Ich kann nur feststellen, dass der selbe Minister, der vor einem Jahr die Studienbeiträge als einen Beitrag zur Demokratie „verkauft“ hat, weil die Studierenden als Kunden der Hochschulen auch mitbestimmen könnten, und der vor ein paar Wochen den Dringlichkeitsantrag der CSU mitformuliert und ihm zugestimmt hat, heute auf dem Standpunkt steht: Wer für die Hochschulen Demokratie fordert, der schafft die Demokratie ab. Diesen Widerspruch verstehe ich nicht. Uns zu unterstellen, wir würden mit Verdächtigungen arbeiten, lässt unsererseits nur den Rückschluss zu, dass Sie keine Ahnung davon haben, was an den Hochschulen passiert und was dort beschlossen wurde.
Wer die Modelle der 35 bayerischen Hochschulen kennt, die die Studienbeiträge unterschiedlich handhaben, und deren Modelle alle besser sein können, als das, was Sie vorschlagen – aber auch schlechter – ablehnt und sagt, nur die paritätische Lösung sei richtig, ist kein Demokrat. Ich wiederhole das ausdrücklich. Ein Demokrat ist derjenige, der die Vielfalt zulässt. Da Sie das nicht schaffen, sollten Sie sich raushalten.
Ich stelle fest, dass die Wortbeiträge des Kollegen Spaenle im Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur und von Herrn Joachim Herrmann bei der Podiumsdiskussion Zeichen von Nichtdemokraten waren, denn sie haben gefordert, was wir in unserem Antrag formuliert haben.
Der Herr Minister hat noch einmal das Wort. Kolleginnen und Kollegen, das ist „lebendiges Parlament“.
Herr Kollege Vogel, beide Kollegen, sowohl Dr. Spaenle als auch unser Fraktionsvorsitzender Herrmann haben gesagt, dass sie mit dem Antrag verstanden wissen wollen, dass die paritätische Mitbestimmung eine
Das ist nicht Beschlusslage bei der CSU. Herr Herrmann hat nicht das gesagt, was Sie interpretieren. Sie müssen Ihre Gedanken nicht mit ihm identifi zieren. Ich rate Ihnen ausdrücklich, mit ihm darüber zu reden.
Herr Kollege Vogel hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bleiben Sie gleich hier stehen, Herr Minister.
Herr Minister Goppel, ich stelle fest: Bei der Podiumsdiskussion saß ich neben Herrn Herrmann und im Hochschulausschuss neben Herrn Dr. Spaenle. Nun frage ich, wer das interpretieren muss, was die beiden sagten. Ich weiß es, was sie gesagt haben, nämlich das, wofür ich stehe. Ich will Ihnen Ihre andere Auffassung lassen, ich will Sie nicht bekehren, das gelingt mir auch nicht. Aber ich weiß, was ich gehört habe. Sie sagten: Zuhören. Das habe ich getan, habe es kapiert und einen Antrag eingebracht. Trotzdem passt es nicht.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Namentliche Abstimmung ist nicht beantragt.
Wer dem Dringlichkeitsantrag der SPD auf Drucksache 15/5918 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Enthaltungen? – Keine. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN auf der Drucksache 15/5927 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mehr Ausbildungsplätze für Bayern (Drs. 15/5919)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Joachim Herrmann, Renate Dodell, Markus Sackmann u. a. u. Frakt. (CSU) Gemeinsam für mehr Ausbildungsplätze in Bayern (Drs. 15/5920)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Joachim Wahnschaffe, Christa Steiger u. a. u. Frakt. (SPD) Ausbildung fördern – in Bayerns Zukunft investieren (Drs. 15/5921)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Fakt ist, auch wenn Sie das bisweilen bestreiten: Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich längst von den Ausbildungsmöglichkeiten für unsere Jugendlichen im dualen System entkoppelt. Trotz einer gewissen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt, schlagen sich auf dem Ausbildungsmarkt immer mehr Bewerberinnen und Bewerber um immer weniger Ausbildungsplätze. Für jeden dritten der knapp 100 000 Bewerberinnen und Bewerbern ist keine Lehrstelle in Bayern in Sicht. In vielen Regionen Bayerns, wie etwa in Weißenburg, ist die Situation noch gravierend schlechter.
Jugend ohne Ausbildung ist eine gesellschaftliche Katastrophe, die sich anbahnt. Hier muss Politik, hier müssen wir weitere Maßnahmen ergreifen. Deswegen war ich gestern vorübergehend hoch erfreut, dass nicht nur wir mit unserem erstem im Betreff genannten Dringlichkeitsantrag das Problem des Ausbildungsnotstandes in Bayern benannten, sondern dass dies auch die Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen der CSU taten und dieses Thema heute als das Wichtigste einstuften.
Erfreut war ich allerdings nur so lange, das muss ich gestehen, bis ich Ihren Antrag gelesen hatte, denn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben den Ausbildungsnotstand zwar erkannt - sonst hätten Sie diesen Antrag nicht gestellt, das zeigt auch die Tatsache, dass Sie heute mit uns darüber diskutieren wollen -, Sie schreiben in Ihrem Antrag aber in langatmigen Ausführungen und völlig unverblümt, dass alles, was die Staatsregierung bisher gemacht hat, prima und ausreichend ist.
