Protocol of the Session on April 22, 2010

Antrag der Abgeordneten Helga SchmittBussinger, Kathrin Sonnenholzner, Inge Aures u. a. (SPD) Wirksame Maßnahmen gegen riskanten Alkoholkonsum von Jugendlichen (II)

Nächtliches Verkaufsverbot von Alkohol an Tankstellen, Kiosken und sonstigen Verkaufsstellen (Drs. 16/2746)

Antrag der Abgeordneten Helga SchmittBussinger, Kathrin Sonnenholzner, Dr. Linus Förster u. a. (SPD) Wirksame Maßnahmen gegen riskanten Alkoholkonsum von Jugendlichen (III) Verbot von Flatrate-Partys (Drs. 16/2747)

Antrag der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner, Helga Schmitt-Bussinger, Dr. Linus Förster u. a. (SPD) Wirksame Maßnahmen gegen riskanten Alkoholkonsum von Jugendlichen (IV) Verzicht auf die gesetzliche Meldepflicht an Jugendämter (Drs. 16/2748)

Antrag der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner, Helga Schmitt-Bussinger, Dr. Linus Förster u. a. (SPD) Wirksame Maßnahmen gegen riskanten Alkoholkonsum von Jugendlichen (V) Einsatz von jugendlichen Testkäufern (Drs. 16/2749)

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Finanzierung HaLT-Projekt sicherstellen - BASBericht (Drs. 16/2948)

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vertrauensposition der Ärztinnen und Ärzte beim Jugendalkoholismus sichern - gegen eine Meldepflicht ans Jugendamt (Drs. 16/2949)

Antrag der Abgeordneten Markus Blume, Christa Stewens, Dr. Thomas Zimmermann u. a. (CSU) Mehr Lebensqualität durch effektive Suchtprävention - Präventionspakt Bayern ins Leben rufen (Drs. 16/3287)

Bevor wir in die Aussprache eintreten, weise ich darauf hin, dass die SPD-Fraktion und die Fraktion der Freien Wähler beantragt haben, über ihre Anträge auf den

Drucksachen 16/2701, 16/2702, 16/2743, 16/2744, 16/2746 und 16/2749 - das sind die Tagesordnungspunkte 5 bis 8 sowie 10 und 13 - in namentlicher Form abzustimmen.

Nun eröffne ich die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von fünfzehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Wir kommen jetzt zu den Rednern. Als erster Redner hat Herr Kollege Dr. Fahn das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei diesen Anträgen geht es vorwiegend um die Suchtprävention. Trotzdem möchte ich noch etwas zur vorherigen Diskussion sagen, bei der die FDP immer wieder das Vollzugsdefizit angeprangert hat. Es mag sein, dass die Kommunen für den Vollzug zuständig sind. Dazu brauchen sie aber die Polizei. Die Polizei ist jedoch überfordert. Sie hat zu wenig Personal.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Was tun Sie dafür, damit dieses Vollzugsdefizit beseitigt wird? Diese Frage haben Sie bisher noch nicht beantwortet. Die Polizei hat andere Aufgaben als gegen Alkoholmissbrauch vorzugehen. Das sagen Sie doch immer wieder. Wir sind laufend im Gespräch mit der Polizei. Sind Sie das etwa nicht?

Meine Damen und Herren, über das Thema Alkoholkonsum wird schon seit Sommer letzten Jahres diskutiert. Täglich gibt es Meldungen über den Alkoholmissbrauch durch Jugendliche. Auch Ministerin Haderthauer hat sich in der Presse geäußert. Immer wieder werden Maßnahmen angekündigt. Im Parlament handelten aber weder CSU noch FDP, sondern nur die Freien Wähler und die SPD. Die Freien Wähler führten am 13. Oktober ein Hearing und danach auch eine Ministerbefragung durch. Anschließend wurden Anträge eingereicht. Die Anträge zur Suchtprävention und zum Verbot des Alkoholverkaufs standen am 28. Januar auf der Tagesordnung des Umwelt- und Gesundheitsausschusses. Ich habe es genau verfolgt. Am Abend davor, etwa gegen 19 Uhr, standen CSU und FDP am Rande des Plenums zusammen und überlegten sich, wie sie auf die Anträge reagieren können. Sie haben nämlich bisher gar nichts getan. Abends, wahrscheinlich um 21 Uhr, sind sie dann auf die Idee gekommen, etwas ganz Tolles zu machen, nämlich einen Präventionspakt Bayern vorzuschlagen, um mehr Lebensqualität durch effektive Suchtprävention zu erreichen. Das klingt ganz toll, der Inhalt ist aber lediglich heiße Luft. Ich werde es im Detail noch erläutern.

Im Übrigen stammt dieser Antrag nur von der CSU. Die FDP hat gar nicht mitgemacht. Beim Dringlichkeitsan

trag von gestern ist die FDP mit dabei. Interessant ist aber, dass die FDP beim ersten Antrag nicht mitgemacht hat.

