Protocol of the Session on September 25, 2012

Wir brauchen in der Schulpolitik einen Wechsel. Wir müssen die Lernenden in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen. Wir dürfen nicht, wie es in der bayerischen Bildungspolitik immer gemacht wird, fragen: Passt der Schüler oder die Schülerin in die jeweilige Schulart? Denn alle stellen immer wieder fest, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht in die jeweilige Schulart passen. Wir müssen fragen: Wie muss die Schule beschaffen sein, die für alle Kinder in ihrer Unterschiedlichkeit passt? Deshalb müssen die Lernumgebung und die Lernarrangements anders gestaltet werden, um selbstständiges Lernen, nachhaltiges Lernen und ein individuelles Lerntempo zu ermöglichen.

Sie halten die Dreigliedrigkeit immer noch hoch. Wir können die Schule aber auch so gestalten, dass wir die Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse nicht mehr aussortieren müssen. Es ist durchaus besser, die Schülerinnen und Schüler zusammen zu lassen und neue Wege zu gehen. Das wollen wir mit einer Politik ermöglichen, mit der neue Schulformen vor Ort entstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen einen Wechsel in der Bildungs- und der Schulpolitik. Die Schulen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Die Schulen sollen nicht mehr zittern müssen, weil sie nicht wissen, ob am ersten Schultag die notwendigen Lehrerinnen und Lehrer vor den Klassen stehen. Dafür brauchen wir eine Bildungsfinanzierung, die über den Doppelhaushalt hinausgeht. Sie muss transparent aufzeigen, wo es Stellen gibt, wo Stellen verschoben werden und wo neue Stellen gebraucht werden. Wenn ich den nächsten Doppelhaushalt anschaue, stelle ich aber fest, dass wir mit vermeintlich zusätzlichen Stellen nur die Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung durch Stoiber finanzieren. Wir zahlen die Kosten, die damals die Stoibersche Sparpolitik verursacht hat. Zum Teil werden Mittel aus der demografischen Rendite für die Finanzierung von Stellen aus dem "Aufbruch Bayern" verwendet. Wir zahlen damit auch die Seehofersche Ankündigungspolitik. Das ist keine transparente Haushaltspolitik. Durch die zusätzlichen Stellen wird weder die Unterrichtsversorgung noch die Schüler-LehrerRelation besser.

Wir brauchen in der bayerischen Bildungspolitik einen Wechsel, damit die individuelle Förderung tatsächlich gelingen kann. Damit wir den Schülerinnen und Schülern in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht werden können, müssen wir die Inklusion ernst nehmen. Inklusion

ist das Akzeptieren der Unterschiedlichkeit der Menschen. Wir haben dazu eine interfraktionelle Arbeitsgruppe eingerichtet. Es ist gut und richtig, dass wir auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. Diese interfraktionelle Arbeitsgruppe darf aber keine Alibi-Veranstaltung sein. Vielmehr ist die Verantwortung des gesamten Parlaments notwendig, um die weiteren Schritte auf den Weg zu bringen und um das Menschenrecht auf Inklusion garantieren zu können. Wir müssen über die Mitfinanzierung der Schulbegleiter, über die Unterstützung der Inklusion der einzelnen Kinder und über die Fortbildung reden. Dafür brauchen wir die Unterstützung des ganzen Landtags und nicht nur der interfraktionellen Arbeitsgruppe.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen einen Wechsel im Stil und im Inhalt der Schulpolitik. Kultusminister Spaenle ist ein Minister der neuen Worte. Damit hat er uns reichhaltig beschert. Er ist aber kein Minister einer neuen Politik. Er hat seinen Job auch aus Sicht der CSU nicht erledigt. Es ist ihm nicht gelungen, an der sogenannten Bildungsfront für Ruhe zu sorgen. Das Thema Bildung treibt die Menschen weiter um. Der wichtigste Indikator, der deutlich macht, dass wir einen Wechsel brauchen, ist die Unzufriedenheit der Eltern mit der bayerischen Bildungspolitik und dem bayerischen Schulsystem. Sie könnten mit Eltern reden, ganz egal, welche Art von Schule ihr Kind besucht, ganz egal, ob ihr Kind erfolgreich oder weniger erfolgreich durch das Schulsystem gelaufen ist: Sie alle sind damit unzufrieden, wie es in diesem Schulsystem läuft. Sie alle sagen, sie seien froh darüber, dass die Schulzeit vorüber ist. Wir können gern über empirische Studien reden. Darüber diskutiere ich gerne. Die größte Empirie ist das Wahlverhalten der Eltern am Wahltag. Danach werden wir in Bayern Schulpolitik machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Für die CSU-Fraktion hat Herr Kollege Eisenreich das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Thomas, wenn deine Rede als Generalangriff auf die bayerische Bildungspolitik geplant war, dann war das eher ein sehr müder Auftakt.

(Beifall bei der CSU)

Auch wenn man noch so gerne kritisieren will, viel zu kritisieren gibt es nicht. Dass Bildung eine Daueraufgabe ist, wissen wir. Der Start ins neue Schuljahr ist wirklich gut gelungen. Deswegen herzlichen Dank an

den Kultusminister, an das Ministerium, die Regierungen und die Schulämter.

(Beifall bei der CSU)

Bildung ist für uns eine Daueraufgabe. Bildung ist für uns ein Investitionsschwerpunkt. Wir haben auch in diesem Schuljahr wieder zusätzliche Stellen für Verbesserungen geschaffen. Das merkt man natürlich auch, wenn ein Schuljahr beginnt. Deswegen war es wichtig, dass wir die Unterrichtsversorgung sicherstellen konnten. Das ist uns gelungen. Ich möchte dafür dem Kultusminister ausdrücklich danken. Ende Juli ist insbesondere an den Grund- und Mittelschulen ein zusätzlicher Bedarf erkennbar geworden. Das Kultusministerium hat nachgesteuert und zusätzliche Stellen zugewiesen, sodass auch an diesen beiden Schularten die Unterrichtsversorgung für dieses Schuljahr sichergestellt werden konnte.

Es hat sich gezeigt, dass die Einführung des Demografiefaktors gut war. Wir haben das große Ziel, die Schulstandorte zu erhalten. Möglicherweise müssen wir den Demografiefaktor noch etwas aufstocken, weil sich gezeigt hat, dass hier und da der Bedarf noch größer ist. Das Instrument zum Erhalt der Schulstandorte ist jedenfalls vorhanden und konnte schon gut eingesetzt werden.

Die Ganztagsangebote sind ausgebaut worden. Mittlerweile gibt es über 1.000 Schulen mit gebundenen Ganztagszügen und über 3.000 Gruppen mit offenen Ganztagsangeboten; hinsichtlich der Mittagsbetreuung liegen wir bei über 6.000 Gruppen. Wir alle wissen, dass wir Nachholbedarf hatten. Aber in den letzten Jahren ist massiv investiert worden, und wir sind dabei, einen ordentlichen Stand zu erreichen. In der Zwischenzeit bieten etwa 90 % der allgemeinbildenden Schulen Ganztagsangebote an. Auf diesem Weg werden wir weitergehen. Das ist ein ganz großes Ziel.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir haben uns wie in jedem Jahr darum bemüht, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Es geht nicht alles auf einmal, aber es geht jedes Jahr Schritt für Schritt nach vorn. Man erkennt das zum Beispiel auch an der Lehrer-Schüler-Relation. Inzwischen kommen auf eine Lehrkraft 14,6 Schüler; in den letzten Jahren lag die Relation noch bei 1 : 15 oder 1 : 16. Es gab also eine deutliche Verbesserung.

Dem Kultusministerium, der FDP und der CSU ist die Verbesserung der Förderung ein großes Anliegen. Auch insoweit ist eine Reihe von Verbesserungen erreicht worden, sei es bei der Erweiterung der flexiblen Grundschule auf inzwischen 80 Standorte, sei es bei der verbesserten Förderung von Migranten, insbeson

dere durch den Integrationszuschlag. Auch das Thema Inklusion haben wir vorangebracht; inzwischen gibt es über 80 Schulen mit diesem Profil. Besonders freut mich, dass erstmals Realschulen und Gymnasien dabei sind. Auch auf diesem Weg sind wir also in diesem Schuljahr einen Schritt weitergekommen.

