Protocol of the Session on May 19, 2006

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Antrag der Abg. Franz Maget, Herbert Müller, Ludwig Wörner u. a. u. Frakt. (SPD), Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung möglicher Versäumnisse und etwaiger unzulässiger Einfl ussnahmen bei der staatlichen Kontrolle der Firma Deggendorfer Frost GmbH, der Unternehmensgruppe Berger und anderer Fleisch verarbeitender Betriebe in Bayern und zu den Konsequenzen, die sich hieraus zur Verbesserung des Verbraucherschutzes ergeben (Drs. 15/5306) und Festlegung der Mitgliederzahl, Besetzung und Vorsitz des Untersuchungsausschusses

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz ruhig bleiben!

Ich eröffne die Aussprache. Wir haben 15 Minuten Redezeit pro Fraktion vereinbart. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Müller.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Über den Hintergrund wird zu gegebener Zeit zu beraten sein.

Ich möchte als Erstes auf die Bedeutung des Verbraucherschutzes hinweisen. Er ist der eigentliche Grund, um den es geht. Der Verbraucherschutz hat eine Bedeutung erlangt, die dazu geführt hat, dass im Januar 2001 ein eigenes Ministerium eingerichtet worden ist. So etwas macht man nur, wenn man davon überzeugt ist, dass dies etwas Wichtiges ist. Dass dies auch damit zu tun hatte, dass zwei andere Ministerien nicht so gearbeitet haben, wie sie hätten arbeiten sollen – so sagt man –, will ich nur am Rande erwähnen.

Es ging um Defi zite, die im Verbraucherschutz aufgetreten sind. Verbraucher sind alle Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Diesen Defi ziten wurde mit der Bildung eines eigens dafür zuständigen Ministeriums begegnet, das als erstes die Aufgabe hat, Vorkommnisse zu kontrollieren und zu informieren, um dem Verbraucher das Gefühl zu geben, dass er sich in Bayern auf den Verbraucherschutz und auf die Qualität verlassen kann.

(Beifall bei der SPD)

Das war die Begründung für die Einrichtung eines eigenen Ministeriums.

Lassen Sie mich kurz auf den Inhalt eingehen. Wir wollen in diesem Untersuchungsausschuss drei Punkte aufgeklärt haben. Wir wollen wissen: Erstens. Gab es Versäumnisse? Zweitens. Gab es unzulässige Einfl ussnahmen? Drittens. Wie kommen wir zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes? Das ist der entscheidende Punkt. Ich darf für mich noch einen vierten Punkt hinzufügen, der nicht im Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses steht, dessen Besprechung aber schon notwendig ist: Ich nenne ihn Merkwürdigkeiten, die wir natürlich auch aufzuklären haben.

Lassen Sie mich vielleicht als Erstes eine kurze Chronologie geben. Sie werden überrascht sein, dass ich mit dem Gammelfl eisch-Skandal beginne. Am 11. Oktober 2005 erhält das Ministerium nach eigenen Angaben Kenntnis vom Deggendorfer Ekelfl eisch-Skandal durch das niedersächsische Verbraucherschutzministerium. Dass der Zoll bereits vorher ermittelt habe, habe der Zoll dem bayerischen Verbraucherschutzministerium nicht mitgeteilt.

13. Oktober 2005:

Mit einer sofort angeordneten Großrazzia bei 39 bayerischen Zwischenbehandlungsbetrieben für „Fleischnebenprodukte der Kategorie 3“ hat Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnapp

auf den ersten Schritt getan, Licht in die offenbar hochkriminellen Machenschaften zweier bayerischer Fleischbetriebe zu bringen.

Das ist ein Zitat aus einer Erklärung des Ministeriums. Ich könnte jetzt der Reihe nach weitermachen und Ihnen die Chronologie-Happen weiter erläutern.

Die Reaktion auf den Gammelfl eisch-Skandal war der übliche bayerische Viererschritt: Erstens eine große Diskussion, zweitens Aktionismus, drittens Sonder- und Aktionsprogramme und viertens – oder war das doch erstens? – das Argument, wir in Bayern sind die Größten. Ich habe natürlich gewusst, wie das gemeint war, wo wir die Größten sind. Aber auch das werden wir in diesem Untersuchungsausschuss feststellen.

