Protocol of the Session on July 14, 2010

Ich darf jetzt das Wort Herrn Kollegen Dr. Bernhard erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass man ein solches Projekt erst anfängt, wenn eine hinreichende Sicherheit bei der Planung, der Technik und der Finanzierung besteht. Das setzt aber nicht zwangsläufig voraus, dass alle Planfeststellungsbeschlüsse vorliegen und alle Klagen dagegen erledigt sind. Warum? Das zeigt einfach die Praxis, die auch anderswo gegeben ist. Bei Autobahnen wer

den Bauabschnitte auch schon begonnen, wenn der letzte Planfeststellungsbeschluss zwar noch nicht vorliegt, man aber davon ausgehen kann, dass er kommt. Das ist nur eine Frage der Abschätzung in einem bestimmten Stadium eines bestimmten Projekts. Sie wissen, dass wir für einen Abschnitt bereits einen Planfeststellungsbeschluss haben. Ein weiterer kommt in nächster Zeit. Ein anderer ist im Februar beantragt worden. Daher können wir relativ bald absehen, wie die Lage ist.

Zur Finanzierung hat der Wirtschaftsminister erklärt, dass er bis zur Sommerpause oder nach der Sommerpause einen Bau- und Finanzierungsvertrag vorlegen wird. Wir sehen, ob es am Ende so ist. Die Schwierigkeiten der Finanzierung, die wir alle kennen, zeigen uns, dass so überhastet, wie Sie es jetzt befürchten, sicher nichts passieren wird.

Im Vergleich zu den anderen Projekten, die Sie erwähnt haben, hat das Projekt in München allerhöchste Dringlichkeit in Bayern. Der Nahverkehr im Raum München hat auch im Vergleich zum übrigen Bayern eine quantitativ gewaltige Bedeutung. Wir haben im Raum München ein gewaltiges Wachstum zu erwarten. Bis Ende 2030 werden etwa 250.000 zusätzliche Bürger in München und im Großraum München ansässig sein. Dies zeigt, wie dringlich dieses Verkehrsprojekt ist. Wir kennen die Störungsanfälligkeit des jetzigen Systems. Wir brauchen eine bessere Flughafenanbindung. Ich will es im Einzelnen gar nicht ausführen. Dies alles zeigt aber, dass dieses Projekt sehr dringlich ist und dringend realisiert werden soll.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Runge?

Jetzt will ich erst zum Ende kommen, dann soll er sich hinterher melden.

Völlig falsch ist das, was Sie immer wieder und auch heute propagiert haben. Sie stellen das Münchner Projekt in Konkurrenz zu anderen Projekten. Wir haben erklärt, dass die Projekte, die jetzt laufen, die geplant und finanziert sind etc., nicht beeinträchtigt werden. Das ist der Ausgangspunkt. Dann gibt es noch einen Rest an Mitteln, der zur Verfügung steht. Dass über das hinaus, was jetzt vorhanden ist und was in Zukunft vorhanden sein wird, zusätzliche Mittel erforderlich sind, um das Projekt in München zu realisieren, ist völlig klar. Wir haben immer gesagt, dass die Finanzierung nicht auf Kosten anderer Projekte erfolgen darf. Deshalb gibt es keinen Grund, bei diesem Projekt eine Festlegung zu treffen, die wir bei anderen Projekten vernünftigerweise nicht treffen. Deshalb wollen wir dem Antrag nicht zustimmen. Jetzt bitte ich um die Frage.

Herr Kollege Dr. Runge, bitte.

Geschätzter Herr Kollege Bernhard, die Einschätzung des konkreten Vorhabens betreffend weiß ich Sie eigentlich stark an unserer Seite. Außerdem denke ich, dass wir die Dringlichkeit der Entlastung und Ergänzung der bestehenden Stammstrecke ähnlich einschätzen. Die Frage ist, auf welchem Weg dies geschieht.

Herr Kollege Dr. Bernhard, Sie waren Mitglied des Haushaltsausschusses. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie hier behaupten wollen, jeder Euro könne fünfmal oder sogar zehnmal ausgegeben werden. Vielmehr steht jeder Cent, der für dieses Vorhaben ausgegeben wird, in Konkurrenz zu Projekten in ganz Bayern. Das gilt auch für die 65 bis 75 Millionen Euro, die bereits ausgegeben wurden.