Wenn aber das „weiter so“ – und das ist es, was in Ihrem Antrag tatsächlich steht – Ihre einzige Antwort ist auf das drängendste gesellschaftliche Problem, das wir derzeit in Bayern haben, dann ist das kein Beitrag zur Lösung, sondern der blanke Hohn gegenüber den Betroffenen.
Die Bayerische Staatsregierung ist unfähig, für jeden Jugendlichen ein vernünftiges Ausbildungsplatzangebot zu ermöglichen. Das ist die Wahrheit. Diese Wahrheit fordert Korrekturen, Herr Kollege Unterländer, bitte erkennen Sie das endlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist völlig unstrittig, dass das duale System der Berufsausbildung nach wie vor das beste System ist, das beste Konzept für den Erwerb einer praxisnahen und bedarfsorientierten Berufsqualifi kation und für den Eintritt ins Berufsleben.
Wenn Sie nicht wussten, dass ich das anerkannt habe, Herr Kollege Unterländer, dann habe ich mich geirrt, wenn ich dachte, dass Sie mir zugehört hätten, weil Sie immer so aufmerksam schauen. Vielleicht haben Sie es auch wieder vergessen. – Das ist völlig unstrittig. Weil das so ist, ist es aber auch nicht weniger als ein gesellschaftlicher Skandal, wenn 70 % unserer Betriebe in Bayern mittlerweile keinerlei betriebliche Ausbildung mehr machen. Wir dürfen deshalb auf keinen Fall die Unternehmer aus ihrer Verantwortung entlassen. Wir alle wissen, auch wenn ich jetzt nicht näher darauf eingehe, dass Ihre Politik des immerwährenden Appells, die sich auch in Ihrem Antrag wieder fi ndet – des Appells an Handwerkstage, an Industrie- und Handelstage, an ausländische Unternehmen, an was weiß ich wen, eben an alle, nur nicht an die Staatsregierung - gut gemeint sein mag. Doch die zurückgehende Ausbildungsbereitschaft, die wir tatsächlich erleben, beweist, dass Sie mit dieser Politik gescheitert sind.
Die Frage der Ausbildungsplatzumlage gehört deshalb endlich wieder auf die arbeitsplatzpolitische Agenda. Wir müssen die Unternehmen fördern, die Ausbildungsplätze über Bedarf anbieten, und wir müssen diejenigen bestrafen, die sich ihrer Verantwortung verweigern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Unternehmerinnen und Unternehmer beklagen als Grund der rückläufi gen Ausbildungsbereitschaft mangelndes Fachwissen, mangelndes Sozialverhalten und mangelnde Leistungsbereitschaft. Wir alle wissen, dass das nicht immer nur eine Schutzbehauptung ist, wenn ein Unternehmen keine Auszubildenden einstellen will. Wir wissen, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer mit ihrer massiven Kritik an der bayerischen Bildungspolitik Recht haben, das gilt vor allem, was das „schwierige Fünftel“ in unserem Bildungssystem betrifft. Das hat viele Gründe, es liegt aber auch daran, und damit komme ich zu den konkreten Punkten unseres Antrags, dass Bayern bei den Aufwendungen für Berufsschulen mit Abstand auf dem letzten Platz aller westdeutschen Bundesländer liegt. In Baden-Württemberg beispielsweise sind die Ausgaben pro Schüler um etwa ein Drittel höher. Das hat erhebliche Folgen, das wird nicht wundern, für das Angebot an den Berufsschulen. Die Anrechnungsstunden für die nebenberufl ichen Lehrkräfte werden weiter gekürzt. Es ist aber dringend erforderlich, dass die Praktiker aus den Betrieben in den Berufsschulen sind. Unterrichtsausfälle sind zudem an der Tagesordnung.
Nicht nur, aber auch in unseren Berufsschulen ist die berufsbezogene Schulsozialarbeit dringend notwendig. Damit können wir die Anzahl der Schulabbrecher und der
Lehrabbrecher deutlich senken. Wir können viele Jugendliche, die dennoch abbrechen, vor Arbeitslosigkeit schützen, wenn die Schulsozialarbeiter versuchen, diesen Jugendlichen trotzdem einen Weg aufzuzeigen. Sie wissen das vermutlich genauso gut wie wir. Dennoch müssen derzeit die Berufsschulen, die eigene Schulsozialarbeiter haben wollen, diese selbst fi nanzieren, denn vom Freistaat gibt es nichts. Der lächerlich geringe Etat für Jugendsozialarbeit ist in den letzten Jahren nicht ausgeweitet worden.
Wir fordern Sie auf, handeln Sie, reden und schreiben Sie nicht, sondern handeln Sie! Schaffen Sie endlich den notwendigen Rahmen für Jugendsozialarbeit, auch an unseren Berufsschulen. Wenn Sie der Hilfe bedürfen, Sie können sich jederzeit an uns wenden.
Berufsschulen können aber noch mehr, wenn wir Sie lassen würden. Der Berg an Jugendlichen, die keinerlei Ausbildungsstellen bekommen, wächst von Jahr zu Jahr. Sie schicken diese Jugendlichen, wohl zu Ihrer eigenen Gewissensberuhigung, in Warteschleifen, von denen Sie – und das habe ich heute in einer Mündlichen Anfrage wieder bestätigt bekommen – noch nicht einmal zu evaluieren versuchen, ob diese überhaupt irgend etwas bringen bei dem Versuch, einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstelle zu fi nden. Dabei wissen wir doch alle, wie das in den Warteschleifen aussieht: frustrierte Jugendliche, frustrierte Lehrer, das Lehrpersonal weniger Pädagoge als Dompteur. Unsere gesellschaftliche Aufgabe ist es aber nicht, Jugendliche in irgendwelchen nicht sinnvollen Warteschleifen zu parken, was nur dazu führt, dass hinterher der Stau vor den Ausbildungsplätzen immer größer wird. Unser Auftrag ist es vielmehr, die Jugendlichen aus diesen Warteschleifen herauszuholen und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir wollen deshalb, dass Bayern gemäß des am 1. April 2005 novellierten Berufsbildungsgesetzes dessen Zielvorgaben bis zum 31. Juli 2006 verwirklicht und ergänzend zum dualen Ausbildungsweg zusätzliche vollzeitschulische Ausbildungsmöglichkeiten mit Kammerabschlüssen schafft. Wer das Gespräch mit den Berufsschulen sucht, der wird auch erfahren, dass das geht. Die bayerischen Berufsschulen sind durchaus und mit wenig zusätzlichem Aufwand in der Lage, Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag eine schulische Berufsausbildung zu ermöglichen, die durch ein einjähriges Praktikum ergänzt wird. Statt die Jugendlichen nur zu parken, wollen wir ihnen einen anerkannten Ausbildungsabschluss ermöglichen, zumindest so lange, bis das duale System wieder so gut funktioniert, dass es ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine besonders problematische Zielgruppe sind die Jugendlichen aus dem SGB II-Empfängerkreis. Diese haben extrem schlechte Chancen, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Wir fordern Sie deshalb auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Unternehmen, die diesen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen, nur die Differenz zwischen den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die sie bisher von den ARGEs bekommen, und der Ausbildungsvergütung bezahlen müssen. Bei dieser Förderung müsste allerdings sichergestellt sein, dass es sich um zusätzliche Ausbildungs
plätze handelt, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, damit ein SGB II-Jugendlicher nicht einen anderen Jugendlichen ersetzt. Hier könnten ähnliche Regelungen gelten wie bei der Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze im Rahmen von „Fit for Work“. Bei diesem Programm gehen Sie ja auch davon aus, dass die Regelungen die zusätzlichen Ausbildungsplätze sichern.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vor dem Hintergrund Ihrer Einstellung, alles wird gut, wenn wir nichts in unserer Politik ändern, ist Ihre eigene Ausbildungsbereitschaft oder, besser gesprochen, die Ausbildungsverweigerung des Freistaats Bayern ein echter Hammer. Während die Staatsregierung bei allen anderen von einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung spricht, bei allen Unternehmen, bei jedem anderen, haben Sie gleichzeitig mit der Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst für Tausende von Jugendlichen die Einstellungschancen und die Ausbildungsmöglichkeiten zerstört. Damit ist die Staatsregierung der größte Ausbildungsplatzvernichter, unter dem Bayern jemals zu leiden hatte. Das geschah ausgerechnet in den Jahren, in denen das größte Problem bestand, junge Menschen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren.
(Klaus Dieter Breitschwert (CSU): Sie wissen aber schon, dass Rot-Grün die meisten Meisterbriefe abgeschafft hat?)
Seit der Einführung der 42-Stunden-Woche, lieber Kollege, ist die Zahl der Auszubildenden in der öffentlichen Verwaltung von 4116 auf 1470 gesunken. Das bedeutet, die Ausbildungsplätze sind auf ein Niveau von 30 % gesunken. 3000 Ausbildungsplätze gibt es weniger. Die Ausbildungsquote des Freistaats liegt unter 1,5 %. Alle anderen Bundesländer haben eine höhere Ausbildungsquote. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben eine Quote über 3 %.
Jetzt können Sie Ihren Zwischenruf noch einmal machen. Angesichts dieser schwierigen und immer schwieriger werdenden Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist es unverantwortlich, wie sich die Staatsregierung auf dem Rücken junger Menschen gesundzusparen versucht.
Dieses Verhalten entlarvt Ihren heutigen Antrag, Ihren Placebo-Antrag, als hohles Geschwätz, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir fordern Sie auf, die Zahl der Ausbildungsplätze im Freistaat auf ein Niveau zu erhöhen, das dem der anderen Bundesländer entspricht, und zwar auf etwa 3 %. Dabei müssen wir auch daran denken, die Ausbildung so zu konzipieren, dass eine Verwendbarkeit der Auszubildenden auch außerhalb des öffentlichen Dienstes langfristig möglich ist. Das würde im Übrigen auch der Hofer Beamtenfachhochschule nicht schaden.