Die Vorgaben, die im ersten Antrag der CSU enthalten sind, sind ein Widerspruch in sich. Einerseits wird zwar gefordert, dass erfolgreiche Initiativen ausgebaut werden sollen, gleichzeitig wird aber immer wieder verlangt, dass dies ohne zusätzliches Geld und ohne zusätzliches Personal geschehen soll. Dann spricht die CSU von "flächendeckend" und "bedarfsgerecht". "Bedarfsgerecht" ist aber schon wieder eine Einschränkung. Für eine flächendeckende Realisierung der Präventionspakete sind wir auch. Dazu brauchen wir aber Finanzmittel. Wenn Sie uns die nicht geben, ist Ihr Antrag nur eine Luftnummer, meine Damen und Herren.

In der Einschätzung dessen, was wir benötigen, sind wir uns insgesamt vielleicht sogar einig. Wir brauchen eine flächendeckende Ausdehnung der bisher erfolgreichen Präventionsprojekte. Aber wir brauchen gleichzeitig die Ausweitung der Stellen und im erheblichen Umfang finanzielle Unterstützung. Damit die Suchtprävention in Bayern effektiv wird, damit das von allen gelobte "HaLT-Projekt" bayernweit in allen 71 Landkreisen, bisher nur in 28, angeboten wird, müssen wir etwas investieren.

Staatssekretärin Melanie Huml sagte am 27. Oktober 2010, wir könnten uns vorstellen, das Projekt weiter und auch bayernweit auszudehnen; denn es sei der richtige Ansatz, den Jugendlichen, bei denen es zum ersten Mal vorkommt, frühzeitig an dem Punkt Prävention anzubieten, an dem sie dafür sensibel sind. Das entspricht dem Antrag der Freien Wähler. Das wollen wir.

Wir möchten auch auf ein anderes Projekt hinweisen. Es nennt sich "Elterntalk". Hier finden im häuslichen Umfeld Gespräche von Eltern für Eltern zu den Themen Medien, Konsum, Suchtprävention statt. Mit dem erfolgreichen Projekt, das bisher leider nur in 19 Städten und Landkreisen durchgeführt wurde, wurden 2008 5.360 Eltern erreicht. Wir fordern mit einem Antrag, dass dieses Projekt bayernweit durchgeführt wird. Dabei werden wir verbal - deshalb haben wir namentliche Abstimmung beantragt - von Melanie Huml unterstützt. Analoge Forderungen kommen vom Landesgesundheitsrat, einem wichtigen Gremium. Der Landesgesundheitsrat fordert in seiner Sitzung vom 5. Oktober 2009 - ich zitiere: "Der Landesgesundheitsrat begrüßt die vielfältigen Angebote zur frühzeitigen Prävention von Alkoholmissbrauch." Er nennt dabei Projekte wie "Disco-Fieber". Er fordert den Bayerischen Landtag auf, durch Bereitstellung entsprechender

Haushaltsmittel die dauerhafte Durchführung von Präventionsprojekten sicherzustellen.

Angebote zur Alkoholverbrauchsprävention müssen ich werde das heute öfter sagen - flächendeckend in ganz Bayern zur Verfügung gestellt werden. All diese Aussagen beweisen, dass das Anliegen und der Antrag der Freien Wähler berechtigt sind. Das beweist zum Beispiel auch die Annahme eines Antrags der Freien Wähler für den Nachtragshaushalt 2010. Normalerweise werden Anträge der Opposition komplett abgelehnt. Dem Antrag, den entsprechenden Ansatz um 100.000 Euro zu erhöhen, haben CSU und FDP zugestimmt. Das heißt konkret, dass Sie anerkennen, dass etwas getan werden muss. Sie haben aber nicht selbst den Antrag gestellt, sondern die Freien Wähler und die GRÜNEN.

Wir fordern eine Aussage des Ministeriums, dass die entsprechenden Mittel vorhanden sind. Ich hoffe, Herr Herrmann, dass Sie dazu etwas sagen werden. Wir warten die ganze Zeit schon darauf.

(Staatsminister Joachim Herrmann: Darauf kön- nen Sie sich verlassen!)

- Gut, danke schön.

Nach Auskunft der Koordinierungsstelle der Bayerischen Suchthilfe gibt es in Bayern 48 Suchtpräventionsstellen und 179 ambulante Stellen für Suchtberatung. Leider sind diese - wir haben das nachgeprüft regional unterschiedlich verteilt. Laut Sozialministerin Christine Haderthauer gibt es für Kinder und Jugendliche zu wenig Beratungsstellen. Unser Antrag zielt darauf ab, dass die Bayerische Staatsregierung für den Ausbau der bestehenden Suchtberatungsstellen ein Konzept vorschlägt: räumlich, personell und finanziell.

