Protocol of the Session on December 1, 2004

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Lügen ist schon recht, aber – –! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ihr steht so oft im Wald!)

Meine Damen und Herren, bekanntlich sieht ja mancher den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Die Opposition in diesem Haus hat ganz offensichtlich auch außerhalb des Waldes keinen Blick mehr für die Realitäten in diesem Land.

Sie haben vorhin, Herr Kollege Maget, auch die Reformentwicklung in Bayern insgesamt im Laufe der letzten zwölf Monate angesprochen. Ich habe mit Interesse heute einen Kommentar von Peter Abspacher in den „Nürnberger Nachrichten“ gelesen, wo er unter anderem schreibt – er ist ja ansonsten nicht verdächtig, dass er besonders CSU-willfährige Kommentare schreiben würde –:

Bemerkenswert ist: Die häufig beschworene Grundstimmung, es der arroganten ZweidrittelCSU nach einem turbulenten Reformjahr mittels Volksbegehren einmal richtig zeigen zu wollen, sie ist – vorsichtig ausgedrückt – nicht gerade weit verbreitet.

Ich kann nur sagen, in der Tat, das ist doch das Ergebnis dieses Volksbegehrens. Sie haben deutlich versucht, über die Diskussion der Bäume im Wald hinaus Stimmung zu machen und Leute zu mobilisieren, dass jeder, der mit irgendetwas in Bayern unzufrieden ist, hingehen soll und einfach aus Protest gegenüber der CSU seine Unterschrift leisten soll.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das haben wir nicht gemacht!)

Dieses Konzept ist gescheitert.

(Beifall bei der CSU)

Warum ist die Stimmung in Bayern ganz anders, als Sie es oft wahrhaben wollen? – Weil die Menschen vor allen Dingen natürlich spüren, dass sie mit den Konzepten, die ihnen von der rot-grünen Bundesregierung in Berlin geliefert werden, überhaupt nicht weiterkommen. Schröder und seine rot-grüne Bundesregierung sind jetzt genau sechs Jahre im Amt. Wie sieht denn die Bilanz aus?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist die Halbzeitbilanz!)

Es ist auch für die Menschen in Bayern eine schmerzliche und bittere Bilanz. Ich will nur drei Beispiele nennen:

Erstens. 1998 galten in Deutschland nach Veröffentlichung der Bundesregierung 12,1 % der Menschen als arm. Jetzt sind es 13,5 % der Menschen. Rot-Grün macht die Menschen in Deutschland ärmer, das ist die Bilanz dieser Regierung.

(Beifall bei der CSU)

Natürlich stellen verdienstvolle Einrichtungen wie die Diakonie oder das Rote Kreuz diese Entwicklung mit Sorge fest. Aber es kann zwangsläufig nicht funktionieren, dass man, nachdem die Menschen durch die falsche Politik von der rot-grünen Regierung in Berlin ärmer gemacht

wurden, sagt, fangt das bitte mit mehr Sozialpolitik in Bayern wieder auf.

(Beifall bei der CSU)

Zweites Beispiel: 1999 galten in Deutschland 2,7 Millionen Haushalte als überschuldet; jetzt sind es über 3,1 Millionen der Haushalte. Rot-Grün treibt in Deutschland die Menschen in den Ruin. Sie rufen hier in Bayern nach mehr Insolvenzberatung – das ist doch heuchlerisch.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ihre Politik in Berlin treibt die Menschen in den Konkurs, und dann sollen wir für eine bessere Beratung dieser verschuldeten Menschen sorgen. Dieses Gerede ist doch scheinheilig.

(Beifall bei der CSU)

Der dritte und sicherlich wichtigste Punkt: 1998 gab es in Deutschland 27,2 Millionen Erwerbstätige. Heute sind es nur noch 26,5 Millionen Erwerbstätige. Das bedeutet in Deutschland in den vergangenen sechs Jahren einen Verlust von 700 000 Stellen. Rot-Grün macht die Menschen eben auch arbeitslos. Und das ist das Schlimmste, was in den vergangenen Jahren hier in Deutschland stattfand.

