Protocol of the Session on February 1, 2006

Wir haben schon gehört, dass der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion ein sehr sensibles Thema ist. Tatsache ist: Der überwiegende Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher in Bayern lehnt diese Technik vehement ab. Wir müssen uns nicht darüber streiten, ob es 79 oder 85 % der Bevölkerung sind. Gestern haben wir von Herrn Staats minister Dr. Schnappauf gehört, dass Verbraucherschutz über allem anderen stünde. Ich frage mich, ob dieser Satz auch für die Gentechnik gilt oder ob das nur eine leere Worthülse war.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wichtig ist, dass die Verbraucher die Wahl haben zu entscheiden, ob sie diese Produkte kaufen wollen oder nicht. Die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft müssen vor den Einträgen aus dem GVO-Anbau geschützt werden, damit eine gentechnikfreie Landwirtschaft weiterhin möglich ist und diese Wahlfreiheit erhalten bleibt. Das wollen auch die Parteien der großen Koalition erreichen. Frau Kollegin Paulig, das steht im Koalitionsvertrag.

Man kann sich darauf verständigen, die Forschung weiter zu fördern. Die SPD vertritt die Auffassung, dass dies vor allem für die weiße Gentechnik gilt. Auch die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag sieht die große Chance, für den Umweltschutz und den Verbraucherschutz etwas zu tun und auf diesem Feld segensreich zu wirken.

(Beifall bei der SPD)

Wir halten daran fest, dass der Schutz von Mensch und Umwelt Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen haben muss. Die Geiz-ist-geil-Mentalität, die heute überall so beliebt ist, darf hier nicht den Vorrang haben. Wir haben die Pfl icht, in Bayern dafür zu sorgen, dass die Lebensmittel, die von 80 % der Bevölkerung gewünscht werden, weiterhin produziert werden können.

Herr Staats minister Miller, damit bin ich bei der Rolle der Bayerischen Staatsregierung. Wir alle haben gehört, was Herr Hipp gesagt hat. Er spricht für viele andere Unternehmerinnen und Unternehmer; denn ein erfolgreicher und intelligenter Unternehmer richtet sein Angebot an den Bedürfnissen seiner Kunden aus. Deshalb sollte man diese Aussage ernst nehmen. Nicht nur der selbst ernannte Agrarspezialist Seehofer, der früher auf anderen Feldern aufgefallen ist,

(Ludwig Wörner (SPD): …unselig gewirkt hat!)

sollte das ernst nehmen, sondern auch die Bayerische Staatsregierung. Hoffentlich wird auch der Mehrheitsfraktion dieses Landtags durch das Vorpreschen des Herrn Hipp klar, dass eine Absenkung des Schutzniveaus für die gentechnikfreie Landwirtschaft und die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion von den Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch von einem großen Teil der Landwirte – nicht nur von den Biolandwirten – als Bedrohung wahrgenommen wird. Warum verweigern Sie der Mehrheit der Bauern die Sicherheit, die diese wünschen? Warum führen die Lebensmittelskandale, die wir zuletzt hatten, bei Ihnen nicht zu einem Umdenken?

Herr Kollege Brunner, Sie runzeln die Stirn. Warum erlauben Sie in Bayern keine gentechnikanbaufreien Zonen?

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere an unsere Fahrt ins Limousin. Dort waren wir alle sehr beeindruckt von der Landwirtschaft. Herr Hünnerkopf, Sie waren nicht dabei. Sie dürfen nicht den Kopf schütteln. Am 4. Februar wird diese Region einen Vertrag unterschreiben, mit dem sie sich zu einem gentechnikanbaufreien Anbau verpfl ichtet.

(Dr. Otto Hünnerkopf (CSU): Das ist doch in Ordnung!)

Ich fi nde auch, dass das in Ordnung ist. Aber warum geht das bei uns nicht? Hier müssen Sie umdenken.

