Protocol of the Session on November 30, 2004

(Werner Schieder (SPD): Recht haben sie!)

um auf diese Weise ihr gemeinsames bisheriges Versagen zu kaschieren. Sie halten diesen Stabilitätspakt nicht nur bisher nicht ein,

(Werner Schieder (SPD): Gott sei Dank!)

sondern bereits zum vierten Mal steht uns bevor, dass der Stabilitätspakt, der doch immerhin Gesetz ist, ein weiteres Mal nicht eingehalten wird. Frankreich hat ihn bisher sowieso nie besonders ernst genommen und Italien will nun das Gleiche tun.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Lauter Freunde von euch!)

Das heißt, durch die wiederholte Nichteinhaltung eines Gesetzes wird eine Regelung, die die Grundlage für die Einführung des Euro war, heute missachtet. Wir haben damals alle den Bürgern gesagt, dass der Euro genauso stabil sein wird wie die D-Mark. Die Grundlage dieser Aussage war dabei allerdings auch der Stabilitätspakt.

(Werner Schieder (SPD): Der Euro wird doch immer stärker!)

Heute hakt man sich unter und hält diesen Pakt nicht ein und man will diesen Pakt auf dreiste Weise uminterpretieren, indem man beispielsweise irgendwelche Sonderausnahmen von Land zu Land für sich reklamiert, eigene Ausreden erfindet. Eine Regel, die für alle gemacht wurde, wird so durch Interpretation zum Spielball einzelner Nationen, indem man sagt, bei mir ist es leider nicht gegangen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heinz Kaiser (SPD))

Das ist gewissermaßen eine Ausrede eines schlechten Schülers auf die Frage, warum er so miserable Noten geschrieben habe.

In dieser Situation, in der die Bundesregierung im laufenden Jahr nicht 22 Milliarden, sondern 43,5 Milliarden Schulden macht, wird sich im Bund ein verfassungswidriger Haushalt ergeben. Das wird das Verfassungsgericht mit absoluter Sicherheit bestätigen. Die Klage ist gerechtfertigt. In einer derartigen Situation ist das Land Bayern das einzige Land, das das Versprechen eines ausgeglichenen Haushalts im Jahre 2006 einhalten wird. Das ist der entscheidende Punkt. Während Bundesfinanzminister Eichel bis vor knapp zwei Jahren immer wieder gesagt hat, wir werden im Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, hat er das nun beiseite gewischt und macht sich heute über eine solche Zielsetzung sogar lustig.

Meine Damen und Herren, wir gehen mit der Wahrheit und dem Glauben der Bürger nicht so um. Wir schaffen einen ausgeglichenen Haushalt, auch wenn es schwierig ist.

(Beifall bei der CSU)

Wenn ich Herrn Schieder richtig verstanden habe, will er nordrhein-westfälische Verhältnisse in Bayern.

(Zuruf von der CSU: Hört, hört!)

Das heißt, im letzten Jahr 6,5 Milliarden neue Schulden, in diesem Jahr 6,2 Milliarden und im nächsten Jahr wiederum eine entsprechende Größenordnung. Mit rasanter Geschwindigkeit geht der Anteil der Zinsen in diesem Land nach oben. Jetzt ist Kollege Dieckmann bei 9,6 % des Haushalts, im nächsten Jahr werden es 10,1 % sein. Wer dies will, soll sich hierhin stellen und sagen: Wir wollen diese Anhebung der Zinslasten. Wir haben in Bayern nur eine Zinslast von 3 % und der Unterschied von 7 Pro

zentpunkten ist unser bayerischer Gestaltungsvorsprung für bayerische Bürger.

(Beifall bei der CSU)

Dies werden wir uns von Ihrer unverantwortlichen Finanzpolitik nicht kaputt machen lassen.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Schieder (SPD))

Der Hauptredner der SPD, der noch weiter Zwischenrufe macht, hat in seiner Analyse gesagt, wir hätten ein Einnahmeproblem. Das ist richtig. Wir haben auch und vor allem ein Einnahmeproblem – nicht wir in Bayern alleine, sondern dies besteht in allen Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen. Der wesentliche Punkt ist, dass wir seit der Steuerschätzung im Mai 2001 eine Kaskade des Steuerverfalls haben. Die Steuereinnahmen sind jeweils gegenüber der Basis und der Schätzung vom Vorjahr weniger. Allein nach der Steuerschätzung vom letzten November ging das Aufkommen vom Freistaat Bayern um 147 Millionen Euro zurück und weil die anderen Länder üblicher Weise noch dramatischere Einbrüche aufgrund der großartigen Politik dieser Bundesregierung haben, müssen wir – zusätzlich zu all dem, was wir ohnehin schon bezahlen – einen zusätzlichen Finanzausgleich von 120 Millionen bezahlen. Das ist die Realität. Ich höre zwar von den Hamburgern, dass sie beim Finanzausgleich die größten Lasten hätten. Das stimmt bestenfalls, weil es sich um einen Stadtstaat handelt, pro Kopf, aber wir sind mit über zwei Milliarden die mit Abstand größten Zahler. Wir zahlen durch unsere Steuerkraft an andere Länder, die sich dann mit kritischen Anmerkungen zu unserer Politik zu Wort melden. Ich muss sagen: Wer derart durch unsere Steuerkraft subventioniert wird, der sollte sich etwas zurückhalten.

(Beifall bei der CSU – Dr. Heinz Kaiser (SPD): Peter Müller im Saarland!)

Die Kaskade des Steuerverfalls ist ein Spiegelbild der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Das kann die beste Steuerverwaltung – ich behaupte, die bayerische Steuerverwaltung ist die beste in der Bundesrepublik Deutschland; das wird uns immer wieder bestätigt – nicht auffangen. Dann kommen die kindischen Rechnungen, wonach die Steuerausfälle aufgrund der Wachstumspolitik der Bundesregierung durch verstärkte Einstellungen von Steuerfahndern oder Betriebsprüfern aufgefangen werden könnten. Was soll das? 147 Millionen allein aufgrund der Steuerschätzung vom November – da bräuchten Sie viele, viele Betriebsprüfer, wenn Sie das aufholen wollten. Da kommen Sie mit Sicherheit an kein Ende.

Gegenwärtig ist das entscheidend: Kurz vor der Vorlage des Papiers der Föderalismuskommission übernimmt sich Eichel, der sein Versagen in der Finanzpolitik nun wirklich unter Beweis gestellt hat, indem er die Steuerverwaltung auf Bundesebene heben will. Gerade hat die Bundesregierung bewiesen, dass sie eine große Behörde nicht zielgerichtet führen kann – die Bundesagentur. Die Bundesagentur verwaltet mit sehr vielen Leuten die Arbeitslosigkeit. Wenn man die Reichsfinanzverwaltung un

seligen Gedenkens wieder einführen will, dann wird dies eine dramatische Fehlentwicklung, eine mangelnde Führung und eine mangelnde Motivation unter Beweis stellen.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Erzberger!)

Exakt so war es. Die Konzentration der Finanzverwaltung, einzig und allein auf Berlin ausgerichtet, wurde unter der nationalsozialistischen Herrschaft perfektioniert. Genau dahin wollen alle Länder nicht zurück. Herr Eichel übernimmt sich mit einer derartigen zentralen Verwaltung. Wie er das machen will, verstehe ich sowieso nicht.

Die bayerische Finanzverwaltung hat hervorragende Leistungen gezeigt, nämlich im eigentlich zukunftsfähigen Feld der Entwicklung der EDV. Fragen Sie einmal die Kollegen aus anderen Ländern. Nachdem das große Projekt des Bundes und Nordrhein-Westfalens „FISCUS“ völlig gescheitert ist, sind es vor allem die bayerischen Finanzbeamten, die das System jetzt richten. Die Verantwortung liegt im Wesentlichen beim Freistaat Bayern, nachdem wir unsererseits bei „FISCUS“ seit mehr als vier Jahren nicht mehr mitmachen. Wir arbeiten und dies kostet Geld und Personalressourcen. Aber dies zeigt auch die Qualität der bayerischen Steuerverwaltung.

Ich verwahre mich im Namen der bayerischen Steuerverwaltung dagegen, dass Herr Schieder und seine Kollegen die Steuerverwaltung madig machen.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Das stimmt überhaupt nicht! Das ist eine Unterstellung!)

Wenn Sie in die Finanzämter rausgehen, dann reden Sie ganz anders.

(Werner Schieder (SPD): Wortverdreher!)

Ich kann nur sagen: Gott sei Dank sind Sie, Herr Schieder nur in diesem Parlament und reden punktuell einigen Unsinn und Gott sei Dank bleibt die Finanzverwaltung gegenwärtig von Ihnen verschont.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Hat der Staatssekretär nicht von der Finanzgewerkschaft berichtet, wie die Stimmung dort ist?)

