Protocol of the Session on September 28, 2006

Zweitens. Nach dem Vorgang in Passau ist eine Hotline beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingerichtet worden, wo Bürger, Mitarbeiter, Nachbarn, Zeugen und andere vertraulich – wenn gewünscht auch anonym – Hinweise geben können, um unter den 200 000 Lebensmittelbetrieben die schwarzen Schafe identifizieren zu können. Es geht darum, dass wir den

Bodensatz erwischen. Es kann nicht darum gehen, dass wir pauschal und mit der gleichen Elle über das Land gehen und die Bauern, Metzger und Bäcker mit zusätzlichen Kontrollen überziehen. Das kann nicht das Ziel sein. Wir müssen diejenigen, um die es geht, aus den 200 000 Betrieben frühzeitig herausfiltern, um sie zur Rechenschaft und zur Verantwortung zu ziehen.

Drittens. Wir haben deshalb bereits am 17. Februar 2006 im Ministerrat eine Bekanntmachung verabschiedet, die die Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden, Polizei und Verbraucherschutzbehörden regelt. Wir können auch feststellen, dass sich diese Zusammenarbeit in den aktuellen Fällen bestens bewährt hat.

Nachdem der Zoll mehrfach angesprochen worden ist, möchte ich bemerken: Wir konnten den Zoll nicht in die Bekanntmachung mit einbeziehen, weil der Zoll bekanntlich eine Bundesverwaltung ist und dem Bundesfinanzminister untersteht. Deshalb kann der Freistaat ihn nicht in einer Bekanntmachung des Ministerrats aufführen, aber wir haben mit dem Zoll selbstverständlich eine Kooperation verabredet. Hierzu fand zwischen der Zollverwaltung und dem Verbraucherschutzministerium ein Schriftverkehr statt. Die Zusammenarbeit mit der Bundeszollverwaltung wird intensiv praktiziert.

Viertens. Ich komme zur Rotation. In der Tat haben wir nach den Fällen in Deggendorf und Passau die Konsequenz gezogen, dass wir der kommunalen Ebene, die für das amtliche Veterinärwesen zuständig ist, empfohlen haben, die amtlichen Tierärzte rotieren zu lassen.

Für die Amtsveterinäre ist mit Wirkung vom 1. September 2006 die vertikale Rotation im Personalentwicklungskonzept für den gesamten Geschäftsbereich festgelegt. Ich habe im Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz unter Vorsitz von Herrn Kollegen Henning Kaul gesagt, dass wir aus dem neuerlichen Vorgang eine noch weitergehende Rotationskonsequenz gezogen haben. Die Amtsveterinäre werden künftig nicht nur vertikal, also zwischen Landratsamt und Regierung oder zwischen Regierung und Landesamt rotieren, sondern sie werden auch horizontal rotieren und im Regelfall nach einem Zeitraum von fünf Jahren eine neue Aufgabe übernehmen. Dies geschieht nicht, weil eine Pauschalverdächtigung angebracht wäre, sondern die Veterinärverwaltung wird im Interesse der Unabhängigkeit und des Ansehens einer unabhängigen Kontrollbehörde künftig diese turnusgemäße Rotation vornehmen.

Herr Staatsminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Sprinkart?

Natürlich, Frau Präsidentin.

Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Staatsminister, ich habe zwei Fragen an Sie. Sie haben ausgeführt, dass die Landratsämter von Ihnen darauf hingewiesen wurden, die amt

lichen Veterinäre infolge des Deggendorfer Falles rotieren zu lassen. Ist Ihnen bekannt, inwieweit Ihr Anliegen umgesetzt wurde?

Meine zweite Frage: Warum haben Sie die Rotation der Amtsveterinäre erst zum 01.09.2006 angesetzt, also erst ein Jahr nach dem Deggendorfer Fall? Warum haben Sie das nicht früher in die Wege geleitet, nachdem Sie die Rotation doch bereits im Januar 2006 angekündigt haben?

Herr Staatsminister, bitte.

Ich beginne mit Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege Sprinkart. Der Fall Deggendorf ist im Januar 2006 erstmals im Verbraucherschutzministerium bekannt geworden.

(Adi Sprinkart (GRÜNE): Im Oktober!)

Der Fall Passau ist im Verbraucherschutzministerium erstmals im Januar 2006 bekannt geworden. Wir haben daraufhin eine Sonderkommission eingesetzt, die den Vorgang untersucht hat. Ich bitte schon, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, zu sehen: Sie sind die Legislative in diesem Land in Bayern. Sie bilden das Parlament, das letzten Endes neben der Exekutive die Verantwortung für die im Freistaat Bayern beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trägt, seien es Beamte oder Angestellte. Bei aller Diskussion über die kriminelle Energie einzelner dürfen wir nicht in pauschale Urteile verfallen, weder im Hinblick auf die Wirtschaft, noch gegenüber den öffentlich Bediensteten. Das darf auch nicht gegenüber den Landräten und den Bürgermeistern geschehen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Es gibt überhaupt keinen Anlass, eine generelle Komplizenschaft zu unterstellen, wie Sie das immer wieder unterschwellig tun.