Die Probleme, die sich nach dem Gammelfl eisch-Skandal aufgetan haben, waren folgende: Regelungs- und Kontrollmechanismen funktionierten defi nitiv nicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Ein Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden – die Informationen sollen in Ihrem Haus zusammenlaufen, um darauf reagieren zu können – fand defi nitiv nicht statt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Ich habe gerade über den Gammelfl eisch-Skandal im Oktober 2005 gesprochen. Ab 2006 kam Berger Wild dazu.

Wie gesagt: Der Untersuchungsausschuss hat vier Aufgaben. Erstens. Die Versäumnisse sind aufzudecken. Ich darf Ihnen etwas aus dem Jahr 2005 vorlesen, was Berger insgesamt angeht: Nach Angaben der Gewerkschaft NGG werde die Bezirksregierung die Staatsanwaltschaft Landshut und die Kriminalpolizei in Passau auch über die hygienischen Mängel bei Berger Wild informieren. Die Staatsanwaltschaft dementiert. Das war am 13. Juli 2005. Das Hauptzollamt in Landshut übergibt drei Aktenordner an die Kriminalpolizei in Passau. Im sechsseitigen Ermittlungsbescheid heißt es, es bestehe auch der Verdacht, dass die Gesundheit von Menschen geschädigt werde, indem nicht genussfähiges Wildbret unter falschen Angaben in den Verkehr gebracht werde.

Genannt werden das Auffrischen durch injizierte Stärke und die Verwendung von Stabilisatoren. Auf eine weitere Aufzählung verzichte ich, weil Sie nachher noch zum Mittagessen gehen wollen. Weiter heißt es, bei zu erwartenden Kontrollen würden die Kühlhäuser geleert. Das Schreiben des Landrats Dorfner ist nach eigenen Angaben nicht bekannt. Das Polizeipräsidium stellt fest: Dazu gab es keine Veranlassung. Das Landratsamt wusste von Anfang an Bescheid.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da schau her!)

Juli 2005: Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks wird die Kriminalpolizei Passau von einem nicht genannten Briefschreiber über haarsträubende Hygienemängel und Manipulationen informiert. Ich möchte diese Punkte nur als kleine Details anfügen. Bei verschiedenen Behörden waren schon sehr lange Kenntnisse vorhanden. Passiert ist nichts.

Wir müssen uns außerdem im Untersuchungsausschuss über unzulässige Einfl ussnahmen unterhalten. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur den stellvertretenden Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Herrn Dr. Gerd Müller, nennen. Er hat sich zu diesem Thema – ich nehme an kenntnisreich – geäußert. Er hat als Erster den Begriff „Filz“ erwähnt. Das war nicht die SPD oder die Opposition.

(Thomas Kreuzer (CSU): Woher wissen Sie, dass das Kenntnisse sind?)

Das hat uns neugierig gemacht. Wenn Herr Müller schon weiß und sagt, dass es offensichtlich Filz gibt, muss man dem natürlich nachgehen. Wir werden das sehr genau und sehr ordentlich tun.

Damit komme ich zu den – wie ich sie nennen möchte – Merkwürdigkeiten. Wegen des Gammelfl eisch-Skandals gab es eine Razzia. Ich habe in diesem Hause schon erklärt, was eine Razzia ist. Ich habe bereits den einen oder anderen Tatort gesehen und weiß, dass eine Razzia nur funktioniert, wenn sie nicht angekündigt ist. Jeder weiß, dass eine Razzia andernfalls etwas komisch wäre. Deshalb wurde in Bayern am 28. November – übrigens auf Veranlassung des Bundeslandwirtschaftsministeriums – eine Razzia durchgeführt, die 14 Tage dauerte. Prima! Am Tage des Beginns dieser Razzia gab es um 16.30 Uhr eine Pressemitteilung des Ministeriums. Das war am Beginn dieser Razzia.

(Henning Kaul (CSU): Herr Kollege, Sie schauen sich zu viele Krimis an!)

