Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns wohl einig - und damit will ich beginnen -, dass der BOS-Digitalfunk notwendig und unumgänglich ist. Vielleicht gibt es auch Einigkeit darüber, dass die Einführung längst überfällig ist. Das wird es dann schon gewesen sein mit der Einigkeit.
Für die SPD-Fraktion stelle ich heute fest: Die Bayerische Staatsregierung hinkt seit Jahren den eigenen Ansprüchen hinterher. Die Bayerische Staatsregierung war von Anfang an bei der Einführung des BOSDigitalfunks überfordert oder hat diese wichtige Aufgabe fahrlässig vernachlässigt. Die Einführung dieser Funktechnik ist ein einziges Trauerspiel. Sie ist eine unendliche Geschichte, geprägt von Pleiten, Pech und Pannen.
Sie brauchen gar nicht, wie das hier schon der Fall war, hämisch auf Versäumnisse am Berliner Großflughafen zu verweisen. Die Bayerische Staatsregierung blamiert sich mittlerweile selbst bis auf die Knochen, und dies beim Großprojekt BOS-Digitalfunk.
Ich muss immer wieder sagen: Mit Ausnahme von Deutschland und Albanien gibt es kein Land in Europa ohne Digitalfunk, und innerhalb Deutschlands liegt Bayern im hinteren Drittel.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Ziel des früheren Innenministers Dr. Beckstein war es, den Digitalfunk zur Fußballweltmeisterschaft 2006 einzusetzen. Ich selbst habe Sie im Innenausschuss dies sagen hören, verehrter Innenminister a. D. Ich weiß, das hören Sie nicht gerne, aber so war es. Seit 2006 wurde mit allen möglichen Ausreden das Einführungsdatum immer weiter nach hinten verschoben. Aktuell nennen Sie, Herr Staatssekretär Eck, das Jahr 2013. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Staatssekretär, bezweifeln nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern das tun inzwischen auch - wir konnten es alle lesen - Vertreter der beiden großen Polizeigewerkschaften. 2014/2015 ist hier wohl realistischer.
Ich muss heute auch feststellen: Sie haben die mit der Einführung des BOS-Digitalfunks verbundenen Probleme nicht erkannt. Sie haben die Probleme immer heruntergeredet. Wir haben im Innenausschuss regelmäßig Anträge hierzu gestellt, und Sie sind diese Probleme nicht offensiv angegangen, sondern haben sie möglichst unter der Decke gehalten. Das rächt sich jetzt.
Erstens. Die Standortsuche wurde als Geheime Kommandosache wahrgenommen. Das hat viel Protest bei Bürgerinnen und Bürgern, bei Bürgermeistern und anderen Kommunalpolitikern hervorgerufen. Viel zu spät und mit enormem personellem Aufwand müssen nun Misstrauen, Skepsis und Kritik an der Standortwahl ausgeräumt werden.
Sie haben zweitens versucht - und Sie tun dies immer noch -, die Umsetzung der Einführung der BOS-Digitalfunkstandorte auf Kosten der Kommunen durchzuführen. Das ist unfair und wird weder von den Kommunen noch von uns akzeptiert werden.
Frau Kollegin, können Sie mir sagen, zu welchem Zeitpunkt Sie persönlich konkret irgendwann in der Zeit bis 2008 einmal gesagt haben, dass dieses System nicht funktioniert?
Herr Kollege Heike, ich habe recherchiert und eine Quelle aus dem Jahr 2007 gefunden, aus der hervorgeht, dass wir im Jahr 2007 über das Thema Digitalfunk gesprochen haben, wobei von unserer Seite deutlich gemacht wurde, dass es Zweifel an der Planung und Durchführung seitens der Staatsregierung gibt.
(Beifall bei der SPD - Harald Güller (SPD): Sie sehen, Sie können ruhig fragen, Herr Kollege Heike!)
Ich will fortfahren mit dem, was die eigentlichen und wesentlichen Probleme betrifft. Sie waren - das wird auch vom Obersten Rechnungshof so eingeschätzt bei den ursprünglichen Planungen gravierenden Fehleinschätzungen unterlegen. Das gilt beispielsweise für die Aussage, es gebe viel zu wenige Digitalfunkarbeitsplätze bei der Polizei, oder für die Aussage, für die Notstromversorgung stimmten die Berechnungen gar nicht.
