Protocol of the Session on February 16, 2005

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)

Der vierte Punkt ist die Qualitätssicherung und -entwicklung. Eine zentrale Erkenntnis aus Pisa ist, dass gerade diejenigen Länder gut abgeschnitten haben, die eine gute Balance gefunden haben zwischen größtmöglicher Freiheit und Selbstständigkeit für die einzelne Schule einerseits sowie andererseits regelmäßiger Rechenschaftslegung über Bildungs- und Erziehungsarbeit jeder Schule anhand vorgegebener Standards.

Es ist schlicht und einfach nicht gut, wenn man, sobald man über externe Evaluationsteams spricht, von Kontrollgruppen oder ähnlichen Dingen spricht. Ich halte es für außerordentlich sinnvoll, externe Evaluation zu etablieren, weil nun einmal überprüft werden muss, was tatsächlich an Wissen und Unterrichtsqualität sowie Schulqualität insgesamt innerhalb einer Schule entsteht. Dazu braucht es externe Evaluation.

Es wird also nicht genauestens das geregelt, was die Schülerinnen und Schüler lernen sollen, sondern vielmehr das, was sie am Ende eines Lernabschnittes auch tatsächlich können müssen. Die Wege zu diesem „Können“ können und sollen unterschiedlich sein. Bayern hat im Grundsatz schon immer einen mehrstufigen Ansatz zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung verfolgt. Ich denke nur an die landesweit verbindlichen Lehrpläne und die zentral gestellten Abschlussprüfungen an den weiterführenden Schularten, die andere deutsche Länder unter anderem als Folge von Pisa jetzt allmählich erst einführen. Über diesen Beschluss der Kultusministerkonferenz habe ich mich sehr gefreut, da er ein stärkeres Bekenntnis zu zentralen Prüfungen landesweiter Art beinhaltete und zum ersten Mal die Unterstützung von Rot-grün fand.

Ich denke auch an die nach der Tims-Studie eingeführten Jahrgangsstufentests in Mathematik, Deutsch und Englisch sowie die Orientierungsarbeiten in der Grundschule. Alle drei Punkte, die ich gerade aufgezählt habe, die zentralen Abschlussprüfungen, die Jahrgangsstufentests und auch die Orientierungsarbeiten bis hin zu Kämpfen in Bezug auf die verbindlichen Lehrpläne haben wir vielfach gegen Ihren Widerstand durchsetzen müssen und haben uns dafür heftig kritisieren lassen müssen. Mittlerweile sind wir ziemlich modern bzw. mittlerweile ist das, was wir

leisten, bundesweit akzeptiert und international völlig normal. Die Maßnahmen haben sich bestens bewährt. Manche SPD-regierte Länder kontaktieren uns sogar ohne jegliche Probleme und arbeiten mit uns gerade im Bereich der Orientierungsarbeiten und der Jahrgangsstufentests zusammen.

Zur Verbesserung der externen und internen Evaluation haben wir zudem eine Qualitätsagentur gegründet. Unsere Schulen sollen ihre eigenen Leistungen besser bewerten und genauer erkennen können, wo ihre Stärken und wo ihre Schwächen liegen. Das ist ein wichtiger Schritt zur konsequenten und systematischen Qualitätssicherung und Entwicklung, wie sie im Kontext der aktuellen Diskussion um Pisa und der Erstellung von länderübergreifend gültigen Bildungsstandards gefordert werden. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend. Wir wollen auf diesem Weg weiter voranschreiten.

Ein besonderes Kennzeichen der Qualitätssicherung in der bayerischen Bildungspolitik – das ist der fünfte Punkt – ist die innere Schulentwicklung. Hier zeigt gerade der Schulversuch Modus 21 in Zusammenarbeit und Koordination mit der „Stiftung Bildungspakt Bayern“ neue Wege auf, wie mehr Selbstständigkeit und größere Eigenverantwortung der einzelnen Schule erfolgreich gestaltet werden können. Es geht nicht nur darum, einfach nur Freiheit zu geben, sondern es geht auch darum, die Qualität im Zusammenhang mit dieser Freiheit zu verbessern. Das ist das Wesentliche am Versuch Modus 21.

(Beifall bei der CSU)

44 Versuchsschulen sollen herausfinden, wie viel Freiheit eine Schule braucht, um die Qualität von Unterricht und Erziehung zu sichern, und wie viele zentrale Vorgaben und externe Evaluation nötig sind, um landesweit gleichwertige Standards zu gewährleisten.

