Protocol of the Session on April 21, 2005

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Sieben Jahre!)

Aber die Umgehung dieser Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Durchlöcherung durch die Dienstleistungsfreiheit haben Sie natürlich nicht in den Griff bekommen, Sie haben sich nicht einmal ernsthaft dafür eingesetzt, weil Sie dieses Problem schlichtweg nicht gesehen haben. Wir fordern mit dem CSU-Antrag, wenigstens jetzt, auch wenn

es für viele schon zu spät ist, auf europäischer Ebene Regelungen zu fi nden, wie der massive Einfall von Ein-MannBetrieben verhindert werden kann. Sie kümmern sich um vieles, Sie kümmern sich um einen Sitz im Weltsicherheitsrat und Sonstiges, aber diese wichtigen Dinge, die wir hier brauchen, da kümmern Sie sich nicht einmal um jetzt dringend notwendige Nachverhandlungen. Wir haben erlebt, dass Sie beschlossene Pakte wie den Stabilitätspakt nachträglich zum Nachteil wieder aufgeschnürt und verändert haben. Deswegen sollte es zum Vorteil der deutschen Wirtschaft auch möglich sein, das im Falle der Dienstleistungsfreiheit zu tun. Das wäre es, was die Probleme wirklich anpacken und lösen könnte.

Noch kurz zu dem Dringlichkeitsantrag zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Bayern ist natürlich ganz besonders belastet mit diesem Problem durch die große Grenznähe, die wir haben. Aber wenn ich mir anschaue, dass im bundesweiten Vergleich die bayerischen Staatsanwaltschaften durch ganz hohe Erledigungszahlen und durch die kürzesten Verfahren auffallen, dann zeigt das, dass unsere Staatsanwälte nicht nur hoch qualifi ziert und -motiviert sind, sondern trotz des hohen Drucks, der da ist, das ist klar, sehr engagiert arbeiten und dass sie sehr wohl in der Lage sind, zügig zu reagieren. Dieser Antrag erweckt zu Unrecht den Eindruck, dass es anders sei. Ich fi nde, Anträge, die unsere Beamten schlechtreden, die hohe Qualität und Leistungsbereitschaft in Abrede stellen,

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Na, so ein Schmarrn!)

die dort erbracht werden, sollte man sich vorher gut überlegen, weil sie selten zielführend sind.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag – ich freue mich immer über Ihre Zwischenrufe, weil das zeigt, dass Sie zuhören – und um Ablehnung des SPD-Antrags „Bekämpfung der Schwarzarbeit“ und des Antrags der GRÜNEN.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Vielen Dank, Frau Kollegin. Als Nächstes hat Frau Kollegin Dr. Kronawitter das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Haderthauer, ich fi nde es bemerkenswert, dass Sie als Vertreterin des Wirtschaftsausschusses hierzu allein gelassen werden von Ihren Kollegen.

(Zuruf des Abgeordneten Georg Stahl (CSU))

Nein, wenn ich in die Runde schaue, stelle ich fest, dass von zwölf Vertretern im Wirtschaftsausschuss eine Vertreterin vorhanden ist.

(Georg Stahl (CSU): Zählen Sie mal die Ihrigen!)

Wir sind nur vier, und vorher waren drei da, also, das ist ein guter Anteil.

Aber lassen Sie mich sagen, warum ich das so bemerkenswert fi nde. Als das Thema aufgerufen wurde, haben eine ganze Reihe von Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss schnell die Türe gesucht.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich vermute, dass das etwas zu tun hat mit dem Thema an sich. Ich zitiere einen Wirtschaftsjournalisten, der zum Kurs der Union – und ich komme darauf, warum dieses Zitat genau auf das heutige Thema zutrifft – ausgeführt hat, die Union hinterlasse im Bereich der Wirtschaftspolitik eine Linie, die mehr der Linie einer Schwarzen Mamba ähnele, als klar erkennbar wäre. Ich kann nur sagen, der Vergleich ist beim Thema Lohndumping und Ausweitung des Entsendegesetzes unzureichend, denn die Fortbewegung der afrikanischen Giftschlange ist geradezu geradlinig gegenüber dem Schlingerkurs der CSU und der Union insgesamt.