Ihre Aussage, wir könnten schon bald absehen, wie die Lage denn so wäre, war interessant. Ich höre das zu diesem Vorhaben seit acht Jahren. Seit vielen, vielen Jahren finden wir im Haushaltsplan und im Nachtragshaushalt an der entsprechenden Haushaltsstelle immer wieder den Verweis, dass die Bau- und Finanzierungsvereinbarung noch in diesem Jahr abgeschlossen würde. Sie wissen so gut wie wir, dass der Vorvorgänger des jetzigen Wirtschafts- und Verkehrsministers zu diesem Projekt gesagt hat, dass es 2009, spätestens 2010 in Betrieb sei. Ich will damit ausdrücken, dass es längst nicht so schnell vorangeht, wie sich manche in diesem Hause dies wünschen. Trotzdem wird wahnsinnig viel Geld ausgegeben. Wir sagen, dass damit Schluss sein muss, weil wir in Bayern viele dringende Projekte haben, die in der Planung weiter sind und umgesetzt werden müssen.

Noch einmal kurz: Ich unterstreiche, dass deshalb andere Projekte in Bayern nicht auf der Strecke bleiben. Das könnten wir uns politisch gar nicht leisten. Es ist völlig unrealistisch, andere Projekte zu streichen und das Geld nach München zu schaufeln. So wird es nicht sein. So geht es nicht.

Wegen der Bau- und Finanzierungsvereinbarung hat der Wirtschaftsminister erklärt, dass das bis nach der Sommerpause geklärt werde. Das hat eine gewisse Logik, weil beim Bund Finanzverhandlungen geführt werden. Wir alle verfolgen, wie der Bundeshaushalt zu gestalten ist und welche Projekte möglich sind. Darum wird gerungen. Das ist klar.

Normal ist, dass es bei solchen Projekten immer wieder Tekturen und Veränderungen der Planungsvorstellungen gibt, wie das bei dem östlichen Abschnitt der Fall ist. Das ist klar. Dass es gelingt, eine solche

Planung ohne Tekturen und ohne Veränderungen durchzuziehen, ist völlig unwahrscheinlich. Wir können aber erwarten, dass wir in allernächster Zeit - ich habe die Planungssituation geschildert - die Planungsfeststellungsbeschlüsse haben werden. Dann können wir die Kosten abschätzen. Außerdem gab es eine Reihe von Gutachten, mit denen die Kosten abgeschätzt wurden. Insofern haben wir eine gute und tragfähige Entscheidungsgrundlage.

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Wengert.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Dr. Runge hat am 6. Mai 2010 im Wirtschaftsausschuss erklärt, dass dieser Dringlichkeitsantrag keinerlei Wertung zur Sinnhaftigkeit der zweiten S-Bahn-Röhre enthalte. Wir können uns also heute eine erneute Grundsatzdiskussion über die zweite S-Bahn-Röhre sparen, auch über die Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplanes brauchen wir heute nicht zu sprechen und auch nicht über die Finanzierung von Projekten in Bayern; denn dies ist nicht Gegenstand Ihres Antrags.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Doch!)

Im Antrag heißt es ausdrücklich: " … wird aufgefordert, keinesfalls einem Beginn … vor Vorliegen aller Planfeststellungsbeschlüsse zuzustimmen." Im Antrag steht nichts von einer Durchfinanzierung des Projektes. So viel zur Klarheit und Wahrheit.

Der Bayerische Landtag hat sich mit großer Mehrheit für dieses Projekt entschieden, sodass es in der Tat keiner erneuten Grundsatzdiskussion bedarf. Die zweite S-Bahn-Strecke war von Anfang an die Position der SPD in Stadt und Land, und wir sind dabei, lieber Kollege Dr. Runge, seien Sie dessen versichert, ganz bei Trost, wenngleich uns manchmal Ihre Rechthaberei schon etwas auf die Nerven schlägt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Seit zum ersten Mal über die zweite S-Bahn-Stammstrecke diskutiert wurde, ist schon viel Zeit vergangen. Zumindest nach dem eindeutigen Votum des Bayerischen Landtags für die zweite Stammstrecke sollte jetzt zügig gehandelt werden.

