Protocol of the Session on April 16, 2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie einladen, an der Sitzung des Bayerischen Landtags teilzunehmen. Ich eröffne die 124. Vollsitzung. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Kollegen Imhof herzlich zu einem runden Geburtstag gratulieren, den er heute feiert – mit uns als Gästen, Herr Imhof.

(Beifall)

Ich trinke Weißbier, Herr Imhof! Jetzt hört er wieder nicht zu. Ich trinke Weißbier.

(Zuruf von der CSU: Ich auch!)

- Wir beide trinken Weißbier. Herzlichen Glückwunsch!

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Dauerbaustelle G 8 - keine weiteren Schlaglöcher stopfen, sondern vernünftige Alternativen schaffen: Wahlfreiheit G 8/G 9"

In der Aktuellen Stunde dürfen, wie Sie wissen, die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Die weiteren Regularien sind wie immer.

Erster Redner in der heutigen Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Kollege Felbinger. Ich darf Sie um Aufmerksamkeit bitten. Herr Felbinger hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das G 8 kommt nicht zur Ruhe.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das ist keine Feststellung von mir, sondern ich zitiere aus der Titelseite des "Münchner Merkur" vom 13. Juli 2012, also acht Jahre nach dessen Einführung im Schuljahr 2004/2005. In einer chronologischen Aufzählung werden die Startschwierigkeiten ebenso wie die vielen dann auftretenden Schlaglöcher präsentiert. Es ist dies die Beschreibung einer Dauerbaustelle G 8, die in Bayern schon vor der eigentlichen Einführung im Jahr 2004/2005 begonnen hat, nämlich mit der Entscheidung des damaligen Ministerpräsidenten

Stoiber, in einer Nacht- und Nebelaktion das G 8 konzeptlos und ohne Vorbereitung einzuführen.

Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, wenn wir eines daraus gelernt haben, dann das: Überzogener Ehrgeiz sowie Selbstüberschätzung eines selbstherrlichen Ministerpräsidenten dürfen in Bayern nie wieder überfallartig eine sogenannte Bildungsreform verordnen,

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

vor allem dann nicht, wenn diese Reform eine bis dato sehr gut funktionierende und florierende Schulart schwer beschädigt. Ich wähle bewusst diese deutlichen Worte und spreche von Schaden;

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

denn wir alle haben diese Entscheidung von Anfang an als schlimm empfunden. Ich erlebte als Abgeordneter in den letzten viereinhalb Jahren – die Oppositionskollegen noch viel länger – die verzweifelten Versuche, Loch um Loch dieses unüberlegten Konzeptes zu stopfen und mit Pinselstrich um Pinselstrich die Dellen und Unzulänglichkeiten zu übermalen.

Meine Damen und Herren, ich sprach eingangs von einer Baustelle, die viele Schlaglöcher hat, die sich mittlerweile zu einem Schadensbericht summieren. Wir alle wissen, wie wichtig Bildung für unser Land ist und dass wir alle Bildungsreserven mobilisieren müssen, um Deutschland und Bayern weiter an der Spitze der Industrienationen halten und damit auch unseren sozialen Frieden bewahren zu können. Ich habe lange gemeint, man sieht diese Notwendigkeit auch in Bayern. In der Tat wurde die Hauptschule massiv um ein neuntes und sogar um ein zehntes Schuljahr aufgewertet. Das war richtig. Die Realschule wurde massiv um zwei Schuljahre aufgewertet. Auch das war richtig. Es war aber absolut falsch, das Gymnasium um ein ganzes Jahr zu kürzen und dabei zu glauben, dessen Schülerinnen und Schüler könnten den gewachsenen und noch wachsenden Anforderungen der Zukunft genügen, ohne den notwendigen umfangreichen Veränderungen im Stundenplan Rechnung zu tragen.

