Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Otto Bertermann, Dr. Andreas Fischer, Jörg Rohde u. a. und Fraktion (FDP) Kein Verbot von Schnupftabak in der EU (Drs. 16/14075)
Für die Beratung der Dringlichkeitsanträge sind circa drei Stunden vorgesehen. Sie können sich also ausrechnen, wie viel Zeit wir noch benötigen werden. Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Dr. Bertermann.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag soll die Politik aus Brüssel, die das Land Bayern betrifft, skizzieren. Da werde ich sehr nachdenklich. Meine Damen und Herren, ich stehe als Preuße vor Ihnen, bin also kein Lobbyist der Tabakindustrie. Dieser Antrag ist auch nicht populistisch. Sie kennen meine Einstellung zum Rauchverbot. In dieser Frage stehe ich voll auf Ihrer Seite. Derzeit liegt auf EU-Ebene noch kein Gesetzentwurf zum Verbot von Schnupftabak vor. Allerdings gibt es bereits Anträge einerseits zum rauchlosen Tabak und zum Verbot von Zusatzstoffen in Tabakprodukten. Die Grundlage für die Änderung der betreffenden Richtlinie war - man höre und staune eine Anhörung. Darüber wurde nicht einfach auf den Gängen der EU-Kommission beraten, sondern es gab eine Anhörung in der Kommission, in der sich Wissenschaftler dazu geäußert haben.
Als Mediziner kann ich Ihnen sagen, dass die Gefahr, die von rauchlosem Tabak ausgeht, minimal ist. Ein Vergleich mit dem Rauchverbot ist nicht stichhaltig. Von diesem rauchlosen Tabak werden auch keine Dritten betroffen. Ein anderes Problem sind die Zusatzstoffe. Damit komme ich zu meiner ersten Bemerkung: Diese Zusatzstoffe durften bisher von den Ländern verordnet werden. Was wir als Zusatzstoffe zulassen wollten, lag in unserer eigenen Regie. Jetzt will die EU jedoch eine eigene Regelung in Form einer Verbots- oder Gebotsliste schaffen. Das bedeutet, dass wir hier wiederum ein Stück unserer Souveränität nach Brüssel geben.
Die Frage ist, welche Optionen uns bei einem möglichen Verbot von Schnupftabak bleiben. Sollen wir den
Schnupftabak frei verkaufen oder sollen wir ihn total verbieten? Die Regelung, welche Zusatzstoffe zulässig sind, liegt bisher bei den Ländern und sollte auch bei den Ländern bleiben. Stellt ein Verbot des Schnupftabaks eine Bedrohung des Kulturguts in Bayern dar? Wird dadurch die Identität unserer bayerischen Kultur gefährdet, oder ist dies nur Ausdruck einer Regelungswut?
Hinter der vorgesehenen Regelung steht die EU. Vor der EU, die eine Erfolgsgeschichte ist, sagen wir klar und deutlich Ja zu Europa. Sind es wirklich die in Brüssel, die diese Verordnungen machen? Sind es die, die täglich neue unsinnige Vorschriften zulasten unserer bayerischen Bürger erlassen, wie die Vorschriften zur Gurkenkrümmung, zur Kondomgröße, zur Dekolleté-Verkleinerung oder zum Spielzeug für Schweine? Das sind unsinnige Richtlinien, die in Brüssel gegen die bayerischen Interessen durchgesetzt werden. Die Bürokraten in Brüssel erfinden für alles eine Richtlinie. Diese Regelungswut nervt nicht nur uns, sondern auch die Bürger.
Wir sagen Ja zu Europa, aber nicht zu einem Europa der Bürokraten. Ich habe heute Morgen meine Arzthelferin gefragt, was sie von dem Verbot von Schnupftabak halte. Da hat sie auf gut bayerisch gesagt: Das ist ein Schmarrn. Das soll jeder selber entscheiden.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich steht die Entscheidungsfreiheit des bayerischen Bürgers im Mittelpunkt. Europa muss ein Europa der Regionen bleiben. Dazu gehören auch die bayerische Identität und der Schnupftabak in Bayern.
