schusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CSU und SPD. Gegenstimmen? – Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Kollege Müller. Stimmenthaltungen? – 1 Stimmenthaltung. Damit ist dem Votum entsprochen.
Eingaben zum Büchergeld (BI.0493.15, 0498.15; 0504.15, 0512.15, 0516.15 bis 0521.15, 0524.15 bis 0528.15, 0530.15 und 0532.15)
Der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport hat sich in seiner Sitzung am 27. Oktober 2005 mit diesen Eingaben befasst und beschlossen, sie gemäß § 80 Nummer 3 der Geschäftsordnung der Staatsregierung als Material zu überweisen. Die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN haben gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingaben auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen. Ich eröffne nun hierzu die Aussprache. Die Redezeit beträgt pro Fraktion zehn Minuten. Zunächst die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Das Wort hat Frau Kollegin Tolle.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Grund, warum wir diese Petitionen noch einmal ins Parlament einbringen, wird klar, wenn ich ein Zitat aus einer Petition vortrage. Darin heißt es: „Das vom bayerischen Kabinett beschlossene Büchergeld ist eine recht hinterlistige Buchung zur Abschaffung der Lernmittelfreiheit.“ Die Lernmittelfreiheit ist ein hohes Gut. Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit nehmen wir als Opposition im Bayerischen Landtag nicht einfach hin, vor allen Dingen dann nicht, wenn, wie etwa letzte Woche bei dem Bericht über die Ergebnisse zu Pisa, deutlich wird, dass Bayern nicht nur bei den Leistungen, sondern auch hinsichtlich der Korrelation von sozialer Herkunft und Bildungserfolg Spitze ist.
Mit der Abschaffung der Lernmittelfreiheit signalisieren Sie – auch das haben die Bürgerinnen und Bürger in die Petition geschrieben –, dass Bildungsausgaben immer mehr privatisiert werden. Sie gaukeln auf der einen Seite den Menschen das Bild eines familienfreundlichen Staates vor, verunsichern aber mit der Abschaffung der Lernmittelfreiheit die Eltern darin, welche fi nanziellen Einschnitte bei Familien wohl als Nächstes geplant sind. Bei Ihnen in der CSU spielt das Wort „sozial“ nur noch im Namen eine Rolle, sonst nicht mehr.
Viele Petitionen zeigen auch, dass dies die Leute genauso sehen. Zum Beispiel schreibt ein Ehepaar mit fünf Kindern, es empfi nde das Büchergeld als Belastung. Die Pfl icht eines Staates sei es, so das Ehepaar, Familien zu schützen. Die Familien aber fühlen, dass diese Pfl icht verletzt wird. Die Petenten schreiben weiter: „Wir empfi nden das Büchergeld als Strafe dafür, dass wir Kinder haben.“ Sie fügen hinzu, die Einführung des Büchergeldes hinterlasse einen bitteren Geschmack.
Zwei andere Petenten geben dem Büchergeld andere Namen, nämlich Elternsteuer und Familiensteuer. Die Petenten schreiben, es sei nicht einzusehen, warum Familien, die ohnehin schon belastet seien und mit der Erziehung von Kindern ohnehin schon einen Beitrag zur Zukunft des Landes leisteten, noch einmal zur Entlastung der öffentlichen Kassen herangezogen würden.
Eine allein erziehende Petentin schreibt, sie arbeite halbtags, weil sie nebenher noch ihren Sohn erziehe. Sie falle nicht unter die Befreiungstatbestände, könne sich aber gerade über Wasser halten. Sie sehe sich aber nicht mehr in der Lage, bei ihrem Gehalt alle Bildungskosten für ihren Sohn zu übernehmen. Sie fragt, ob es eine Stelle gebe, die ihr weiterhelfen könne. Das wäre, Herr Kollege Waschler, der Bayerische Landtag.
Außerdem bemängle ich die dilettantische Ausführung des Büchergeldes. Da kann man eine sehr lange Liste anführen.
Beginnen wir damit, dass Sie die Asylanten vergessen haben; an sie haben Sie schlichtweg nicht gedacht. Kommen wir auf die einsamen Entscheidungen und auf die handstreichartige Einführung zu sprechen, weil Ihr Ministerpräsident das – wenn ich mich recht entsinne – anlässlich einer Fraktionsklausur in Wildbad Kreuth hat verlautbaren lassen.
Dann mussten Sie schnell handeln. Und bei solchen Schnellschüssen passieren Fehler. Die Asylbewerber und -bewerberinnen haben Sie im Befreiungstatbestand nicht mit aufgenommen. Wenn nun der Kollege Eisenreich anschließend wieder sagen wird, 20 oder 40 Euro seien nicht viel, dann ist dem entgegen zu halten, dass es für die Asylbewerber durchaus viel Geld ist.
Da ist keine Hoffnung in Sicht. Wenn ich es noch richtig weiß, hat der Kultusminister anlässlich unserer Mündlichen Anfrage gemeint, er wolle sich mittelfristig mit diesem Thema beschäftigen.
Wie sorgfältig Sie mit diesen Steuergeldern umgehen, zeigt auch die Tatsache, dass Sie keinerlei Kalkulationsgrundlage für diese 20 oder 40 Euro haben. Das hat Staatssekretär Freller im Rahmen einer Fragestunde selbst zugegeben. Das halte ich nicht für richtig.
Herr Kollege Waschler, Sie waren doch im Haushaltsausschuss professionell, als Sie einmal die Beträge in die Menge schmissen und diese dem Steuerzahler dabei aus der Tasche ziehen wollten, ohne zu wissen, auf welcher Grundlage das geschehen soll.
Sie müssen nicht mit dem Kopf schütteln, Herr Kollege. Herr Freller hat es gesagt. Kommen wir nun zu den Berufsschulen. An den Berufsschulen wird oft mit Arbeitsblättern gearbeitet und es gibt relativ wenige Bücher dort. Hierfür haben Sie sich keine Lösung überlegt.
Und nun komme ich zum Datenschutz. Der Datenschutzbeauftragte Vetter hat bei dem groß angekündigten neuen Verfahren des Kultusministers nicht sehen können, wo die große Verwaltungsvereinfachung sein soll. Er hat auch festgestellt, dass er eine wesentliche Verschlechterung zulasten der Kinder und der Eltern sehe und eine förmliche Beanstandung erwogen. Das ist im Grunde seine schärfste Waffe. Er hat dieses Instrument allerdings nicht eingesetzt, weil er aus dem Amt ausgeschieden ist und seinem Nachfolger keinen offenen Fall hinterlassen wollte.
Sie haben auch nicht daran gedacht, dass es ein Auslaufmodell R 4 und ein Auslaufmodell G 9 gibt, bei welchen in den Schulen keine neuen Bücher angeschafft werden. Trotzdem müssen die Eltern Büchergeld bezahlen. Ich glaube, es ist legitim, wenn diese Eltern Petitionen schreiben und sagen, wir fi nanzieren etwas mit, wovon wir eigentlich nichts mehr haben.
Jetzt komme ich zu den Kommunen. Einer, der beim Büchergeld von einem Bürokratiemonster spricht und sagt, Sankt Bürokratius lässt grüßen, ist aus Ihrer Partei. Es ist Herr Schaidinger vom Bayerischen Städtetag. Herr Schaidinger sagt, die ersten Rückmeldungen aus den Städten seien alles andere als positiv. Er spricht von einem erheblichen Zeit- und Verwaltungsaufwand.
Der nächste Knackpunkt ist folgender. Sie haben mit 18 % Befreiungsfällen kalkuliert. Da gibt es nun Gewinner, also diejenigen die darunter bleiben, und Verlierer, das sind diejenigen, die darüber liegen.
Bis heute bleiben Sie die Antwort schuldig, wie Sie dieses Problem lösen werden. Es gibt Kommunen, die zuviel für die Befreiungsfälle bekommen haben und es gibt Kommunen, die haben zu wenig Geld für die Befreiungsfälle bekommen.
Auch der Verwaltungsaufwand scheint gigantisch zu sein. Nürnberg hat vorübergehend eine Büchergeldstelle mit derzeit insgesamt drei vollzeit- und vier teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern eingerichtet, die auch wieder reduziert wird, aber das ist Geld, das man hätte nicht zum Fenster hinauswerfen müssen.
Jetzt zum Schluss ist es, so denke ich, schon einmal wichtig, noch einmal zu erwähnen, warum Sie den Eltern der Schülerinnen und Schüler in Bayern so etwas zuge
mutet haben. Die Ursache dafür lag eigentlich einmal darin, dass Herr Stoiber seine Kanzlerträume noch immer nicht ausgeträumt hatte und dass er deshalb einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen wollte. Herr Stoiber hat zu einem Kommunalgipfel eingeladen und dort gesagt, er wolle sich der Sache persönlich annehmen. Was ist denn in der Zwischenzeit passiert? Ich habe nichts bemerkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, also hat er die Worte in den Wind gesprochen, nur damit die Kommunen wieder ein paar Wochen ihren Mund halten.
Ich glaube, am Büchergeld wird sehr deutlich – ja, Herr Präsident, ich beeile mich –, dass Sie dem Herrn Stoiber schon viel früher hätten widersprechen müssen.
Wenn Sie ihm nämlich einmal widersprochen hätten, dann hätte ihn nicht der erste Windhauch in Berlin umgeblasen, sodass er nach Hause fl üchten musste.
Jetzt komme ich zum gestrigen Abend, Herr Präsident. Da hatten Sie zum Akademiegespräch eingeladen und da gab es eine wichtige Erkenntnis: Wahlen werden nicht mehr gewonnen, ohne dass sich eine Partei des Themas der sozialen Gerechtigkeit annimmt. – Das Soziale haben Sie seit langem vergessen. Sie können jetzt alles wieder gutmachen: Schaffen Sie das Büchergeld ab und führen Sie die Lernmittelfreiheit in Bayern wieder ein!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben sehr viele Petitionen. Sie haben sie sicher alle gelesen. Alle Petitionen bestätigen, was wir seit Monaten in diesem Hause diskutieren, dass nämlich keiner, weder die Elternverbände noch die Schulen noch die Lehrer, noch die kommunalen Spitzenverbände dieses Büchergeld für gut halten. Ich wiederhole, was ich schon einmal gesagt habe: Die Einzigen in ganz Bayern, die dieses Büchergeld wollen sind Sie hier im Hause. Das sollten Sie sich einmal überlegen, ob dies Sinn macht.
Die Inhalte der Petitionen bestätigen unsere Argumente, nämlich, es ist ein Griff in den Geldbeutel der Eltern mit Bürokratie ohne Ende, mit organisatorischem Chaos und vielen anderen Dingen.
Alle Petitionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, geben uns in unserer Argumentation Recht. Das möchte ich hier schon einmal festgestellt haben.
Ich möchte auf eine Äußerung des Fraktionsvorsitzenden der CSU von heute morgen eingehen. Er hat gesagt: Wir werden konsequent und kraftvoll in unserer Bildungspolitik fortfahren. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ja
richtig erschrocken, als ich das gehört habe. Das ist nämlich eine Drohung, sonst nichts, und zwar eine Drohung an die Eltern, an die Schüler und Schülerinnen, an die Lehrer und viele andere in der Bildungspolitik. So muss man das verstehen. Eine „kraftvolle Fortführung der Bildungspolitik“ à la CSU bedeutet nämlich: Der dramatische Lehrermangel bleibt, die zu großen Klassen bleiben, der Unterrichtsausfall bleibt, der massive Leistungsdruck in den Schulen bleibt, das Büchergeld bleibt, der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg bleibt auch.
Das ist die Aussage, die Ihr Fraktionsvorsitzender heute gemacht hat. Und zum Büchergeld Folgendes, das ist heute auch schon einmal zitiert worden: Es ist schon erstaunlich, ich weiß aus Ihren eigenen Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie mit der Entscheidung zum Büchergeld sehr unglücklich sind. Wie diese Entscheidung zustande gekommen ist, wissen Sie auch: Da geht der Herr Ministerpräsident im Kloster Banz, bevor er zu Ihnen in die Fraktion geht, an ein Mikrofon und sagt, diktiert hinein: Jawohl, es wird ein Büchergeld geben. – Da haben Sie noch gar nichts davon gewusst, das es kommen wird. sie hatten es auch noch nicht diskutiert. Vor dem Hause hat er das in ein Mikrofon hineingesprochen: Jawohl, es wird ein Büchergeld geben. Erst danach ist er zu Ihnen gegangen und hat gesagt: Wir müssen ein Büchergeld einführen. – Darauf hin haben Sie alle freundlich genickt und haben gesagt: Jawohl, das machen wir.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich hätte nicht gedacht, dass Sie so wenig Rückgrat an den Tag legen. Gestern und die letzten Tage haben Sie zwar wieder Muskeln bewiesen, also immer dann, wenn es nicht so schwierig ist. Aber als es schwierig war, den Ministerpräsidenten damals zu sagen: Nein, das wollen wir nicht, weil es ein Griff in den Geldbeutel der Eltern ist, – da haben Sie den Schwanz eingezogen.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir auch nicht vergessen, die Eltern werden es nicht vergessen, die Lehrer nicht und die Kommunalen Spitzenverbände auch nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal darauf eingehen, was es bedeutet, wovon einige von Ihnen sagen, dies wäre ein „maßvoller Beitrag der Familien zur Bildungspolitik“. Was heißt das, denn es zeigt, wie weit Sie mittlerweile von der Realität entfernt sind. Dies zeigen solche Äußerungen.