Protocol of the Session on March 7, 2007

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ein übler Hardliner!)

der als Kreisverwaltungsreferent nicht weniger rigide in Ausländerfragen war als Sie, Herr Dr. Beckstein, zu diesem Kompromiss vorbehaltlos Ja sagen, dann müssen Sie den Leuten erst einmal erklären, warum der Freistaat Bayern das Rad jetzt wieder neu erfi nden will und damit die Große Koalition wieder von vorn anfangen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist eine rein destruktive Politik. Wenn Sie versuchen, den Leuten zu sagen, man wolle das wegen der Gefährdung der Sozialsysteme so machen, wie es Herr Neumeyer eben in seinem Beitrag unterstrichen hat, dann machen Sie den Leuten Angst, aber gleichzeitig beklagen Sie dann eine Angststimmung in der Bevölkerung, die Sie selbst herbeiführen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist das Problem. Wenn Sie in den letzten 20 Jahren das Thema Ausländer nicht so missbraucht hätten, um innenpolitische Erfolge zu erzielen, dann wäre alles ganz anders.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin Herrn Dr. Beckstein außerordentlich dankbar, dass er der „Süddeutschen Zeitung“ gegenüber erklärt hat, worauf es ihm ankommt, nämlich auf das Wahlergebnis der CSU. Wir sagen seit 20 Jahren, dass das Ihre Motivation ist. Ihnen geht es nicht um die Ausländer, Ihnen geht es nicht um den sozialen Frieden in diesem Lande, und es geht Ihnen auch nicht darum, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Menschen hier bei uns das verstehen, was man in allen wohlhabenden Staaten kapiert, dass nämlich Zuwanderung nicht nur eine Gefahr ist, sondern dass Zuwanderung und eine gelungene Integration eine große Chance für das ganze Land bedeuten.

(Beifall bei der SPD)

Das negieren Sie ständig, und das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Das, meine ich, ist das eigentliche Problem. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mich einmal auf Hans-Peter Uhl berufen kann, über den zu ärgern ich ausreichend Gelegenheit hatte, als er Stadtrat war.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das hätte ich mir auch nicht vorgestellt!)

Ja, manchmal geht das Leben eigenartige Wege. Ich muss mich aber da auf ihn berufen, wo er sagt, mit der neuen Regelung hätten die Ausländer die Möglichkeit, zu arbeiten und den Staat zu entlasten.

Erklären Sie mir doch einmal, warum Sie immer nur die negative Seite darstellen und nicht aufzeigen, dass diejenigen Ausländer, die jetzt von öffentlichen Geldern leben, sich nicht nur selbst versorgen, wenn sie arbeiten gehen können, sondern auch noch Abgaben an diesen Staat zahlen. Warum bringen Sie diesen Aktivposten nicht mit in die Diskussion ein und hacken immer nur auf dem Negativen herum.

(Beifall bei der SPD)

Herr Beckstein, das ist nicht nur schade, sondern das ist auch bedauerlich und für den Freistaat Bayern insgesamt beschämend.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Staatsminister Dr. Beckstein.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Volkmann, ich schätze Sie sonst sehr,

(Zuruf von der SPD: Hoffentlich immer!)

aber das, was Sie jetzt gesagt haben, ist mir wenig verständlich. Worum geht es? Die Innenministerkonferenz hat gesagt: Abgelehnte Asylbewerber, bei denen durch alle Instanzen festgestellt ist, dass es keine humanitären Gründe für das Hierbleiben gibt, haben zu gehen. Voraussetzung ist also immer die Duldung. Das bedeutet, abgelehnte Asylbewerber, bei denen keine humanitären Gründe bestehen, dürfen nicht hierbleiben.

(Zurufe von der SPD)

Dennoch sind sie über viele Jahre hier, und deshalb haben die Innenminister auf ihrer Konferenz einstimmig – also auch die SPD-Innenminister – gesagt, diejenigen, die integriert sind oder bis zum 30. September eine Chance auf Integration haben, sollen großzügigerweise bleiben und diejenigen, die von Sozialleistungen leben, müssen das Land wieder verlassen.