Den anderen Anträgen der SPD und der GRÜNEN stimmen wir ebenfalls zu. Dazu gehört unter anderem die Forderung, die Mitteilungspflicht von Ärzten an das Jugendamt nicht zu verschärfen. Unser Gesundheitsexperte Karl Vetter kritisiert dies massiv, weil die Ärzte dadurch stark verunsichert sind. Der Anweisung zufolge, die von Staatsministerin Christine Haderthauer stammt, sollen die Mediziner künftig jeden Vollrausch eines Jugendlichen dem Jugendamt melden. Wir halten das für einen Fehler, weil dann mancher Jugendliche nicht mehr in das Krankenhaus gehen wird.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Zwar korrigierte sich Christine Haderthauer - sie ist leider nicht anwesend - und sagte, sie habe das nicht so gemeint. Aber es bleiben Restzweifel. Deswegen finde ich es richtig, dass hierzu ein Antrag gestellt wurde,

über den namentlich abgestimmt wird. Die Damen und Herren der CSU und der FDP können dann zustimmen.

Der Antrag der SPD ist unterstützenswert, ebenso der Antrag betreffend eine Aufklärungskampagne "Null Promille in der Schwangerschaft". Was kann man gegen den Antrag haben? - Meine Damen und Herren, das würde mich interessieren.

Ziehen wir das Fazit: Wir beantragen zu allen drei Anträgen der Freien Wähler namentliche Abstimmung. So muss Schwarz-Gelb Farbe bekennen. Was wird passieren? - CSU und FDP werden gegen die Ausweitung der Suchtprävention stimmen, obwohl sie in ihren Reden eigentlich immer dafür sind. Ministerin Haderthauer hat im Februar 2010 die Ausweitung der Suchtberatungsstellen gefordert. Wir haben ihren Vorschlag aufgenommen und einen Antrag formuliert. Trotzdem wird die Koalition die Forderung von Christine Haderthauer wahrscheinlich ablehnen.

Am 27. Oktober 2009 sagte Melanie Huml, mit dem Antrag zu Flatrate-Partys werde Richtiges angesprochen und gesetzliche Maßnahmen habe das Ministerium in der Schublade. Innenminister Herrmann hat dies auch bestätigt. Heute will die CSU gemeinsam mit der FDP ihre eigenen Forderungen ablehnen. - Verkehrte Welt im Bayerischen Landtag, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Herr Innenminister Herrmann, Sie sind ein Mann der klaren, deutlichen und oft auch sehr lauten Worte. Sie haben in den letzten drei Jahren das nächtliche Verkaufsverbot für Alkohol an Tankstellen sechsmal angekündigt. Inzwischen geschieht es einmal pro Woche. Die Presse schreibt brav mit und bemerkt das wöchentliche Schauspiel nicht. Die CSU wird den Antrag der SPD wieder ablehnen, obwohl sie selbst dies seit Jahren fordert. - Verkehrte Welt in Bayern.

Die CSU schlägt in ihrem Antrag vor, einen Präventionspakt ins Leben zu rufen. Sie möchte im Rahmen vorhandener Mittel mehr Stellen für die Lebensqualität und eine effektive Suchtprävention erreichen. Das geht nicht, meine Damen und Herren! Sie können mit den vorhandenen Mitteln und dem bestehenden Personal keine flächendeckende Suchtprävention erreichen, da Sie nur in 28 Landkreisen das "HaLT-Projekt" haben. Ich verstehe nicht, warum das ein Dringlichkeitsantrag sein musste. Was ist dringlich daran, einen Bericht zu fordern, aber keine Maßnahmen durchzuführen? - Wir erwarten konkrete Maßnahmen. Sie fordern die Evaluierung der bestehenden Suchtpräventionsprojekte. Wir haben uns auch damit beschäftigt. Das Projekt "HaLT" ist schon evaluiert. Was soll man noch machen? Sie haben schon viel Papier produziert. Wir brauchen jetzt aber konkrete Taten und konkrete Maßnahmen wie

Verbote und nicht nur Prüfberichte. Ich weiß nicht, was die FDP noch sagen wird. Ich meine, Sie werden prüfen und prüfen und so weiter.

Eines zeigt der gestern Abend eingereichte Dringlichkeitsantrag auch: Sie fordern die Staatsregierung auf, ein Gesamtkonzept zur Eindämmung des Alkoholmissbrauchs von Kindern und Jugendlichen vorzulegen. Damit geben Sie zum ersten Mal offiziell zu, dass die Staatsregierung bisher kein Gesamtkonzept hatte.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Nicht nur Innenminister Herrmann ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet, vielleicht die ganze CSU. Sie könnten heute aber noch anders abstimmen.

Wofür steht die FDP? Was soll der Bürger von ihr denken? Sie wissen, in Baden-Württemberg gibt es eine Koalition von CDU und FDP. Die FDP im Landtag von Baden-Württemberg hat das Verbot des Verkaufs von Alkohol an Tankstellen beschlossen und trägt es mit. Der Bürger hier liest das auch. Wo ist die Linie der FDP? - Ich kann sie nicht erkennen.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Ich blicke bei der FDP nicht durch. Es geht einmal hü und einmal hott.

(Tobias Thalhammer (FDP): Was sagen die Freien Wähler in Baden-Württemberg?)