Um die Situation noch ein bisschen klarer zu machen, möchte ich ein Beispiel erwähnen, das im Dezember in der Presse hochgekocht ist. Es ging um die Miesbacher Hauptschule. Dort sind seit Mitte September 222 Unterrichtsstunden ausgefallen. Jetzt habe ich eine neue Pressemeldung vom März, in der man lesen kann, dass die Situation unverändert ist. Aus allen Teilen des Landkreises meldeten die Elternbeiratsvorsitzenden weitere Engpässe. Diese Pressemitteilungen erscheinen über Monate hinweg immer wieder. Ich sehe das so: Wenn die Medien ihre Scheinwerfer abziehen, dann zieht das Kultusministerium auch seine Mobile Reserve ab. Da ist Miesbach nicht
der einzige Fall. Ich erinnere an die Grundschule in der Pfarrer-Grimm-Straße in München, über die wir in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses gesprochen haben. Eine Petition, die wir morgen beraten, beschreibt eine ähnliche Situation.
Solche Zustände, die sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, können wir nicht akzeptieren. Im „Staatsanzeiger“ war vor kurzem in einem Artikel zu lesen, dass der Freistaat Bayern mit 1000 bis 1500 Lehrern unterversorgt sei. Selbst wenn wir diese Lehrer hätten, wäre lediglich der Stand von vor zwei bis drei Jahren erreicht. Um zu den Pisa-Siegern aufschließen zu können, bräuchten wir mehr Lehrer.
Von einer Qualitätsoffensive in der Fortbildung, wie wir sie im Rahmen der Haushaltsberatungen beantragt haben – Sie haben sie abgelehnt –, will ich überhaupt nicht reden. Erwähnenswert ist aber die Tatsache – ich denke, das ist allen bewusst –, dass in den nächsten zwölf Jahren 40 000 Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand gehen. Auch da benötigen Sie einen Plan, den Sie im Moment noch nicht haben. Am Rande mahne ich darüber hinaus einen Plan zu der Frage an, wie wir mit dem immensen Anstieg der Versorgungsbezüge umgehen werden. Dass Sie keinen Plan haben, das ist der einzige rote Faden, der sich durch die Politik des Kultusministeriums zieht. Der massive Unterrichtsausfall begegnet nicht nur mir, sondern auch den Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Auch Sie kommen draußen herum, und auch Ihnen berichten die Eltern von ihren Wahrnehmungen.
Ich erinnere nur an die BLLV-Schulleitertagung, an der auch Sie, Herr Kollege Schneider, teilgenommen haben. Es gab dort erschütternde Aussagen zweier Schulleiter. Einer hat gesagt, er könne nicht mehr verantworten, was mit den Kindern passiert, und der andere hat ausgeführt, die Schüler hätten ein Anrecht auf ordentlichen Unterricht; den könne er nicht mehr gewährleisten.
Man könnte diese Beispiele noch weiter fortsetzen. Darauf möchte ich jetzt aber ganz gern verzichten und lediglich resümieren: Es ist Feuer unter dem Dach, aber die Murmeltiere im Kultusministerium pennen weiter. Der vorliegende Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, bietet eine Chance, Sie aufzuwecken.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ein paar Antworten versuchen auf die Wortmeldung des Kollegen Schneider.
Herr Schneider, Sie werden nicht müde, hier immer wieder zu sagen, dass die Bildungspolitik in Bayern Priorität hat. Sie werden auch nicht müde, immer wieder zu sagen, dass der einzige Etat im Haushalt, der einen deutlichen Zuwachs aufweist, der Bildungshaushalt ist.
Das will ich nicht abstreiten. Das habe ich nicht gemacht. Aber Sie dürfen uns nicht für blöder halten, als Sie selber sind.
Ich will Ihnen das näher darlegen. Sie können sich gern aufregen, aber ich will Ihnen doch Folgendes sagen: Sie haben im Bildungshaushalt einen Zuwachs von 8,5 % an Lehrerplanstellen bei den Gymnasien. Das stimmt, und das wollen wir auch nicht abstreiten. Das stellen Sie aber immer so dar, als wäre das die größte Anstrengung der Bayerischen Staatsregierung, die es überhaupt gibt.
Aber, Herr Schneider, Sie verschweigen immer wieder, dass es einen Schülerzuwachs von 27 % in diesem Land gibt.
Herr Freller, auch wenn Ihnen das nicht gefällt: 18,5 % des Schülerzuwachses sind nicht abgedeckt. Wie können Sie sich da mit ruhigem Gewissen hinstellen und sagen, alles sei wunderbar, wenn Sie genau wissen, dass Sie fast 20 % des Schülerzuwachses nicht mit Lehrern abdecken? Da gehört einiges an Kaltblütigkeit gegenüber Schülern, Eltern und Lehrer dazu.
Zur Lehrerzahl darf ich Ihnen die Lektüre der Veröffentlichung des Bayerischen Philologenverbandes ans Herz legen. Dessen Vorsitzender hat erklärt, dass zusätzliche 2000 Lehrerinnen und Lehrer für die Gymnasien lebenswichtig sind. Herr Freller, wie bewerten Sie das? Ist das alles Schwarzmalerei, was dort steht? – Lebenswichtig! Das sagt der Vorsitzende nicht aus Jux und Tollerei, auch nicht, um Ihnen zu schaden, sondern er sagt es aus purer Verzweiflung. Aber das interessiert Sie alles nicht, auch nicht die Tatsache, dass zum Beispiel 160 % mehr Klassen über 30 Schüler haben. Das sagt der Vorsitzende auch nicht aus Jux und Tollerei. Es ist ein Hilferuf. Aber Sie reagieren auf diesen Hilferuf so, dass Sie sich jedes Mal wieder hier hinstellen und sagen: Es ist alles wunderbar, das ist eine große politische Leistung!
Die Hilferufe der Eltern allerorten – Miesbach ist als Beispiel genannt worden, aber Sie können hingehen, wo Sie wollen –, die Hilferufe der Verbände, die Hilferufe der Lehrer und die Hilferufe des Vorsitzenden des Philologenverbandes mit dem Tenor: besorgniserregend, nicht verantwortbar, alle diese Hilferufe ignorieren Sie konsequent hier in diesem Hohen Hause, indem Sie sagen, es ist alles wunderbar. Das ist wirklich eine große politische Leistung. Herr Schneider, genau das ist unverantwortlich.
Unverantwortlich ist nicht die Forderung nach mehr Lehrerinnen und Lehrern, sondern Ihr politisches Verhalten, und zwar nicht nur gegenüber der Opposition. Das ist das politische Geschäft. Unverantwortlich ist es gegenüber den Kindern in diesem Lande und deren Eltern. Diese treten Sie jeden Tag mit solchen Äußerungen hier im Hohen Haus vors Schienbein.
Wahrscheinlich hoffen Sie, dass die Eltern nicht mitbekommen, wie Sie sich hier in diesem Hohen Hause verhalten. Vor Ort sieht es ganz anders aus. Ich kann Ihnen Ihre Kollegen zitieren, die vor Ort bei Veranstaltungen sich ganz anders verhalten und andere Dinge sagen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich komme nun zur Frage der Ersatzlehrer. Warum machen Sie das eigentlich, wenn Sie keinen Lehrermangel haben? Diese Frage geht mir schon eine ganze Zeit lang im Kopf herum, Herr Freller. Warum setzen sie Eltern, Förster und Vermessungsbeamte ein, wenn Sie keinen Lehrermangel haben, wie Sie es hier immer betonen. Warum machen Sie es?
Jetzt, wo Sie diese Argumentationslücke erkennen, sagen Sie, Sie wollten die Schule öffnen. Das ist übrigens eine SPD-Forderung, die wir seit zehn Jahren stellen und die Sie seit zehn Jahren ablehnen. Das wäre sozusagen mehr Praxisbezogenheit durch den Einsatz von Leuten aus der Praxis unterschiedlicher Berufsgruppen. All das lehnen Sie zehn Jahre lang ab, und jetzt plötzlich, wo es eng wird in der Argumentation, sagen Sie, Sie wollten diese Leute hereinnehmen, nicht um den Lehrermangel zu kompensieren, sondern um mehr Praxis in die Schulen zu bekommen.
Das ist eine unglaubliche Verdrehung und letzten Endes auch der Versuch, wirklich alle anderen für blöd zu halten. Nur sind wir so blöd nicht, Herr Schneider. – Da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu wiegen.
Wir sind auch der Meinung – ich sage es noch einmal, wir haben es hier schon einmal gesagt –, dass durchaus Ingenieure infrage kommen. Aber warum übrigens nicht auch eine Mutter, die drei Kinder groß gezogen hat, oder ein Vater?
Natürlich wollen wir mehr Praxisbezug in die Klassen bringen; da sind wir uns einig. Aber in einem Punkt sind wir uns nicht einig, Herr Schneider, nämlich darin, dass diese
Personen als Lehrerinnen- und Lehrerersatz gelten sollen. Sie kompensieren damit den von Ihnen verursachten Lehrermangel, versuchen aber, es hier völlig anders darzustellen. Dahinter steckt doch pure Verzweiflung.
Es ist die Wahrheit – Herr Schneider, auch Sie wissen das, da brauchen wir uns nicht zu verstecken; das weiß auch der Herr Staatssekretär für Blinde, wie heute in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen stand –, dass Sie eine Mangelverwaltung betreiben, um Ihrem Herrn und Meister in seiner politischen Argumentation nicht in die Parade fahren zu müssen. Diese Mangelverwaltung – das wissen Sie ganz genau – betreiben Sie. Geben Sie es doch zu!
Das Problem ist, dass Sie selbst bei der Mangelverwaltung Fehler machen; denn Sie haben weder ein Konzept noch sonst etwas. Wo ist das Konzept, Herr Freller, das Konzept für eine Verwendung von Vermessungsingenieuren oder Förstern oder Eltern im Schuleinsatz? Können Sie uns das Konzept einmal vorlegen? Welche Kriterien müssen die Personen erfüllen? Wie ist die Grundlage? Können Sie das hier einmal erklären? - Das können Sie nicht. Es gibt nämlich kein Konzept, sondern nur das Gerede hier im Plenum, dass in der Praxis etwas gemacht werde.
Herr Schneider, Sie haben gesagt – da haben Sie ganz Recht –, die Forderung nach 5000 zusätzlichen Lehrern zu stellen, sei unverantwortbar. Das Gegenteil ist aber der Fall. Was Sie machen, ist unverantwortlich, nämlich konsequent zu leugnen, dass wir mehr Lehrerinnen und Lehrer brauchen. Herr Freller, ich frage Sie ganz offen: Brauchen wir zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer, oder nicht? Diese Frage sollten Sie ganz einfach mit Ja oder Nein beantworten.
Hier müssen einmal die Versäumnisse der letzten Jahre deutlich werden. Natürlich ist es schwierig, mehr Lehrer auf einen Schlag hierher zu bringen; das ist klar und mir auch bewusst. Aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass Sie jahrelang geschlafen haben, falsche Berechnungen und Sparpolitik betrieben haben. Das wird hier wieder ganz deutlich.
Ich hoffe und wünsche noch einmal, dass Sie endlich aufhören, zu beschönigen, zu leugnen und, wie es der Philologenverband sagt, zu ignorieren. Sie sollten endlich die Tatsachen zur Kenntnis nehmen und für ausreichend Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen sorgen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich gebe inzwischen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der CSU betreffend Integration zur Förderung der Sprachkompetenz – Drucksache 15/2215 – bekannt. Mit Ja haben 95, mit Nein 45 Abgeordnete gestimmt. Es gab eine Enthaltung. Damit ist der Antrag angenommen.
Herr Präsident, Hohes Haus! Herr Pfaffmann, Sie sind ein reizvoller Politiker. Sie reizen – leider in einer Weise, die nervt. Es tut mir Leid, dass ich das hier so offen sagen muss. Aber ehrlich gesagt, wenn sich Demagogie mit Unwahrheit paart, dann ist das eine nervende Mischung, die mir jetzt zum dritten oder vierten Mal auffällt. Darauf muss ich jetzt zum dritten oder vierten Mal in der Klarheit erwidern, die nötig ist, damit nicht im Raum stehen bleibt, was Sie hier in den Raum stellen.
Zum Stichwort Mangelverwaltung. Achtmal mussten wir in Bayern leidvoll – der Finanzminister kann ein trauriges Lied davon singen – die Steuerschätzungen aufgrund der Politik einer rot-grünen Bundesregierung nach unten korrigieren. Achtmal hintereinander! Wir leben in einer Phase, in der es keine kontinuierlichen Einnahmen beim Staat gibt, weil in Berlin eine miserable Wirtschaftspolitik betrieben wird, die dieses Land herunterzieht, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie der Fall war.
Diese Ursache und Wirkung müssen endlich einmal beim Namen genannt werden. Wir alle, die wir hier sitzen, wären froh über jede Lehrerstelle, die wir zusätzlich schaffen könnten. Aber wenn der Haushalt, durch Ihre Partei verursacht, so aussieht, lieber Herr Pfaffmann, dass wir in den nächsten Jahren leider nicht die Gewähr haben, dass sich das in Berlin noch ändert, dann können wir das nicht mehr sichern, was bisher eine Selbstverständlichkeit war. Werfen Sie uns das bitte nicht vor, sondern gehen Sie nach Berlin und sagen Sie dort Ihre Meinung!