(Beifall bei der CSU)

Kein Wunder, dass aktuell sogar der von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenrat davon spricht, dass wir in Deutschland eigentlich fast 6 Millionen Arbeitslose haben. Fast überall in Europa gibt es mehr Wirtschaftswachstum als in Deutschland. Es ist übrigens egal, ob die Regierungsmehrheiten mehr links, mehr in der Mitte oder mehr rechts sind. Überall wird eine bessere Finanzpolitik gemacht als in Deutschland. Deutschland hat in der Europäischen Union die unfähigste aller Regierungen, und darunter leiden auch wir in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Doch wenn ich die Diskussionen in manchen Teilen auch der bayerischen SPD und der bayerischen GRÜNEN verfolge, frage ich mich manchmal, ob sie überhaupt Wirtschaftswachstum wollen.

Welche neuen Ideen gibt es denn überhaupt, um in Deutschland etwas voranzubringen? Die wichtigsten Ideen der SPD in diesem Jahr waren die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe und eines Mindestlohns. Man muss in Deutschland schon dafür dankbar sein, wenn die einzigen Ideen, die es in diesem Jahr gab, möglichst schnell wieder begraben werden, weil das immer noch besser ist, als ausgerechnet diese in Gang zu setzen. Das ist doch die Bilanz der Wirtschafts- und Finanzpolitik in diesem Jahr.

(Beifall bei der CSU)

Ich meine dies ganz ernsthaft; denn die heute an der Spitze der SPD und der GRÜNEN stehenden Leute sind mit Diskussionen über die Grenzen des Wachstums groß geworden. Das spürt man heute in vielen Diskussionen, ob mit Herrn Trittin, Frau Künast, Frau Wieczorek-Zeul oder vielen anderen. Wer die vielen Diskussionen hört und erlebt, fragt sich, ob sie überhaupt Wachstum wollen. Herr Trittin verfolgt doch eine Politik nach dem Motto: Jeder aus Deutschland vertriebene Industriebetrieb ist für die Umwelt in Deutschland ein Gewinn. Das ist die Maxime der Umweltpolitik dieser Bundesregierung. Darunter leiden natürlich auch Betriebe in Bayern. Das ist die Realität. SPD und GRÜNE stellen zum Haushalt und zur Bildung, wie Sie, Herr Maget, ausgeführt haben, zwar viele wohlfeile Forderungen. Aber woher das Geld kommen soll, sagen sie nicht.

Wir brauchen Wirtschaftswachstum; denn nur daraus resultieren Steuereinnahmen, mit denen wir Bildung und soziale Sicherung bezahlen können. Nur: Wenn es darum geht, in Bayern Innovationen und Wachstum zu fördern, verweigern sich SPD und GRÜNE. Der größte Job- und Wirtschaftsmotor in der Region ist heute der Flughafen München, der über Jahre hinweg gegen erbitterten Widerstand durchgesetzt werden musste.

(Franz Maget (SPD): Von Wiesheu! Wiesheu hat die Demonstrationen angeführt!)

Sie haben gerade die Lobesworte von General Electric angesprochen. Warum hat sich denn dieses Unternehmen in Garching angesiedelt? – Weil dort das Umfeld stimmt und es dort den neuen Forschungsreaktor Garching gibt. Gegen welchen Widerstand musste denn in den letzten zehn Jahren der Forschungsreaktor durchgesetzt werden?

(Beifall bei der CSU)

Was die Diskussionen über das Thema „Transrapid“ in Deutschland betrifft, denken die Kollegen der SPD und der GRÜNEN vor allem an wunderschöne Reisen nach China; denn bitte überall investieren – bloß nicht in Deutschland. Das ist die Richtlinie, die bei der SPD bei solchen Innovationen vorherrscht.

(Beifall bei der CSU)

Nur weil wir in der CSU immer wieder den Mut zu wirklich innovativen Entscheidungen haben, steht Bayern gemeinsam mit Baden-Württemberg an der Spitze der deutschen Länder. Gemeinsam sind wir der starke Süden Deutschlands. Ohne die kraftvolle und stabile Entwicklung BadenWürttembergs und Bayerns stünde Deutschland insgesamt noch viel schlechter da. Aus unserer Wirtschaftskraft – ich will das noch einmal unterstreichen – fließt auch Solidarität in andere Länder, die schlechter dastehen. Zwei Milliarden Euro werden wir im nächsten Jahr in den Länderfinanzausgleich zahlen. Das ist durchaus gerecht. Auch wir haben über viele Jahre hinweg aus dem Länderfinanzausgleich Zahlungen erhalten, als es uns in Bayern in den Fünfziger- und Sechzigerjahren schlechter ging. Es ist richtig, jetzt, da wir stark dastehen, denen zu helfen, die schlechter dastehen.

Doch die politischen Rezepte übernehmen wir auf jeden Fall nicht von all denen, die heute viel schlechter dastehen, als sie in der Relation vor 20 Jahren dagestanden sind. Offensichtlich sind wir auf dem richtigen Weg nach vorne und in die Zukunft. Offensichtlich haben sich die anderen in den letzten 20 Jahren für die falschen Rezepte entschieden.

(Beifall bei der CSU)

Das Entscheidende ist doch – deshalb spreche ich dies an –, dass wir trotz dieser Zahlungen von zwei Milliarden Euro an andere Länder 2006 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Dies geht sozusagen nicht auf Kosten der Solidarität mit anderen. Bundesfinanzminister Eichel hat 1999 angekündigt: Ab 2006 wird der Bund keine Schulden mehr machen. Das war die erste große, programmatische Aussage nach seinem Amtsantritt, nachdem sich Lafontaine in die Büsche geschlagen hatte und Eichel im Frühsommer 1999 ins Amt berufen worden war. Die erste programmatische Aussage war, ab dem Jahr 2006 mache der Bund keine neuen Schulden mehr. Ich respektiere durchaus, dass Herr Eichel das damals wahrscheinlich tatsächlich so gemeint und für richtig gehalten hat. Auch er hat sich damals wörtlich so geäußert, dass diese Schuldenmacherei gegenüber der nächsten Generation verantwortungslos sei.

Der Bund hat sich dann tatsächlich etwa ein bis zwei Jahre – 2000 bis 2001 – auch in diese Richtung bewegt und seine Schulden reduziert. Aber dann nahte die nächste Bundestagswahl. Dann musste man wieder Geld hinauspumpen, um die Gewerkschaften und andere zufrieden zu stellen.

Seit 2002 jedenfalls entfernt sich der Bund von Jahr zu Jahr immer weiter von seinem selbst gesteckten Ziel, und in diesem Jahr haben wir leider die Rekordverschuldung, die höchste Verschuldung, die der Bund jemals in der Geschichte gemacht hat. Das ist die Realität.

Wir haben auch 1999 gesagt: Wir wollen ab 2006 keine neuen Schulden mehr machen. Aber wir halten Wort, und deshalb gilt das sehr wohl, was der Ministerpräsident zu Beginn seiner Rede gesagt hat.

(Beifall bei der CSU)

Heute vor 58 Jahren, am 1. Dezember 1946, hat das bayerische Volk die Bayerische Verfassung beschlossen. Damals schon stand in Artikel 82 der Bayerischen Verfassung: „Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf beschafft werden.“

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Den haben Sie nie nachgewiesen!)

Das ist damals auch sehr eng gedacht gewesen. Wir müssen alle ganz offen einräumen, dass wir es uns über die Jahrzehnte immer mehr angewöhnt haben, mit diesen Verfassungsvorschriften sehr großzügig umzugehen. Wir haben in dieser Richtung immer noch die restriktivste Politik in Deutschland betrieben, über Jahrzehnte hinweg ist unter den Ministerpräsidenten Hanns Seidel, Alfons Gop

pel, Franz Josef Strauß und Max Streibl immer die solideste Finanzpolitik aller Bundesländer betrieben worden. Davon profitieren wir heute in der Tat, sonst könnten wir das Ziel der Neuverschuldung null nicht erreichen. Wir zahlen in diesem Jahr immerhin auch noch 1 Milliarde Euro Zinsen für die vorhandenen Schulden. Aber NordrheinWestfalen – das einen etwas größeren Haushalt hat, aber so viel größer ist er auch nicht – zahlt in diesem Jahr 5 Milliarden Euro an Zinsen für die vorhandenen Schulden. Daran werden die Dimensionen deutlich, und daran wird nach meiner festen Überzeugung auch deutlich: Wer in dieser Situation darauf setzt, dass man mehr Wirtschaftswachstum durch mehr öffentliche Investitionen auf Pump erreichen könne, der begibt sich in eine Sackgasse. Alle Länder, die das in den letzten 20 Jahren getan haben, sind inzwischen bei einer Investitionsquote angekommen, die deutlich niedriger ist als die bayerische.

Ich räume offen ein, Herr Kollege Maget, dass wir mit unserer Investitionsquote im Moment auch nicht ganz zufrieden sind. Das ist eine Frage der finanziellen Solidität, weil wir nicht zusätzliche Schulden machen wollen. Aber es ist unser festes Bestreben, in den nächsten Jahren die Investitionsquote wieder nach oben zu bringen. Aber eine künstlich hoch gehaltene Investitionsquote auf Pump ist mit Sicherheit falsch. Das zeigen die Beispiele der anderen Länder.

Sie haben in der Vergangenheit auf Pump investiert und werden jetzt von den Zinsbelastungen aufgefressen. Das ist die Realität in den anderen Ländern. Deshalb müssen wir in Bayern zuerst einsparen, Ausgaben reduzieren, und dann haben wir wieder neuen Spielraum für Investitionen. Wir haben in diesem Haushalt schon beachtliche Investitionen, Ministerpräsident Stoiber hat das 300-MillionenProgramm angesprochen. Aber es ist für die Entwicklung der nächsten zehn Jahre wichtig, dass wir in den letzten Wochen die Weichen dafür gestellt haben, dass wir in den nächsten Jahren etwa 11 000 Stellen im öffentlichen Dienst in Bayern abbauen können. Das bedeutet 550 Millionen Euro Personalkosten pro Jahr in etwa zehn Jahren. Daraus können wir dann neuen Spielraum für Investitionen gewinnen. Das ist seriös finanziert, ergibt weniger Personalkosten und daraus neuen Spielraum für Investitionen. Das ist seriöse Haushaltsführung und nicht diese chaotische Haushaltspolitik, wie sie in Berlin zu beobachten ist.

Meine Damen und Herren, dass es in Bayern bessere Zukunftschancen gibt als anderswo, hat sich unter den Menschen in ganz Deutschland längst herumgesprochen. Bayern hat heute 1,3 Millionen Einwohner mehr als vor 15 Jahren, nicht aufgrund einer höheren Geburtenrate, sondern weil Menschen insbesondere aus anderen Bundesländern hierher gekommen sind. Warum? – Weil sie hier bessere Chancen für sich sehen und weil sie es einfach schön finden, in Bayern zu leben. Diese Menschen haben offensichtlich ein anderes Bild von Bayern als das von Ihnen gemalte, Herr Maget, und das sollte Ihnen zu denken geben. Denken Sie einmal darüber nach, warum all diese Menschen nach Bayern kommen. Sie haben hier offensichtlich bessere Zukunftshoffnungen für sich als in den anderen, vor allen Dingen in den von Ihrer Partei regierten Bundesländern.

Das Interessanteste – wenn ich das aus der Sicht unserer Partei noch anfügen darf – ist für mich, dass diese Leute, die nach den Wahlstatistiken vorher in Niedersachsen, Brandenburg oder wo auch immer die verschiedensten Parteien gewählt haben, kaum dass sie nach Bayern gezogen und hier sesshaft geworden sind, einen Arbeitsplatz gefunden haben, sich erfolgreich integriert haben, alsbald von der Qualität unserer politischen Arbeit überzeugt sind und mehrheitlich CSU wählen, auch diejenigen, die zu uns gekommen sind.

(Beifall bei der CSU)