Protocol of the Session on December 11, 2012

Statt teure Prämien für die Nichtinanspruchnahme von öffentlichen Infrastrukturleistungen mit Fehlanreizen auszuloben, müssen wir der Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen unbedingte Priorität einräumen und die Mittel hierfür gezielt einsetzen. Übrigens können wir Sozialdemokraten das besonders gut.

(Lachen bei der CSU)

Das hat uns sogar Frau Ministerin Haderthauer bestätigt. Ich wollte von Frau Ministerin Haderthauer wissen, wie es um die Quote der Betreuung von Ein- bis Dreijährigen in Bayern steht, und siehe da: Entgegen Ihren Ausführungen, Herr Ministerpräsident, liegt München mit 54 % unter den bayerischen Städten nach Frau Haderthauers Zahlen auf einem sehr guten dritten Rang hinter den sozialdemokratisch regierten Städten Coburg − Oberbürgermeister Norbert Kastner − und Passau − Oberbürgermeister Jürgen Dupper. Gold, Silber und Bronze unter den 25 kreisfreien Städten gehen an die SPD.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Harald Güller (SPD): Lügen haben kurze Beine, Herr Ministerpräsident!)

Allein die bayerische Landeshauptstadt stellt mit 14.729 Kinderkrippenplätzen knapp die Hälfte − 52 % − aller bayerischen Kinderkrippenplätze zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD)

Das ist spitze.

(Zuruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Herr Schmid fragt mich, wie es denn bei den Landkreisen aussieht. Er weiß, dass die SPD nur zehn Landräte in Bayern stellt. Man könnte vermuten, dass die Sozialdemokratie im Ranking keine große Rolle spielt. Doch nach Frau Haderthauers Zahlen schneiden die Sozialdemokraten im gesamtbayerischen Vergleich besonders gut ab. Die SPD führt auch hier mit dem Landkreis Coburg − 65 % − mit Landrat Michael Busch vor dem Landkreis München mit Landrätin Johanna Rumschöttel und dem Landkreis ErlangenHöchstadt − 55 % − mit Landrat Eberhard Irlinger. Auch hier: Gold, Silber und Bronze für die SPD.

(Beifall bei der SPD)

Vom Ministerpräsidenten gab es heute kein Wort zum Arbeitsmarkt, zur prekären Beschäftigung und dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch in Bayern weiter auseinandergegangen ist. Richtig ist: Wir haben in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern eine niedrige Arbeitslosenquote − den Konjunkturpaketen von Steinbrück und Steinmeier und dem Kurzarbeitergeld von Olaf Scholz sei Dank. Deshalb sind wir so gut durch die Krise gekommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sagen aber auch: Von einer Renaissance der sozialen Marktwirtschaft, die der Ministerpräsident mit dieser Bayerischen Staatsregierung herbeigeführt haben will, kann doch keine Rede sein. Im europäischen Maßstab fallen Haftung und Risiko immer noch auseinander. Die FDP weigert sich immer noch, die Finanztransaktionssteuer einzuführen. Mit der Hypo Real Estate haben wir im eigenen Land ein gutes Beispiel für eine Bank, die mit 100 Milliarden Euro gerettet werden musste.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): Und die WestLB?)

Herr Kollege, wir haben im Freistaat Bayern einen Arbeitsmarkt der zwei Geschwindigkeiten. Auf der einen Seite suchen die Unternehmen händeringend nach

qualifiziertem Fachpersonal, auf der anderen Seite wird der Niedriglohnsektor permanent ausgeweitet. Die Kluft zwischen hohen Einkommen und Niedriglöhnen wird immer größer. Sozial ist nicht das − so haben Sie es wieder formuliert −, was Arbeit schafft. Es geht um faire Löhne und gute Arbeit, damit die Menschen von ihrer eigenen Hände Arbeit leben können und nicht am Ende des Monats zum Amt gehen müssen, um sich Stütze abzuholen.

(Beifall bei der SPD)

Jeder dritte Arbeitsplatz in Bayern, der neu entstanden ist, ist in Ihrer Regierungszeit, Herr Ministerpräsident, in der Leih- und Zeitarbeit entstanden. Mittlerweile haben wir mehr als 200.000 Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer. Das sind mehr als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die SPD wird sich deshalb im Bund mit Blick auf die Leiharbeit für die Durchsetzung des Prinzips "Equal Pay − Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" einsetzen.

(Beifall bei der SPD)

In Regierungsverantwortung in Bayern werden wir ein Tariftreue- und Vergabegesetz mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro auf den Weg bringen, wie es in den meisten Bundesländern bereits existiert. Wir sagen: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge darf es keine Förderung von Dumpinglöhnen geben, die durch Sozialleistungen aufgestockt werden müssen. Die öffentliche Hand muss neben dem eigentlichen Vergabeauftrag eine zusätzliche Lohnsubvention hinterherschießen.

Sie haben heute kein Wort dazu gesagt, wie Sie in Bayern für mehr Bildungsfortschritt und Gerechtigkeit sorgen wollen. In Bayern hat ein Kind aus einer Arbeiterfamilie eine immer noch siebenfach geringere Chance, das Abitur zu machen, als ein Kind aus einer Akademikerfamilie. Im Umland der Verdichtungsräume geht laut aktuellem Bildungsbericht des Kultusministers fasst die Hälfte der Grundschulkinder aufs Gymnasium. In den ländlichen Teilräumen mit besonderem Entwicklungsbedarf ist es nicht einmal jedes dritte Kind. Die mangelhafte Infrastrukturplanung der Staatsregierung trägt dazu bei, dass in Bayern ganze Regionen abgehängt werden. Bildungschancen dürfen eben nicht vom Geldbeutel, von der Herkunft oder vom Wohnort der Eltern abhängen.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Wo sind diese Regionen?)

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband hat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte der noch bestehenden Haupt- und Mittelschuls

tandorte wegbrechen werden − von wegen kurze Beine, kurze Wege. Für viele Schülerinnen und Schüler in Bayern ist eine Anfahrt von 60 bis 70 Minuten und eine Abfahrt von 60 bis 70 Minuten Alltag. Die SPD wird das Schulsterben zu bremsen wissen, indem wir − hören Sie zu − die Schüler wie in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg unter einem Dach unterrichten.

(Beifall bei der SPD)

Die Gemeinschaftsschule, in der alle Schulabschlüsse angeboten werden, das längere gemeinsame Lernen, die Erhaltung von Schulstandorten, mehr Chancen für die Kinder sowie moderne Konzepte und Ganztagsschulangebote werden wir dort einführen und ermöglichen, wo Kommune und Schulfamilie dies beantragen. Wir werden mehr Eigenverantwortung in die Schule verlagern und nicht alles durch die Schablone des Münchner Kultusministeriums pressen. Wir werden den Druck aus den Familien nehmen und auch in Bayern ein Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten einführen. Die Familien können wählen, ob das Abitur in acht oder neun Jahren absolviert werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden endlich für eine vernünftige Ganztagsunterrichtsversorgung eintreten. Dort ist Bayern im Bundesländervergleich Schlusslicht. Nur knapp fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler in Bayern kommen in den Genuss von Ganztagsschulunterricht.

Meine Damen und Herren, am Ende der Legislaturperiode ist unverkennbar − das ist auch heute deutlich geworden −, dass die CSU auf die Vergesslichkeit der Wähler setzt. Mit einem Haushalt des "Schwamm drüber" holen Sie jetzt nach, was Sie jahrelang versäumt haben. Jetzt werden Trostpflästerchen geklebt und weiße Salbe verabreicht: Dort ein paar Milliönchen, hier eine kleine Überweisung, da ein Geschenkchen zur rechten Zeit. Schwarz-Gelb will sich mit Scheckbuch-Politik reinsten Wassers in die nächste Legislaturperiode retten. Nun rächt es sich, dass diese Regierung viele Jahre nicht mit politischem Gestalten beschäftigt war, wie Dr. Weiß es beschrieben hat, sondern mit sich selbst: Politisches Heckmeck, Zank und Streit, Neid und Eifersucht.