Die Modus-Schulen haben in nur zweieinhalb Jahren ihre fachliche und pädagogische Leistung signifikant verbessert. So sind zum Beispiel fast alle Modus-Gymnasien im ersten Drittel der bayerischen Jahrgangsstufentests zu finden.

Deshalb wurden bereits zum Schuljahr 2003/2004 die ersten Ergebnisse allen bayerischen Schulen zur Nachahmung zugänglich gemacht. Ab dem nächsten Schuljahr liegt der Fokus von Modus auf der Übertragung der erzielten Erkenntnisse auf alle Schulen.

All diese Maßnahmen dienen dem Erfolg und der Nachhaltigkeit des Unterrichts und sind damit im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme nun zu den Themen, die nicht oft in der öffentlichen Diskussion stehen, nämlich zum Beispiel zum Thema Jugendarbeit. Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Bildung unserer Kinder und Jugendlichen leisten die Jugendarbeit und die Jugendhilfe.

(Beifall bei der CSU)

Sie gleichen soziale Defizite bei Kindern und Jugendlichen aus, stoßen Bildungsprozesse außerhalb der Schule an und fördern die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Jugendarbeit und Jugendhilfe besitzen in Bayern nach wie vor einen hohen Stellenwert. So manches Mal wird die Jugendarbeit in ihrer Wirksamkeit dennoch unterschätzt, aber Projekte wie die sinnvolle Freizeitgestaltung unter der eigenverantwortlichen Leitung von Jugendlichen oder die vielfältigen Aktivitäten in sozialen, künstlerischen, sportlichen, kulturellen oder umweltbezogenen Bereichen leisten einen wichtigen Beitrag zum Hineinwachsen in unsere Gesellschaft.

In der Arbeitswelt der Zukunft wird der Bereitschaft zu lebensbegleitendem Lernen eine besondere Bedeutung zukommen. Der Schwerpunkt der Reform der Erwachsenenbildung wird nicht auf einer Vermehrung der staatlichen Leistungen liegen können, sondern die Qualität der Erwachsenenbildung ins Zentrum stellen. In diesem Zusammenhang werden wir vor dem Hintergrund der Gesetzesberatungen einige intensive Diskussionen führen müssen, um die Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung in diese Richtung zu gewährleisten.

Durch die dramatischen Steuerausfälle stehen uns in allen Bereichen der freiwilligen Leistungen lange nicht mehr so viele finanzielle Mittel zur Verfügung. Die Haushaltssperre muss sogar aufgrund der Novembersteuerschätzung und der hohen Steuerausfälle im Januar auf 20 % erhöht werden. Dass Sie sich, meine Damen und Herren der Opposition, mit immer neuen finanziellen Forderungen zu profilieren versuchen, steht in krassem Gegensatz zu dem finanzpolitischen Scherbenhaufen, den Ihre Berliner Genossen fortgesetzt zulasten des bayerischen Staatshaushalts anrichten.

(Beifall bei der CSU)

Ich finde es immer nett, wenn wir dafür kritisiert werden, dass wir einsparen müssen, nachdem der Finanzminister, 500 Millionen Euro Minus, die von Ihrer Bundesregierung verursacht wurden, in der Kasse feststellen musste. Ich meine, Sie praktizieren hier ein Sankt-Florians-Prinzip, das bemerkenswert ist.

(Beifall bei der CSU)

Vor diesem Hintergrund sind wir leider gezwungen, uns auch in der Sportförderung auf das Notwendige und Mögliche zu konzentrieren. Da dringend höhere Mittel für den Vereinssportstättenbau benötigt werden, können andererseits Kürzungen bei der Übungsleiterbezuschussung nicht ausbleiben.

Für die Zukunft planen wir, die derzeitige Sportförderung der Vereine auf dem Sektor der Übungsleiterbezuschussung und der Sportgroßgeräteförderung auf eine pauschalierte Vereinsförderung umzustellen. Wie das Modell der Zukunft aussehen wird, das noch stärker auf Qualität und Jugendförderung ausgerichtet sein soll, wird gemeinsam mit den betroffenen Verbänden auch hier im Bayerischen Landtag ausgearbeitet werden. Erste Gespräche dazu haben bereits stattgefunden.

Die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit kann im Jahr 2005 auf ihr 50-jähriges Bestehen zurückblicken. Das Wiedererstarken der rechtsextremistischen Parteien und die Ereignisse im Sächsischen Landtag zeigen, dass die politische Bildung eine unverzichtbare Daueraufgabe ist.

Diese Tatsache wird in diesem Jahr umso mehr im Mittelpunkt stehen, als wir 2005 den 60. Jahrestag des Kriegsendes in Europa begehen. Dieses Jubiläum gibt vielfachen Anlass, über die dunklen Seiten der menschlichen Existenz, über politischen Extremismus, Verblendung und Verführbarkeit nachzudenken. Auch in Zukunft muss die deutsche Vergangenheit mehr sein als nur unsere „Geschichte“; sie muss ein zentraler Bestandteil jeder politischen Bildung bleiben. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern Orientierungswissen vermitteln, damit sie eine sichere Urteilskraft ausprägen können.

Die Bayerische Staatsregierung sieht zugleich in den Feiern zur Befreiung der beiden Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg Jubiläumsakte von herausragender staatspolitischer Bedeutung. Wir empfinden es als Ehre, bei diesen Anlässen zahlreiche überlebende Opfer als unsere Gäste willkommen heißen zu dürfen. Wir sind gerade den ehemaligen Häftlingen dankbar, dass sie die Planungen für einen gemeinsamen Staatsakt am 27. April 2005 so nachdrücklich unterstützen und einen unglaublich wertvollen Beitrag zur Versöhnung leisten.

Der Staatsakt wird die Perspektive der historisch-politischen Bildungsarbeit klar herausstellen: Die höchsten Repräsentanten des Freistaates werden gemeinsam mit Vertretern der Überlebenden sowie jungen Menschen aus Bayern zum Ausdruck bringen, dass die Lehren aus der Vergangenheit für uns unmittelbare Verpflichtung sind. Zugleich wird durch diese sowie durch weitere Gedenkveranstaltungen deutlich, dass die Reform der Gedenkstättenarbeit in Bayern unter dem Dach einer Stiftung eine tragfähige Struktur darstellt, die mit den staatlichen Verantwortungsträgern hervorragend kooperiert.

Das Verhältnis zu den Kirchen und zu anderen Religionsgemeinschaften ist gut. Zwar können die Einsparbemühungen der Staatsregierung auch die Ausgaben des Staates im Kultusbereich nicht unberücksichtigt lassen, jedoch haben sich die Kirchen trotz eigener angespannter finanzieller Lage bereit erklärt, einen Konsolidierungsbeitrag zum Staatshaushalt zu leisten. In konstruktiven Verhandlungen wurde die Höhe der staatlichen Zuschüsse zur Besoldung der Seelsorgegeistlichen, die in einer 1979/ 1980 geänderten Vereinbarung geregelt ist, auf 90 % der Höhe des Jahres 2003 für die nächsten Jahre eingefroren.

(Zurufe von der SPD: Langsam! – Christine Stahl (GRÜNE): Geben Sie die Rede doch zu Protokoll! – Hans Joachim Werner (SPD): Hier ist schon besser geleiert worden!)

Die staatlichen Leistungen an die Israelitischen Kultusgemeinden werden nach dem im Jahr 2003 geänderten Vertrag mit dem Landesverband im vorliegenden Doppelhaushalt noch einmal erhöht. Der Freistaat Bayern trägt

damit in erheblichem Maße zum Aufbau der Gemeinden und zur Integration der jüdischen Neubürger bei, die aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zugezogen sind. Demselben Zweck dient die Förderung des Baus von Synagogen und jüdischen Gemeindezentren.

Der Doppelhaushalt 2005/2006 ist ein deutliches Zeichen, dass die Bayerische Staatsregierung ihre Verantwortung für die kommenden Generationen ernst nimmt, weil er das Ziel einer optimalen Förderung der Bildungschancen unserer Kinder und Jugendlichen verbindet mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen.

Ich danke den Berichterstattern, Herrn Prof. Dr. Waschler und Herrn Wolfrum, sowie allen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss sowie meinen Kolleginnen und Kollegen im Bildungsausschuss, Herrn Kollegen Schneider, Frau Kollegin Schieder und Frau Kollegin Tolle, für die konstruktive Beratung des Einzelplanes 05.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Teilweise konstruktiv!)

Teilweise konstruktiv, in Ordnung. Ich habe gerade vernommen, dass Herr Maget so wie ich im Schnee stecken geblieben ist.

(Zuruf des Abgeordneten Franz Maget (SPD))

Sie sind nicht im Schnee stecken geblieben. Gut, alles klar. Nicht, dass ich Ihnen eine falsche Anschuldigung zukommen lasse. Das wollte ich nicht.

Der CSU-Fraktion danke ich für Ihre kontinuierliche Unterstützung der bayerischen Bildungspolitik. Ich bitte den Landtag um Zustimmung zum Haushalt des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus.

(Lang anhaltender Beifall bei der CSU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Ältestenrat wurde für die Aussprache eine Redezeit von zwei Stunden festgelegt. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 61 Minuten, auf die SPD-Fraktion 34 Minuten und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 25 Minuten.

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin für die SPDFraktion ist Frau Kollegin Schieder. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bildungspolitik ist das Herzstück der Landespolitik. Es gibt hier wie kaum in einem anderen Bereich der Politik eine nahezu ausschließliche Landeszuständigkeit. Das Kultusministerium ist das größte Ministerium, und in der Tat werden in der Bildungspolitik ganz entscheidende, wenn nicht die entscheidenden Weichen für die Zukunft unseres Landes gestellt.

Dabei steht fest, so meine ich, dass die Frage, ob es uns gelingen wird, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit Bildungspolitik zukunftsfähig sein kann, nicht nur sehr entscheidend für den Erfolg unserer Kinder und

jungen Menschen ist, sondern auch ganz entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft insgesamt und in wirtschaftlicher Hinsicht auch für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ist. Wer all das weiß, darf erwarten, dass die erforderlichen finanziellen Voraussetzungen geschaffen und die nötigen Grundlagen zur Verfügung gestellt werden. Dem aber – so zeigt die nähere Betrachtung – ist mit dem Einzelplan 05 bei weitem nicht so.

Entgegen allen Wahlversprechen und Sonntagsreden herrschen auch hier die Sparwut und der Sparwahn, entscheidet der Rotstift, was gemacht werden kann, und nicht der echte Bedarf und die pädagogischen Notwendigkeiten. Ich kann mich an vielen Stellen des Eindrucks nicht erwehren, dass gespart wird ohne Sinn und Verstand und ohne darüber nachgedacht zu haben, ob die vordergründigen und schnell zu erzielenden Einsparungen nicht später umso größere Kosten verursachen könnten. Dazu hätte ich heute von der Ministerin gerne etwas gehört. Aber es war wie immer ein Draufdreschen auf die anderen Bundesländer, auf die Bundesregierung. Es waren Totschlagargumente, um die Arbeit anderer schlecht reden zu können und wenig zur eigenen Arbeit sagen zu müssen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vermutlich gibt es dazu nicht so viel zu sagen.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Frau Ministerin, Sie sollten zuhören!)

Im Einzelplan 05 werden Kürzungen von 15 % der Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung festgeschrieben. „Wir werden auf keinen Fall kürzen“, so hat man den Betroffenen versprochen. Jetzt werden stattdessen Haushaltssperren angeordnet, die denselben und weiteren Schaden anrichten werden; denn für die Betroffenen vor Ort bleibt sich das gleich. Das Geld wird nicht ausgezahlt und kommt vor Ort nicht an.

Auch beim Sport wütet der Sparwahn. Die Übungsleiterpauschalen werden radikal zusammengestrichen – Ehrenamt hin, Ehrenamt her. Von der Förderung des Breitensports kann wirklich nicht mehr die Rede sein.

Lernmittelfreiheit und Schulwegkostenfreiheit stehen – je nach Kassenlage – zur Disposition. Zwar wird im Moment noch beteuert, dass an die Einschränkung der Schulwegkostenfreiheit keinesfalls gedacht werde. Aus der Erfahrung im Zusammenhang mit den Debatten um die Lernmittelfreiheit weiß ich, dass diese Beteuerungen keinen Pfifferling wert sind. Mindestens ein Jahr lang wurde uns immer wieder versichert, dass an die Beseitigung der Lernmittelfreiheit niemals gedacht sei. Plötzlich wurde sie in Wildbad Kreuth beschlossen, dann wieder zurückgenommen. Aber dafür wurde das Büchergeld eingeführt. Das ist eine ganz massive Einschränkung der Lernmittelfreiheit.