Die fi nanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich wiederholt verschlechtert. Ich erinnere an die letzte Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres. Zum neunten Mal in Folge hatten wir drastische Steuermindereinnahmen zu verzeichnen.
Die Einnahmen bestimmen die Ausgaben. Dieser Satz gilt für die SPD nicht. Unser Ziel, im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung zu erreichen, ist kein Selbstzweck. Unser nachhaltiger Konsolidierungskurs ist in unmittelbarem Zusammenhang mit der Generationengerechtigkeit zu sehen. Ein ausgeglichener Haushalt dient in erster Linie unseren Kindern und Enkeln. Nur so können wir uns und den zukünftigen Generationen die Spielräume schaffen, die erforderlich sind, um den Herausforderungen der Zukunft effektiv zu begegnen und auch in späteren Jahren ein lebenswertes Bayern zu gestalten. Dies betrifft vor allem die Felder der Sozialpolitik.
Entgegen den wiederholten Behauptungen der SPD-Fraktion sind die Ausgaben im Sozialhaushalt trotz der fi nanzwirtschaftlich notwendigen Einsparungen im Jahr 2006 gegenüber dem Jahr 2003 effektiv um 62 Millionen Euro erhöht worden. Dabei liegen die Schwerpunkte des Sozialhaushalts klar bei den Leistungen für Familien und Kinder, was heute bereits dargestellt wurde. Der Umfang der freiwilligen Leistungen wurde im Jahr 2005 um 8 %
erhöht. Im Jahre 2006 werden die freiwilligen Leistungen noch um weitere 1,1 % steigen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass der Großteil des Sozialhaushalts nicht disponibel ist, umso beachtlicher.
Ich möchte jetzt auf einige Beispiele eingehen. Frau Staatsministerin Stewens hat die Insolvenzberatung genannt. Obwohl die Höhe der Fallpauschalen seit dem 1. Januar 1999 unverändert ist, konnte die Justiz seit 2002 die Ausgaben für die Insolvenzberatung kontinuierlich steigern. In diesem Jahr betragen die Mittel im Haushalt 1,75 Millionen Euro. Frau Kollegin Steiger, Sie haben die Kürzung des Blindengelds angesprochen. Diese Kürzung im investiven Bereich ist nur vorübergehend.
Frau Kollegin Dr. Strohmayr, ich würde keine Kritik am Landeserziehungsgeld üben, wenn ich selbst das Landeserziehungsgeld abschaffen wollte.
Zum Blindengeld: Wir sind eines der wenigen Länder, das überhaupt noch ein einkommensunabhängiges Blindengeld gewährt. Nach der Kürzung des Blindengeldes um 15 % zum 1. April 2005 liegt Bayern bei der Höhe des Blindengeldes mit knapp 500 Euro monatlich an der Spitze der Bundesländer. Das hat Frau Staatsministerin Stewens schon erwähnt. Ich könnte auch auf das Landesnetzwerk „Bürgerschaftliches Engagement“ eingehen. Wir fördern die ehrenamtlichen Strukturen in Bayern in diesem Haushaltsjahr mit je 320 000 Euro.
Ein wesentlicher Pfeiler der bayerischen Arbeitsmarktpolitik ist der Arbeitsmarktfonds. Dafür wurden zielgerichtet 11 Millionen Euro eingesetzt. Diese Mittel fl ießen in Projekte zur Verbesserung der Ausbildungssituation.
Wir brauchen unseren Haushalt vor keinem anderen Bundesland zu verstecken. Frau Staatsministerin Christa Stewens hat in ihrer Haushaltsrede im Januar dieses Jahres zu Recht festgestellt, dass der bayerische Sozialhaushalt verlässlich ist, weil er die Leistungen, die das soziale Bayern ausmachen, auch künftig sicherstellt.
Dieser Haushalt ist getragen von der notwendigen Haushaltsverantwortung. Wenn es bei den zurückliegenden Haushaltsberatungen nach der Opposition gegangen wäre, hätte es aufgrund einer Reihe von Änderungsanträgen eine weitere Verschuldung zulasten der nächsten Generationen gegeben. Ihre Änderungsanträge hätten für die beiden Haushaltsjahre Mehrausgaben von über 60 Millionen Euro ohne brauchbare Gegenfi nanzierungsvorschläge bedeutet. Im Grunde waren es nicht gedeckte Anträge.
Meine Damen und Herren von der SPD, wenn der künftige Bundesfi nanzminister der SPD seine Vorschläge zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes vorlegen wird, wird hoffentlich auch bei Ihnen ein Lernprozess für mehr Haushaltsverantwortung einsetzen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier schon Bemerkenswertes gehört, zum Beispiel, dass die zuständige Sozialministerin öffentlich sagt, Sozialpolitik sei nicht aktuell. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Herr Unterländer hat hier erklärt, wir hätten keine Neuigkeiten. Leider habe ich schon Neuigkeiten für Sie, und zwar bad news. Im Gegensatz zum Journalismus gilt hier aber nicht der Satz: bad news are good news. Sondern hier sind schlechte Neuigkeiten tatsächlich schlechte Neuigkeiten.
Die beiden Haushalte – der Nachtragshaushalt 2004 und der Doppelhaushalt 2005/2006 – haben in vielen Bereichen dramatische Auswirkungen auf die Sozialpolitik gehabt. Der Trend geht weiter, und er wird sich noch verstärken. Im Übrigen bräuchten wir für die umfassende Aufstellung eher einen aktuellen Tag als eine aktuelle Stunde. Die Zeit reicht wahrlich nicht, um alles aufzuzeigen, was negative Auswirkungen hat. Ich will mich auf einige Punkte beschränken.
Frau Ministerin, Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion, Sparen ist recht und schön. Eine nachhaltige Haushaltspolitik ist aber eine Politik, die nicht durch Kürzungen Mehrausgaben auf anderen Gebieten verursacht. Auch das sollten Sie sich vielleicht einmal überlegen.
Ein konkretes erstes Thema ist die Krankenhausfi nanzierung. Anstatt in der schwierigen Situation des Umbaus mit dem Fallpauschalengesetz die Krankenhäuser zu unterstützen, haben Sie auf diesem Gebiet die Gelder dramatisch zurückgefahren. Sie haben die längst überfällige Novellierung des Krankenhausgesetzes erst jetzt vorgelegt. Seit Jahren mahnen wir dies an. Deswegen müssen derzeit Häuser schließen. In einzelnen Regionen droht eine Mangelversorgung. Auf der anderen Seite haben wir aber auch eine medizinisch unsinnige und teure Überversorgung. Die Verantwortung dafür liegt bei Ihnen.
Ein zweites Thema sind die sozialpsychiatrischen Dienste. Wie sind sie nicht von allen, auch von Ihnen, Frau Ministerin, in Sonntagsreden hoch gelobt worden. Wie schaut es aber in der Realität aus? Wegen 3 Millionen Euro jährlich haben Sie billigend in Kauf genommen, dass an vielen Stellen diese auch nach ihren Angaben wichtigste Säule der ambulanten psychiatrischen Versorgung zusammengebrochen ist. Dazu brauche ich mir keine Szenarien an die Wand zu malen. Dazu muss ich nur Ihre eigenen Zahlen nehmen. Am 13. November 2003 haben Sie, Frau Stewens, im Ausschuss davon gesprochen, dass es in Bayern 110 Dienste inklusive der Außenstellen gibt. Am internationalen Tag der seelischen Gesundheit, am 10. Oktober dieses Jahres, waren es 79 Dienste mit 18 Außenstellen. Das sind zusammen 97. Das heißt, 13 sozialpsychiatrische Dienste – das sind mehr als
10 % – haben in den letzten zwei Jahren bereits schließen müssen. Aus eigener Erfahrung kenne ich aber viele Träger, die derzeit noch Mittel zuschießen, um die Situation zu überbrücken. Das heißt, auch auf diesem Gebiet wird der Abbau noch sehr viel größer werden. Er ist noch lange nicht beendet. Es gehört schon ein großes Maß an Zynismus dazu, wenn Sie an jenem 10. Oktober vom Aufbau der ambulanten Versorgung sprechen.
Was soll denn mit den betroffenen Patienten passieren, deren Zahl ständig ansteigt, zumal zum Teil die Zahl der stationären Betten ständig reduziert wird? Was passiert mit diesen Menschen? Dafür müssen Sie doch irgendwann einmal Lösungsansätze vorlegen.
Ein drittes Thema sind Medienberichte über dramatisch steigende Erkrankungsfälle bei Syphilis und HIV. Ich weiß schon, dass Sie das nicht gerne hören und dass Sie noch weniger gerne über diese Themen sprechen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion. Dass man diese Krankheiten aber totschweigt, ändert nichts an den Tatsachen. Was müsste auf diesem Gebiet passieren? Wir brauchen mehr Aufklärung und mehr niederschwellige Angebote. Das heißt, dass wir nicht nur darüber reden, sondern dass Menschen, die die Jugendlichen erreichen, auch Geld dafür bekommen. Was haben Sie getan? Sie haben die Mittel gekürzt. Sie haben Mittel gestrichen oder haben sie erst gar nicht bewilligt. Sie können das Ergebnis ihrer Politik tagtäglich an den Zahlen nachlesen, die in der Zeitung stehen, sofern Sie sie nicht schon kennen.
Ihre Initiative zum Kommunalen Entlastungsgesetz wurde Gott sei Dank gestoppt, im Übrigen auch von ihren eigenen Bundestagsmitgliedern der CSU, und auch mit Beifall der hinter mir sitzenden Vizepräsidentin. Wir haben gebetsmühlenartig eine Erhöhung der FAG-Mittel gefordert, damit die Gemeinden und Landkreise nicht dauernd mit dem Rücken zur Wand stehen müssen.
Sie hungern die Kommunen aus und geben ihnen einen Freibrief für eine Sozialpolitik nach Kassenlage. Das kann es doch nicht sein. Es ist schon gesagt worden, dass Sie in ihrem Wahlergebnis erkannt haben, dass auch die Politik der sozialen Kälte dafür verantwortlich ist. Was sind die Konsequenzen daraus? Dafür reicht es nicht aus, den Landwirtschaftsminister als soziales Gewissen zu installieren, denn Sie, Frau Ministerin und verehrte Kolleginnen und Kollegen, werden an ihren Taten gemessen werden und nicht an den Worten des VdK-Vorsitzenden in Bayern.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon wiederholt über die soziale Lage in Bayern diskutiert. Ich bin auch der Meinung, dass wir darüber diskutieren müssen, was in Zukunft sozial und gerecht ist. Ich war gestern bei einer Gruppe, die im sozialen Bereich tätig ist. Sie haben mir mit auf den Weg gegeben, dass wir Politiker in Zukunft genau hinschauen sollen, wer bedürftig ist und wer den Sozialstaat dringend benötigt. Wir haben von Ihrer Seite viel Kritik gehört. Das ist Ihre Aufgabe.
Es hat mich auch gefreut, dass die Frau Ministerin auf das Thema Tagesmütter eingegangen ist. Ich habe mich maßlos darüber geärgert, dass Sie die Tagesmütter so ins negative Licht stellen. Das hat mir nicht gefallen. Tagesmütter sind keine Notlösung.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber die haben keine Ausbildung, während die anderen ausgebildet sind!)
Ich beobachte jetzt eine Initiative bei mir vor Ort, eine Familie, die sich selber um die Kinderbetreuung annimmt. Es ist ein ganz interessantes Projekt. Ich werde Ihnen bei Gelegenheit darüber berichten.
Dass wir in der Sozialpolitik Vieles neu überlegen müssen, erfahren wir, wenn wir außerhalb dieses Hauses zu Veranstaltungen gehen. Wir waren letztens in Tutzing. Herr Kollege Wahnschaffe, es war für mich hochinteressant – –
(Christa Steiger (SPD): Wären Sie bei der Caritas in Augsburg gewesen, wäre es noch viel interessanter gewesen!)
Wir hatten eine hochinteressante Diskussion über die Frage, was eigentlich Diakonie und Caritas ist. Auch da haben wir enormen Diskussionsbedarf.
Gestatten Sie mir einige positive Anmerkungen zu unserer Politik hier in Bayern. Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Ich sehe ein großes politisches Handlungsfeld in der Politik für die ältere Bevölkerung. Hier haben Sie mich an Ihrer Seite; es gibt noch viel zu tun. Die Alterspyramide von gestern ist der Bevölkerungspilz von heute. Dass Menschen durch den medizinischen Fortschritt immer älter werden, beschäftigt die Sozial- und auch Gesundheitspolitik. Die Debatte über die demographische Entwicklung ist zu negativ besetzt. Hier würde ich gerne auch positive Gedanken einbringen.
Ich habe mir einen Abschnitt aus der Wohnungspolitik herausgegriffen. Die zunehmende Alterung der Gesellschaft stellt die Wohnungspolitik in den Mittelpunkt. Vorige Woche hatten wir eine Anhörung zum Thema „ambulant vor stationär“. Wer möchte im Alter nicht in seiner gewohnten Umgebung, in seiner Wohnung mit seinen persönlichen Gegenständen leben? Darüber, wie die Pfl ege in Bayern künftig organisiert werden sollte, um diesen Bedingungen gerecht zu werden, haben wir in diesem Plenarsaal in interessanter Weise diskutiert.
Wohnraumförderung verbessert die Wohnqualität, ermöglicht insbesondere ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter.
Dazu trägt vor allem der erwartete demografi sche Wandel bei. Die meisten älteren Menschen wollen so lang wie möglich in eigenen Wohnungen leben. Unter dem Stichwort „ambulant vor stationär“ ist die Wohnraumförderung mehr und mehr gefragt, um die Einrichtungen der stationären Altenhilfe zu entlasten. Für Wohnformen, die die Verwirklichung dieses Zieles unterstützen, hat die Bayerische Staatsregierung verschiedene Modellprojekte aufgelegt. Sie erinnern sich, dass für das barrierefreie Wohnen bereits im Jahr 1992 der Grundstein gelegt wurde. Mittlerweile ist der Grundsatz der Barrierefreiheit in den Wohnraumbestimmungen, aber auch im Baurecht verankert.
Um weiteren Kompetenzen für das Wohnen im Alter, für Mehrgenerationenwohnungen unter einem Dach und für andere gemeinschaftliche Wohnmodelle zum Durchbruch zu verhelfen, haben wir im Rahmen des experimentellen Wohnungsbaus die Initiative Zukunftswohnungsbau gestartet. Ziele sind – das gehört zum Thema der demografi schen Entwicklung –: lebendige Wohnquartiere für Jung und Alt, gemeinsam bauen und leben, wohnen in allen Lebensphasen.
Für mich ist es außerordentlich wichtig, dass die Politik dieses Feld zukünftig bestellt. Mir geht es um ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Aufgrund der absehbaren demografi schen Entwicklung ist die Ermöglichung eines selbstbestimmten Wohnens im Alter eine wichtige Zukunftsaufgabe der Wohnungspolitik.
Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zur Situation der Pfl egeplätze. Der Bedarf an vollstationären Plätzen ist derzeit in Bayern im Durchschnitt gedeckt; regional haben wir sicher vereinzelt Bedarf. Ich blicke zurück in die Vergangenheit: Der Freistaat hat in den letzten Jahrzehnten rund 1,3 Milliarden Euro an staatlichen Fördermitteln ausgegeben. Es ist richtig: Das Aussetzen der staatlichen Investitionskostenförderung ist gerechtfertigt, weil im Rahmen der demografi schen Entwicklung entstehender Bedarf an Pfl egeplätzen durch private Investoren gedeckt werden kann.
Der Anteil frei fi nanzierter Heime hat dazu beigetragen – das erlebt jeder vor Ort –, dass Bayern mit Pfl egeplätzen gut versorgt ist. Deswegen glaube ich, dass wir uns in diesem Bereich aus der Förderung zurückziehen können. Der Bestandsschutz ist gewährleistet. Bezüglich der Investitionskosten für stationäre Altenhilfeeinrichtungen haben wir eine Vertrauensschutzregelung. Wir müssen die Diskussion, was zukünftig gerecht und sozial ist, weiter entwickeln und fortführen.