Protocol of the Session on May 10, 2007

(Beifall bei der SPD)

Momentan sprudeln die Steuereinnahmen. Auch in Bayern ist der Staatssäckel gut gefüllt. Trotzdem prägen in einigen Regionen Unterrichtsausfälle den Alltag. Für unsere Schülerinnen und Schüler gibt es zu wenig Lehrer. Die Klassen sind zu groß. Zum Beispiel gibt es in über 200 Realschulklassen 34 Schüler und mehr. Lehrer und Schüler stehen unter einem großen Druck. Von einer indi

viduellen Förderung kann man überhaupt nicht sprechen. Klagen gibt es aus allen Schularten. Auch an den Förderschulen kann zu wenig gefördert werden. Ausgerechnet in der Schulart, die sich vor allem durch Kontinuität der Bezugspersonen auszeichnen sollte, muss in vielen Stunden Vertretung geleistet werden.

Jetzt haben wir eine neue Situation. Laut dem bayerischen Bildungsbericht 2006 verringern sich die Schülerzahlen an den allgemeinbildenden Schulen in Bayern bis zum Jahr 2020 um etwa 20 % bzw. rund 300 000 gegenüber der aktuellen Schülerzahl. Durch den derzeitigen Schülerrückgang werden erhebliche Finanzmittel frei. Die Robert-Bosch-Stiftung geht von einem Finanzvolumen von 2,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 aus. Diese Finanzmittel – und darum geht es uns mit unserem Antrag – sollten nach unserer Meinung an den Schulen zur Reduzierung der Klassenstärken, zur besseren Förderung der Kinder und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte verwendet werden.

(Beifall bei der SPD)

Begreifen Sie diese Entwicklung bitte schön auch als Chance für eine bessere Ausstattung unserer Schulen, als Chance, die Klassen verkleinern zu können, als Chance, die Kinder besser fördern zu können, und als Chance für unsere Kinder. Wir fordern Sie auf, die in den kommenden Jahren aufgrund der Abnahme der Schülerzahlen rechnerisch frei werdenden Finanzmittel im bayerischen Bildungshaushalt grundsätzlich in den Schulen zu reinvestieren. Verfallen Sie bitte nicht dem Fehler, frei werdende Mittel der Bildung zu entziehen, sondern lassen Sie dieses Geld bei der Bildung.

Sie haben im Bildungsausschuss versichert, dass abgewogen werden muss, wie die nächste Zeit zu Verbesserungen am Bildungssystem genutzt werden kann. Hier hätten wir Sie, meine Damen und Herren von der CSU, voll auf unserer Seite, so wurde uns versichert. Sie sprachen davon, dass Sie kämpfen. Lippenbekenntnisse genügen uns aber nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wie wäre es, wenn wir Sie bei einer Abstimmung auch einmal auf unserer Seite hätten?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Des wär a Sach!)

Angesichts der immer größeren Bedeutung von guter Bildung und Ausbildung und im Hinblick auf kleiner werdende Jahrgänge von Berufsanfängern wäre es falsch, diese frei werdenden Mittel einzusparen. Das wäre falsch für die Menschen, für unser Land und für den Wirtschaftsstandort Bayern. Wir bitten Sie, unseren Antrag zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Nöth.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns am 8. März im Bildungsausschuss sehr intensiv und auch sehr ernsthaft mit dem Antrag der SPD auseinandergesetzt und über diese Fragen ausführlich debattiert. Allerdings darf ich für unsere Fraktion feststellen, dass wir Ihnen auch heute Ablehnung signalisieren müssen, weil dieser Antrag ein Finanzvolumen von rund 2 Milliarden Euro zum Inhalt hat. Das kann nach unserer Meinung nicht im Rahmen eines Antrags behandelt werden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dann schaut halt, ob es im Nachtragshaushalt geht!)

Das muss natürlich in die Haushaltsberatungen eingebracht werden. Ich darf Ihnen jetzt schon versichern, dass bei den Nachtragshaushaltsberatungen vieles von dem, was von uns mitgetragen wird, thematisiert und entschieden wird. Heute bis zum Jahre 2020 vorweg Festlegungen zu treffen, werden wir natürlich nicht beschließen.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass das Geld grundsätzlich in den Schulen zu reinvestieren sei. Damit ist meines Erachtens auch eine gewisse Verengung verbunden.

Sie wissen selbst, dass wir momentan sehr intensiv über die frühkindliche Bildung diskutieren; auch dieses Thema muss einbezogen werden. Wenn Gelder in den gesamten Bildungsbereich gehen, müssen selbstverständlich alle Möglichkeiten ausgelotet werden, nicht allein die Schulen.