Zum Gymnasium haben in der Staatskanzlei zwei wirklich gute, konstruktive Runde Tische mit Vertretern der Lehrer, der Eltern und der Schüler stattgefunden. Wir haben gemeinsam ein gutes Konzept für die Weiterentwicklung des Gymnasiums erarbeitet. Damit ist auch das Gymnasium auf einem guten Weg; Kollege Berthold Rüth wird dazu noch einige Punkte sagen.

Durchlässigkeit ist für uns ein weiteres großes Ziel. Das ist auch eine Daueraufgabe. Wir sind auch hier vorangekommen, etwa durch Neugründungen von Realschulen und Gymnasien sowie durch die Ausweitung des Angebots an Einführungsklassen und Vorklassen. Es zeigt sich: Wir sind im Sinne der Verbesserung der Bildungssituation in Bayern einen deutlichen Schritt vorangekommen.

Ein letzter Punkt! Uns ist die Vernetzung aller Partner im Bildungsbereich - Schulen, Schulverwaltungen, Universitäten, Bildungsinstitutionen, Stiftungen, Betriebe - ein großes Anliegen. Das Kultusministerium hat in diesem Zusammenhang die Idee der Bildungsregionen entwickelt. Wir freuen uns, dass sich inzwischen eine Reihe von Landkreisen aufgemacht hat und sagt: Jawohl, unser Landkreis soll Bildungsregion werden.

Die große Bilanz haben wir im Juli im Rahmen der Regierungserklärung gezogen. Wenn wir heute, zum Anfang des Schuljahres, kurz Bilanz ziehen, können wir sagen: Es war ein guter Schulstart in Bayern. Wir sind gut in das Schuljahr 2012/2013 gekommen.

Das heißt nicht, dass schon alles so ist, wie wir es uns wünschen; das wäre auch nicht möglich, da Bildung eine Daueraufgabe ist. Wir haben diese Aufgabe angenommen. Mit allen Beteiligten - Lehrern, Eltern, Schülern und Vertretern der Kommunen - wollen wir unsere gute Bildungspolitik in einem offenen Dialog weiterentwickeln. Deswegen bin ich froh und zufrieden, dass dieser Schulstart gelungen ist.

Lieber Thomas, wenn es tatsächlich so viel zu kritisieren gäbe, dann wäre das, was du gesagt hast, etwas wuchtiger ausgefallen. Wir können dieses Schuljahr in Bayern ganz zufrieden und gelassen beginnen. Bildung hat bei uns höchste Priorität. Bildung ist ein Investitionsschwerpunkt. Die Bürgerinnen und Bürger

nehmen uns das ab. Deswegen sind wir in einer guten Situation. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit im Bildungsausschuss und in der interfraktionellen Arbeitsgruppe, um die Dinge weiter anzuschieben und voranzubringen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt Kollege Güll das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Eisenreich, manchmal ist es gar nicht schlecht, genau hinzuhören, was andere Kollegen sagen. Es war kein müder, sondern ein inhaltlich guter Auftakt. Der Finger ist in die Wunden gelegt worden, wo es wirklich weh tut bzw. hakt.

Von einem "guten Schulstart" zu sprechen ist angesichts der vielen Probleme, die wir haben, fast schon zynisch. War es nicht so, dass im August jede Menge Brandbriefe eingingen? War es nicht so, dass sich brave Schulleiter und Schulräte, Eltern- und Lehrerverbände massiv an die Öffentlichkeit wandten, weil alles drunter und drüber ging? War es nicht so? Das beschreibt übrigens auch die Schullandschaft hier in Bayern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Eisenreich, ich hätte darauf wetten können, dass wir heute wieder eine wunderschöne Aufzählung hören werden nach dem Motto: Es ist alles wie geplant eingetreten, und wir wissen wieder, wie gut Bayern ist. Aber der Spruch - ich glaube, vom Kollegen Zehetmair stammt er; ich weiß es nicht mehr genau "Jede Klasse hat einen Lehrer" ist keine gute Botschaft an unsere Schulen. Das ist einfach zu wenig. Wir müssen noch andere Fragen stellen.