(Zuruf der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Erst vor wenigen Wochen haben die Schwarzen und die Gelben gedroht, dass die Gemeinsamkeiten aufgebraucht seien und das Vertrauen verspielt sei. Man brauche dringend Neuwahlen. Meine Damen und Herren, die Luft ist raus. Der Regierung Seehofer geht es nicht ums Gestalten. Dieser Regierung geht es nur ums Machthaben. Deshalb waren die Einlassungen

des Ministerpräsidenten heute nichts anderes als rednerisches Blendwerk und politische Gaukelkunst.

(Harald Güller (SPD): So ist es! - Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem hat der Ministerpräsident recht:

(Georg Schmid (CSU): Na immerhin!)

Die Menschen in Bayern lieben ihr Land. Sie lieben ihr Land mehr, als man es anderswo tut. Deshalb wünschen sich die Menschen in Bayern einen Ministerpräsidenten mit festem Standpunkt und klaren Prinzipien.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen in Bayern lieben ihr Land mehr, als man es anderswo tut. Deshalb wünschen sie sich eine Regierung, die sich beim Wort nehmen lässt. Sie wünschen sich eine Regierung, die Herausforderungen erkennt, benennt und anpackt. Deshalb hat Bayern eine bessere Regierung verdient, eine, die für ihre Ziele einsteht und die Menschen mit auf den Weg nimmt.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD - Alexan- der König (CSU): Ihre Rede ist Lichtjahre von der Realität entfernt!)

Ich erteile Herrn Kollegen Schmid für die CSU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rinderspacher, die Alpen haben weder wir noch Sie aufgeschüttet. Eines kann ich Ihnen sagen: Bayern hat sich in den letzten 50 Jahren am besten von allen Ländern in dieser Republik entwickelt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Aber nicht in den letzten vier Jahren!)

Bayern hat sich in den letzten 50 Jahren von einem Agrarland zu einem Hightech-Land entwickelt. Dazu haben die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mutigen Unternehmer, aber auch eine kluge, vernünftige, wegweisende und zukunftsorientierte Politik in der Verantwortung der Christlich-Sozialen Union und in den letzten vier Jahren zusammen mit der FDP beigetragen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das ist sicher.

Ich kann Ihnen sagen: Mit den Vorstellungen, die Sie heute vorgetragen haben, Herr Rinderspacher, können Sie dieses Land niemals führen. Die Bürgerinnen und Bürger werden Ihnen Bayern niemals anvertrauen; da können Sie sicher sein, Herr Rinderspacher.

(Beifall bei der CSU und der FDP − Zurufe von der SPD)

- Ich habe die 43 Minuten, die Ihre Rede gedauert hat, genau zugehört. Sie haben nicht einen einzigen Satz zu Ihren Vorstellungen von Bayern gesagt. Sie haben wie 2011 − das sollten Sie im Protokoll nachlesen − nicht ein einziges Wort dazu gesagt, wie Sie dieses Land regieren wollen. Lieber Kollege Rinderspacher, Sie haben keinen einzigen positiven Vorschlag gemacht. Das, was Sie hier geboten haben, ist konzeptionslos, ideenlos, visionslos, verantwortungslos, hilflos, hilflos!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich sage Ihnen noch etwas. Auch bei Ihrem Spitzenkandidaten hat sich nichts geändert. Deswegen sind Sie weiterhin bei 20 %, und dort werden Sie bleiben, Herr Rinderspacher.

Sie haben heute den Kollegen Weiß zitiert. Ich möchte einen anderen Kommunalpolitiker aus Ihren Reihen zitieren. Der hat relativ sauber beschrieben, wie Ihre Wahlchancen sind. Ihr Hoffnungsträger − so wird er bezeichnet -: Nur Speichellecker und Jasager sind in der SPD-Zentrale erwünscht. "Christian Ude" − das sagt er, nicht wir − "tut mir wirklich leid; mit diesem Ballast gewinnt er die Wahl nie". Der Adam hat nicht immer recht, aber an der Stelle hat er recht - ganz sicher.