Wir haben uns heute Vormittag schon sehr intensiv mit der Hauptschulreform beschäftigt. Sie haben sicherlich vom Minister, der hier anwesend ist, gehört, welche Initiativen angekündigt sind und welche Initiativen von der CSU im Rahmen des Nachtragshaushalts und des nächsten Doppelhaushalts mitgetragen werden. Der Ministerrat hat zum Thema Hauptschule bereits einen Beschluss gefasst, der dem Landtag zugeleitet wird. Wir können uns dann intensiv damit beschäftigen, wie viele Lehrerstellen für die Hauptschule und wie viele Mittel für den Ganztagesbetrieb zur Verfügung gestellt werden.

Ebenso wenig wie Sie wollen wir dem Bildungshaushalt die notwendigen Mittel versagen. Gleichwohl müssen wir sehr sorgfältig prüfen, wie diese Mittel in den Gesamthaushalt passen; denn es hat keinen Sinn, heute Versprechungen zu machen, die aufgrund von Haushaltsentwicklungen nicht einzuhalten sind.

Die CSU ist sich ihrer Verantwortung gegenüber den jungen Menschen bewusst; das darf ich für die CSUFraktion erklären. Wir werden uns bei den anstehenden Verhandlungen zum Nachtragshaushalt und bei den Verhandlungen zum nächsten Doppelhaushalt sehr intensiv mit den Fragen der Reinvestition von eventuell frei werdenden Mitteln beschäftigen. Sie dürfen dessen versichert sein, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden. Dem vorliegenden Antrag können wir nicht zu

stimmen, weil wir nicht mithilfe eines Antrags über zwei Milliarden Euro befi nden können.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nöth. – Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nöth, wie Sie auf zwei Milliarden Euro kommen, müssen Sie mir einmal vorrechnen. Der Antrag ist gut, der Antrag ist wichtig. Wir sollten den Eindruck vermeiden, eine Zustimmung dazu würde ein Mehr an Geld bedeuten. Wir wollen damit nur erreichen, dass nicht Geld aus den Schulen abgezogen wird. Sie hätten also keine zusätzlichen Investitionen zu tätigen, sondern der Antrag verlangt lediglich: Lassen Sie die Mittel in den Schulen.

Ich nenne Ihnen zwei Beispiele dafür, warum das so wichtig ist: Heilsbronn, drei Grundschulklassen mit 30 Kindern; Ebrach, eine jahrgangskombinierte Klasse mit 29 Kindern, und diesen Umstand hat Ebrach wieder zu erwarten.

Ich erinnere an die Debatte über Unterrichtsausfall im Februar. Herr Minister, in der „tz“ von heute wird berichtet, dass Schulklassen wegen Lehrermangels jetzt zu Hause bleiben. Weil es auch in der Hauptschule an der Perlacher Straße an Pädagogen fehlt, müssen Klassen jetzt zu Hause bleiben. Jeden dritten Tag bleibt eine 7. Klasse zu Hause und bearbeitet Aufgaben, die für diesen Tag aufgegeben werden. Der Rektor sagt: Seit Monaten kämpfe ich, weil mir Lehrer fehlen. Der Rektor sagt auch: Teils fällt jetzt schon ein Drittel aller Unterrichtsstunden an meiner Hauptschule aus, wir verwahren die Schüler oft nur noch.

Herr Kollege Nöth, was Sie vorher gesagt haben, ist Hohn und Spott. Was ich jetzt geschildert habe, ist nur ein kleiner Teil von Fällen, die in Bayern tagtäglich vorkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Unterrichtsausfall ist nicht mehr die Ausnahme, er ist die Regel. Dieser Antrag verlangt nicht mehr und nicht weniger, als dass Sie das Geld, das für die Schüler im Haushalt drinsteht, nicht auch noch herausziehen. Herr Kollege Nöth, Ihr Verweis auf den Nachtragshaushalt kommt mir so vor wie das Warten aufs Christkind. Ich bin sehr gespannt, was unter dem Christbaum Ihres viel gerühmten Nachtragshaushaltes liegen wird. Ich vermute, dass wir alle enttäuscht sein werden, wenn wir das in viel Marketing eingepackte Geschenk auspacken werden. Ich werde es nicht zulassen, dass Ihre Rechnung aufgeht: Sie reden monatelang darüber, wie viele Lehrerinnen und Lehrer Sie den bayerischen Schülern geben wollen, aber letzten Endes fi nden wir unter dem Christbaum eine Mogelpackung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt ein Bundesland, das mit eben diesem Konzept große Erfolge erzielt hat, nämlich Sachsen. Sachsen ist bei der Pisa-Studie nach vorne gerutscht, weil es sehr konsequent vorgegangen ist und den sogenannten demografi schen Gewinn eben nicht aus dem System gezogen hat. Sie haben den Mangel an Lehrern produziert. Mit der Produktion dieses Mangels haben Sie mit dem Nachtragshaushalt 2004 begonnen. Sie haben den Mangel mit dem Doppelhaushalt 2005/2006 fortgesetzt, und Sie haben ihn im jüngsten Doppelhaushalt, zwar nicht bei allen Schularten, aber doch bei den Hauptschulen fortgesetzt; dort rasieren Sie weiterhin radikal.