(Beifall bei der CSU)

Nochmals: Es geht um Leute, die abgelehnt sind, nicht um Menschen, die etwa als Fachleute nach Deutschland gekommen sind. Es geht um solche, die mehr als sechs Jahre durch Leistungen aus der Sozialkasse auf den Taschen der Bürger gelegen sind.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Und warum? – Weil sie eben nicht arbeiten dürfen!)

Darauf komme ich sofort. Sie dürfen arbeiten, allerdings nachrangig gegenüber den Deutschen. In diesem Zusammenhang fordere ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, auf, dafür zu sorgen, dass das Recht, uneingeschränkt zu arbeiten von Anfang an gegeben ist nach einer Karenzzeit von einem Jahr. Das ist leider nicht durchsetzbar gewesen. Die SPD lehnt es ab, dass es zwischen dem ersten und sechsten Jahr ein Arbeitsrecht geben soll. Und jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, wir treten für ein großzügiges Bleiberecht ein. Wissen Sie denn, wie viel das insgesamt kostet? Das beläuft sich auf 700 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro im Jahr.

(Beifall bei der CSU)

Sie sollten einmal mit mir in den Stadtteil Hasenbergl gehen und das den Menschen sagen, die dort 20 Jahre und mehr Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben und denen man heute über Hartz IV Kürzungen zumutet. Sie wollen nun in den Fällen, in denen es kein humanitäres Gebot und keine humanitären Verpfl ichtungen gibt, wo Asylverfahren abgelehnt wurden und sowohl die Härtefallkommission als auch die Petitionsausschüsse Nein gesagt haben, großzügig sein und sagen: Schaut nicht auf das bisschen Geld! 700 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro; das kann nicht richtig sein.

(Beifall bei der CSU)

Auch Kollegen der Union – Sie zitierten Herrn Uhl – sagen keinesfalls, dass die Bleiberechtsregelung das sei, was man wolle. Herr Uhl sagt nur, er müsse es machen, weil die SPD es durchsetzen will.

(Widerspruch und Lachen bei der SPD)

Natürlich! Es gebe sonst nicht die Bereitschaft, den Grundsatz Deutsch zu sprechen vor Einreise oder die Heraufsetzung des Nachzugsalters auf 18 Jahre zu akzeptieren.

Das würde nicht gemacht werden. Und nur als Kompromiss wird deswegen auch die Zitrone mitgenommen, sonst käme man nicht zu einer Regelung.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, wir haben in der Innenministerkonferenz einstimmig und mit Zustimmung des Bundesinnenministers eine, wie ich meine, vernünftige Regelung getroffen; einstimmig mit Zustimmung des Bundesinnenministers!

Ich sehe ein, dass die SPD verlangt, dass man darüber hinausgehende Bleiberegelungen trifft, auch wenn das die Sozialkassen Hunderte von Millionen kostet. Aber das sollen Sie der Öffentlichkeit gegenüber vertreten. Ich bin nicht bereit zu sagen, wer 30 Jahre gearbeitet hat, dem reduzieren wir die Leistungen auf ein Jahr. Dann wird in härtester Weise eine Anrechnung durchgeführt, während wir in dem anderen Punkt äußerst großzügig sind, obwohl es humanitär nicht geboten ist.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Ich sage, wir müssen mehr dafür tun, dass die Menschen, die hier sind, arbeiten dürfen. Ich rufe die SPD auf, ihren Widerstand in Berlin aufzugeben.