Ich sehe gerade, dass meine Redezeit aufgebraucht ist. Ich gebe den Kolleginnen und Kollegen, die in dieser Frage für eine Liberalisierung und Aufweichung sind, zu bedenken, dass es letztlich um die Frage geht, wie derjenige, der auf Jahrhunderte alte Traditionen setzt, in seiner Rechtsposition geschützt werden kann und ob derjenige, der sich - zu Recht - für die neuen Technologien entscheidet, für eventuelle Schäden haften muss. Ich bin der Meinung, so muss es sein. Daran müssen sich die zukünftigen Regelungen messen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächstem darf ich Herrn Kollegen Dr. Hünnerkopf das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Verbraucherschutz geht vor – keine Gentechnik auf unseren Feldern. Zum ersten Satz kann ich Ja sagen. Das gilt nicht nur für den Verbraucherschutz. Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Paulig hat hier vor den Augen der Öffentlichkeit ein Szenario dargestellt, wonach wir ohne Einschränkung der Gentechnik das Wort redeten. Das möchte ich entschieden zurückweisen.

(Beifall bei der CSU)

Die CSU-Fraktion sieht sehr wohl die Bedenken, die die Menschen draußen und jeder von uns haben. Diese Bedenken nehmen wir sehr ernst. Wir können und wollen nicht darüber hinweggehen, weil wir uns sonst selbst täuschen würden. Das möchte ich vorweg sagen.

Der zweite Halbsatz ist so nicht in Ordnung. Darauf wurde zwar schon eingegangen, ich möchte aber mit meinen Worten noch einmal deutlich machen, dass uns die EUVorgaben mehr Offenheit und Objektivität abverlangen. Die EU misst der Gentechnik schon seit vielen Jahren Bedeutung bei, weil von dieser Technologie ein nachhaltiges Wachstum und zukunftssichere Arbeitsplätze zu erwarten sind. Deshalb hat sich die EU bereits früh für die Anwendung der Gentechnik auf allen Gebieten ausgesprochen.

Kolleginnen und Kollegen, ich möchte in diesem Zusammenhang die Energiedebatte und die Energieversorgung nicht unerwähnt lassen. Gerade wenn wir über regenerative Energien durch den Einsatz von Biomasse reden, wird uns noch einiges abverlangt werden.

Die Regierungschefs der Länder haben bei ihrem Gipfeltreffen in Lissabon im Jahr 2000 diese Position der EU einstimmig bekräftigt. Ich darf daran erinnern, dass damals Gerhard Schröder Bundeskanzler war.

(Henning Kaul (CSU): Hört! Hört!)

Die EU-Richtlinien wollen die Koexistenz. Ich bitte zu beachten: Koexistenz bedeutet das Nebeneinander beider Möglichkeiten. Dieses Nebeneinander ist von uns

zu ermöglichen und zu garantieren. Diese Vorgabe ist für mich zunächst einmal vorurteils- und wertefrei. In meinen Augen ist das auch so geschehen. Die deutschen Regelungen, gerade auch der Haftungsfrage, wurden nach meiner Auffassung von der rot-grünen Bundesregierung bewusst so getroffen, dass eine Vollbremsung erfolgte.

(Beifall der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Es ist aber widersprüchlich für mich, wenn man auf EUEbene so wenig darüber spricht, die Dinge dort nicht beim Namen nennt und dann versucht, solche Regelungen durch die Hintertür einzuführen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Müller, der Fonds, der eingerichtet werden soll, wird meines Wissens nicht aus Geldern der Steuerzahler, sondern aus Mitteln der Anwender und der Betreiber der Firmen fi nanziert.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Bis jetzt ist noch kein Geld da!)

Entscheidend ist, dass wir mit dieser Gentechnik sorgfältig umgehen. In der EU haben wir, das ist unbestritten, entsprechende Mechanismen, die negativen Auswirkungen vorbeugen können. Wir haben die weltweit schärfsten Sicherheitsanforderungen und Genehmigungsverfahren. Bisher kommen alle ernst zu nehmenden Experten zu dem Ergebnis, das das Risiko der bis jetzt zugelassenen Pfl anzen dem herkömmlicher Pfl anzen entspricht. In der Natur haben wir ständig Veränderungen. Tagtäglich. Wenn der Mensch gezielt Veränderungen vornimmt mit dem Ziel, positive Auswirkungen für die Menschen zu erreichen und negative Auswirkungen zu reduzieren, dann wird diesen Bemühungen durch diese Genehmigungs- und Erprobungsverfahren Rechnung getragen. Weltweit gibt es bisher keine größeren Schadensfälle. An der Offenheit gegenüber der Gentechnik führt deshalb kein Weg vorbei.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Sie tragen Scheuklappen!)

Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst. Auf der anderen Seite wollen wir den Erprobungsanbau in Bayern. Würden wir darauf verzichten, Frau Paulig, dann würden Sie uns das irgendwann vorhalten. Das wird alles sehr sorgfältig geprüft. Wir gehen verantwortlich mit diesen Dingen um. Wir appellieren an die Menschen in Bayern: Sie können sich auf die CSU verlassen.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Oho! Oho!)

Auch wir leben nicht auf dem Mond, wir hören tagtäglich die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger. Wir nehmen diese Bedenken ernst und beziehen sie in unsere Politik ein. Es muss ein Nebeneinander beider Möglichkeiten geben.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wörner.

(Allgemeine Unruhe)

Herr Kollege Wörner hat das Wort.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihr Augenmerk noch einmal eine Etage höher lenken. Wer in seinem Parteilogo das „C“ für christlich führt, wer am Samstag den Papst besucht und am Sonntag in die Kirche geht – was richtig ist, wenn man zu seinem Glauben steht –, der sollte am Montag nicht dem Herrgott ins Handwerk pfuschen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Unruhe bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Sepp Ranner (CSU))

Sepp Ranner, ausgerechnet Du? – Ich muss schon sagen: Wenn man die christlichen Werte hochhält, was wir alle wollen, dann sollte man dem Herrgott nicht ins Handwerk pfuschen.

(Eduard Nöth (CSU): Das ist scheinheilig! – Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Lassen Sie mich auf die etwas seltsame Rolle Ihres neuen Landwirtschaftsministers in Berlin eingehen. Er wäre eigentlich lieber etwas anderes geworden, was ich verstehen kann, aber das ist er nun einmal nicht geworden. Nun probiert er das, was er bei Hartz IV gemacht hat, auch in der Landwirtschaft aus. Zunächst verfasst er – ich sage dazu: mit anderen zusammen – ein Gesetz, über das er draußen schimpft und zu dem er draußen nicht steht. Kaum ist er bei vermeintlich „kleinen Leuten“, erzählt er, wie schlimm es ist, was er doch selbst getan hat. Das sagt er aber diesen nicht dazu. In der Landwirtschaft versucht er nun Ähnliches. Er war es doch, der im ersten Anlauf versucht hat, das bestehende Gesetz auszuhöhlen und die Weichmacher wieder einzubauen. Er rudert jetzt verzweifelt zurück. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank. Ich hoffe, dass er so weit zurückrudert, dass wir das alte Gesetz behalten können. Es ist schon entlarvend, wenn Sie, Herr Dr. Hünnerkopf, uns hier erzählen, Sie würden dafür sorgen und dafür garantieren, dass nichts schief geht.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Warum dann der Fonds?)

Dann brauche ich nämlich keinen Fonds. – Wenn ich aber einen Fonds brauche, dann weiß ich doch, dass etwas schief gehen kann.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Eben!)

Dieses „Schief gehen“ bedeutet etwas mehr, das wissen wir alle, als wenn irgendwo in China ein Sack Reis umfällt. Wenn hier etwas schief geht, dann bedeutet das erheblich mehr. Dann kommt es zu Problemen wie in Indien. Auf den dortigen Baumwollfeldern können Sie beobachten, dass die ganze Ernte weg ist und die Bauern pleite sind.

(Beifall der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Sie den Landwirten näher stehen als ich – ich möchte hinzufügen, vermeintlich näher stehen –, darf ich Sie daran erinnern, dass gentechnisch erzeugte Produkte in erster Linie der Agrargroßindustrie dienen und nicht den kleinstrukturierten bäuerlichen Betrieben in Bayern? Sie schaden doch Ihrem eigenen Stand!