Bei Verkehrsprojekten dieser Größenordnung ist es völlig normal, dass mit der Verwirklichung einzelner Abschnitte begonnen wird, sobald das dafür notwendige Baurecht, in diesem Fall ein Planfeststellungsbescheid, vorliegt. Im Interesse einer möglichst raschen Verwirklichung der zweiten Stammstrecke - die dramatischen Engpässe lassen keine weiteren Verzögerungen zu - ist das Abweichen von der abschnittswei

sen Realisierung nicht zu verantworten. So wird ein Schuh daraus. Nicht diejenigen handeln unverantwortlich, wie Sie das in der Begründung schreiben, die nicht abwarten wollen, bis sämtliche Planfeststellungsbescheide rechtskräftig sind und sämtliche Widerspruchs- und Klageverfahren durchgestanden sind.

Nachdem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Vorhaben gescheitert sind, die zweite Stammstrecke zu verhindern, legt Ihr Antrag leider die Vermutung nahe, dass Sie deren Realisierung über das Aufbauen von möglichst hohen Hürden insgesamt zu Fall bringen wollen. Diesen Weg, quasi von hinten durch die Brust ins Auge, werden wir nicht mitgehen und deswegen diesen Dringlichkeitsantrag ablehnen.

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Dr. Runge zu einer Zwischenbemerkung.

Herr Kollege Wengert, dass ich Sie nerve, freut mich. Ich werde das auch weiterhin tun. Beim Transrapid waren Sie nicht so widerspenstig. Damals hatte es nur ein Jahr gedauert, bis die SPD überzeugt war und mit uns gemeinsam gegen die Schwebebahn gekämpft hat.

(Lachen bei der SPD - Harald Güller (SPD): Das ist Legendenbildung!)

- So war es. Die erste Kollegin war Frau Lochner-Fischer, die sich durchgerungen hat. Dann kam Kollege Ludwig Wörner. Aber es hat sehr, sehr lange gedauert.

Herr Kollege Wengert, nun zu Ihren Ausführungen: Sie haben gesagt, wir könnten uns ein Abweichen damit haben Sie sich und möglicherweise Teile der Staatsregierung gemeint - von der abschnittsweisen Realisierung nicht leisten. Heißt das denn allen Ernstes, dass Sie Schwierigkeiten in Kauf nehmen wollen? Der Planfeststellungsabschnitt 2 ist beschlossen, der Abschnitt 1 ist aufgrund einer neu aufgetauchten Lärmproblematik in Tektur, aber der Abschnitt 3 wird völlig neu geplant. Die Unterlagen sind immer noch nicht veröffentlicht. Erst wenn sie ausgelegt sind, können wir sie uns ansehen. Dann können wir unsere Meinung dazu sagen. Danach gibt es einen Erörterungstermin. Wollen Sie es wirklich riskieren, dass angefangen wird zu bauen und danach stellt sich heraus, dass der Abschnitt 3 nicht zu realisieren ist? Das ist der Abschnitt östlich der Isar, also in Haidhausen. Dort ist der Boden tonig-schluffig. Wollen Sie also wirklich riskieren, dass zu bauen begonnen wird, Zigmillionen oder mehr Euro ausgegeben werden und das Ganze in der Isar endet?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich beneide Sie um Ihre Gabe der Prophetie. Sie bestätigen mit Ihrer Zwischenbemerkung das, was ich vorhin gesagt habe. Seien Sie versichert, wir haben gute Nerven. Wir werden auch das ständige Wiederholen Ihrer Argumente aushalten.

Es gibt andere große und größte Projekte, bei denen es vergleichbare Schwierigkeiten gab und bei denen kein Mensch auf die Idee käme zu sagen, dass noch fünf oder zehn Jahre abgewartet werden sollten, bis mit dem Projekt begonnen wird. Die Probleme müssen in Zwischenschritten gelöst werden. Es entspräche nicht den Gepflogenheiten, wenn man bei einem solchen Projekt nach Vorliegen eines abschnittsweisen Baurechts nicht auch - immer vorausgesetzt, das Geld steht zur Verfügung - mit der Realisierung beginnen würde. Ich müsste mich wiederholen. Das ersparen wir uns. Sie haben sicherlich verstanden, was ich vorhin gesagt und gemeint habe.