Wenn immer auf die angeblich gute Lehrer-SchülerRelation hingewiesen wird, muss man auch wissen, dass wir nur im Mittelfeld sind. Zudem spiegelt die immer bessere Schüler-Lehrer-Relation nur wider, dass Schulen heute andere Aufgaben haben und dazu mehr Lehrer brauchen. Aber es bleibt dabei, dass wir immer noch zu große Klassen haben. An diesem Problem hat sich nichts geändert.

Ja, es ist Zeit für den Wechsel in der bayerischen Schulpolitik. Dieser Wechsel ist dringend notwendig.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU: Ha, ha, ha!)

Ein Wechsel ist immer dann notwendig, wenn die Akteure nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben zur Zufriedenheit zu lösen und den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.

Wir müssen uns tatsächlich folgende Fragen stellen: Stimmt die Bildungsqualität an unseren Schulen? Haben wir Bildungsgerechtigkeit in unserem Land? Bereiten wir die notwendigen Veränderungen in der Bildungslandschaft gut vor? Können wir ruhigen Gewissens sagen, dass die angestrebten Reformen nachhaltig tragen? Für mich auch sehr wichtig: Nehmen wir auf diesem Veränderungsweg alle gesellschaftlichen Kräfte wirklich mit? Ich konstatiere zu all diesen Beispielen ein klares Nein. Hier gibt es wirklich viel zu tun.

Die bayerische Schulpolitik des Jahres 2012 wird durch drei Begriffe gekennzeichnet: Chaos, Murks, Schnellschüsse. Wir brauchen dringend einen Wechsel.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Gehring hat in seiner Eingangsrede vier Beispiele genannt, an denen man die Veränderungsnotwendigkeiten näher ausführen kann. Ich verweise nur auf die hohe Zahl an Zurückstellungen, den Lehrermangel und das G-8-Chaos.

Es ist schon gesagt worden: Die Zurückstellungen von der 1. Klasse haben eine lange Geschichte. Ich erinnere mich gut, dass Ministerpräsident Stoiber damals unbedingt erreichen wollte, dass die ABC-Schützen immer jünger werden. Warum? Ich glaube, die Wirtschaft hatte ihm eingeflüstert, wir brauchten die jungen Menschen frühzeitig im Arbeitsprozess. In der Folge hat man den Einschulungstermin sukzessive zurückgeführt. Kultusminister Spaenle hat das - ich sage: Gott sei Dank! - korrigiert und auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt. Aber der Hinweis ist schon bemerkenswert: Noch nie gab es so viele Anträge auf Zurückstellung wie heuer. Kollege Gehring hat den Grund genannt: Eltern haben die Sorge, dass ihre Kinder dem Druck in der Grundschule nicht gewachsen sind. Diese Befürchtung muss man durchaus ernst nehmen. Darüber kann man nicht einfach hinweggehen.

(Beifall bei der SPD)

Beim Thema Lehrermangel gibt es wirklich ein Wahrnehmungsproblem: Die einen sagen, wir haben genug Lehrkräfte. Die anderen sagen, es seien nie genug. Die Opposition gehört zu den Letzteren. Man muss

aber genau hinsehen, was bei den Schulen wirklich ankommt. Das ist die entscheidende Größe und nicht die Zahl der Lehrerstellen, die abgezogen und mit einem Trick wieder zurückgeholt werden. Man muss genau hinsehen, ob die Schulen vor Ort genügend Lehrkräfte haben, um ihren Aufgaben und Herausforderungen gerecht werden und diese bewältigen zu können.

Wir stellen fest: Die Lehrerversorgung ist auf Kante genäht und reicht nicht aus, um die Herausforderungen zu bewältigen. Das hat nichts mit einer vorausschauenden und sachgerechten Personalpolitik zu tun. Das ist Stückwerk. Das hat auch nichts mit dem schönen Begriff der trennscharfen Lehrerprognose zu tun, den unser Kultusminister immer wieder gern verwendet. Wir brauchen endlich einmal ein innovatives und gutes Personalmanagement, bei dem die Schulen frühzeitig ihre Lehrkräfte bekommen und nicht erst eine Woche vor Schulbeginn. Das ist der Murks in der Personalpolitik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)