Zentrale Fehler sind aus meiner Sicht, dass nicht nur einzelne Aufträge, sondern ganze Aufgaben einschließlich Controlling an Externe übertragen wurden und das Innenministerium die Kosten nur unzureichend überprüft hat. Herr Staatssekretär, Sie haben den Überblick in Ihrem Hause völlig verloren. Und jetzt müssen Sie kleinlaut zugeben, dass Ihnen die Kosten davonlaufen.
Dass die Kosten davonlaufen, Herr Kollege Heike, haben wir seit Jahren, auch seit 2007, kritisch hinterfragt.
Dankenswerterweise macht eine von den GRÜNEN im Jahr 2007 gestellte Schriftliche Anfrage deutlich, dass damals von 700 Millionen Euro Gesamtkosten ausgegangen wurde. Ich verweise auf die Aussage aus dem Innenministerium auf diese Schriftliche Anfrage: Diese Kosten wurden als tragfähig dargestellt.
Heute müssen Sie eingestehen, dass es fast 1,1 Milliarden Euro sein werden. Wir kritisieren, dass Sie von Anfang an schludrig und schlampig mit der Frage der Einführung umgegangen sind.
Die Kostenexplosion von über 300 Millionen Euro bis zum heutigen Zeitpunkt ist kein Pappenstiel. Sie tun so, als wäre die Entwicklung nicht anders zu erwarten gewesen. Das kritisieren wir.
Ich sage Ihnen heute - das habe ich auch schon in den Ausschusssitzungen gesagt -: Die 1,1 Milliarden Euro sind nicht das Ende der Fahnenstange. Wir rechnen - die Aussagen, die in der Haushaltsausschusssitzung aus Ihrem Hause, Herr Staatssekretär, kamen, sprechen die gleiche Sprache - mit 1,5 Milliarden Euro an Kosten, bis Sie alles einbezogen haben, was einzubeziehen ist.
Mit der Kritik stehen wir als Opposition nicht allein da. Die beiden großen Polizeigewerkschaften in Bayern üben ebenfalls massive Kritik. Das tut auch der Bayerische Oberste Rechnungshof. Neben planerischen Mängeln wird Ihnen eine Unterschätzung bei der Technik attestiert. Es wird bezweifelt, dass eine Inbetriebnahme im Jahr 2013 erfolgen kann, und es wird Ihnen attestiert, dass Sie den Überblick verloren haben.
Wir müssen heute feststellen - ich weiß, das gefällt Ihnen nicht -: Das Innenministerium hat die Einführung des Digitalfunks nicht im Griff.
Viertens. Gehen Sie mit den bayerischen Kommunen fair um, und wälzen Sie auf diese nicht weitere Kosten ab.
Fünftens. Um eine erfolgreiche Einführung des BOSDigitalfunks in Bayern sicherzustellen - was wir ausdrücklich wollen -, muss das Gesamtprojekt grundlegend konzeptionell überprüft und gegebenenfalls neu aufgestellt werden.
Um diese Anliegen durchzusetzen und den BOS-Digitalfunk endlich auf einen guten Weg zu bringen, fordern wir Sie auf, unserem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen. Den Dringlichkeitsanträgen der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN stimmen wir zu.
Ihrem Antrag, verehrte Kollegen von CSU und FDP, können wir beim besten Willen nicht zustimmen; denn Sie reden Missstände schön, lassen jegliche Kritik an der Arbeit der Staatsregierung vermissen, und nicht zuletzt ist es Ihre Idee, die Funkmasten von privaten Internet- und Mobilfunkanbietern gegen Entgelt zu ermöglichen und alles andere als weiterführend zu behandeln.
Genau dieser Vorschlag wird von den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern abgelehnt. Verhandlungsführer des Innenministeriums haben genau diesen Vorschlag im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern immer wieder als nicht gewollt bezeichnet. Deshalb sollte dem auch nicht nähergetreten werden.