Protocol of the Session on February 12, 2009

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Die Vorlage des Sozialberichts ist der Auftakt der Diskussion.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Auftakt nach zehn Jahren!)

Ich möchte das ausdrücklich noch einmal sagen, weil ich nicht der Auffassung bin, dass wir diesen Diskussionsprozess innerhalb eines kurzen Zeitraums abschließen können. Es ist nicht nur der Umfang, es ist auch die Vielfalt in den 14 Kapiteln niedergelegt, die deutlich macht, dass wir politisch handeln müssen.

Insbesondere - lassen Sie mich das in einer grundsätzlichen Feststellung sagen - sehen wir Handlungsbedarf bei den Themenbereichen Familie und Alleinerziehende. Bayern ist und muss Familienland Nummer eins in der Bundesrepublik sein. Dafür werden wir alles tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und des Abge- ordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Ich mache mir große Sorgen - das sage ich ganz offen, das ist aber kein spezifisch bayerisches Problem, Kolleginnen und Kollegen, sondern eines, das die gesamte Bundesrepublik betrifft - über die immer mehr zunehmende Dominanz von Zeitarbeit, von prekären Beschäftigungsverhältnissen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

- Da nutzt es gar nichts, Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie heuchlerisch versuchen, das herunterzureden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wer ist denn da heuchlerisch?)

Es ist notwendig, dass wir ernsthaft miteinander über dieses Thema diskutieren und Wege gehen, die für die Wirtschaft, aber vor allen Dingen für die Betroffenen, für Arbeitgeber und Gewerkschaften, für Arbeitnehmer und ihre Familien gangbar sind.

(Ludwig Wörner (SPD): Heißt das, dass Sie dem Mindestlohn zustimmen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Migration und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund werden in diesem Land eine der zentralen Aufgaben sein. Wir haben hier - das ist auch eine Konsequenz aus dem Sozialbericht - einen besonderen Handlungsbedarf.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Gott sei Dank! Christa Naaß (SPD): Auch schon seit zehn Jahren!)

Darüber müssen wir nicht nur miteinander diskutieren, sondern das war auch auf dem gestrigen Bildungsgipfel ein ausgesprochen positiver Schritt,

(Christa Naaß (SPD): Völlig unbefriedigend!)

der zu mehr Bildungsgerechtigkeit und zu weniger Armut führt, in dem Kinder und Familien einen entsprechenden Bildungszugang haben. Dafür sage ich der Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbänden ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und des Abge- ordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz auf die Ursachen eingehen, die dazu geführt haben, dass der Sozialbericht erst jetzt vorgelegt wird.

(Lachen der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

Das ist kein vorgeschobenes Argument, sondern Sie müssen sich das selbst einmal zu Gemüte führen.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Machen wir ja!)

Wenn man eine halbe Million Euro für einen notwendigen, einen veritablen Sozialbericht ausgibt, darf das nicht auf einer Datenbasis erfolgen, die auf einer völlig veralteten Rechtslage beruht. Deswegen war es notwendig, die Konsequenzen aus der Hartz-Gesetzgebung abzuwarten und erst dann eine Bewertung der Daten vorzunehmen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ich frage mich, wie das der Bund geschafft hat!)

Es gibt noch einen zweiten Punkt. Darüber haben wir wiederholt diskutiert, Kolleginnen und Kollegen. In der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung steht, dass Sozial- und Armutsberichterstattung in Zukunft kompatibel zwischen Bund und Ländern erfolgen soll. Ich halte das auch für sinnvoll und notwendig, weil wir sehr wohl länderübergreifende Strategien zur Armutsbekämpfung vornehmen müssen. Dazu ist es notwendig, dass man die Grundlagen des Bundesberichts hernimmt. Dieser ist ein halbes Jahr verspätet vorgelegt worden. Dann ist sofort mit den Strukturanpassungen durch das Ministerium, durch die Wissenschaftler begonnen worden. Das ist der richtige Weg einer miteinander vernetzten Berichterstattung, die der Sozial- und der Gesellschaftspolitik insgesamt nutzt.

Schließlich ist es auch der Abstimmungsbedarf zwischen den einzelnen Politikbereichen und den Ressorts gewesen. Es ist eine legitime Aufgabe, dies vorzunehmen. So stehen wir heute am Beginn einer Diskussion,

(Renate Ackermann (GRÜNE): Die zehn Jahre vorher hätte in Gang kommen können!)

in der wir konstruktiv mit Verbänden, Arbeitgebern und Gewerkschaften, mit den Wohlfahrtsverbänden, den Selbsthilfeorganisationen, mit allen Betroffenen ins Gespräch kommen werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige grundsätzliche Gedanken aus der ersten Bewertung des Sozialberichts vornehmen.

