Protocol of the Session on November 9, 2006

Aber nun zum Thema selbst. Eigentlich war ich etwas enttäuscht. Aufgrund des Antrags hatte ich erwartet, dass es heute ein Feuerwerk neuer Ideen gibt, dass die Opposition, die dieses Thema gewünscht hat, neue Ideen aufbringt. Aber ich muss sagen: Die heutige Aktuelle Stunde hat nicht das gebracht, was wir uns erwartet hatten.

Tatsache ist nämlich, dass die Bayerische Staatsregierung eine ganze Reihe von Wegen aufgezeigt hat und diese Wege auch mithilfe des Ausschusses und mit allen im Parlament vertretenen Parteien gemeinsam gehen will. Es liegt an Ihnen, meine Damen und Herren Kollegen von der Opposition, inwieweit und wo Sie mitgehen. Dies zu tun, ist Ihr Recht, aber es ist meines Erachtens auch Ihre Pfl icht.

Meine Damen und Herren Kollegen, wir haben heute hier gehört, was die Staatsregierung erbringt

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Nicht erbringt!)

bzw. was die Staatsregierung, wie Sie, Herr Wahnschaffe, munter immer wieder fälschlicherweise behaupten, nicht erbringt.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Was war falsch?)

So akzeptiere ich das. Aber es bleibt eben falsch.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Herr Staatssekretär: Was war falsch?)

Wenn Sie das eine oder andere auch einmal zur Kenntnis nähmen, dann hätten wir wirklich schon etwas geschafft.

Ich sage Ihnen jetzt einiges. Es hat keinen Sinn, wenn wir immer nur ex cathedra irgendwelche Berichte und Ähnliches anfordern. Wir müssen auch die Fakten sehen. Wir haben in Bayern im Bereich der Armutsbekämpfung doch einiges vorzuweisen, – wobei man das Wort „Armut“ defi nieren müsste. Ich denke, das wäre auch einmal – eine Frage.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sehen Sie, da fängt es schon an! – Dr. Thomas Beyer (SPD): Wegdefi nieren!)

Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass das Erfolgsrezept in Bayern auch lautet, möglichst vielen möglichst genehme und angemessene Arbeitsplätze zu geben. Wir haben hierbei eine staatliche Unterstützung und eine Arbeitslosenquote – die gebe ich Ihnen jetzt gerne mit, damit Sie einmal – –

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sie geben keine Arbeitsplätze!)

Herr Kollege Wahnschaffe, vielen Dank für diesen Einwand. Aber die vertrauensbildenden Maßnahmen, die die Bayerische Staatsregierung für Arbeitsplätze trifft, zeigen sich sehr deutlich. Wir haben eine um 4 % niedrigere Arbeitslosenquote als im Bundesdurchschnitt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Vor allem im ländlichen Raum!)

Unsere SGB II-Quote, also das berühmte ALG II, ist um 4,4 % niedriger als im Bundesdurchschnitt. Die Sozialhilfequote ist um 1,6 % niedriger, die Wohngeldquote ist um 1,8 % niedriger, und das verfügbare Einkommen je Einwohner ist um 6 % höher als im Bundesdurchschnitt. Nehmen Sie bitte auch einmal zur Kenntnis, dass dies eine Aufgabe und eine Verpfl ichtung – –

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das hilft leider den Kindern nichts, die auch in Bayern von Armut betroffen sind!)

Sehr schön.

(Zuruf von der SPD: Schön ist das nicht! – Sus- ann Biedefeld (SPD): Was ist daran „schön“?)

Darauf kommen wir aber noch zu sprechen. – Ich meine, wenn Sie solche Argumente bringen, sollten Sie einmal vor Ihrer eigenen Haustüre kehren und sollten sich einmal umschauen, wer massiv mitgeholfen hat, dass das Prekariat in der Bundesrepublik mittlerweile größer geworden ist. Das war genau in der Zeit, als Sie gemeinsam mit den Kollegen von den GRÜNEN die Regierungsverantwortung innehatten.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Es hat keinen Sinn, wenn Sie solche Aktuellen Stunden beantragen und dann etwas fordern, was schon auf den Weg gebracht ist, nämlich – da sind wir gar nicht weit auseinander – die Vernetzung bei Kinderuntersuchungen, damit wir eine Möglichkeit haben zu helfen. Hierzu gibt es bereits einen Kabinettsbeschluss aus dem Oktober, und der Bericht wird im November im Kabinett behandelt werden. Dann werden die Vorschläge auch im Hohen Hause diskutiert werden.

Dies ist zum Beispiel ein Weg, aber es ist der einzige, der heute fachlich diskutiert worden ist. Das war auch klar, weil es eben schon auf den Weg gebracht worden ist.

Herr Kollege Wahnschaffe, ich muss noch einmal auf Sie eingehen. Das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz haben sie wieder genannt. Haben Sie eigentlich immer noch nicht verstanden, dass wir von 2002 bis 2006 für das Kinderbetreuungskonzept 313 Millionen Euro zusätzlich ausgeben, dass wir alleine im kommenden Haushaltsjahr 737 Millionen Euro für Jugend, Familie und Senioren ausgeben? Dabei unterschlagen Sie – das wissen Sie genauso gut wie ich – die demografi sche Entwicklung der letzten Jahre, sprich dass es also 20 000 Geburten in Bayern weniger gibt.

Sie sehen: Ihre Spardiskussion wirkt immer schief, wenn man Ihnen mit Zahlen antworten kann.

