technischen Fortschritt gebracht. Unser Innovationsvorsprung hat gleichzeitig sozialen Wohlstand und Arbeit für alle gesichert. Staatsminister Zeil hat recht: Diese vorausschauende CSU-Politik der vergangenen Jahrzehnte hat Bayern gerade auch in der internationalen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise enorm geholfen.
Herr Kollege Roos, Sie haben Beispiele herausgesucht, die zeigen, dass Bayern auf der gleichen Stelle wie Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt ist. Ich sage Ihnen eines: Wenn Sie alle Parameter gleichzeitig einbeziehen und sie objektiv und ehrlich betrachten, dann müssen Sie feststellen: Bayern ist ein starkes Land, und Bayern nimmt in allen Feldern Spitzenpositionen ein. Das ist gut so, und das hängt auch mit der guten Politik zusammen, die in den letzten Jahrzehnten gemacht wurde.
Bayern ist der wichtigste Wirtschaftsmotor Deutschlands. Mit unserer antizyklischen Haushaltspolitik haben wir der Krise gegengesteuert. Unsere Haushalte der letzten beiden Jahre waren exzellente Konjunkturprogramme mit Erfolg. Die Wirtschaftskraft unseres Landes ist um weit über drei Prozent angestiegen.
Herr Roos, ich verstehe Ihre destruktive Kritik nicht, wenn wir in diesen Tagen feststellen können, dass wir eine Wachstumsrate von fast dreieinhalb Prozent haben, so viel wie seit Jahren nicht mehr. Wir sollten für diese gute Entwicklung nach dieser schwierigen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise dankbar sein.
Wir haben die Arbeitslosigkeit um 270.000 abgebaut. Ist das denn nicht erfreulich? Ist das denn nicht eine gute Botschaft für die Menschen im Lande? Wir brauchen keine Kehrtwendung in unserer Politik, wie sie die Opposition so oft fordert. Unsere Erfolge sprechen für sich. Bayern ist vom Agrarland zu einer weltweit führenden Innovationsregion aufgestiegen, ist mit einem Bruttosozialprodukt von 430 Milliarden eine der größten Volkswirtschaften Europas und liegt weit vor Österreich, Belgien und Schweden. Das sind die Stichworte. Seien wir auf diese großartigen Leistungen doch stolz! Beklagen wir sie doch nicht, sondern freuen wir uns darüber, dass wir durch die Arbeit der Menschen und durch mutige Entscheidungen der Unternehmer zu diesem Ergebnis gekommen sind!
Das zahlt sich für die Menschen aus. Das sieht man an der starken Wachstumsrate bei zusätzlichen Arbeitsplätzen. Diese liegt weit über dem Bundesdurchschnitt - zehnmal so viel. Die Arbeitslosigkeit ist bei uns doppelt so stark gesunken wie im westdeutschen Durchschnitt. Wir sollten darauf stolz und dafür dankbar sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes ist keine gegebene Größe, sondern sie muss jeden Tag von den Arbeitnehmern und den Unternehmen, aber auch von der Politik neu erarbeitet werden. Die Zeit steht nicht still. Weitere Herausforderungen warten auf uns. Die weltweite Debatte über Klimawandel und Ressourcenknappheit, die Weltwirtschaftskrise und die zunehmende Digitalisierung zahlreicher Lebens- und Arbeitsbereiche sowie neue technische Entwicklungen beeinflussen unser Wirtschafts- und Arbeitsleben. Darauf muss die Politik Antworten geben. Bei der heutigen Regierungserklärung reden wir nicht nur über das Gestern und das Heute, sondern wir müssen auch darüber reden, wie sich das Morgen verändern wird und auf welche Herausforderungen wir miteinander reagieren müssen. Wir müssen auch darüber reden, welche politischen Entscheidungen wir zu treffen haben, damit wir weiterhin stark sind, damit wir weiterhin Exportweltmeister sind, damit wir weiterhin unsere Waren auf der ganzen Welt verkaufen können. Unser Maßstab in der Innovationspolitik war und ist stets: nachhaltige Qualität statt kurzfristige Quantität.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zahlt sich aus. Innovation, Arbeit, Wohlstand - dieser Dreiklang ist das Erfolgsrezept Bayerns. Ich sage aus aktuellem Anlass: Grundlage für diesen Dreiklang ist eine nachhaltige, generationengerechte und solide Haushaltspolitik. Ich bin Minister Zeil sehr dankbar dafür, dass er darauf auch ausdrücklich hingewiesen hat. Das ist unsere gemeinschaftliche Verantwortung. Solide Finanzen sind die Grundlage für Investitionen in die Zukunft. Solide Finanzen und nachhaltige Innovation sind keine Gegensätze, ganz im Gegenteil: Sie bedingen einander. Seit 2006 hat Bayern keine neuen Schulden aufgenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das eröffnet uns heute Handlungsspielräume für die Bewältigung der Zukunft, und darum geht es letztlich, liebe Freunde.