Ich weiß nicht, was sich im Einzelnen da noch anschloss, aber ich habe immerhin schon einiges erlebt.
Sagen wir mal so: 1 : 1. Das war der Ausgleich, wenn man es in der Fußballsprache sagen will. Wir wollen es halt auch mal machen. Wir können das vielleicht genauso gut.
Was mich allerdings irritiert, ist, Herr Dr. Bernhard, dass Sie nicht richtig aufgepasst haben. Das hätte ich mir gewünscht. Sie haben von Luftblasen gesprochen, die in diesen 6 % Senkung seien.
Ich habe davon geredet, dass diese Luftblasen reduziert wurden, dass man auch nach Ihrer Kritik eben auf 22 % gekommen ist. Das habe ich gesagt. Ich hätte mir gewünscht, dass das bei Ihnen auch ankommt. Mich freut, dass Sie die Ergebnisse der Steuerschätzung heute schon wussten. Eigentlich sollen die Ergebnisse erst morgen veröffentlicht werden. Bis jetzt gibt es nur so vage Schätzungen. Von eventuellen Milliardenlöchern ist die Rede; der Finanzminister hat dagegen von Steuerausfällen in diesem Jahr von 300 Millionen gesprochen.
Insofern ist es mit den Milliardenlöchern noch gar nicht so weit her. Zeigen Sie mir eine Kommune, zeigen Sie mir eine Firma, die über Jahre hinweg in ihrer mittelfristigen Finanzplanung Milliardenlöcher aufmachen kann und
sagen kann, wie ihre wirtschaftliche Situation in zwei Jahren ist. Insofern sollten Sie ein bisschen vorsichtiger sein, wenn Sie mit den Milliarden um sich werfen.
Ich bin gespannt, wie der Minister auf unseren Vorschlag eingehen wird. Sie haben ja gesagt, Herr Dr. Bernhard, dass er auf unseren Vorschlag eingehen wird. Denn das war die eigentliche Stoßrichtung unseres Antrages. Das ist wohl nicht ganz klar geworden. Vielleicht liegt es an mir, weil ich nicht in der Lage bin, das darzustellen.
Ja. Die Stoßrichtung dürfte klar sein. Es wäre schade, wenn Sie das nicht so verstanden hätten, Herr Dr. Bernhard.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu vier Dingen Stellung nehmen. Zunächst will ich etwas zu der Frage sagen, warum eine Debatte über die Absenkungsvorschläge der Bundesregierung hier stattfi ndet, aber am kommenden Freitag im Bundestag nicht. Zweitens möchte ich etwas sagen zur Mechanik der Vorstellungen der Bundesregierung und der Gegenfi nanzierungsvorschläge. Drittens möchte ich etwas zum Erbschaftsteuergesetzentwurf und zu seiner Gegenfi nanzierung sagen; schließlich möchte ich zu dem „Wundervorschlag“ von Frau Kollegin Scheel sprechen.
Zunächst einmal zu der Frage: Warum haben die Mehrheitsfraktionen im Bundestag und die Bundesregierung den Tagesordnungspunkt 2, der am Freitag um 9 Uhr aufgerufen werden sollte, abgesagt? Für mich sind die Gründe eindeutig. Der erste Grund hat etwas mit der morgigen Steuerschätzung zu tun, wie Kollege Bernhard schon sagte. Wenn morgen tatsächlich das geschieht, was wir im Voraus kalkulieren, dass wir nämlich für die Länder im Jahr 2005 1,7 Milliarden Euro weniger haben werden, dass die Mindereinnahmen im nächsten Jahr entsprechend höher sind, nämlich etwas über 3 Milliarden, und in den Jahren 2007 und 2008 – zugegebenermaßen linear hochgerechnet auf der gegenwärtigen Hochschätzungslinie – zwischen 5 und 8 Milliarden weniger sein werden, dann werden auch die SPDregierten Länder feststellen, insbesondere das Land, in dem derzeit der Wahlkampf geführt wird: Moment einmal, wir haben ja auf der einen Seite noch einmal weniger Steuereinnahmen in einer Situation, in der wir sowieso schon im letzten Jahr eine Neuverschuldung von 7 Milliarden hatten, und auf der anderen Seite haben wir obendrauf eine Reform, die objektiv nicht gegenfi nanziert ist. Das können wir uns nicht leisten. Das ist der Druck aus Nordrhein-Westfalen und aus anderen Ländern, in denen Sozialdemokraten noch etwas zu sagen haben.
Zweitens. Ich glaube, dass die fachlichen Einwände innerhalb der Fraktion der SPD größer geworden sind. Man könnte vielleicht noch einen dritten Grund hinzufügen, nämlich den, dass immer mehr Sozialdemokraten sagen: Moment einmal! In einer Zeit, in der der Arbeitnehmer, unsere Klientel, wie Sie sagen, immer weniger und keinen Zuwachs an Einkommen hat, kann es nicht unsere Politik sein, den Körperschaften zusätzliches Geld hinüber zu schieben. Das ist die reale Debatte. Deshalb fi ndet am kommenden Freitag die Einbringung durch die sozialdemokratische Fraktion und die Bundesregierung nicht statt. Das ist die Wahrheit in diesem Land.
Das ist aber gleichgültig. Wir werden am Freitag dennoch im Bundestag über die Steuergesetze auf der Basis eines Antrags der FDP diskutieren. Die Bundesregierung kommt nicht darum herum, Aussagen zu machen.
Zur Mechanik des Vorschlags der Bundesregierung, ausgehend vom Jobgipfel, möchte ich feststellen: Das eigentliche Thema der Steuerpolitik zum gegenwärtigen Zeitpunkt heißt Vereinfachung. Ich bleibe dabei: Wir müssen unser Steuerrecht rundum vereinfachen. Das ist die Aufgabenstellung, die auf der Basis der so genannten Merz/Faltlhauser-Vorstellungen niedergelegt ist. Diese Basis wird gegenwärtig in Expertengruppen diskutiert. Das ist gewissermaßen die dritte Stufe der großen Reform der Steuerpolitik. Zunächst einmal stand der Tarif im Vordergrund, dann die Spitzen- und Eingangssteuersätze.
Bedeutsam ist dabei, dass Herr Eichel auch immer sagt: Ich bin für Vereinfachung. Gleichzeitig sagt er: Ich kann die Steuersätze nicht senken. Das ist eine Argumentationsfalle. Denn mit einer Vereinfachung nehme ich vielen Bürgern, fast allen, irgendwelche Gestaltungsmöglichkeiten, Freibeträge, Abzugsmöglichkeiten weg. Das bedeutet für viele Bürger eine Steuererhöhung. Wenn ich nicht zeitgleich und uno actu die Steuern senke, habe ich ein generelles Steuererhöhungsprogramm unter der Überschrift Vereinfachung. Genau dies wollen wir nicht, und dies wird unter unserer zukünftigen Regierungsverantwortung auch nicht geschehen.
Aber ohne Zweifel müssen wir angesichts der dramatischen Entwicklungen und der immer schnelleren Steuersenkungen in den dazuwachsenden Ländern des osteuropäischen Raumes reagieren. Deshalb haben die beiden Parteivorsitzenden einer Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 19 % und der Änderung des Faktors bei der Anrechnung der Gewerbesteuer von 1,8 auf 2 % zugestimmt, was im Grunde in sich logisch ist.
Diese Senkung befürworten wir. Aber es kann natürlich nicht sein, dass die Gegenfi nanzierung nicht stimmt. Das war die vereinbarte Grundlage des Job-Gipfels. Wie schaut die Gegenfi nanzierung aus? – Zunächst möchte ich noch einmal daran erinnern, dass Herr Eichel zunächst eine Gegenfi nanzierung zulasten der Kommunen vorhatte. Er wollte einfach die Gewerbesteuerumlage zugunsten des Bundes um eine Milliarde Euro anheben. Die Kommunen hätten ab 1. Januar 2006 zahlen müssen. Dafür ist ihnen versprochen worden, dass die Gewerbesteuereinkünfte im Gegenzug ansteigen. Ein vages Versprechen gegen eine reale Belastung! – Eine Unverschämtheit. Aber Eichel hat diese Unverschämtheit eingesehen und sie zurückgenommen. Er konnte das deshalb, weil wir ihm vorgerechnet haben, dass die Kosten nicht 6,2 Milliarden, sondern nur 5,3 Milliarden betragen. Er hat diese Rechnung angenommen. Gut.
Jetzt bleiben drei Dinge, Frau Kronawitter, Herr Mütze, übrig: Das eine ist die Möglichkeit, Verluste im Zusammenhang mit Fonds zu verrechnen. Das kann man vertieft debattieren. Ich bin der Auffassung: Die Gelegenheit ist günstig, diesen Unsinn in unserem Steuerstaat zu beenden.
Denn dabei suchen die Leute nicht ein vernünftiges Investment, sondern im Grunde genommen nur Verluste. Das ist doch eine Pervertierung eines Steuerstaates. Ich begrüße das ausdrücklich. Wir erkennen auch die Größenordnungen. Natürlich kommen jetzt die Fondsmanager und sagen: Das ist viel zu hoch angesetzt. Aber ich erkenne die Absicht; dadurch wollen Sie vermeiden, dass die Maßnahme Platz greift. Wir erkennen ausdrücklich die Größenordnung der Gegenfi nanzierung an. Das ist aber auch alles.
Denn das Weitere, dass wir die Mindestbesteuerung, die ohnehin ein Sündenfall war, noch einmal anheben auf 50 %, ist anders zu beurteilen. Ich frage Sie, Frau Kronawitter: Ist denn die Absicht des gesamten Vorgangs „Jobgipfel“ nicht die, Arbeitsplätze zu schaffen? Wenn ich die wirtschaftlichen Grundlagen dafür durch die Anhebung der Mindestbesteuerung wegnehme, schaffe ich doch keine Arbeitsplätze, sondern ich zerstöre Arbeitsplätze. Das ist doch jedem, der Betriebswirtschaft verfolgt, eindeutig. Ein Unternehmensgründer nimmt in den ersten zwei, drei Jahren selbstverständlich Anlaufverluste hin.
Herr Staatsminister, darf ich einen Moment unterbrechen. – Ich sage das jetzt insbesondere mit Blick auf die von mir aus gesehen rechte Seite des Hauses: Es kann nicht sein, dass wir ständig eine solche Unruhe haben. – Herr Staatsminister.
Ich erlaube mir, wieder anzusetzen. Wer drei Jahre Verluste verbucht und hofft, im vierten Jahr – das ist das
Übliche – einen Gewinn zu machen, der muss in diesem vierten Jahr schon heute 40 % des Gewinns versteuern und schiebt die Verluste vor sich her. Das ist unmöglich, betriebswirtschaftlich und auch in Bezug auf Arbeitsplätze schädlich. Deshalb sind wir strikt gegen eine solche Lösung, und dies weiß Herr Eichel. Er will uns in diesem Punkt offenbar nur ärgern. Aber dann fehlen ihm 700 Millionen Euro.
Drittens. Sie wissen, dass bereits seit langer Zeit bei Unternehmen über die so genannten „REITs“ gesprochen wird. Zum Beispiel, wenn ein Unternehmen wie Siemens seine Gebäude an eine Aktiengesellschaft oder an einen Fonds verkauft, die dadurch gehobenen stillen Reserven geringer belastet werden können, weil eine Steuerermäßigung nach den derzeitigen Überlegungen für die Einbringung gewährt werden soll. Diese Steuerermäßigung wäre dann ein Anreiz für den Verkauf.
Ich bezweifl e, dass dies viele Unternehmen wahrnehmen werden. Siemens sagt zum Beispiel, ich habe keine Liquiditätsprobleme, so etwas würde ich nie machen. Aber die damit zusammenhängenden Probleme sind so komplex, dass sie eine eigene Arbeitsgruppe von Bund und Ländern nicht lösen konnte. Eichel vereinfacht jetzt diese ganze Sache, indem er die Begünstigung nicht mehr an die Einführung von „REITs“ knüpft und sagt, die schlichte Hebung der stillen Reserven durch Immobilienverkäufe werde steuerlich begünstigt.
Erstens bezweifl e ich, dass dieser Vorschlag tatsächlich ein entsprechendes Aufkommen bringt. Mittelfristig wird eine solche Lösung dem Fiskus Geld kosten, weil dadurch die entsprechenden stillen Reserven endgültig nicht mehr besteuert werden können. Das ist bestenfalls ein kurzfristiges Auffl ammen und nichts Seriöses.
Fazit ist, meine Damen und Herren von der Opposition, dass man von 5,2 Milliarden Euro genau 2,5 Milliarden Euro der Gegenfi nanzierung belasten kann. Der entscheidende Punkt bei der Gegenfi nanzierung ist das Prinzip „Hoffnung“, und das will ich in den Mittelpunkt stellen. Durch Eichels Absenken der Körperschaftsteuer auf 19 % sagen die Unternehmen, die wesentliche Teile ihres Gewinns im Ausland versteuern: Wunderbar, der Eichel ist ein Engel, ich komme nach Deutschland zurück, um hier meine Gewinne zu versteuern, da ist das gelobte Land ausgebrochen. – Die werden einen Teufel tun. Wenn in diesem Land gleichzeitig eine Kapitalismusdebatte alter Prägung stattfi ndet, wird kein einziger Unternehmer das Zutrauen haben, hierher zurückzukommen.
Kaum diskutieren wir über die Erbschaftsteuer für den Fall der Übergabe eines Unternehmens, das Arbeitsplätze trägt, schon fordern Frau Nahles und andere wieder, die Erbschaftsteuer zu erhöhen; als ob sie das Zutrauen gäben, die Gewinne „zu repatriieren“, wie es Herr Eichel in seinem Papier nennt. Das Prinzip „Hoffnung“ wird nicht stattfi nden, das ist ein Luftschloss.
Frau Kronawitter, Sie behaupten, dies sei eine seriöse Gegenfi nanzierung, die Bundesregierung hätte ihre Hausaufgaben gemacht.
Ich zweifl e erstmalig an Ihrem volkswirtschaftlichen Verstand. Das Prinzip „Hoffnung“ wird nicht stattfi nden. Deshalb sagen wir: Die Bundesregierung ist weiterhin dran, seriöse Vorschläge zu machen; denn bisher hat sie keine gemacht.
Herr Mütze, das ist wunderschön. Nun meint Frau Scheel, die Vorsitzende des Finanzausschusses, die entsprechenden Betriebsausgaben von Unternehmen könnten auf Investitionen im Ausland angerechnet werden, das heißt, der Export von Arbeitsplätzen wird durch uns steuerlich subventioniert. Die von mir hochgeschätzte Staatssekretärin im Finanzministerium, Dr. Barbara Hendricks, versteht im Gegensatz zu anderen in diesem Hause etwas von Steuern.
Dr. Barbara Hendricks schreibt am 9. Mai 2005 an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, es hätten einige Kollegen gebeten, dass die Bundesregierung dazu Stellung nehme; in der Anlage übersende sie ein entsprechendes fachliches Papier. Diese Stellungnahme stammt nicht von mir, dem simplen bayerischen Finanzminister, sondern vom Bundesfi nanzministerium, gewissermaßen also von Herrn Eichel selbst. Ich zitiere aus diesem Schreiben:
Die in der jüngsten Vergangenheit häufi g vernehmbare Behauptung, die Kosten einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland würden steuerlich begünstigt, verfälscht und verkürzt die tatsächliche Rechtslage.