Nun zum Sozialbericht, da dieser wieder häufi g genannt worden ist. Ich bewundere manchmal Ihre Fähigkeit, falsch zu interpretieren. Sie behaupten, dies sei nur ein Hinweis, die Bundesmittel dafür abzurufen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Ach!)

So haben Sie es gesagt.

(Susann Biedefeld (SPD): Das ist seine Art, jemandem etwas in den Mund zu legen!)

Wir haben tatsächlich 210 000 Euro für das Haushaltsjahr 2007 und nochmals 210 000 Euro für das Haushaltsjahr 2008 bereitgestellt.

Dazu muss ich Ihnen auch sagen: Der Bericht konnte gar nicht eher vorliegen, weil zuvor noch die notwendigen Berichtsfakten gefehlt haben. Sie wissen genauso gut wie wir: Hartz IV hat eine völlige Veränderung der Strukturen im Sozialsystem, sozusagen der Messdaten, ergeben. Für einen Landessozialbericht benötigen wir auch die Zahlen zum Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wir brauchen das Zahlenmaterial, um die Einkommensschichtung für Bayern anzugeben.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Können Sie mir erklären, warum der Bund regelmäßig Bericht erstattet?)

Diese Daten sind – man muss sich das vorstellen – vom Bund jetzt erst für das Jahr 2003 gegeben worden, weil dies früher nicht möglich ist. Wenn die Daten nunmehr ab November vorhanden sind, werden wir tätig werden.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Bevor wir mit im Moment nicht greifbaren Daten irgendwelches Stochern im Nebel fi nanzieren, war das Geld bisher für die aktive Sozialpolitik mit Sicherheit besser ausgegeben. Ich habe Ihnen Zahlen genannt.

Sie bekommen Ihren Sozialbericht.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Es ist nicht „unser“ Sozialbericht!)

Er wird auf jeden Fall auch mit Ihnen diskutiert werden.

Meine Damen und Herren Kollegen, ich sage Ihnen: Wir werden noch viel auf den Weg bringen müssen. Das können wir gemeinsam oder im Streit tun. Aber ein Streit bringt niemandem etwas. Wir werden den Bericht, wenn er vorliegt, als solchen sehen. Aber nun zitiere ich Sie. Sie haben vorhin so schön gesagt – da gebe ich Ihnen recht –, mit dem Bericht haben die Betroffenen überhaupt noch nichts gewonnen. Deswegen handeln wir und reden nicht nur. Wir werden das auch in den nächsten Wochen und Monaten tun. Wenn der Bericht vorliegt, können wir uns gerne wieder unterhalten und diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass im Steinernen Saal eine Aktion des Personalrats zugunsten einer schwer erkrankten Kollegin stattfi ndet.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Ist das jetzt eine Aufforderung, den Saal zu verlassen?)

Nein, ich bin aber ganz sicher, dass Sie nicht ständig hier sind und auch dort einmal vorbeigehen. In diesem besonderen Fall könnte es vielleicht ganz gesund sein, viel Kuchen zu essen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 a auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung eines Gesetzes zur Erweiterung und Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen (Drs. 15/6415) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von Seiten der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Herr Staatsminister Sinner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Dieser vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung und Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen ist ein wichtiger Eckpfeiler in der Deregulierungsstrategie der Bayerischen Staatsregierung. Wir setzen damit nicht nur direkt zahlreiche Erleichterungen für die Kommunen um, wir ermöglichen es auch Modellkommunen, in klar defi nierten Bereichen von bestimmten gesetzlichen Bestimmungen abzuweichen, um experimentieren zu können. Das ist eine Form der experimentellen Gesetzgebung, in die die Betroffenen frühzeitig einbezogen werden. Die Kommunen sind für uns alle der erste Ort der Demokratie und wir wollen die kommunale Selbstverwaltung stärken. Wir wollen Freiräume für eigenverantwortliche Entscheidungen geben. Wenn in einer Debatte hier im Hohen Hause ein Kollege der SPD sagte – das waren Sie, Herr Rabenstein –, es könne doch nicht sein, dass unterschiedliche Standortbedingungen herrschen, dann fühle ich mich als ehemaliger Europaminister daran erinnert, dass ähnlich auch Kommissare in Brüssel argumentieren, die meinen, es müsse alles dort geregelt sein. Wo kämen wir hin, wenn die Bayern und die Deutschen das anders machten.

Wir stehen dafür, dass wir nicht nur in Brüssel sagen, Zentralismus ist schlecht, sondern wir sagen das auch in Bayern. Wir haben Vertrauen in unsere Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte. Unsere Devise lautet: Mehr Bürgermeister und weniger Bürokratie.

Das ist die Intention, die hinter diesem Gesetzentwurf steht. Wir sind sicher, dass die Kommunen verantwortungsbewusst mit diesen neuen Instrumenten umgehen werden. Wir eröffnen Optionen, die auf freiwilliger Teilnahme beruhen. Der Gesetzentwurf benennt die beteiligten Kommunen. Diese werden auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände ausgewählt. Keine der benannten

Kommunen muss alle Freiräume ausnutzen; es kann aus einem Angebot gewählt werden.

Der Modellversuch ist auf vier Jahre befristet. Wir erproben in diesem Zeitraum, was im kommunalen Alltag sinnvoll ist und was nicht. Die Vorschläge, die wir aufgegriffen haben, kommen aus dem kommunalen Bereich. Sie sind nicht unumstritten und gerade deshalb wollen wir hier auch einen ergebnisoffenen Prozess.