(Georg Stahl (CSU): Aber sie ist auch schwarz!)

Sie ist schwarz, Sie haben Recht. Aber das ist schon das Einzige. Sie bewegt sich offensichtlich nicht so schlingerhaft, wie Sie es beim Thema Lohndumping und Ausweitung des Entsendegesetzes tun.

Ich erinnere: Am 12. April hat Ministerpräsident Stoiber die Diskussion über den massiven Verdrängungswettbewerb heimischer Arbeitskräfte, über Lohndumping und mögliche Mindestlöhne begrüßt. Er begrüßte auch die Diskussion über die Anwendung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen und erklärte, die Union sei hierfür gesprächsbereit.

Der Generalsekretär der CDU fi el ihm daraufhin postwendend ins Wort und distanzierte sozusagen die Union davon, und man höre und staune: Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion im Bundestag, die CSUAbgeordnete Dagmar Wörl, zieh den Ministerpräsidenten und ihren Parteikollegen sogar des blanken Populismus.

Sie hören also, dass hier ein ganz breites Spektrum ist und ein heftiger Streit herrscht. Ich vermute jetzt einmal, dass dies der Grund war, warum die Frau Haderthauer vom Wirtschaftsauschuss so allein gelassen wurde.

Wir registrieren, dass nach der Meldung von Frau Wöhrl Ministerpräsident Stoiber verstummt ist, auf Tauchstation gegangen ist, vielleicht ist er aber auch über seine eigene Ankündigung erschrocken.

Und nun präsentieren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, einen Dringlichkeitsantrag, mit dem Sie sich an dieser bundespolitischen Debatte beteiligen wollen, der jedoch Ihren Schlingerkurs bestätigt, ihn nicht einmal verschleiern kann. Es heißt im zweiten Absatz dieses Ihres Antrags:

Der Landtag lehnt die von der Bundesregierung angekündigte Ausdehnung des Entsendegesetzes auf alle Branchen ab.

Abgesehen davon, dass ich dies von der Bundesregierung so nicht gehört habe, nehmen Sie hier bei dieser Aussage die Haltung von Frau Wöhrl ein. Sie signalisieren eine grundsätzliche Ablehnung.

Im zweiten Teil dieses Absatzes fordern Sie dann eine Situationsanalyse der Bundesregierung, die Grundlage für die Prüfung sein solle, unter welchen Bedingungen das Arbeitnehmerentsendegesetz ausgedehnt werden kann. Hier kommt die Stoiber´sche Position zum Zuge.

Jetzt frage ich mich: Was wollen Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wirklich in diesem Punkt? Sie sagen es uns nicht konkret. Sind Sie denn auch gesprächsbereit, wenn in der nächsten Stufe dezidiert diskutiert wird?

Ich kann nur sagen, das Verhalten der Bundesregierung ist in diesem Punkt logisch und sachorientiert. Wie Sie wissen, ist eine Arbeitsgruppe „Dienstleistungsmissbrauch“ unmittelbar nach dem Job-Gipfel eingesetzt worden. Wirtschaftsstaatssekretär Anders hat in der letzten Woche dazu einen ersten Bericht gegeben. Er hat davon gesprochen, dass diese Arbeitsgruppe eine zweigeteilte Aufgabenstellung hat.

Die erste Aufgabe ist ein verschärftes Vorgehen gegen schwarze Schafe. Das bedeutet eine entschlossene Missbrauchsbekämpfung von Schwarzarbeit und ein Angehen all der Themen, die heute schon genannt wurden. Es geht darum, die Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs gegenüber illegalen Billiglohnkräften zu ermöglichen. Dazu benötigt man in der Tat eine verschärfte Missbrauchsbekämpfung.

Die zweite Aufgabe besteht in der Prüfung und Vorbereitung einer Novellierung des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Hier steht die zentrale Frage an: Können mit einem branchenbezogenen Mindestlohn, der die unterschiedlichen Verhältnisse in West- und Ostdeutschland berücksichtigt, die Wettbewerbsbedingungen für die einheimischen Arbeitnehmer gegenüber den Billiglöhnern aus den Beitrittsländern verbessert werden? Das ist die zentrale Frage, die derzeit im Raum steht. Sie muss geprüft und auch abgewogen werden.

Ich persönlich fi nde, die Bundesregierung tut gut daran, diese Entscheidung sehr sorgfältig vorzubereiten, und sie tut im Übrigen das, was Sie in Ihrem Antrag letztlich unter anderem verlangen. Sie brauchen also niemanden zu etwas aufzufordern, was ohnehin bereits passiert. Klar muss auch sein, dass wir einem schrankenlosen Lohndumping Einhalt gebieten müssen und dass hierfür alle Instrumente zu prüfen sind.

(Beifall bei der SPD)

Da darf man sich auch einmal 14 Tage oder drei Wochen länger Zeit dafür nehmen.

Ich will jetzt keine weiteren Ausführungen zu der Debatte auf Bundesebene machen. Kollege Runge hat bereits vieles angesprochen, wie beispielsweise das Korruptionsregister oder das Entsendegesetz. Dazu brauche ich nichts Weiteres ausführen. Ich betone allerdings, dass die Missbrauchsbekämpfung zu einem wesentlichen Teil auch eine landespolitische Aufgabe ist. Da fordern wir, dass Bayern seine Hausaufgaben macht. Man spricht von so genannten Zusammenarbeitsbehörden bei der Bekämpfung illegaler Praktiken. Dazu gehören die Zollbehörden, genauer die Finanzkontrolle Schwarzarbeit als Bundesbehörde, und dazu gehören die Sozialversicherungsträger als eigene Behörden und die Kammern, die auf Landesebene angesiedelt sind, sowie die Gewerbeämter, die Staatsanwaltschaften und auch die Steuerbehörden. Es ist, wie gesagt, ein Zusammenwirken aller Behörden notwendig.

Gestatten Sie, dass ich an dieser Stelle von unserem kürzlichen Besuch beim Münchner Hauptzollamt berichte. Es war sehr interessant. Wir haben in Erfahrung gebracht, dass mit dem so genannten Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, das zum 01.08.2004 in Kraft gesetzt wurde, eine gute Arbeitsgrundlage geschaffen worden ist. Das haben wir mit Blick auf die aktuelle Diskussion gerne gehört. Wir haben darüber hinaus gerne gehört, dass es eine großzügige personelle Aufstockung gegeben hat über das hinaus, was bei der Zusammenführung der früheren Zollarbeitsgruppe und dem Arbeitsamt erfolgte. Diese Zahlen haben uns deutlich gemacht, dass der Bund bei der Personalaufstockung mehr als nur seine Hausaufgaben gemacht hat. Es wurde uns gesagt, dass man aktuell noch in einer Übergangsphase sei, dass das Personal noch weiter integriert und qualifi ziert werden muss, dass aber jetzt schon als Fazit gezogen werden kann, dass die Fahndungserfolge wesentlich verbessert werden konnten.

Wenn wir also davon reden, was der Bund tut, kann ich nur feststellen: Der Bund hat seine Hausaufgaben gut erledigt und ist dabei, die Dinge weiter zu perfektionieren. Ich zitiere die Aussage eines Behördenvertreters, mit dem wir gesprochen haben –, ein gutes Bild, das die Sachlage auf Landesebene richtig charakterisiert. Er sagte uns: „Die Ermittlungsautobahn des Zolls darf nicht auf den Feldwegen der Zusammenarbeitsbehörden der Länder enden“. Mit andern Worten: Auch die Zusammenarbeitsbehörden wie Staatsanwaltschaften, Steuerfahndungen und weitere Behörden, für die das Land verantwortlich ist, müssen in personeller Hinsicht ihre Hausaufgaben machen. Sie müssen personell aufstocken, damit ein noch höherer Wirksamkeitsgrad erreicht werden kann und noch zeitnaher und präventiver vorgegangen werden kann. Mein Kollege Schindler wird anschließend ganz konkret zu unserem eigenen Antrag Stellung nehmen. Ich möchte hier aber noch einmal festhalten, dass nicht nur auf Bundes- und EU-Ebene verwiesen wird, sondern wir müssen auch vor Ort die Aufgaben der Missbrauchsbekämpfung sehen und unsere eigene Verantwortung wahrnehmen.

Im Antrag der CSU ist im vorletzten Absatz die Forderung zu lesen, die Bundesregierung solle mit den Beitrittsstaaten Verhandlungen führen. Ob das via EU geschehen soll oder direkt, wird aus dem Antrag nicht ganz klar. Da war für uns eine Information der Zollvertreter interessant, die sagten, es gebe jetzt schon eine gute Kooperation mit den

Beitrittsländern. Man spüre eine gewisse Willigkeit, sehe aber die Probleme, dass die Behörden dort möglicherweise nicht stark genug sind, den Durchgriff zu schaffen. Sie haben uns dargelegt, dass mafi öse Strukturen in diesen Ländern ein großes Problem sind. Ich kann nur sagen, dass es in der jetzigen Phase richtig ist, bereits heute von unserer Seite her einen entsprechenden Druck auszuüben, um dadurch mitzuhelfen, in diesen Ländern die Behörden entsprechend zu stärken und auszurüsten, damit die Zusammenarbeit auf beiden Seiten sachgerecht funktionieren kann.

Da wir schon Erfahrungen mit den scheinselbständigen Dienstleistern haben, fi nde ich es wichtig, in den anstehenden Verhandlungen zwischen dem Beitrittskandidaten Rumänien und der EU von Anfang an die Missbrauchsmöglichkeit zu sehen und lenkend einzugreifen.

Noch ein Hinweis: Man darf nicht sagen, die EU habe dafür kein Instrumentarium. Auch Deutschland kann sich darauf beziehen, dass es nach EU-Recht keine Briefkastenfi rmen in diesen Ländern geben darf. Mit andern Worten: Es darf nach EU-Recht in keinem Land Briefkastenfi rmen geben, wie wir sie am Beispiel BMW und Scheinselbständige am Bau gesehen haben. Das ist nach EU-Recht nicht gestattet; deshalb will ich nicht weiter auf das eingehen, was sozusagen schon geregelt ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Sie sollten klären, ob Sie bereit sind, mit der Bundesregierung in sachbezogene Verhandlungen zu treten. Das müssen Sie zunächst klären. Ich erinnere an das Bild von der schwarzen Mamba und ihrem Schlingerkurs.

Sie unterstellen der Bundesregierung, sie wolle das Entsendegesetz auf alle Branchen ausweiten. Ich habe keine Stelle gefunden, aus der man das ableiten könnte. Die Arbeitsgruppe prüft, wo und wie eine Ausweitung machbar ist. Ich fi nde es gut, dass diese Prüfungsphase jetzt stattfi ndet. Sie brauchen uns dazu nicht aufzufordern. Der Arbeitsbericht der Task Force belegt, dass hier gute Arbeit geleistet wird.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie brauchen wahrlich keine Eulen nach Athen oder nach Berlin tragen. Athen ist natürlich das übliche Bild. In Berlin sind die Eulen längst tätig, und zwar mit wachem Verstand.

(Zuruf von der CSU: Eulen sind Nachtvögel!)

Sie sind aber kluge Vögel. Ich habe auf den Zwischenbericht mit den Ergebnissen der Task Force hingewiesen. Das beweist, dass dort klug gehandelt wird. Insofern bedarf es keiner Zulieferung von Ihrer Seite.

Noch eine Bemerkung zum Antrag der GRÜNEN: Wir werden diesem Antrag zustimmen. Wir haben grundsätzlich – bezogen auf das Korruptionsregister und die Tariftreue – gleiche Positionen. Ich habe mich allerdings ein bisschen gewundert, warum, bezogen auf das Herkunftslandprinzip an einen Sachstand angeknüpft wurde, der schon überholt ist. Der Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie wurde

nämlich zurückgezogen und wird neu verhandelt. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe die Ehre, Frau Larisa Tolkacheva und Herrn Victor Baranov bei uns zu begrüßen. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)