Im Dezember nehmen Sie den Schulen 1600 Stellen. Jetzt versprechen Sie, dass Sie von diesen 1600 Stellen innerhalb von vier Jahren 1300 zurückgeben werden. Herr Minister, Sie sind mir heute Morgen eine Antwort darauf schuldig geblieben, welchen Finanzierungsvorschlag Sie dem Landtag machen wollen. Für die 1300 Stellen gilt das Gleiche, was Herr Nöth soeben gesagt hat: Sie müssen schon Butter zu den Fischen tun. Wenn Sie etwas vorschlagen, müssen Sie diesem Hohen Hause, das über diese Dinge beschließt, schon sagen, wie Sie das bezahlen wollen. Ich freue mich schon sehr auf Ihre Antwort.

Im Zentrum all unserer Überlegungen müssen die Kinder stehen, das darf nicht der ausgeglichene Haushalt sein, Herr Kollege Nöth und Herr Minister, wenn wir einen Prioritätenwechsel vornehmen. Die Kraft einer Gesellschaft bemisst sich nicht nach ihrer Ernte, sondern nach ihrer Aussaat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Tolle. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfi ehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Bitte die Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Das war keine Mehrheit!)

Wenn Sie die Mehrheit anzweifeln, dann müssen wir zum ersten Mal in diesem Saal hier einen Hammelsprung durchführen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir zweifeln die Mehrheit an!)

Frau Kollegin, wissen Sie, was Sie beantragen, wenn Sie eine Auszählung beantragen? – Sie beantragen einen Hammelsprung. Das wäre das erste Mal in diesem Plenarsaal.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Wir haben nur zwei Türen!)

Ich denke, dann müssen wir die dritte Tür öffnen. Herr Kollege, Sie wird geöffnet. Wir führen also einen Hammelsprung durch, Bewegung im Bayerischen Landtag, bitte!

(Thomas Kreuzer (CSU): Wie muss abgestimmt werden? – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wie wird abgestimmt?)

Alle müssen den Saal verlassen. Herr Kollege Dr. Spaenle, wir haben drei Türen, die dritte Türe ist mittlerweile offen. Das große Tor rechts, das jetzt aufgemacht worden ist, ist die Ja-Türe, die Türe auf der CSU-Seite ist die Nein-Türe, und die Türe auf der Seite der Opposition ist die Tür für die Enthaltungen.

Für die Besucherinnen und Besucher sage ich: Wir haben heute den ersten Hammelsprung im neuen Plenarsaal. Eine Türe, die sonst immer geschlossen ist, musste extra geöffnet werden.

(Folgt Abstimmung gemäß § 129 Abs. 2 der Ge- schäftsordnung)

Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen. Ich fahre erst mit der Sitzung fort, wenn alle die Plätze eingenommen haben. – Verehrte Kolleginnen und Kolleginnen, ich darf Ihnen das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag „Bessere Bildung auch bei sinkenden Schülerzahlen“ auf Drucksache 15/7523 bekannt geben: Mit Ja haben 36 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 53; Enthaltungen gab es keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Das ist eine tolle Leistung bei 124 Abgeordneten! Also wirklich! – Susann Biedefeld (SPD): Schämen solltet Ihr Euch! – Weitere Zurufe, u. a. des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD) – Glocke der Präsidentin)

Kolleginnen und Kollegen, so sommerlich sind die Temperaturen heute doch gar nicht. Ich würde sagen, wir erledigen jetzt noch einen weiteren Punkt der Tagesordnung und dann gehen wir in die wohlverdiente Mittagspause.

Deswegen rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 12 auf: