Protocol of the Session on November 30, 2005

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Dr. Huber. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Sprinkart. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist für mich von Vorteil, wenn Kollege Dr. Huber vor mir spricht, dann brauche ich das Rednerpult nicht nach oben zu fahren. Dr. Huber ist fast genauso groß wie ich.

Meine Damen und Herren, zunächst will ich auf den CSUAntrag eingehen. Darin wird im ersten Punkt der Eindruck erweckt, als hingen die aktuellen Fleischskandale mit sich öffnenden Märkten zusammen. In den uns bekannten Fällen stimmt das wohl nicht. Vielmehr unterschätzen wir ganz offensichtlich immer noch die kriminellen Energien, die in diesem Sektor vorhanden sind. Das bedeutet aus unserer Sicht zweierlei: Erstens. Wir müssen die Kontrollinstrumentarien den Gegebenheiten anpassen. Zweitens. Wir müssen den Verbraucherinnen und Verbrauchern klar sagen: Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Meine Damen und Herren von der CSU, das haben wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern schon vor und vor allem nach BSE versprochen und haben das Versprechen nicht einhalten können. Es gibt nichts Schlimmeres, als etwas zuzusagen, was man dann nicht einhalten kann.

Sie fordern eine bessere Koordination zwischen Bundes- und Landesbehörden. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Für uns gilt allerdings der Grundsatz, zunächst vor der eigenen Tür zu kehren, bevor Forderungen an andere gerichtet werden. Wenn wir vor die eigene Tür schauen, dann sieht es bei der Koordination und dem Umgang mit den Vorfällen gar nicht so wunderbar aus. Im Ekelfl eischskandal mit Umdeklarierung von K 3-Material in Deggendorf gab es bereits im Dezember 2003 einen Hinweis eines Mitarbeiters, zunächst an das Veterinäramt, dann eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, dass Veterinärpapiere gefälscht wurden. Das Veterinäramt hat reagiert und die Veterinärpapiere einigermaßen fälschungssicher gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren ein halbes Jahr nach Eingang der Anzeige eingestellt.

Man kann darüber diskutieren, ob das richtig war. Der Geschäftsführer war aber schon im Oktober 2003 genau wegen dieser Delikte, unter anderem wegen Urkundenfälschung und Bestechung von Beamten, zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Die Delikte wurden in den Neunzigerjahren begangen. Im Dezember 2003 geht bei den Behörden eine Anzeige ein, der macht das immer noch. Die Staatsanwaltschaft stellt aber das Verfahren ein, weil kein höheres Strafmaß zu erwarten ist.

Für mich wäre das Normale gewesen, die Bewährung zu widerrufen wird. Bei einem Jugendlichen hätte man das sofort gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn die beiden zuständigen Behörden damals richtig gehandelt hätten, wäre K 3-Material kaum in Lebensmittel gelangt. Ein Blick in die Bücher – so genau hätte der nicht

sein müssen – hätte gezeigt, dass schon damals K 3Material umdeklariert worden ist. Zumindest dem Veterinäramt hätte auffallen müssen, dass auf den Rechnungen der Deggendorfer Frost GmbH ein Stempel mit einer Veterinärkontrollnummer prangte, der dort wahrhaftig nichts zu suchen hat. Ein K 3-Betrieb darf keine Lebensmittelkontrollnummer haben. – Herr Schnappauf, Sie schauen so kritisch. Auf den Rechnungen sind aber diese Stempel. Diese Dinge liegen mir vor.

Man hätte nicht einmal nachprüfen müssen, wohin diese Produkte gegangen sind. Der Betrieb darf eine solche Kontrollnummer nicht führen. Zu der Kontrollnummer komme ich gleich zurück.

Seit heute liegt mir eine Aussage des zuständigen Veterinärs Dr. Bullermann in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk vor. Er sagt unter anderem:

„Das Einzige, was mir aufgefallen ist, dass immer mal wieder Rechnungen dabei waren, die darauf hindeuten, dass der Betrieb Lebensmittel gekauft hat und als Lebensmittel weiterverkauft hat. Ich habe eine Rechnung in Erinnerung über Schweineköpfe aus der Slowakei, die dann an einen Betrieb in Holland verkauft wurden und auf meine Nachfrage hat der … ehemalige Geschäftsführer gesagt, dass diese Ware rein über seinen Schreibtisch gegangen ist. Das hat er also gekauft und zu einem anderen Preis weiterverkauft, den Gewinn eingestrichen, aber die Ware hat niemals seinen Betrieb erreicht. Dagegen kann man nicht vorgehen. Ich habe ihm damals gesagt, er solle bitte nur, was seinen Betrieb betrifft, in seinen Papieren vorrätig halten.“

Mich würde interessieren, über welchen Betrieb er die Lebensmittel hätte verkaufen sollen. Der Geschäftsführer leitete früher noch einen anderen Betrieb. Darauf komme ich gleich zurück.

