Protocol of the Session on July 18, 2006

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Sie führen Kombiklassen ein, Sie machen Klassen größer, um Lehrer zu sparen - das ist die bittere Wahrheit an unseren Grundschulen -, anstatt die Rahmenbedingungen für die individuelle Förderung zu verbessern. Anstatt den demographischen Wandel zu nutzen und Klassen kleiner zu machen, streichen Sie Lehrerstellen. Was ist das für eine Politik? Der Bedarf an individueller Förderung ist vorhanden. Sie nutzen den demographischen Wandel nicht, sondern Sie machen nach wie vor eine reine Sparpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Je höher das monatliche Nettoeinkommen der Eltern – auch das müssen Sie einmal in Ihrem Kopf wälzen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU –, desto größer ist der Schulerfolg. Das zeigt der Bildungsbericht. Wollen Sie sich endlich einmal um die Familien kümmern, die eben nicht so hohe Familieneinkommen haben, oder haben deren Kinder kein Recht auf eine gute Zukunftsperspektive? Wollen Sie endlich auch einmal für die Politik machen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Je höher die Arbeitslosigkeit in einer Region, umso mehr Kinder besuchen die Hauptschule. Wollen Sie denn nicht auch einmal wirtschafts- und strukturschwachen Regionen helfen, indem Sie die Familien, die arbeitslos sind, besser unterstützen? – Nein, das tun Sie nicht.

Es gibt in der Schule keine Zeiten mehr für Üben und Vertiefen für genau die Kinder, die keine Nachhilfe bezahlen können. Wissen Sie eigentlich, dass heutzutage aktuell über 20 % aller Grundschüler Nachhilfe erhalten? Das ist eine Bankrotterklärung Ihrer Bildungspolitik und Ihrer Schulpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wollen Sie endlich einmal darüber nachdenken, dass es Familien gibt, die sich keine Nachhilfe leisten können, oder wollen Sie dies weiterhin so laufen lassen?

Herr Kollege, zehn Minuten sind vorbei.

Ich brauche noch eine halbe Minute. – Der größte Skandal allerdings ist, dass die Zahlen längst bekannt sind. Sie wissen seit Jahren, worum es geht. Aber Sie haben nichts getan. Der zweite Skandal ist, dass sich nicht abzeichnet, dass Sie in Zukunft etwas dagegen tun wollen, indem Sie die Finanzierung der Bildung erhöhen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Professor Dr. Waschler.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann ganz einfach

und kurz zusammenfassen: Wir haben wieder die uralte Platte der SPD gehört, wie die Bildung in Bayern sein soll. Die Brille, die Sie tragen, lässt keinen Lichtstrahl durch. Es ist Verblendung pur, was Sie dargestellt haben.

(Beifall bei der CSU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die SPD müsste einmal zur Kenntnis nehmen, dass der Bildungsbericht ein hervorragendes Kompendium ist. Aber die Daten, die dort enthalten sind, sind keinesfalls neu,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

sind alle bereits verfügbar gewesen. Jetzt wacht die SPD angeblich aus dem Dornröschenschlaf auf,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Nein, das war schon immer unser Lied – alles, was recht ist!)

den Sie der CSU andichten, und behauptet, wir sollten manche Dinge vergessen, die die Bildungslandschaft richtig beschreiben. Ich kann nur sagen, Herr Kollege Pfaffmann: Das Argument können Sie vergessen, dass wir die Fakten nicht sehen würden. Es würde Ihnen natürlich passen, wenn wir sie ignorieren würden; denn da stehen Dinge drin, die Ihnen nicht passen können, weil dort nämlich Sachverhalte beschrieben werden, auf die ich gleich eingehe und die Ihrem Konzept völlig zuwiderlaufen.

Sie haben seit einem Jahr keine einzige Neuerung in Ihren Ausführungen. Das Bildungssystem in Bayern wird systematisch schlecht geredet, und es werden keine Lösungsvorschläge gemacht, die in irgendeiner Weise andere Dinge beschreiben, als sie ohnehin vonseiten der CSUFraktion und der Staatsregierung schon betrieben worden sind.