Bayern steht für Vielfalt. Bayern steht für Tradition. Bayern steht nicht für ein Europa der Bürokraten. Wir müssen denen in Brüssel den Spiegel vorhalten und sagen: Das ist unsere Tradition. Der Schnupftabak in Bayern muss erhalten bleiben. Wir dürfen den Schnupftabak nicht verbieten. Wir sind zum ersten Mal präventiv tätig, um so ein unsinniges Gesetz in Brüssel zu verhindern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Nachdem es ein hohes bayerisches Kulturgut zu verteidigen gilt, sind wir natürlich mit dabei. Und ich bin mir sicher, lieber Kollege Otto Bertermann, auch die SPD wird diesen Antrag unterstützen. Denn ich kann mir keine Talkshow mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt vorstellen, ohne dass er schnupfen darf.
Die einzelnen Fakten hat Kollege Bertermann schon dargestellt. Es geht um die EU-Tabakproduktionsrichtlinie und es geht um Zusatzstoffe. Es ist nicht vorstellbar, dass bei diesem wertvollen Gebrauchsgut für viele Bayern die EU auch noch über die Zusatzstoffe befindet oder gar darüber, ob der Tabak total verboten wird oder sein Genuss doch weiter freigestellt ist. Hier präventiv tätig zu sein, ist natürlich eine gute Idee. Von daher sind wir auch dafür und unterstützen das.
In der Presse war zuletzt zu lesen, dass die EU-Kommission nicht beabsichtige, traditionelle Formen des Tabakkonsums zu verbieten. Es könnten jedoch auch Gesetzesvorschläge mit Warnhinweisen auf Schnupftabaksdosen, ähnlich wie auf der Zigarettenschachtel, vorgelegt werden.
Ich will mich kurz fassen. Sollte es wider Erwarten zu Problemen und zu einer Einschränkung des Tabakkonsums kommen, werden wir natürlich Sturm dagegen laufen. Jeder kann persönlich zum Schnupftabak stehen, wie er will. Aber diese traditionelle Form des Tabakkonsums in Bayern zu verbieten würde stark in die Persönlichkeitsrechte eingreifen.
Ich meine, hier muss man wirklich die Kirche im Dorf lassen. Anders als beim Rauchen wird die Umgebung beim Tabakschnupfen nicht in Mitleidenschaft gezogen.
Die Folgen des Passivschnupfens müssen nicht thematisiert werden, und wir brauchen auch keinen Nichtschnupferschutz zu diskutieren.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, ich habe heute schon ganz fest damit gerechnet, dass aus den Reihen der FDP-Fraktion ein gesundheitspolitischer Dringlichkeitsantrag kommt. Allerdings ging ich davon aus, dass Sie sich heute eine große parlamentarische Mehrheit für die Abschaffung der Praxisgebühr suchen,
nachdem auch der ehemalige bayerische Gesundheitsminister dies befürwortet hat. Aber anscheinend sind die Positionen in der Koalition doch wieder nicht ganz so klar. Deshalb jetzt ein "echtes" Problem, das die Welt und die Menschen bewegt: Kein Verbot von Schnupftabak.
Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Bertermann: Auch die SPD-Fraktion wird diesem Antrag in seiner ganzen Banalität zustimmen.
Dabei erschließt sich uns die Notwendigkeit dieses Dringlichkeitsantrags nicht ganz. Denn nach dem medialen Tanz, den der Abgeordnete Weber aufgeführt hat, hat die EU noch einmal klargestellt - ich habe das persönlich noch einmal recherchiert -, dass eigentlich nie geplant war, Tabak zu verbieten. Der Kollege Hünnerkopf hat es zitiert: Es bestünde keine Absicht, traditionelle Formen des Tabakkonsums zu verbieten. Das ist auch verständlich, denn es hat auch niemand, auch wenn die Debatte über das Nichtraucherschutzgesetz heftig geführt wurde, jemals ein Verbot der Zigarette gefordert.
Uns Sozialdemokraten ist es wichtig, dass über die Gesundheitsgefahren aufgeklärt wird, und zwar deutlich, und dass der Nichtraucher vor Passivrauch geschützt wird. Diesen umfassenden und konsequenten Nichtraucherschutz haben wir in Bayern dank eines sehr klaren und deutlichen Bürgervotums.