Die eigentliche Problematik der Steuerausfälle ist gegenwärtig der Ausfall bei der Körperschaftssteuer durch eine verfehlte Körperschaftssteuerreform. Wir haben das immer noch nicht aufgeholt. Sie kennen meine Warnungen, die ich vor der Reform an diesem Pult ausgesprochen habe. Die zweite Problematik sind die Ausfälle bei der Umsatzsteuer durch Umsatzsteuerbetrug. Alle Länder – auch die SPD-regierten haben die Bundesregierung seit Jahren aufgefordert, etwas zu tun. Die Bundesregierung hat eine Reform völlig verschlafen. Erst durch den Druck wiederholter Beschlüsse der Finanzministerkonferenz ist sie tätig geworden. Wir haben jetzt – auch dank des SPDKollegen aus Rheinland-Pfalz, Herrn Kollegen Mittler – in München ein entsprechendes Projekt, das so genannte

Reverse-Charge-Modell, ein Modell der Umsatzbesteuerung, das von einer großen Anwaltskanzlei getestet wird. Herr Kollege Mittler ist in der nächsten Woche bei uns in München. Wir werden uns das vor Ort genauer anschauen. Das Interesse der Bundesregierung ist relativ gering; das gilt auch für unsere Vorschläge und unseren Druck, wenigstens eine Ist-Besteuerung einzuführen. Auch hier besteht eine große Zurückhaltung. Das würde sich bei einem Ausfall von 20 Milliarden durch Umsatzsteuerbetrug rentieren. Es muss endlich etwas geschehen. Ich sehe die Länder völlig allein gelassen. Hier wäre die Bundesregierung am Zuge.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben natürlich auch ein Ausgabenproblem.

(Abgeordneter Dr. Heinz Kaiser (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Nein.

Wenn ein Mitglied der Staatsregierung zum Schluss spricht, ist nach der Geschäftsordnung keine Zwischenfrage mehr möglich.

Das eigentliche Ausgabenproblem besteht in der Existenz von Automatismen durch gesetzliche Vorgaben, die wir nicht beeinflussen können. Wir haben zum Beispiel bei der Kinder- und Jugendhilfe massiv einsparen wollen. Das Gesetz ist vom Bundesrat eingebracht worden und dann im Bundestag beraten worden. Es ist mit der Mehrheit von SPD und GRÜNEN abgelehnt worden. Das Gesetz hätte wirkliche Einsparungen gebracht. Wir müssen die automatischen Ausgabeentwicklungen, die gesetzlich vorgegeben worden sind, bremsen. Wenn wir die Einnahmeentwicklung durch Wachstumsschwächen nicht im Griff haben, müssen wir wenigstens die Ausgaben einigermaßen in den Griff zu bekommen versuchen. Wir versuchen das und sind mit den 2,1 Milliarden Euro im Nachtragshaushalt 2004 und mit den Einsparungen im Jahr 2005/2006 erfolgreich. Wenn aber gleichzeitig keinerlei gesetzliche Maßnahmen zum Einsparen auf Bundesebene erfolgen, sind wir machtlos – nicht nur wir in Bayern, sondern alle Länder, auch die Kommunen.

Jetzt sagt der Bundesfinanzminister: Wir schlagen doch immer Ausgabenkürzungen durch Subventionsabbau vor. – Da schaue ich einmal genauer hin. Das sind Ausgabenkürzungen bei den steuerlichen Subventionen. Wenn ich aber bei Steuersubventionen kürze, bedeutet dies fast flächendeckend eine Steuererhöhung für die Betroffenen.

Wenn ich aber keine Steuererhöhung will, muss ich gleichzeitig die Steuersätze senken. Das Stichwort heißt: Herunter mit den Sätzen, weg mit den Ausnahmen. Das muss gleichzeitig passieren. Eichel sagt gegenwärtig aber nur, weg mit den Ausnahmen, um Subventionen abzubauen. Damit habe ich aber eine Steuererhöhung. Er macht nur den ersten Schritt. Wir würden beim Abbau von Steuersubventionen sofort mitgehen, wenn er auch bereit wäre, die Steuersätze zu senken, so wie wir es vorgeschlagen

haben. Wir hätten hier ein gemeinsames Konzept, aber die Bundesregierung und ihr Finanzminister sind dazu nicht bereit.

Meine Damen und Herren, ich will noch ein paar Anmerkungen zu dem machen, was der Kollege vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gesagt hat.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Hallitzky heißt er!)

Zur Privatisierung. Wir verwenden die Privatisierungsmittel, um die Investitionen im Rahmen unseres 300-Millionen-Programms zu stärken. Das ist der erste Teil. Der zweite Teil kommt in den nächsten Doppelhaushalt. Dadurch stärken wir die Investitionen. Wir tun vor allem etwas für die Hochschulen. Ich sage aber auch, unsere Privatisierung ist solide. Herr Eichel macht eine große Privatisierung mit einem Volumen von 18 Milliarden. Er weiß aber gar nicht, ob er das überhaupt erreichen wird. Nachdem er es nicht weiß, holt er die Mittel von der KfW. Das ist ein Kuhhandel, der nicht ganz koscher ist.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Das hat der Waigel doch auch gemacht! Das ist doch nichts Neues, Herr Faltlhauser!)

Er macht noch ein Weiteres. Er schlägt vor, Forderungen zu verkaufen. Das heißt, er macht eine gezielte Haushaltspolitik zulasten der nächsten Generation und der Jugend. Das ist völlig unverantwortlich.

(Beifall bei der CSU)