Protocol of the Session on February 16, 2005

(Beifall bei der CSU)

Was ich bisher noch nicht festgestellt habe, weder heute noch bei meinen Besuchen in der Justiz, ist ein mangelndes Selbstbewusstsein der Justiz. Ganz im Gegenteil: Ich kenne eine Justiz, die stolz auf das ist, was sie leistet, die selbstbewusst ist, weil sie viel leistet und die sich deshalb nicht in eine Ecke stellen lässt. Ich sehe auch keine Entmachtung der Justiz. Vielmehr geht es darum, die Kernaufgaben wieder herauszuarbeiten. Wenn wir zum Beispiel Aufgaben auf Notare verlagern, bedeutet das nicht, dass diese Aufgaben aus der Justiz hinauswandern. Diese Aufgaben bleiben bei der Justiz; denn die Notare stehen unter unserer Aufsicht. Deshalb sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten und Probleme.

Wir haben unseren Beitrag zur Bewährungshilfe geleistet. Das werden wir auch weiterhin tun, weil ich in der Bewährungshilfe ein ganz wichtiges Mittel sehe, das die entsprechende Unterstützung meines Hauses braucht. In toto kann ich sagen: Der vorgelegte Haushalt orientiert sich nicht am Wünschenswerten – das können wir nicht machen – aber am Machbaren. Bei aller Sparsamkeit steht dennoch die Funktionsfähigkeit der Bayerischen Justiz im

Fokus. Wir werden diese Funktionsfähigkeit auch weiterhin gewährleisten.

Insgesamt kann ich, wenn ich mir diese Haushaltsberatungen ansehe, feststellen, dass wir ein gutes Ergebnis erzielt haben. Meine Damen und Herren von der Opposition, im Prinzip sind wir uns einig, auch wenn Sie meinem Haushalt nicht zustimmen werden. Die Erhaltung und Stärkung einer schlagkräftigen und bürgernahen Justiz in Bayern ist uns allen ein Anliegen. Ich bin mir sicher, dass der heute vorgestellte Haushalt der richtige Weg dazu ist. Ich bitte Sie, diesen Weg mit uns gemeinsam in den nächsten Jahren zu gehen und bedanke mich herzlich für Ihr Vertrauen.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Entwurf des Haushaltsplans 2005/2006, Einzelplan 04, sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen auf Drucksache 15/2697 zugrunde. Der Einzelplan 04 wird vom Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen zur unveränderten Annahme empfohlen. Wer dem Einzelplan 04 seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen bitte ich, auf die gleiche Weise anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/

DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist dieser Einzelplan angenommen.

Gemäß § 126 Absatz 6 der Geschäftsordnung gelten zugleich die vom Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen zur Ablehnung vorgeschlagenen Änderungsanträge als abgelehnt. Eine Liste dieser Änderungsanträge liegt Ihnen vor.

(siehe Anlage 4)

Damit ist der Einzelplan 04 endgültig abgeschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 11 auf:

Besetzung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs: Neuwahl zweier berufsrichterlicher Mitglieder sowie Wahl des zweiten Vertreters der Präsidentin

Mit Schreiben vom 13. Januar 2005 hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass das berufsrichterliche Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, Herr Peter Gummer, zugleich zweiter Vertreter der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, mit Ablauf des 31. Dezember 2004 in den Ruhestand getreten ist. Als Nachfolger des Herrn Gummer, sowohl in seiner Eigenschaft als berufsrichterliches Mitglied als auch in seiner Funktion als zweiter Vertreter der Präsidentin, schlägt die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Herrn Michael Meisenberg, Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg zur Neuwahl vor.

Außerdem hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass mit Ablauf des Monats Februar 2005 der Vorsitzende Richter

am Oberlandesgericht München, Herr Dr. Heinrich Merl, in den Ruhestand tritt und damit zugleich als Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ausscheidet. Als dessen Nachfolger hat die Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofs Herrn Raphael Singer, Präsident des Landgerichts München II, zur Neuwahl vorgeschlagen.

Zum letzteren Wahlgang hat die SPD-Fraktion als Gegenkandidaten Herrn Peter Falk, Richter am Landgericht München I, vorgeschlagen. Die Richter-Wahl-Kommission hat heute den Vorschlägen der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs zugestimmt und beschlossen, der Vollversammlung zu empfehlen, die beiden erstgenannten Wahlvorschläge anzunehmen. Alle Vorgeschlagenen sind bereit, im Falle ihrer Wahl das Amt anzunehmen.

Wir kommen damit zu den Wahlen, die im Einvernehmen mit allen Fraktionen in einem Wahlgang durchgeführt werden. An Ihrem Platz finden Sie drei Stimmzettel in verschiedenen Farben vor, auf denen die vorgeschlagenen Kandidaten aufgeführt sind; außerdem enthält Ihre Stimmkartentasche eine gelbe Namenskarte, die für den Wahlgang zu verwenden ist.

Urnen für die Namenskarten und für die Stimmzettel befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals im Bereich der Eingangstüren sowie auf dem Stenographentisch. Ich bitte Sie, sowohl die Namenskarte als auch die Stimmzettel nicht selbst in die Urnen einzuwerfen, sondern diese den hierfür bereit stehenden Schriftführern und Mitarbeitern des Landtagsamtes auszuhändigen. Nur so kann der ordnungsgemäße Ablauf des Wahlvorgangs sichergestellt werden.

Wir beginnen nun mit dem Wahlgang. Für die Wahlen stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Geheime Wahl von 14.45 Uhr bis 14.50 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wahlgang ist beendet. Die Wahlergebnisse werden außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.

(Unruhe)

Bitte führen Sie Ihre Gespräche draußen. Wir befinden uns in einem provisorischen Plenarsaal, und dort hallt das anders. – Das gilt auch für Herrn Sprinkart, dessen Stimme ich bis hierher höre. Herr Sprinkart, bitte!

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ihre Aufmerksamkeit. Auch Herr Staatssekretär wird gebeten, sein Gespräch draußen zu führen oder hinten am Fenster, wie es schüchternere Kollegen tun. – Nein nein, das war positiv gemeint.

Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zunächst rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fremdenfeindlichkeit präventiv entgegenwirken – Rechtsextremismus verhindern (Drucksache 15/2763)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Stahl, bitte.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Am vergangenen Freitag tagte zum ersten Mal die Rechtsextremismuskommission von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Für die Mitarbeit in dieser Kommission konnten so hervorragende Köpfe wie Prof. Heitmeyer und Prof. Wolf gewonnen werden. Ziel der Kommission ist es, aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse Lösungsvorschläge für den Umgang mit Rechtsextremisten zu erarbeiten und eine zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung zu befördern.

Panik ist bei dieser Auseinandersetzung ein schlechter Ratgeber, Tatenlosigkeit jedoch ebenfalls. Weil wir Demokraten und Demokratinnen – ich meine damit alle hier im Saal Anwesenden – die Debatte nicht den Stammtischen überlassen dürfen, sind wir dazu aufgefordert, in unserer Heimat ebenfalls darüber nachzudenken, was wir tun können, damit im laufenden Kulturstreit derjenigen, die eine geschlossene Gesellschaft wollen – –

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß zwar nicht, weshalb jetzt die Unruhe so groß ist. Ich bitte doch, den Geräuschpegel zu senken. Davon profitieren auch Sie, wenn Sie nachher reden.

Wir sind aufgefordert, darüber nachzudenken, was wir tun können, damit nicht im laufenden Kulturstreit derjenigen, die eine geschlossene Gesellschaft wollen, mit uns, die wir uns eine offene Gesellschaft wünschen, rechtsextremistisches Gedankengut zum Allgemeingut erhoben wird. Diese Diskussion schulden wir Millionen von Toten, die Opfer und Folge nationalsozialistischer Diktatur sind, und wir schlichten sie im Interesse einer freien Gesellschaft und der Erziehung unserer Kinder zur Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Anhängerschaft rechtsextremistischer und rechtsradikaler Ideologien ist seit der SINUS-Studie in den Siebzigerjahren nicht gewachsen. Ich sage ausdrücklich „Ideologien“; denn es gibt keine für alle verbindliche Ideologie. Vielmehr handelt es sich um ein Konglomerat wirrer Weltsichten, so vielfältig wie die Anhängerschaft selbst. Während die Anhänger bisher nur vereinzelt aufgetreten sind, erleben wir jetzt eine neue Qualität der Zusammenarbeit.

Seit Jahren stöhnt Wunsiedel am so genannten Heß-Gedenktag über den Aufmarsch der ledernen und geistigen Springerstiefel aus ganz Europa, zuletzt mit sage und schreibe 8000 Gesinnungsgenossen, Mitläufern, Tätern, Sympathisanten und Unbedarften. Mittlerweile finden sich sehr schnell 5000 bis 8000 Gesinnungsgenossen der Rechtsextremisten in den großen Städten zusammen für die Kundgebung ihrer sehr wirren Weltsichten. Das sind Rechtsextremisten, die meistens schon mit einer sehr verfestigten Ideologie auftreten und nicht mehr erreichbar sind.

Bei dieser Gruppe von Hardlinern – ich glaube, darin sind wir uns absolut einig – muss der Staat repressiv handeln. Gewalttaten sind zu ahnden, nachweislich verfassungswidrige Vereinigungen sind zu verbieten, und natürlich ist über die Präzisierung von Gesetzen nachzudenken. Wir sind uns wohl auch alle darin einig, dass an diese Maßnahmen demokratische Maßstäbe anzulegen sind. Hierbei demokratische Errungenschaften zu beschneiden, hieße, dem Rechtsextremismus einen Punktsieg zu verschaffen; denn unser Rechtsstaat beweist seine Stärke gerade durch den Einsatz demokratischer Mittel gegen seine Feinde. Verfassungsrechtlich bedenkliche Sündenfälle hingegen machen den Rechtsstaat angreifbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Einsatz repressiver Mittel ist zwar notwendig, aber beileibe nicht ausreichend. Wir müssen an die Wurzeln des Übels. Ich sage bewusst „Wurzeln“; denn die Gründe für rechtsextremes Denken und Handeln sind so vielfältig wie die persönliche Entwicklung und die sozialen und emotionalen Umfeldbedingungen eines jeden Individuums. Gerade das ist es, was uns feststellen lässt, gerade auch wenn wir uns mit Rechtsextremisten unterhalten, dass es unglaublich schwierig ist, einen allgemein gültigen Lösungsansatz für das Problem zu finden. Auch deshalb sind die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse des Deutschen Jugendinstituts so hilfreich, mit denen wir uns bereits während unserer Klausur im Januar befasst haben, auch unter Einbeziehung eines Fachmanns vom Deutschen Jugendinstitut.

Auf dieser Grundlage haben wir den Ihnen heute vorliegenden Entschließungsantrag gefasst. Ich kann im Folgenden nur kurz auf die wichtigsten Punkte eingehen; die anderen können Sie, wenn es Sie denn interessiert, im Entschließungsantrag nachlesen. Der Antrag ist zwar sehr lang, aber das ist einer sachlichen, differenzierten Debatte geschuldet. Eine zentrale Erkenntnis in diesen Studien ist es, dass eine Reihe von Kindern bereits in einem sehr frühen Stadium ihres Lebens von Angst begleitet ist. Sie haben Angst vor Unbekanntem und Unbekannten. Das bedeutet nicht Angst vor Fremden oder Ausländern, sondern das ist ganz einfach Angst vor Unbekanntem und Unbekannten; das kann alles Mögliche sein. Wird diesen Kindern die Angst nicht genommen, sondern wird sie verstärkt, entwickeln diese Kinder bis in ihre Jugendzeit hinein eine tiefe Abneigung gegen alles Unbekannte, die sich sukzessive bis zur Fremdenfeindlichkeit verfestigen kann – nicht muss, aber kann.

Geraten diese gefährdeten Jugendlichen in rechtsextremistische Kreise, die leider mittlerweile in vielen Jugendeinrichtungen zu finden sind, beginnt ab einem Alter von circa 12 oder 14 Jahren die Ideologisierung. Das geschieht nicht schon vorher; diese Jugendlichen kommen nicht als Rechtsextremisten auf die Welt. Wenn sie erst einmal in diesen Gruppen drin sind, ist ein Gegensteuern kaum mehr möglich, weil die Ansichten der Peer-Groups, wie der entwicklungspädagogische Begriff lautet, mehr wiegen als die von Eltern und Lehrerinnen und Lehrern. Häufig sind die Eltern und Lehrer auch einfach damit überfordert, wenn sie mit diesem Phänomen umgehen müssen.

Nach den Erkenntnissen des Deutschen Jugendinstituts kann man durchaus sagen, dass beinahe alle Rechtsextremisten fremdenfeindlich sind. Allerdings warnen wir auch vor einem einfachen Umkehrschluss und davor, zu sagen, dass alle Fremdenfeindlichen auch rechtsextremistisch sind. Damit würden wir es uns zu leicht machen.

Wir haben es zuallererst mit einem emotionalen Problem zu tun, welches ungelöst bleibt, je nachdem, wie sich die sozialen Bedingungen des Umfelds gestalten. Ich denke zum Beispiel an schwierige Familienverhältnisse, an Geldprobleme oder an falsche Lernbedingungen. Die bisherigen Extremismustheorien sind deswegen zwar nicht grundlegend falsch, aber sie haben bisher die persönliche Konstellation für das Individuum außer Acht gelassen. Emotionale und soziale Bedingungen müssen in einem engen Zusammenhang gesehen werden. Deshalb reichen kognitive Ansätze, zum Beispiel die Diskussion über den Nationalsozialismus in der Geschichtsstunde, als Lösung alleine überhaupt nicht aus.

Wollen wir neue Lösungen, weil wir mit den vorhandenen Ansätzen zu wenig erreichen, müssen wir dringend etwas für die emotionale Betreuung und Bildung von Kindern tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das aber setzt voraus, dass Defizite überhaupt erst einmal erkannt werden, denn nicht jedes gefährdete Kind ist auffällig. Bevor den Ursachen für die Defizite nachgegangen wird, muss man sie eben erst einmal analysieren. Erst nach dieser Analyse kann für das jeweilige Kind auch eine individuelle Lösung gefunden werden.

Unabhängig von den individuellen Lösungen darf die Erziehung zur Demokratie nicht erst im Sozialkundeunterricht stattfinden, sondern sie muss schon sehr frühzeitig bei allen Kindern spielerisch eingeübt und später in der Schule fortgeführt werden. Kinder und Jugendliche müssen positive Erfahrungen sammeln können, damit ihre soziale und kulturelle Kompetenz gefördert werden kann. Für ausgesprochen wichtig – das kennen Sie vielleicht auch von Ihren eigenen Kindern – halten wir die EmpathieEntwicklung; das heißt, die Kinder müssen lernen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Wer sich einmal näher mit dem Innenleben von Rechtsextremisten auseinander gesetzt hat – es gibt sehr aufschlussreiche Interviews darüber, ich weiß nicht, ob Sie sie kennen –, wird entsetzt sein über die Seelenlosigkeit und die Unfähigkeit