(Susann Biedefeld (SPD): Sie wollen die Verantwortung auf andere abwälzen!)

Wenn sich jemand in einem Einzelfall nicht korrekt verhält, dann muss er dafür die Konsequenzen tragen.

(Susann Biedefeld (SPD): Das gilt auch für den Verbraucherschutzminister! Auch Sie haben Verantwortung!)

Bei dem Passauer Fall wurde nach den Feststellungen der Sonderkommission kein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern der Veterinärverwaltung festgestellt. Darauf komme ich später noch einmal zurück. In den jetzigen Fällen sind drei Mitarbeiter von den zuständigen Dienstvorgesetzten mit einer neuen Aufgabe betraut worden. Sie wurden aus ihrem bisherigen Aufgabengebiet herausgenommen. Diese Erkenntnisse waren Anlass zu sagen, die vertikale Rotation ist nicht ausreichend, wir erweitern die

Rotation auch auf die horizontale Ebene. Das heißt: Künftig werden die Mitarbeiter der Lebensmittelkontrolle im Regelfall alle fünf Jahre eine neue Aufgabe übernehmen.

Auf Ihre erste Frage komme ich später noch einmal zurück, Herr Sprinkart. Das EDV-System, das Sie, Herr Kollege Sprinkart, angesprochen haben, ist im Haushalt 2006 bereits eingestellt. Die europaweite Ausschreibung ist erfolgt. Die Vergabe wird in Kürze vorgenommen.

Ich will noch einmal ein Wort zu den sich ständig wiederholenden Behauptungen sagen, die Kontrollen in Bayern würden angemeldet. Es besteht die eindeutige Rechts- und Weisungslage, die Kontrollen unangemeldet durchzuführen. Das wurde zuletzt mit Schreiben vom 9. Februar 2006 als Dienstanweisung noch einmal allen Behörden mitgeteilt.

Auch das Betretungsrecht wurde von Ihnen nicht richtig dargestellt. Sie kennen den neuen § 42 des Lebensmittel, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches – kurz: LFGB –, welches das Betretungsrecht neu regelt. Schlicht falsch ist Ihre Aussage zum bundesweiten Melderegister. Bayern hat hier nichts verhindert, im Gegenteil: Wir arbeiten mit allen Bundesländern zusammen. Das VIS-VL – Fachinformationssystem für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – ist bundesweit im Aufbau.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin – Susann Bie- defeld (SPD): Das sieht Bundesminister Seehofer aber ganz anders!)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal Folgendes herausstellen: Ein Kontrollsystem ist nichts Statisches. Ein Kontrollsystem ist ständig in Weiterentwicklung. Bayern hat die Kontrollen deshalb beginnend mit 2004 auf Risikoorientierung umgestellt. Damals gab es keinen Skandal, keine öffentliche Landtagsdebatte und keine Dringlichkeitsanträge. Diese Umstellung wurde gleichwohl eingeleitet, so wie jetzt ein Qualitätsmanagementsystem aufgebaut wird. Das geschieht völlig lostgelöst von den aktuellen Fällen. Gleiches gilt für den Vollzug der neuen Kontrollverordnung der Europäischen Union, die seit 1. Januar 2006 in Kraft ist. In allen Kontrollbehörden werden seit Monaten Qualitätsbeauftragte geschult. Die Behörden werden künftig auditiert, wie es die europäische Kontrollverordnung vorsieht. All dies sind Vorgänge, die völlig losgelöst von den aktuellen Fällen erfolgen. Ich will darauf hinweisen, dass ein Kontrollsystem sich immer in Weiterentwicklung, in Bewegung befindet. Auch für die jetzt festgestellten Fälle gilt es deshalb, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und das Kontrollsystem zielgerichtet weiterzuentwickeln. In dieser Frage bin ich absolut offen.

(Susann Biedefeld (SPD): Genau das machen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag!)

Herr Kollege Marcel Huber hat bereits einige Aspekte angesprochen. In Übereinstimmung mit vielem, was hier am Rednerpult gesagt wurde, meine ich: Überall dort, wo wir feststellen, dass wir besser werden können, müssen wir dies auch tun. Wir müssen den Fleischhandel kontrollieren, der die Lücken im Gesetzessystem nutzt, weil es

keine europaweite Kennzeichnungs- und Kodierungspflicht gibt. Es gibt auch keine Meldepflicht. Im europäischen Handel gibt es wesentlich weniger Restriktionen als bei der Urproduktion. Hier muss sich auch Europa Gedanken machen, ob das Koordinatensystem richtig ist. Von den Bauern wird jedes Detail verlangt, sie werden durch Cross Compliance mit Anlastungen versehen, während der Handel kaum Kontrollen unterliegt.

Herr Kollege Wörner, Sie haben das angesprochen und hierzu ein Zitat verwandt, das auch ich schon oft gehört habe: „Kaum ist die Sau aus dem Stall, kümmert sich kein Schwein mehr darum.“ – Dieses Zitat ist Ausdruck dessen, dass in Europa bei der Urproduktion jedes Detail geregelt ist, während der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen im Binnenmarkt eine Art heiliger Kuh darstellt. Das ist historisch gewachsen.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Wörner?

Wenn die Zeit reicht, bin ich für Zwischenfragen gerne offen.

Bitte schön, Herr Kollege Wörner.

Herr Staatsminister, nun muss ich noch einmal nachfragen: Sie sagten, Bayern habe immer in die bundesweiten Informationssysteme eingestellt. Ich muss Sie mit dem Protokoll einer Sitzung des Landwirtschaftsausschusses in Berlin konfrontieren; bei der Sitzung waren Sie anwesend. Ich habe das Protokoll nicht vorliegen, aber ich kann es fast wortwörtlich wiedergeben.

Herr Kollege Wörner, würden Sie Ihre Konfrontation in eine Frage einmünden lassen?

Herr Minister Seehofer hat behauptet, keines der Bundesländer, einschließlich Bayern, habe eingestellt. Ist das richtig, oder ist das falsch? Sie, Herr Minister, behaupten, Bayern habe eingestellt.

Herr Staatsminister.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gesagt, was Herr Kollege Sprinkart gesagt hat, ist falsch, wonach Bayern ein bundesweites Melderegister verhindert bzw. behindert habe.

Richtig ist, dass alle Länder VIS-VL aufgebaut haben und sukzessive Daten einstellen. Diese aktuellen Fälle sind von Bayern und anderen Ländern – es sind ja über ein Dutzend Länder von diesen Fällen betroffen – eingestellt. Alle Länder setzen die seit 1. Januar 2006 geltende EU-Kontrollverordnung um. Alle Länder bearbeiten ein länderü

bergreifendes Qualitätsmanagement. Bayern schult bereits seine Qualitätsbeauftragten und alle Länder auditieren ihre Kontrollbehörden, so dass dieses Verfahren bundesweit einheitlich vorangetrieben wird, so, wie der europäische Rahmen gesetzt worden ist.

Deshalb lade ich noch einmal herzlich dazu ein, in aller Ruhe, aber auch mit aller Konsequenz an den Sachfragen mitzuarbeiten. Ich habe schon beim letzten Mal gesagt, wir werden die Spezialeinheit konsequent weiterentwickeln. Wir prüfen, inwieweit zum Beispiel die Regierungen einzubeziehen sind, und wir werden sehr zeitnah ein Konzept für Schlussfolgerungen aus diesen Fällen vorlegen. Wir sind – genauso, wie Sie gesagt haben – übereinstimmend, wie ich von allen Rednern gehört habe, der Meinung, dass unabhängig vom Portemonnaie unserer Bürgerinnen und Bürger die Lebensmittel, die auf der Ladentheke oder im Supermarktregal landen, sicher sein müssen. Sichere Lebensmittel dürfen nicht vom Einkommen abhängig sein. Es gibt unterschiedliche Qualitäten und sicher ist auch das Motto „Geiz ist geil“ ein Slogan gewesen, der in eine bedenkliche Richtung gelenkt hat. Die Lebensmittel, die im Supermarkt oder in der Gastwirtschaft angeboten und verkauft werden, müssen sicher und gesund sein. Deshalb lassen Sie uns aus diesen kriminellen Fällen die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Wie es Herr Kollege Huber bereits gesagt hat, kann niemals der Staat eine Garantie dafür übernehmen, dass es nicht da oder dort wieder zu Straftaten kommt. Wir wollen aber alles daran setzen, das Kontrollsystem entsprechend weiter zu entwickeln und Bußgelder, Strafrahmen, Meldepflichten und Codierungspflichten so zu verschärfen, dass wir höchstmögliche Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger in Bayern und in ganz Deutschland schaffen.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aussprache geschlossen. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Wie schon angekündigt, wurde namentliche Abstimmung beantragt. Die Anträge werden wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/6345 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich, das mit der blauen Karte anzuzeigen, wer den Antrag ablehnt mit der roten und Enthaltungen wie immer mit der weißen.

Wir beginnen mit der namentlichen Abstimmung – fünf Minuten sind vorgesehen.

(Namentliche Abstimmung von 16.03 bis 16.08 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit ist abgelaufen. Die Abstimmung über diesen Dringlichkeitsantrag ist beendet. Wir brauchen einen kleinen Augenblick, bis die Urnen wieder aufgestellt werden.

Es kommt dann zur Abstimmung der Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/6354 – das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.