Aber jetzt doch ein bisschen ernsthafter zu dem Thema dieser Tabakrichtlinie, die noch gar nicht vorliegt, die heiß diskutiert wird, die zwischenzeitlich zum Rücktritt des zuständigen EU-Kommissars geführt
hat, und zwar wegen eines bislang noch nicht begründeten Korruptionsverdachts. Ich denke, auf diese Richtlinie warten wir noch ein Weilchen. Aber die gesundheitspolitischen Schwerpunkte möchte ich jetzt nicht einfach wegwischen, sondern ich denke, wir müssen uns damit schon beschäftigen, über die Warnhinweise, die im Übrigen jetzt schon auf der Schnupftabakdose stehen, und auch über die Einschränkung des Verbots von Zusatzstoffen.
Die Begründung im FDP-Antrag - Herr Kollege Bertermann, das muss ich Ihnen schon sagen - verharmlost den Gebrauch von Schnupf- und Kautabak. Wenn wir heute über die Begründung abstimmen würden, würde ich Ihnen als Gesundheitspolitikerin und als Ärztin meine Zustimmung verweigern. Denn dass Tabakprodukte, ganz egal ob sie inhaliert, gekaut oder geschnupft werden, krebserregend sind, ist eine unbestrittene Tatsache. Wenn Sie es nicht glauben, können Sie es auf den Seiten des Deutschen Krebsregisters nachlesen.
Ich gestehe Ihnen zu, dass die Zigaretten die Rangliste anführen, einfach weil durch den Verbrennungsprozess unkalkulierbare chemische Prozesse in Gang gesetzt werden. Aber zweifellos ist es so, dass auch Schnupftabak Tabak ist und deshalb die tabakspezifischen krebserregenden Nitrosamine und das süchtig machende Nikotin enthalten.
Deshalb müssen wir uns mit den Zusatzstoffen schon beschäftigen, denn sie machen die Tabakprodukte gefälliger: Menthol, schmerzlindernd, damit man den Rauch tiefer inhalieren kann, Erdbeere, Vanille und Lakritze, damit der Tabakgeschmack überdeckt wird. Es liegen uns Studien vor - Herr Kollege Bertermann, das werden Sie mir bestätigen -, die zeigen, dass zum Beispiel Mentholzigaretten das Schlaganfallrisiko deutlich erhöhen. Es liegen dem Krebsforschungszentrum auch Studien vor, die zeigen, dass es einen ganz klaren Zusammenhang zwischen Schnupf- und Kautabak sowie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Mundschleimhautkrebs gibt.
Deshalb ist es richtig, dass die EU diese Zusatzstoffe auf den Prüfstand stellt. Deshalb ist es wichtig, dass man Stoffe, die krebserregend sind, verbietet, dass man Stoffe verbietet, die im Verbrennungsvorgang krebserregend sind, dass man Stoffe verbietet, die im Zusammenhang mit der Verbrennung krebserregend sind, und dass man Stoffe verbietet, die die Abhängigkeit erhöhen und den Gebrauch vereinfachen.
Ob das - und da sind wir wieder beieinander - für rauchfreie Zigaretten und für Rauchtabak identische Stoffe sind, müssen uns die Experten sagen. Es kann durchaus sein, dass es da Differenzen gibt. Aber in
Ihrem Antrag - das muss man auch sagen - geht es gar nicht darum. Da geht es einfach um das Verbot von Schnupftabak. Dieses Verbot hat niemals jemand gewollt, es wird auch in Zukunft niemand wollen. Deshalb stimmen wir Ihrem Antrag zu.
Ich wollte zu der WHOStudie, die sich auf den Schnupftabak bezieht, etwas sagen. Danach ist Schnupftabak nicht gesundheitsschädlich. Das ist die bestvalidierte Studie, und danach muss man sich richten. Wir können einzelne Zusatzstoffe wie Nitrosamine weiter untersuchen. Das war es aber nicht, was ich sagen wollte.
Ich wollte etwas zur Praxisgebühr sagen. Da hat mein Koalitionspartner ein bisschen Schwierigkeiten, auf die richtige Spur zu kommen. Das stimmt schon, das nehme ich medial auch wahr.
Aber die FDP hat eine klare Linie. Wir sind für die Abschaffung der Praxisgebühr. Diese Auffassung habe ich nie geändert. Ich habe es schon vor zweieinhalb Jahren auf die Agenda gesetzt und wir bleiben auch bei diesem Weg. Damit sollen die Bürger entlastet werden, damit jeder spürt, dass er zu viel Krankenkassenbeitrag zahlt.