Das beste Beispiel war bereits das Thema bei der Beantragung der Aktuellen Stunde. Sigmund Freud lässt grüßen, auch er gehört zum großen Bereich der Bildung. Hierfür wurde zunächst das Thema „Bayern, Land der Bildungsgerechtigkeit!“ eingereicht. Ich muss sagen: Da hätten Sie Recht gehabt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Eine Stunde später – genauer gesagt: eine Stunde und acht Minuten später, jeder kann sich natürlich korrigieren – kommt dann das Thema: „Bayern, Land der Bildungsungerechtigkeit?“; zunächst war da ein Ausrufezeichen, jetzt steht ein Fragezeichen dahinter. Ich kann nur sagen: Dieses Fragezeichen können Sie getrost belassen; denn Bayern ist ein Land, in dem man Bildungsgerechtigkeit groß schreibt. Es ist keinesfalls die Rede davon, dass Bildung hier vom Geldbeutel der Eltern abhängt, sondern man muss die Fakten zur Kenntnis nehmen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ja, darauf warten wir schon!)

In der gebotenen Kürze will ich auf einige Fakten hinweisen. Es geht zwar auch hier immer wieder um etwas, das man längst in der Literatur hätte nachlesen können. Aber wir geben gerne ein klein wenig Nachhilfeunterricht und ein paar Quellenhinweise, damit man den entsprechenden Informationsstand hat und den bayerischen Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie den Eltern in Bayern zeigt, wo wir wirklich stehen, nämlich nicht – um ein Bild aus dem Fußball zu nehmen – irgendwo in der A-Klasse, sondern sehr wohl in der Bundesliga. Das wird uns von allen Seiten bestätigt.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Lassen Sie mich doch ausreden. Sie glauben doch uns von der Fraktion ohnehin nicht. Hören Sie wenigstens darauf, was unabhängige Sachverständige feststellen. In einer Studie von Gabriela Schütz und Ludger Wößmann ist im Jahr 2005 Folgendes festgestellt worden:

In allen nationalen und internationalen Schülerleistungstests erweist sich nahezu ausnahmslos der familiäre Hintergrund der Schülerinnen und Schüler als der am weitesten stärkste Einfl ussfaktor auf die erzielten Leistungen. Deshalb muss man gerade dort ansetzen.

Wir müssen bei den Eltern ansetzen; darauf wird Frau Kollegin Dodell noch eingehen. Das Thema Elternbildung muss uns eben wichtig sein.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Zu dem, was Sie moniert haben, weise ich auf eine Veröffentlichung in „Die Zeit“ von Thomas Kerstan unter dem Titel „Leistung und soziale Gerechtigkeit im Überblick“ hin. Dort werden Bezüge zwischen der Mathe-Stärke und der sozialen Gerechtigkeit analysiert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dort wird festgestellt, schlecht und ungerecht sei es in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hessen, Saarland, RheinlandPfalz, Niedersachsen, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bremen und – über den großen Tellerrand hinweg – in anderen Ländern wie in den USA und in Ungarn.

Gut und gerecht gehe es zu in Bayern, an der Spitze lägen zudem Sachsen, Thüringen und international Japan, Finnland, Kanada, Schweden, Österreich und die Schweiz. Im gleichen Artikel heißt es weiter: „Die Bildungsforscher sprechen genauer davon, dass in Bayern die Leistung der Schüler vergleichsweise wenig an die soziale Herkunft gekoppelt ist.“ Arbeiter- und Einwandererkinder werden also dort besser als in Bremen oder in Baden-Württemberg gefördert. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Ich habe versucht, bereits im Bildungsausschuss ein wenig darüber zu informieren, dass es nicht einfach eine Ursache gebe, sondern dass man eben hinter die Daten blicken müsse. Der Bildungsbericht beschreibt nur Daten. In diesem Artikel von Kerstan wird hingegen ausgeführt, die Ursachen dafür, dass die Situation in Bayern besser

sei, seien nicht geklärt. Vieles spreche dafür, dass klare Leistungsanforderungen entgegen manchen Vorurteilen gerade die schwächeren Schüler fördern. Außerdem sei zu vermuten, dass die relativ intakte bayerische Hauptschule eine anregende Lernumgebung biete. Dazu kann man nur sagen: Gratulation der bayerischen Hauptschule! Die bayerische Hauptschule ist die größte und eine wichtige Schulart.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)

Mit den von Ihnen permanent monierten Gerechtigkeitsproblemen am Gymnasium haben Sie Recht: Der Vergleich zeigt, dass tatsächlich Facharbeiterkinder auch in Baden-Württemberg eine doppelt so große Chance haben, nach der Grundschule an das Gymnasium zu wechseln. Aber der Weg zum Hochschulzugang führt in Bayern eben nicht allein über das Gymnasium. Schon heute nehmen 42 % der bayerischen Schülerinnen und Schüler den Weg über den M-Zug, über die Real- und die Wirtschaftsschule. Diese Schüler kommen so zum Hochschulzugang. Wir werden diesen Weg weiter ausbauen und optimieren. Das erfordert auch eine starke Hauptschule.

Ich fordere Sie daher auf, den Eltern nicht mehr länger zu sagen, der allein selig machende Weg sei das Gymnasium; denn es gibt andere Wege, zum Beispiel den beruflichen Weg, der genauso wichtig und gut ist. Dieser Weg stärkt die Schüler in manchen Bereichen weit mehr als der Weg über das Gymnasium, das ich allerdings in keiner Weise schlecht reden möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das gilt immer für die Kinder anderer!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie reden immer wieder von den Finanzen. Ich möchte jetzt nichts über den Haushalt und die Steigerung der Bildungsausgaben sagen, die überproportional wachsen. Sie reden dauernd über Gerechtigkeit. Schauen Sie doch einmal über den Tellerrand hinaus: Das Entscheidende ist, dass unsere Schülerinnen und Schüler eine gediegene Ausbildung erfahren und dass hier auch der Umfang stimmt. Wer den Umfang der insgesamt erteilten Unterrichtsstunden betrachtet, stellt fest: Da gibt es keine Diskussion. Wir haben in Bayern die höchste Anzahl erteilter Unterrichtsstunden, und der Umfang des Unterrichts wächst weiterhin. Im Vergleich mit Bremen, Hamburg und NordrheinWestfalen haben die bayerischen Schülerinnen und Schüler – von der Grundschule bis zum Abitur – bis zu zwei Jahre Lernvorsprung. Das ist gleichzusetzen mit Lernchancen, die es zu nutzen gilt. Dann muss eben auch der Aufruf kommen, dass diese Angebote des bayerischen Schulwesens genutzt werden müssen. Das erfordert von den Schülern Fleiß, Einsatzbereitschaft und die Offenheit, eine der Bildung angemessene Richtung einzuschlagen.

Ich wiederhole: Es ist seitens der Opposition unseriös, immer wieder zu sagen, ein Hochschulzugang über die Hauptschule oder andere Bildungschancen seien weniger gut, sondern sie sind gleichwertig.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich lese in Pressemitteilungen, dass kritisiert wird, in Bayern sei durch die Beschlüsse zum Nachtragshaushalt zu wenig gemacht worden. Ich stelle dagegen fest: Rund 30 000 Unterrichtsstunden werden im Schuljahr 2006/ 2007 zusätzlich erteilt. Diese Fakten kann man nicht wegdiskutieren.

Sie sagen, man müsse auf das Wohl der Kinder, auf die aktuelle Situation der Schulen schauen. Wir tun das regelmäßig. Wir schauen mit einer größeren Schärfe hin, als Sie es sich vorstellen können. Wir haben beispielsweise erst vor wenigen Tagen im Rahmen einer Klausur des Bildungsarbeitskreises der CSU-Fraktion die Hauptschule in Bodenmais angesehen. Dort wirken Schule, Eltern und Kindergarten vorbildlich zusammen, angeführt von der Schulleitung, die sich hier engagiert und für die Kinder im verfügbaren Rahmen ein hervorragendes Bildungsangebot schafft. Das hat wirklich nichts mehr mit dem Geldbeutel zu tun. Da stimmen der Rahmen und die Richtung. Der „Focus“ schreibt in der aktuellen Ausgabe vom 17.07.2006, dass eine Verpfl ichtung zur Integration bestehe und dass Eltern in die Pfl icht zu nehmen seien.

Es gibt eine Gemeinschaftsleistung. Wir brauchen an den Schulen Niveau und Qualität, und beides haben wir in Bayern. Wir kennen die Baustellen, wo wir verstärkt arbeiten müssen – in der Sprachförderung und für eine solide Integration. Da sind wir auf dem besten Weg, und den lassen wir uns nicht schlecht reden.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Waschler, ich kann Sie nach diesem Bildungsbericht nicht verstehen;

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

denn dieser Bildungsbericht hat die Studie der GRÜNEN, die wir schon vor zwei Jahren vorgestellt haben, eigentlich bestätigt. Das Resümee aus diesem Bildungsbericht und aus unserer Studie lautet: Der Bildungserfolg in Bayern ist eben nicht davon abhängig, was ein Schüler kann und was er im Köpfchen hat, sondern vom Geldbeutel und von der Bildung der Eltern, vom Wohnort und von der Tatsache, ob seine Eltern eingewandert sind oder nicht.