Der wahre Kern des Antrags liegt in Folgendem: Ein Konzern wie Siemens wird immer zusehen, wo er seine Leistungen am günstigsten produziert. In diesem Zusammenhang halte ich die Ausdrücke "bestehende Produktlinien" und "neue Produktlinien" für wichtig. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie auch die Regionalverträglichkeit genannt hätten; denn es geht wirklich um die Verträglichkeit in der Region.
Ein Konzern wie Siemens lebt nicht nur davon, dass er ältere Produkte ein Leben lang um den Globus schiebt, bis er irgendwann den günstigsten Standort erwischt
hat, sondern auch davon, dass in diesem Konzern jeden Tag etwas Neues erfunden wird. Wer zum Standort Deutschland steht, muss, wenn er alte Produktlinien verlagert, dafür sorgen, dass er die Produktionsanlagen in Deutschland und vor allem die gut ausgebildeten Menschen meiner Region mit neuer Arbeit versorgt. Man kann erwarten, dass die Politik in diese Kerbe schlägt. Das wäre realistisch. In diesem Sinne möchte ich den Antrag verstehen.
Was die Aufforderung an die Staatsregierung angeht, das Ihre mit dem größtmöglichen Nachdruck zu tun, so sage ich: Ich habe erlebt, dass der Wirtschaftsminister am Ort war. Ich habe in dieser Hinsicht Kontakt zur Staatsregierung, auch zum Ministerpräsidenten. Ich habe schon neulich gesagt: Es hilft den Menschen in meiner Region überhaupt nicht, wenn jedes Wort, das in der Öffentlichkeit gesagt wird, auf die Goldwaage gelegt wird.
Die Politik muss sich schon daran messen lassen, dass mit dem Hebel, über den sie verfügt, auf Siemens eingewirkt wird. Ich habe feststellen können, dass der Wirtschaftsminister und die Staatsregierung insgesamt dies tun werden.
Trotzdem bin ich dankbar, dass der Landtag das Thema noch einmal aufgreift. Denn man kann jede nur mögliche Unterstützung für die Region mit Dankbarkeit annehmen. - Wir werden dem Antrag zustimmen.
(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Vor genau neun Wochen haben wir uns mit dieser Thematik hier im Parlament befasst. Die lokalen Abgeordneten sind seitdem ständig an dem Thema dran. Ihr Antrag, Herr Aiwanger, ist inhaltlich absolut deckungsgleich mit dem Antrag, den die SPD-Fraktion am 4. Februar eingebracht hat.
Im Übrigen irritiert es mich, auf wie wenig Interesse Ihr Dringlichkeitsantrag in der eigenen Fraktion stößt. Ich hätte mir da etwas mehr Unterstützung gewünscht.
Vor neun Wochen habe ich hier geschildert, wie die Ankündigung der Siemens AG, in Bad Neustadt 840 Arbeitsplätze abzubauen, die Region unter Schock gesetzt hat. Die Empörung hält an. Ich muss Ihnen sagen:
Die dunklen Wolken der Strukturkrise, die in den RhönLandkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld damals schon wahrzunehmen waren, haben mich dazu gebracht, eine dringende Sturmwarnung an die Staatsregierung loszulassen. - Bedauerlicherweise ist von der Staatsregierung hier jetzt niemand vertreten, abgesehen von Minister Zeil. - Ich hatte gefordert, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, damit wir gut durch den Sturm kommen.
Aber was ist inzwischen geschehen? Heute, neun Wochen später, erkennen wir, dass das Auge des Sturms die Region erreicht hat und, bildlich gesprochen, Erdrutsche und Hochwasser hinzugekommen sind. Strukturell war es um die Rhön und die betroffenen Landkreise noch nie sehr gut bestellt. Die Region musste etliche Strukturkrisen überwinden wie Veränderungen im Kur- und Rehawesen oder auch infolge der Konversion.
Ende Januar kam dann die Botschaft von Siemens. Seitdem kommen die Tiefschläge für die Region nahezu im Wochentakt.