Dieser Krimi wird vielleicht noch spannend. Bislang spreche ich nur über Merkwürdigkeiten. Zu Beginn dieser Razzia gab es eine Pressemitteilung des zuständigen Ministeriums und des zuständigen Ministers, wonach eine Razzia stattfi nde. Das hat beeindruckt. Die Firmen haben sich gesagt: Aha, die kommen jetzt, dass mir keiner mehr was anrührt, die sollen das so vorfi nden, wie es vorher war. So viel zum Thema Merkwürdigkeiten. Ich könnte noch viele solcher Punkte ansprechen.

Der entscheidende Punkt ist aber, dass bei der Regierung von Niederbayern, der Staatsanwaltschaft, dem Landratsamt, dem Landrat, der Kripo, den Veterinären usw. ein Wissen über die Vorgänge bei der Firma Berger vorhanden war, und zwar seit langer, langer Zeit. Was ist passiert? – Nichts.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das gibt es doch nicht!)

Sie wissen offensichtlich auch schon so viel, wie ich vermute zu wissen.

Ich stelle fest, dass es auf anderen Gebieten eine sehr rührige Regierung und sehr rührige Vollzugsbeamte gibt. In Niederbayern gibt es eine Vorschrift, dass derjenige, der eine neue Wurst kreiert, nur drei bekannte Wurstsorten wieder neu verwursten darf. In Niederbayern hat sich ein Metzger gedacht, dass fünf Würste besser schmecken würden. Ihm war es egal, wie viele Würste drin sind, er hat nur danach entschieden, ob es ihm schmeckt oder nicht. Dann hat jemand festgestellt, dass dieser Metzger von dieser bürokratischen Norm, für die ihr zuständig seid, abgewichen ist. Dieser Fall ist dann aufgegriffen worden, und der Metzger hat ein Bußgeld von 200 Euro zahlen müssen. Bei einem solch „großen Sünder“ ist der Staat eingeschritten und hat sofort reagiert. Dieser Metzger hat eine Strafe erhalten.

(Zustimmung bei der SPD)

Bei der Firma, mit der wir es heute zu tun haben, gab es gar nichts. Das ist schon nicht mehr zum Lächeln oder zum Lachen. Hier wird es ernst. Ich werde darauf noch zurückkommen.

Wir wollen in dem Untersuchungsausschuss außerdem eine Verbesserung des Verbraucherschutzes erreichen und deshalb über das Thema diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Der Verbraucherschutz kann durch eine solche Diskussion an Bedeutung gewinnen und aufgewertet werden, weil alle Menschen davon betroffen sind. Ich hoffe, dass dadurch die Kontrollmechanismen in Zukunft besser funktionieren und die Regeln eingehalten werden. Der Verbraucherschutz wurde – das ist meine momentane Kenntnis – in diesem Fall in gar keiner Weise angemessen berücksichtigt.

(Beifall bei der SPD)

Die Hauptaufgabe des Untersuchungsausschusses ist es deshalb, dafür zu sorgen, dass Verbraucherschutz für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern stattfi ndet. Dafür wird die Opposition sorgen, weil Sie dazu nicht in der Lage sind.

(Beifall bei der SPD)

Das ist für uns der entscheidende Punkt.

(Henning Kaul (CSU): Herr Kollege, Sie sehen als Verbraucherschützer sehr schlecht aus!)

Dieses Thema ist entscheidend, weil vor uns wichtige Fragen stehen.

(Henning Kaul (CSU): Die Verbraucher sind aufgeklärt!)

Vor uns liegt die Einführung der grünen Gentechnologie. Ich möchte zu diesem Thema nicht weiter ins Detail gehen. Ich sage aber: Egal, auf welcher Seite man steht, man wird nur etwas erreichen, wenn das Vertrauen in den

Verbraucherschutz in Bayern wieder gewährleistet ist. Dafür werden wir sorgen. Sie haben das mit Ihrem Haus und mit den zuständigen Behörden nicht geschafft. Die Skandale haben gezeigt, dass Sie dazu unfähig sind. Der Verbraucherschutz wird durch uns, durch diesen Untersuchungsausschuss, in Bayern wieder ordentlich vollzogen werden.

(Henning Kaul (CSU): Herr Kollege, Sie leben in einer Scheinwelt!)