Erstens: Auf den positiven Entwicklungen und Strukturen im Freistaat Bayern ist aufzubauen. Der Landessozialbericht zeigt, dass das nominal verfügbare Einkommen der bayerischen Bevölkerung um 6 % über dem Durchschnitt des Bundes lag. Er zeigt, dass die Nettovermögen je Haushalt um durchschnittlich 24 % höher als im gesamten Westdeutschland waren. Während im Bundesgebiet 10,6 % Bezieher von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld waren, sind es im Freistaat Bayern vor einem Jahr rund 5 %, nur halb so viele wie im Bundesdurchschnitt, gewesen. Trotz der bekannten und auch im Landessozialbericht wieder festgestellten innerbayerischen Unterschiede hat auch der Norden Bayerns im Bundesvergleich wieder gute Beschäftigungsund Arbeitsmarktzahlen vorzuweisen. Obwohl es, Kolleginnen und Kollegen, in der Tat hier viel und großen Handlungsbedarf gibt, würden sich andere Bundesländer im Ranking mit uns die Finger abschlecken, wenn sie die Bedingungen hätten, wie wir sie in den von Ihnen so bezeichneten strukturschwächeren Gebieten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und des Abge- ordneten Tobias Thalhamer (FDP))

Erfreulich ist, dass die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen in den vergangenen Jahren in Bayern deutlich gestiegen ist, und zwar sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlichen Arbeitgebern.

Zweitens: Armut von Familien und Kindern muss präventiv bekämpft werden. Meine Damen und Herren, unsere Sozialpolitik ist durch verschiedene Säulen definiert, wie Familien mit Kindern geholfen und Unterstützung zuteil werden soll. Die erste Säule ist - und das möchte ich in dem Zusammenhang grundsätzlich feststellen - der Zusammenhang zwischen Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik. Gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen

(Renate Ackermann (GRÜNE): Und umgekehrt!)

sind eine Voraussetzung dafür, dass wir auch in der sozialen Marktwirtschaft eine bedarfsentsprechende Sozialpolitik vornehmen können. Das gilt für die Familienpolitik genauso wie für andere soziale Bereiche. Diesen Zusammenhang zwischen Sozial- und Wirtschaftspolitik herzustellen ist eine entscheidende Aufgabe. Da werfe ich den Sozialdemokraten in der Geschichte unseres Landes vor, dass sie diesen Zusammenhang sehr häufig verleugnet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Dr. Thomas Beyer (SPD): Sie haben ja keine Ahnung!)

Bayern ist für Familien ein attraktiver Standort.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

Die geringste Arbeitslosenquote, die höchste Erwerbstätigkeitsquote bei Frauen sowie die mit großem Abstand niedrigste Quote bei Kindern, die auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind, sowie die in Schulleistungsvergleichen ausgewiesenen Spitzenpositionen weisen den Freistaat Bayern als Land aus, in dem Familien mit die besten Rahmenbedingungen vorfinden. Ich sage aber an dieser Stelle nochmals: Wir haben einen großen Handlungsbedarf, was die finanzielle Entlastung von Familien mit Kindern und das besondere Schicksal - ich sage das ausdrücklich - von Alleinerziehenden anbelangt,

(Beifall der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

die trotz ihres Fleißes und trotz ihrer Alltagsbewältigung häufig vor Strukturen stehen, mit denen sie nicht zu

Rande kommen. Da ist es unsere Aufgabe und unsere Pflicht und Schuldigkeit,

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

ohne uns in die Privatsphäre von Menschen einzumischen, dafür zu sorgen, dass sie Rahmenbedingungen haben, um vernünftig leben zu können. Das gilt für finanzielle Entlastungen.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von der SPD)

Ich bin der Meinung, dass wir noch nicht am Ende der Diskussion über die Weiterentwicklung des Landeserziehungsgeldes sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich bin übrigens auch der Meinung, dass allein eine Reduzierung der Fragestellung der Familienpolitik, der Entlastung und Förderung von Alleinerziehenden sowie von Familien mit Kindern auf einen Bereich falsch ist. Es ist notwendig, dass Sie alle miteinander die finanzielle Entlastung als solche als einen Baustein zukunftsorientierter Familienpolitik akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich lade Sie herzlich dazu ein, gemeinsam mit uns diesen Weg zu gehen.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))