Inzwischen sind in der Region Main-Rhön 1.720 Stellen akut gefährdet: Bei Bosch Rexroth 600, Frank in Schweinfurt 150, Husqvarna in Gochsheim über 100 Arbeitsplätze. Die Saale-Zeitung in Bad Kissingen, übernommen von der Mediengruppe Oberfranken, kündigt eine Reduzierung um 50 % der Arbeitsplätze an. Das Bekleidungswerk Dressler in Stadtlauringen, Landkreis Schweinfurt, erklärt der Belegschaft kurz vor dem Osterurlaub, dass ihr Werk zum Jahresende geschlossen und die Produktion nach Aschaffenburg verlagert wird. Eine Hiobsbotschaft kommt nach der anderen.
Der Herr Ministerpräsident kennt die Region mit ihren Schwächen und Stärken. Er weiß und auch Sie, meine Damen und Herren, wissen, dass diese Arbeitsplatzverluste - die Arbeitsagentur spricht in der Gänze, im worst case von mehreren Tausend - von der Region nicht zu kompensieren sind.
Um im Bild der Sturmwolken zu bleiben, die sich noch mehr verfinstern: Wenn Sie sich vor Augen führen, dass unglaubliche 30.000 Beschäftigte in der Region kurzarbeiten bei insgesamt nur 150.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, können Sie das Ausmaß der Bedrohung erkennen. Was da auf meine Heimat zukommt, mag ich mir gar nicht ausmalen. Deshalb geht mein dringlicher Appell an die Staatsregierung: Machen Sie die Entwicklung des ländlichen Raumes endlich zur Chefsache.
Speziell im Fall Siemens erwarten wir ganz einfach, dass der Fall Siemens in dem Maße zur Chefsache ge
macht wird, wie es uns der Ministerpräsident am 4. Februar hier in diesem Hohen Hause von diesem Pult aus zugesagt hat.
Bislang haben wir, die Menschen vor Ort, die bei Siemens Beschäftigten und auch die verantwortlichen Kommunalpolitiker hiervon nichts gespürt. Wir erwarten von der Staatsregierung, dass sie Siemens an seine Verantwortung für die Beschäftigten, aber auch für die Region erinnert. Ich erwarte vor allem auch von der Staatsregierung, dass sie wesentlich enger mit den vor Ort verantwortlichen Kommunalpolitikern zusammenarbeitet.
Über 70 Jahre lang hat nicht nur die Region gut von Siemens profitiert, sondern Siemens auch von der Region. Die Kommunen waren ein verlässlicher Partner; es waren 70 erfolgreiche Jahre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es macht die verantwortlichen Kommunalpolitiker sehr betroffen, wenn das für Deutschland und Europa zuständige Siemens-Vorstandmitglied, Professor Russwurm, jegliche Verantwortung für die Region von sich weist und, konfrontiert mit den ganzen negativen Konsequenzen, dem verantwortlichen Landrat lapidar erklärt, das müsse man einfach hinnehmen.
Mich macht diese Kaltschnäuzigkeit fassungslos und wütend. Ich bin wirklich richtig wütend. Es kann und es darf doch nicht sein, dass sich ein deutscher Weltkonzern, ein Global Player, finanziell und strategisch gut aufgestellt, der in der Vergangenheit sehr von der öffentlichen Hand profitiert hat und trotz Korruptionsskandal nicht in Ungnade fiel, sang- und klanglos von wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Leitbildern unserer sozialen Marktwirtschaft entfernen kann.
Sie, meine Damen und Herren von der Staatsregierung - im Augenblick ist nur ein Herr von der Staatsregierung da - schauen zu, Sie treffen sich mit dem Vorstand zur Plauderstunde in der Staatskanzlei, Sie reden über einen sozial verträglichen Arbeitsplatzabbau, wohl wissend, dass die gesamte Region für eine regional verträgliche Lösung kämpft. Kollege Dr. Weiß hat das bereits erklärt. Wir werden keinen Arbeitsplatz verloren geben.
Über unser Unverständnis zu einem solchen Verständnis sage ich heute nichts mehr; das haben wir vor neun Wochen diskutiert. Aber ich sage Ihnen doch: Hier sitzt der Stachel bei den Menschen sehr tief. Wir werden diese Entscheidung, die nicht aus der Not heraus getroffen wurde, sondern allein der Gewinnmaximierung
dient, nicht akzeptieren. Es ist eine Entscheidung, die keine Rücksicht auf regionale Besonderheiten und auf den Arbeitsmarkt nimmt, eine Entscheidung, die den sozialen Frieden ganz gewaltig gefährdet. Das werden sich die Menschen in der Rhön nicht gefallen lassen.
"Die Rhön steht auf", das ist das Motto. Ich fordere Sie, meine Damen und Herren, auf, mit aufzustehen. Sie werden feststellen, dass Sie sich in bester Gesellschaft befinden.
Denn in der Rhön stehen inzwischen tatsächlich alle geschlossen Seit an Seit, seien es die politischen Parteien, die Kirchen, die Gewerkschaften, die Schulen, die Städte oder die Kommunen. Und ich sage Ihnen noch eines: Die Rhöner werden stehenbleiben; sie werden in ihrem Protest nicht nachlassen. Sie agieren nachhaltig und konsequent.
Glauben Sie bitte nicht, meine Damen und Herren, dass die Menschen ein politisches Kurzzeitgedächtnis haben. Sie werden sich sehr wohl merken, wer an ihrer Seite stand und wer nicht. Das wird - hier zitiere ich abschließend meinen Kollegen Dr. Weiß - zur Nagelprobe für die Politik werden.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dittmar. Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Scharfenberg für die Fraktion DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Seehofer antwortete in den letzten Tagen auf einen offenen Brief der örtlichen Landtagsabgeordneten Tolle und des örtlichen GRÜNEN-Bundestagsabgeordneten Fell: Siemens will langfristig am Standort Bad Neustadt festhalten - so ist heute in der "Mainpost" zu lesen - und einen zusätzlichen zweistelligen Millionenbetrag in zukunftsträchtige Bereiche investieren.
Wird es etwa so sein, meine Damen und Herren, dass in neuen Bereichen neu investiert wird? Wenn es in zukunftsträchtigen Bereichen geschieht, dann wissen wir auch, in welchen. Sinnvoller wäre es, in neue Arbeitsplätze in der Windkraft und in der Solarbranche in der Rhön zu investieren.
Demgegenüber kündigte Siemens an, etwa 8.000 neue Arbeitsplätze in Indien genau in diesem Bereich zu schaffen. Wir kämpfen aber seit Jahrzehnten für die Umsetzung hier vor Ort in Bayern und nicht in Indien.
Wir wollen hier regionale Arbeitsplätze, aber wir sind im Grunde dabei von der Politik nicht unterstützt worden.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sich also für zukunftsträchtige Jobmaschinen wie die Solarenergie einsetzen, wie es Herr Seehofer laut heutiger "Mainpost" ankündigte, müssen Sie endlich auf Landes- und Bundesebene ein einheitliches Bild abgeben.
Sie dürfen nicht wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, das jetzt novelliert werden soll, plötzlich auf die Bremse treten. Das geht nicht.
Wenn es Betroffenheiten gibt, ist es unsere Verantwortung, das den Politikern Menschenmögliche zu tun, um der jeweiligen Region zu helfen. Das gilt auch für den Fall Rhön-Grabfeld."
Ich lege Wert darauf, dass wir nicht einfach die Backen aufblasen und die Versprechen anschließend nicht einhalten können. Wir müssen das, was wir der Bevölkerung und der Region zusagen, auf Dauer einhalten können. Deshalb kommt es uns auf Sorgfalt und auf Nachhaltigkeit mehr an als auf das Gespräch oder die Aktion der Stunde.
"Durch Rituale in der Aktuellen Stunde wird niemandem geholfen", so sagte er weiter. "Wir müssen strukturell und politisch so antworten, dass wir unsere Zusagen gegenüber der Bevölkerung auf Dauer einhalten können."