(Beifall bei der CSU)

In Berlin hat die SPD auch jetzt bei den Kompromissen die Forderung der Unionsinnenminister abgelehnt – auch Herr Müntefering hat die Forderung der Unionsinnenminister abgelehnt –, dass man die Gleichwertigkeit auf dem Arbeitsmarkt sofort nach einer Karenzzeit von einem oder von zwei Jahren herstellt, weil sonst die Arbeitslosenzahl nach oben geht. Sagen Sie doch bitte schön hier nicht, die würden alle gerne arbeiten, aber ihr von CSU lasst das nicht zu. Wir von CSU würden das in größerem Umfang zulassen als Sie selber.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wir müssen deutlich machen, dass, wer Arbeit hat und integriert ist, das Aufenthaltsrecht bekommt. Wir sehen, dass die Kompromisse notwendig sind, um andere Regelungen – etwa in Bezug auf Deutschkenntnisse für Einreisende und in der Frage der Heraufsetzung des Familiennachzugs – zu bekommen. Aber die Problematik ist, wir wollen keine Zuwanderung, keine Verfestigung der Ansprüche an Sozialsysteme, ohne dass hier jemand integriert ist. Das halte ich für etwas Vernünftiges. Wer meint, wir würden das alles blockieren, dem sage ich: Die Beschlüsse der Innenministerkonferenz sind auch mit Zustimmung der SPD-Kollegen erfolgt. Wir haben das hier im Landtag bei manchen Bereichen wiederholt erörtert. Das ist eine großzügige Lösung; übrigens großzügiger als alle Altfallregelungen, die es vorher gegeben hat.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wir müssen die EU-Richtlinien umsetzen, und dazu brauchen wir die SPD. Das bedeutet, dass dann auch Kröten geschluckt werden müssen, die ich eigentlich für problematisch halte. Noch einmal: Wenn man demjenigen, der hier sechs Jahre lebt und heute das Arbeitsrecht hat, aber keine Arbeit gefunden hat, entweder wegen des Nachrangs gegenüber Bevorrechtigten oder weil er sich nicht genügend bemüht hat, sagt, jetzt geben wir ihm drei Jahre Aufenthaltserlaubnis, obwohl er unter Umständen noch keinen einzigen Tag gearbeitet hat, erscheint mir das problematisch, weil das zu weit geht. Aber, wie gesagt, die SPD tritt dafür ein. Das sollten Sie öffentlich vertreten. Ich sage: Wir wollen denen, die integriert sind, großzügig humanitär Aufenthalt gewähren, weil wir

sagen, die Problematik des Bürgerkriegs in Jugoslawien und die Frage der Asylproblematik war in den Neunzigerjahren größer; wir müssen noch eine über das Zuwanderungsgesetz hinausgehende Altfallregelung schaffen. Aber daraus eine großfl ächige Zuwanderung in die Sozialsysteme zu riskieren, wäre zu weit gegriffen.

Ich halte es für gut, dass letzten Montag im Koalitionsausschuss besprochen worden ist, dass man eine Regelung fi ndet, die es möglichst vermeidet, dass die Leute mit der sofortigen Gewährung des Aufenthaltsrechts die vollen Sozialleistungen bekommen und dass alle Menschen aus den Asylunterkünften herauskommen und damit die vollen Sozialleistungen – Wohnungsgewährung auch zulasten der Kommunen – über Hartz IV beziehen. Diese Einzelheiten werden noch besprochen, da sind wir im Moment sehr konstruktiv dabei, damit auf diese Weise dem Grundprinzip entsprochen wird, das alle Innenminister in Deutschland – auch die, die der SPD angehören – mit vertreten hatten. Wir wollen solchen, die langjährig hier sind, die Chance geben, dauerhaft zu bleiben, wenn sie integriert sind oder in einer relativ kurzen Frist die Integration aufnehmen. Aber Integration heißt nicht allein, dass man weiß, welche Sozialleistungen man bekommt,

(Zuruf von den GRÜNEN)

sondern Integration bedeutet Arbeit und Sprachkenntnisse, und die sind notwendig. -Da ist der Kompromiss der Innenministerkonferenz besser als der bisherige Kompromiss gewesen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN)