Deshalb ist es uns völlig unverständlich, dass das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Schreiben vom 1. Juni 2010 angekündigt hat, den Schulgeldausgleich der privaten Berufsfachschulen für Altenpflege und Altenpflegehilfe zu kürzen. Das ist nichts anderes. Geplant ist, ab dem kommenden Schuljahr 2010/2011 nur noch 100 Euro für jeden Schüler zu zahlen, also eine Kürzung um 50 %. Das wird berechtigterweise zu Empörung und Protesten sowie zu Unsicherheiten führen. Deshalb plädieren wir von den Freien Wählern klar dafür, den Schulgeldausgleich in der bisherigen Höhe zu bezahlen.
Frau Minister Haderthauer hat am 15.06.2010 zugesichert, die bisherige Praxis beizubehalten. Lösen Sie doch endlich und unwiederbringlich diesen Widerspruch auf, der heute wieder aufgekommen ist. Wir stehen vor einem neuen Schuljahr und können uns einen Rückgang der Anmeldezahlen nicht erlauben. Sie sind zwar um 17 % gestiegen - das sind die letzten Zahlen -, aber wir können uns nicht erlauben, dass sie zurückgehen, was zu einem Fachkräftemangel in der Altenpflege führen würde.
Das Verhalten der Staatsregierung - das ist ganz deutlich geworden - ist nicht nachvollziehbar, da es schlicht und einfach kontraproduktiv ist. Die geplanten Kürzungen sind nicht förderlich, um den notwendigen Nachwuchs zu rekrutieren. Wenn Sie auf dem schwierigen Feld der Berufsfindung - darüber haben wir schon gesprochen - die Anerkennung der sozialen Berufe niedrig halten, dann wird gerade dieser Baustein dazu führen, dass sich weniger anmelden. Es sind wirtschaftliche Probleme zu befürchten und letztendlich müssen das die Heimbewohner, die Sozialhilfeträger und die Kommunen finanzieren.
Wir von den Freien Wählern finden, dass das ein völlig falsches Signal war. Wir möchten, dass zukünftig jede qualifizierte Ausbildungspflegekraft an dem Unterricht teilnehmen kann. Nehmen Sie die Kürzung zurück, nehmen Sie den Antrag ernst. Denken Sie an die alten und pflegebedürftigen Menschen. Bei einigen Graulocken - dazu zähle ich mich auch - ist die Zeit, bis eine solche Pflege benötigt wird, nicht so weit entfernt.
Herr Professor Bauer, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich Frau Kollegin Ackermann das Wort.
Herr Kollege Dr. Bauer, kennen Sie auch die Schreiben der Wohlfahrtsverbände, die in drastischen Worten ankündi
gen, was mit ihren Schulen passieren wird? Ich zitiere aus einem Brief der Caritas: Unsere Schulträger stellen sowohl die drohende Reduzierung der Förderung als auch die derzeitige Unsicherheit vor die Frage, ob der Betrieb der Caritas-Altenpflegeschulen weiterhin aufrechterhalten werden kann. Der Schulgeldausgleich in seiner bisherigen Höhe stellt für deren Finanzierung einen wesentlichen Baustein dar. - Wenn Sie diese Briefe kennen, Herr Dr. Bauer, halten Sie dann vor diesem Hintergrund die Maßnahmen der Staatsregierung, jetzt von den Altenpflegeschülern Geld zu erheben, für angebracht?
Vielen Dank, ich kenne diese Briefe. Ich habe auch persönlichen Kontakt zu den Altenpflegern, weil ich nach wie vor mit meiner Praxis bzw. mit meiner Frau solche Einrichtungen in der Nähe betreue. Ich kenne die Situation und halte die Maßnahmen nicht für richtig. Deswegen bitte ich Sie schnellstmöglich den Widerspruch aufzulösen und klipp und klar zu sagen, was passiert, sowie dafür zu werben, dass das Bündnis, das zur Stärkung der Altenpflegeberufe eingegangen worden ist, nicht konterkariert, sondern mit Leben erfüllt wird. Dazu gehören auch diese finanziellen Mittel.
Frau Präsidentin, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir haben gemerkt: Alle fünf Fraktionen nehmen dieses Thema ernst.
- Nein, nein, nein; alle; wir genauso wie Sie. Uns ist die demografische Problematik genauso bewusst. Heute geht es nicht um pro oder kontra Altenpflege oder darum, wer es sieht oder wer es nicht sieht, sondern heute geht es darum, dass uns zurzeit noch Zahlen fehlen, auf deren Grundlage wir eine verantwortbare Entscheidung treffen können. Um nicht mehr und um nicht weniger.
Als Volkswirt sage ich Ihnen: Wenn Sie immer weiter in die Verschuldung gehen, werden die aktiven Menschen immer noch mehr Abgaben zu leisten haben, und die Finanzierung derjenigen, für die wir heute streiten und für die wir uns einsetzen, wird immer unsicherer. Deswegen gilt momentan der Primat des ausgeglichenen Haushalts. Das wird nicht der einzige Posten sein, über den wir streiten. Es ist keine Kunst, immer mehr zu fordern, aber nicht zu sagen, wie man das bezahlen soll.
Zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der CSU sind wir Liberalen selbstverständlich für eine sinnvolle Kombination von öffentlichen und privaten Schulen. Es geht um die laufenden Kosten; es geht um die Pensionsansprüche. Es ist auch Aufgabe der Tarifpartner, in einem Bereich, in dem an die Mitarbeiter hohe Anforderungen gestellt werden und in dem die Menschen knapp sind
- ich gebe nicht ab; ich teile es nur auf mehrere Felder auf, Frau Kollegin -, Tarifverträge so zu gestalten, dass Menschen diese Berufe wählen. Wir werden in vielen Berufen erleben, dass der Faktor menschliche Arbeitskraft knapp wird. Diejenigen, die nicht wollen, dass eine neue Einwanderungswelle notwendig wird, um die Kräfte hierher zu holen, müssen für Ausbildung sein. Glauben Sie mir deswegen: Wir werden im Herbst, wenn die Zahlen vorliegen, völlig unaufgeregt, gelassen und sehr professionell entscheiden. Bis dahin müssen Sie sich aber noch ein wenig gedulden.
Ich darf noch sagen - Frau Kollegin, wenn Sie mir bitte zuhören -, dass sich unsere Fraktionskollegin Brigitte Meyer der Stimme enthalten wird, weil sie als Vorsitzende des Sozialausschusses zunächst und vor allem das Soziale im Fokus hat. Wir haben uns in der Fraktion überlegt, wer hier spricht.
- Wollen Sie noch etwas sagen? Ich habe noch etwas Redezeit. - Okay. Wir haben uns überlegt, wer hier spricht. Wir haben gesagt, dass es am ehrlichsten ist, wenn ein Haushälter spricht, weil wir momentan die Zahlen, die Grundlage für eine verantwortbare Entscheidung sind, noch nicht haben. Bei dem bleibt es. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Bevor Sie Ihre Zwischenfragen stellen, sage ich noch etwas anderes: Heute ist der 14. Juli. Wir sind in Haidhausen im Franzosenviertel. Unsere Urgroßväter, unsere Großväter und unsere Väter sind jeweils nach Frankreich in den Krieg gezogen. Wir dürfen heute sagen: Alles Gute nach Frankreich, alles Gute zum Nationalfeiertag in Frieden und Freiheit.
- Wenn Ihnen der Frieden nichts wert ist, so ist mir das egal. Mir ist er etwas wert. Ich habe das für mich gesagt, nicht für Sie. Mir ist das egal.
Vielleicht können wir auch hier etwas Frieden herstellen. Als Erste hat sich Frau Kollegin Ackermann gemeldet.
- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine Geschäftsordnung, und diese werden wir bitte noch ertragen.
- Ich kann es leider nicht ändern, dass das für Sie schmerzensgeldpflichtig ist, Herr Kollege Huber.
Herr Kollege Barfuß, als Haushälter ist Ihnen sicher bekannt, dass es Einsparungen gibt, deren Folgekosten wesentlich höher sind, als der eingesparte Betrag. Stimmen Sie mir zu, dass die Folgekosten die Einsparungen, die Sie hier tätigen, wenn die Altenpflegeschulen schließen müssen, wenn sich die Altenpflegeschüler nicht mehr anmelden und wenn es einen Pflegenotstand gibt, deutlich übersteigen?
Ich werbe noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit. Wir haben noch nicht entschieden, was wir machen. Ich habe gesagt: Wenn richtige, aufbereitete Zahlen vorliegen, werden wir entscheiden. Ansonsten ist mir die Weisheit, die Sie vortragen, wohlbekannt.
(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Soll ich mich dümmer machen als ich bin, Frau Kollegin? Zuruf von der SPD: Jetzt mach kein Kasperltheater! - Unruhe)
Sehr geehrter Herr Kollege. Da Sie sagen, dass Sie als Haushälter sprechen und es natürlich Sinn macht, mit vernünftigen Zahlen umzugehen, frage ich Sie: Mit welchen Zahlen sollen denn jetzt die Altenpflegeschulen umgehen? Sie haben überhaupt keine Informationen, wie es weitergeht.
Für die Altenpflegeschulen stellt sich die Situation im Augenblick so dar, dass sie, wenn Sie überhaupt zu einer vernünftigen Finanzierung kommen können oder wollen, auf dieser Grundlage Schüler eigentlich abweisen müssten und den Schülern, die sich schon angemeldet haben, sagen: Liebe Schüler, sucht euch etwas anderes, weil wir nicht wissen, ob das an dieser Schule finanzierbar ist.
Nicht nur im Bayerischen Landtag gibt es Haushälter. Auch an den Schulen muss wirtschaftlich gedacht werden. Daher stelle ich Ihnen die Frage: Auf welchen Zahlengrundlagen sollen die Schulen denn jetzt arbeiten?
Herr Kollege Ritter, es ist hochinteressant, dass gewisse Herrschaften im Hohen Hause auch einmal erkennen, dass eine gewisse Eigenkapitaldecke nichts Schlechtes ist; sonst kapieren sie das nämlich nie. Ich sage Ihnen eines: Ich war lange genug Bürgermeister, um zu wissen, wie schwierig das ist. Wenn aber jemand so schlecht gewirtschaftet hat, dass er nicht drei Monate warten kann, bis eine Entscheidung fällt, dann ist das ein verdammter Grenzproduzent, und dann muss er damit eben leben.