Nach meiner festen Überzeugung wäre genau das Gegenteil richtig gewesen, nämlich das Gymnasium inhaltlich fortzuentwickeln, um dessen Schülerinnen und Schüler fit zu machen für die Aufgaben der Zukunft. Schließlich bildet das Gymnasium den größten Teil derjenigen aus, deren Kreativität, Originalität und soziale Kompetenz einmal den materiellen Wohlstand unseres Landes und den sozialen Wert unserer Gesellschaft entscheidend mitbestimmen und weiterentwickeln sollen.

Es wurde in einem ersten Schritt völlig übersehen, dass die gut funktionierende Verbindung von Wohnort und Schulort unterbrochen wurde, indem man die gleiche Zahl von Unterrichtsstunden des neunjährigen Gymnasiums komprimiert auf das achtjährige übertragen hat.

Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert am 17. März dieses Jahres unter dem Titel "Flucht vor dem Gymnasium" den Schulleiter des Veit-Höser-Gymnasiums im niederbayerischen Bogen: "Schüler, die um 15.00 Uhr Unterrichtsschluss haben, müssen bei uns unter Umständen bis 16.45 Uhr warten."

Ein weiteres Beispiel, das Gymnasium in Pfarrkirchen: Der Schulbus kann nur ein einziges Mal in der Woche am Nachmittag fahren. Alle Nachmittagsstunden müssen auf diesen Nachmittag gelegt werden.

Ich habe den Eindruck, dass die Verantwortlichen die Schulwegproblematik überhaupt nicht gesehen haben.

Der nächste Fehler: Es gibt kein Konzept, welche Organisationsform das G 8 haben sollte, ob Ganztagsschule oder Schule mit erweitertem Vormittagsunterricht. Viele offene Fragen kamen auf die Schulleiter zu, die - das muss man sagen - dafür gesorgt haben, dass das in den letzten Jahren einigermaßen funktioniert hat.

Eine ganz wichtige Sache, die sich ausgewirkt hat, ist das Übertrittsverhalten. Es hat sich vor allem auf die Gymnasien auf dem Land ausgewirkt. Wenn man die Übertrittsquoten betrachtet, die ja objektiv nachprüfbar sind, muss man feststellen, dass es landesweit 39,5 % sind, im Landkreis München 63,5 %, im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen 25,1 %. Zwei Zahlen machen mich nachdenklich, meine Damen und Herren, nämlich die Zahl der Landkreise München und Neuburg-Schrobenhausen. Einerseits leben die bildungsnahen Schichten auch um München herum. Aber sind alle diese Kinder wirklich so viel mehr für das Gymnasium geeignet?

Herr Kollege Felbinger, schauen Sie bitte auf die Uhr.

Andererseits, verbauen wir Schülerinnen und Schülern in NeuburgSchrobenhausen denn nicht die Chance? - Okay. Wenn meine Redezeit zu Ende ist, dann lasse ich es mal dabei.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Felbinger. Nächster Redner ist Herr Ei

senreich. Bitte schön, Herr Kollege Eisenreich. Fünf Minuten! – Entschuldigung, die CSU-Fraktion hat für Herrn Eisenreich zehn Minuten beantragt. Bitte schön.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man merkt, der Wahlkampf hat begonnen – zumindest bei der Opposition.

(Unruhe bei der SPD und den FREIEN WÄHLER – Zuruf des Abgeordneten Harald Güller (SPD))

Bei uns nicht. Wir haben noch Zeit. Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land gut bewerten können, was wirklich durchdachte Vorschläge sind, um etwas voranzubringen,

(Harald Güller (SPD): War das G 8 durchdacht?)

oder ob man Wahlkampf macht. Das können wir den Bürgerinnen und Bürgern ruhig überlassen. Sie werden das richtig werten.

Unser Ziel ist es, dass jeder Schüler entsprechend seiner Begabung einen Weg zu einem bestmöglichen Abschluss findet. Wir brauchen jede Schülerin, jeden Schüler. Wir brauchen jedes Talent. Deswegen ist es immer der Mühe wert, zu diskutieren, sich auszutauschen, wie man Schule verbessern und gestalten kann.