Ich habe immer gemeint, der Veterinär hätte die Bücher nicht angeschaut. Der Veterinär wurde sogar auf die illegalen Machenschaften aufmerksam gemacht. Nichts ist passiert. Dazu muss man wissen: Dem Geschäftsführer wurde bereits im Jahr 2000 durch das Hauptzollamt untersagt, seine damalige Firma, die für den Lebensmittelhandel zugelassen war, die Bavaria Cold Storage Deggendorf Kühlhaus GmbH, weiter zu betreiben. Zu der hat übrigens auch die Veterinärnummer gehört, die auf diesen Papieren abgedruckt war. Nachdem sämtliche Versuche des Geschäftsführers gescheitert waren, die Untersagung aufheben zu lassen, wurde der Betrieb Ende 2002 eingestellt. Das alles musste dem Veterinäramt in Deggendorf bekannt gewesen sein. Der Mann war kein unbeschriebenes Blatt.

Ganz bezeichnend für die Vorgehensweise ist die Pressemitteilung aus dem Verbraucherschutzministerium vom 26. Oktober 2005. Dort wird unter anderem ausgeführt:

Am 22. August erkundigte sich das Zollkriminalamt Lindau telefonisch nach einem Schreiben des Bundesamtes für Veterinärwesen Bern, da darin die Deggendorfer Frost GmbH genannt sei.

Das Schreiben lag und liegt dem Veterinäramt nicht vor. Obwohl das Zollkriminalamt nicht um eine Überprüfung des Betriebes bat, kontrollierte das Veterinäramt von sich aus noch am 22. und 23. August die Deggendorfer Frost GmbH erneut. Die beanstandeten Hygienemängel waren zwischenzeitlich behoben.

Wenn jemand Papiere fälscht, wird man bei einer Hygienekontrolle sicher nichts fi nden. Dafür müssten die Kontrollen andere sein.

Kommen wir zu der Veterinärnummer. Dass die Deggendorfer Frost GmbH beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als Betrieb für den Handel mit tierischen Lebensmitteln eingetragen wird, allerdings mit dem Hinweis – da hat man aber genau hinschauen müssen –, dass die Zulassung ruht, ist zunächst auf einen Fehler der Regierung von Niederbayern zurückzuführen.

Es passt auf jeden Fall wunderbar in das Gesamtbild.

Herr Minister, aber wenn Sie mir erklären, dass Ihr Haus auf Nachfrage des Bundesamtes am 18. Oktober, also eine Woche nach Bekanntwerden des Skandals, das Ruhen-Lassen für den Betrieb mit der Nummer By-EK 208 bestätigt habt, muss ich mich fragen: Wo leben Sie eigentlich?

Erstens kann ich mir nicht vorstellen, dass das Bundesamt nur nach der Kontrollnummer gefragt hat. Das Bundesamt fragt normalerweise nach dem Namen der Firma und da hätte es nach der Deggendorfer Frost GmbH fragen müssen. Und zweitens gehe ich davon aus, dass Ihre Mitarbeiter, nachdem diese Kontrollnummer auch eine Woche vorher bereits im „Stern“ genannt wurde mit dem Verweis, dass die Deggendorfer Frost GmbH diese Nummer verwendet, um undeklarierte K 3-Abfälle zu vermarkten, einen Blick auf die Internetseite der Bundesanstalt werfen. Dort hätten Sie damals schon feststellen können, dass diese Nummer auf die Deggendorfer Frost GmbH läuft.

Aber selbst wenn Sie das unterlassen hätten, hätten Sie doch eine Woche später darüber stolpern müssen, dass genau die Nummer, die vom Bundesamt angefragt wird, mit der Nummer identisch ist, mit der die Deggendorfer Frost GmbH ihre undeklarierten K 3-Abfälle verkauft. Sie haben aber nur das Ruhen der Zulassung gewissermaßen als reinen Routinevorgang bestätigt. Ich meine, das ist kein lapidarer Fehler, sondern das ist ein dicker Hund.

Zu den Hygieneproblemen. Diese Probleme waren mindestens seit 2002 bekannt. Darüber liegen mir Aufzeichnungen vor. Um Ihnen zu sagen, was in diesem Laden abgelaufen ist, darf ich aus einigen HACCP-Protokollen, die dort geführt worden sind, zitieren:

22.04.2005: Untere Laderampe wurde immer noch nicht gereinigt. Untere Mischmaschine stark verschmutzt. Fluchtwegtreppe blutverschmutzt. Gullys nicht entleert. Kippgerät verschmutzt. Fördermaschine verschmutzt. Wolf

stark verschmutzt. …Ich habe gefragt, ob sie bitte unter der Mischmaschine sauber machen könnten. Antwort: Wir sind doch kein Krankenhaus.

Das steht in den Protokollen.

25.04.2005: Wolf verschmutzt. Kippgerät blutverschmiert.

Das ließe sich beliebig fortsetzen. Am 12. Mai 2005 steht dort ein ganz anderer interessanter Hinweis:

Bei Bluttank Boden voll Blut, läuft in Regenwassergully!

Das ist eindeutig Gewässerverschmutzung, wenn ich richtig informiert bin. Man hat nichts getan. Sie hätten es bei der Firma nachlesen können. Ich fi nde es ausgesprochen interessant, dass die Deggendorfer Frost GmbH von der Stadt Deggendorf aus wasserrechtlichen Gründen dicht gemacht wurde, weil das Landratsamt und die Staatsregierung es nicht fertig gebracht haben. Die Stadt Deggendorf zeigt Ihnen also, wie man so etwas machen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn man jetzt die einzelnen Informationen und Tatbestände zusammenführt, kommt man unweigerlich zu dem Ergebnis, dass die Frost GmbH in Deggendorf und ihr Geschäftsführer bei den zuständigen Behörden so etwas wie Narrenfreiheit hatten. Diesen Vorwurf kann ich Ihnen einfach nicht ersparen.

Um zum nächsten Punkt zu kommen: Die CSU fordert einen Bericht bis Ende Januar, nicht bis Ende Juni, wie Sie gesagt haben, Kollege Huber. Wir haben bereits Ende Oktober einen Berichtsantrag mit einer Fülle von Fragen gestellt, die meines Erachtens nicht schwer zu beantworten sind. Viele sind auch schon beantwortet worden. Vielleicht sind einige für die Staatsregierung peinlich. Bis heute haben wir weder schriftlich noch mündlich eine Antwort erhalten. Es wurde uns auch schon signalisiert, dass wir unter Umständen gar keine mündliche Antwort bekommen werden. Ganz offensichtlich scheut die Staatsregierung eine offene Auseinandersetzung über dieses Thema.

(Beifall bei Abgeordneten den GRÜNEN)

Jetzt komme ich zu Herrn Huber. Herr Huber, Sie fordern mehr Verbraucherinformationen. Die letzte Bundesregierung hat ein Verbraucherinformationsgesetz vorgelegt, in dem genau das enthalten ist, was Sie jetzt fordern. Sie haben dieses Gesetz zweimal zu Fall gebracht, zweimal abgelehnt. Das muss einfach gesagt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu unserem Antrag: Wir fordern nicht mehr Personal, sondern nur die Zurücknahme des geplanten Stellenabbaus. Das ist ein feiner Unterschied. Wir wissen, dass Personal

nicht alles ist, aber vieles. Wenn ich genügend Personal habe, kann ich auch ordentlich kontrollieren.

(Beifall bei Abgeordneten den GRÜNEN)

Das Zweite ist die Meldepfl icht. Was die Meldepfl icht anbelangt, sind wir uns, denke ich, einig.

Drittens die Anlaufstelle. Die Gewerkschaft NGG fordert einen Informantenschutz. Der Mitarbeiter der Deggendorfer Frost GmbH wurde nach seinem Hinweis beim Veterinäramt übrigens entlassen. Das sind nämlich die Konsequenzen. Und wenn das die Konsequenzen für die Mitarbeiter sind, werden wir nichts erfahren. Deshalb wollen wir eine zentrale Anlaufstelle, um den Leuten eine Möglichkeit zu geben, ihre Informationen loszuwerden, ohne sich selbst bloßstellen zu müssen.

(Beifall bei Abgeordneten den GRÜNEN)

Und schließlich wollen wir eine Warenfl usskontrolle für K 3-Material. Ich weiß nicht, was Sie an der Warenfl usskontrolle stört. Das, was in den sieben Punkten von Minister Schnappauf steht, betrifft ja auch entsprechende Begleitpapiere, mit denen der Warenfl uss kontrolliert werden kann. Nichts anderes brauchen wir. Ob das ein Gesetz oder eine Verordnung ist, ist doch zweitrangig. Wichtig ist, dass das vorgegeben ist. Also, das ist Haarspalterei, fi nde ich.

Zum 7-Punkte-Programm des Staatsministers Dr. Schnappauf: Über eine Verschärfung der Sanktionen kann man reden. Aber ich fi nde, wenn die Sanktionen verschärft werden sollen, müssen sie umsatzabhängig verschärft werden. Wenn Sie vorschlagen, die Strafe auf 20 000 Euro zu erhöhen, bedeutet das für den kleinen Lumpen, dass er fertig ist; der Große zahlt das aus der Portokasse. Deshalb müsste man das umsatzabhängig machen, damit die Strafen auch wirklich greifen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Zulassungspfl icht für Transporteure: Über diesen Punkt bin ich arg gestolpert, und zwar erstens deshalb, weil Kollege Huber gesagt hat, man wolle nicht mehr Bürokratie. Sagen Sie mir einmal, wie Sie die Zulassung von Transporteuren ohne mehr Bürokratie bewerkstelligen wollen. Zweitens haben wir eine Zulassung der K 3Händler. Aber was hilft uns diese Zulassung? Einen Dreck, auf gut deutsch gesagt. Davon halte ich also überhaupt nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Begleitscheinsystem, das Sie auch angesprochen haben, ist, denke ich, etwas, was auch wir sehr wohl fordern. Wir sprechen allerdings von einer Warenfl usskontrolle.

Herr Minister Dr. Schnappauf, Sie sind ein Meister des Aktionismus. Wenn es allerdings dann ans Konkrete geht, ist Sendepause. Ich würde Ihnen daher das Wort Ihres Kollegen auf der Bundesebene, des Herrn Seehofer, nahe