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Piazolo. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Wengert hat zwar darum gebeten, nur auf den Antrag zu schauen. Bei einem solch großen Bauvorhaben sollte man aber das Gesamte betrachten, meine ich. Ihr vorletzter Satz, Herr Dr. Wengert, war dann doch entscheidend. Man sollte nicht beginnen, bevor die Finanzierung steht. Bei diesem Projekt steht im Moment aber noch überhaupt nichts. Als ich die Rede von Herrn Dr. Bernhard hörte, der immer wieder auf den Wirtschaftsminister verwiesen hat, kamen mir doch beinahe die Adjektive in den Sinn, die Herr Dr. Runge gerade benutzt hat, um die Bodenbeschaffenheit zu beschreiben: tonig, schluffig. Das war kein Ausdruck von Zuversicht, sondern da war sehr viel Zurückhaltung.

Ich habe in dieser Angelegenheit vor zwei Wochen an Bundesverkehrsminister Ramsauer einen Brief geschrieben. In der Antwort des Bundesverkehrsministers kommt deutlich zum Ausdruck, dass die Finanzierung derzeit noch nicht gesichert ist. Das wissen wir alle. Wenn man die Zahlen ansieht und wenn man die Strecken betrachtet, die auch Herr Dr. Runge aufgezeigt hat, dann steht noch sehr vieles in den Sternen. Wenn man darüber hinaus weiß, dass der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Herr Huber, bei der Anhörung schilderte, dass die zweite Stammstrecke bis 2018 selbst dann nicht fertiggestellt werden kann, wenn wir jetzt damit beginnen, dann haben wir mehrere Probleme: keine Finanzierung, die Fertigstellung

wird nicht rechtzeitig zur möglicherweise stattfindenden Olympiade erfolgen und darüber hinaus haben wir keinen Planfeststellungsbeschluss im dritten Bereich.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Welche Olympiade? Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Wenn man jetzt einfach zu bauen anfängt, geht man doch ein sehr großes Risiko ein. Man kann nicht sagen: Jetzt fangen wir einfach einmal zu bauen an und dann schauen wir, wie weit wir kommen. Im Zweifelsfall, wenn wir kein Geld mehr haben, die Olympiade kommt oder wenn die Planung nicht stimmt, dann überlegen wir uns etwas Neues. - Ich glaube, das ist zu riskant. Dieser Richtung sollten wir nicht folgen. Wir von den Freien Wählern werden diesem Antrag deshalb zustimmen, um etwas Schlimmeres zu verhindern. Wir wollen keinen Transrapid II haben oder die Olympiade auf einer Bauruine feiern müssen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Kollege Prof. Dr. Piazolo, bitten bleiben Sie noch am Rednerpult. Herr Kollege Dr. Bernhard hat sich zu einer Zwischenintervention gemeldet.

Herr Kollege, ich möchte hier einmal feststellen: Niemand fängt an und das kann er auch gar nicht, wenn er kein Geld hat. Geld ist eine Grundvoraussetzung für eine Finanzierungsperspektive. In dieser Frage sind wir doch alle einig.

In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu. Im Moment sehen wir allerdings kaum, wie die Finanzierung realisiert werden könnte. Man hätte doch monatelang Zeit gehabt, die Finanzierung zu sichern. Sie sagen selbst: Wir warten die Sommerpause ab und dann wird sich der Wirtschaftsminister zusammensetzen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wie? Der allein? Was macht er denn sonst? - Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

Er muss das mit dem Bund tun. Wir müssen dann verhandeln. Ich glaube, man wird dann sehen, dass kein Geld beziehungsweise nicht genügend Geld da ist. Aufgrund der vielen Ungewissheiten stimmen wir dem Antrag zu.

Herr Kollege, bitte verbleiben Sie am Rednerpult. Herr Kollege Dr. Runge zur Zwischenbemerkung. Bitte.

Herr Kollege Prof. Dr. Piazolo, stimmen Sie mir zu, dass die Bau- und Fi

nanzierungsvereinbarung erst dann seriös geschlossen werden kann, wenn die Planung steht und das Kostengerüst einigermaßen bekannt ist?

Ja. - Das wollten Sie doch hören. Dabei haben wir uns nicht abgesprochen.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN - Dr. Martin Runge (GRÜNE): CSU und SPD bestreiten das nämlich!)