Bevor ich auf das Gymnasium und auf die aktuelle Debatte eingehe, möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. Das gerechteste und beste Schulsystem besteht dann, wenn es öffentliche Schulen von hoher Qualität gibt. Das bayerische Gymnasium ist das Flaggschiff in Bayern. Wenn es irgendwann bei uns englische oder amerikanische Verhältnisse gäbe, bei denen die guten und teuren Schulen die privaten und die schlechten und kostenlosen Schulen die öffentlichen sind, dann hätte die Bildungspolitik tatsächlich versagt.

Dies ist in Bayern nicht der Fall. Denn in Bayern haben wir gute öffentliche Schulen von hoher Qualität. Wer wie die Opposition immer wieder die Axt an die Qualität der Schulen legt, insbesondere beim Gymnasium, und Gemeinschafts- und Einheitsschulen einführen will, schadet der Bildung und der Chancengerechtigkeit in diesem Land.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Sie haben die Axt geführt! Sie haben das Fundament zerstört!)

- Herr Aiwanger, beruhigen Sie sich doch bitte! Sie sind auch noch dran.

CSU und FDP stehen für Qualität, für Bildungs- und Chancengerechtigkeit in diesem Land.

Das Gymnasium hatte große Herausforderungen zu bewältigen. Neben dem G 8 gab es das G 9. Es gab eine neue Konzeption des Lehrplans, eine stärkere Öffnung nach außen und einen doppelten Abiturjahrgang. Die Schulen, die Eltern, Lehrer und Schüler haben diese Situation gut gemeistert. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Beteiligten herzlich dafür bedanken.

Die Staatsregierung, das Kultusministerium und wir im Bildungsausschuss und im Bayerischen Landtag haben dann Bilanz gezogen. Wir haben uns berichten lassen, Anhörungen durchgeführt und darüber diskutiert. Das Ergebnis war: Das achtjährige Gymnasium hat sich bewährt. Beim G 8 geht es nicht nur um die Verkürzung der Schulzeit, sondern auch um eine neue Konzeption. Es geht um eine Stärkung des Grundwissens, der Kernfächer und der Kernkompetenzen. Es geht um eine inhaltliche Weiterentwicklung, um eine Öffnung der Schulen nach außen und um eine Verbesserung der Förderung. Wir haben erreicht, dass sich die Übertrittsquoten erhöht haben und die Zahl der Pflichtwiederholer abgenommen hat. Die Abiturientenquote hat sich erhöht.

Immer wieder sollte man betonen, dass Bayern im Vergleich mit den anderen Ländern die höchste Quote an Schülern hat, die an die Universität wechseln. Wir haben also die höchste Quote des Übergangs zur Universität.

Im Sommer letzten Jahres haben wir auf Initiative unseres Ministerpräsidenten die Frage untersucht, ob wir mit dem Erreichten zufrieden sein können. Wir haben gefragt: Brauchen wir weitere Maßnahmen? In der Staatskanzlei wurden zwei Runde Tische veranstaltet. Dabei ist ein relativ eindeutiges Ergebnis herausgekommen: Wir brauchen keine Strukturänderungen, sondern eine Verbesserung der Ausstattung, und wir brauchen für die Schulen mehr und flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten. Genau diese sind im letzten Sommer auch noch geschaffen worden.

Zu der bereits eingeführten Mobilen Reserve ist auch noch die integrierte Lehrerreserve gekommen. Das war ein großer Wunsch der Lehrer und Eltern schon seit Jahren. Die integrierte Lehrerreserve wird bis Ende 2014 an allen staatlichen Schulen eingeführt.

Des Weiteren gibt es für die Schulen Möglichkeiten, sowohl die Förderung zu intensivieren und zu stärken als auch neue Gestaltungsformen zu verwirklichen, zum Beispiel durch die Einführung des Flexibilisierungsjahres.

Es kommt noch die Frage auf – unabhängig vom Wahlkampf -: Reichen die bisherigen Maßnahmen aus? Ist noch etwas Neues notwendig? Darauf gebe ich eine ganz klare Antwort: Was jetzt notwendig ist, ist Ruhe an den Schulen, einfach Ruhe, weiter nichts.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Es wird aber wieder unruhig!)