Zurück zum Verfassungsrecht. Ich komme zum vierten Punkt, den wir für kritisch halten. Frau Hohlmeier, es nimmt Ihnen wirklich niemand übel, dass Sie keine Juristin sind. Ich als Juristin mische mich auch möglichst nicht in die Bildungspolitik ein; denn ich denke, da gibt es Berufenere. Aber ich nehme es Ihnen übel, wenn Sie als Nichtjuristin versuchen, sich Entscheidungen des Verfassungsgerichts zurechtzubiegen. Ich erwarte schon von Ihnen, Frau Hohlmeier, dass Sie sich trotz der hohen Arbeitsbelastung und der Skandale, die Sie auszubaden haben, juristisch einwandfreien Rat holen und ein entsprechendes Gesetz abliefern.
Damit komme ich zu einem Punkt, der meines Erachtens einer der wichtigsten ist, weil daran ganz deutlich wird, weshalb Sie diese Verfassung, auf die Sie sich berufen, völlig falsch verstehen. Die Erziehung nach christlichabendländischen Bildungs- und Kulturwerten, die als Bildungsziel in der Bayerischen Verfassung festgelegt ist, ist eben nicht in einem religiösen Sinne zu verstehen, sondern in einem säkularisierten Sinne. Dazu kann ich Ihnen eine ganze Reihe von Aufsätzen nennen.
Das heißt, dass einzelne Glaubensgemeinschaften aus religiösen Gründen nicht bevorzugt werden dürfen. Das bedeutet auch, dass die christlich-abendländischen Werte Eingang in unsere Gesellschaft gefunden haben. Sie sind schicht- und glaubensübergreifend für uns alle zu bindenden Werten geworden. Die Herkunft dieser Werte ist selbstverständlich in vielen Punkten als christlich zu bezeichnen. Nur die Akzeptanz dieser Werte erfolgt in vielen gesellschaftlichen Gruppen mittlerweile völlig losgelöst von religiösen Überzeugungen.
Die Aufgabe des Staates ist es, den verschiedenen Überzeugungen gerecht zu werden und niemanden aufgrund seiner Einstellung zu benachteiligen. Das habe nicht ich so festgelegt, und das gilt nicht, weil es mir gerade so passt, sondern das hat ebenfalls das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung zu christlichen Gemeinschaftsschulen festgelegt. Sie haben in diesem Punkt unsere Verfassung wirklich gründlich missverstanden.
An sich könnte man aufgrund fehlender Betroffenheit gelassen auf diesen völlig überflüssigen Gesetzentwurf reagieren, würde sich nicht – und das ist das, was mich erbost – dahinter eine weltfremde und diskriminierungswillige Haltung verbergen, eine Haltung, die von wenig
Sollte es bezüglich dieses Gesetzentwurfes eine Verfassungsklage geben, bin ich überzeugt davon, Sie werden verlieren. Sie werden alle Symbole aus den Klassenzimmern verbannen müssen, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Gleichbehandlungsauftrag verlangt und wie es die katholische Kirche zu Recht, wie wir meinen, befürchtet. Denjenigen Glaubensgemeinschaften, denen Sie helfen wollten, haben Sie mit diesem Gesetzentwurf einen Bärendienst erwiesen.
Angesichts dieses Bärendienstes dürfte es aus Ihrer Sicht auch schon egal sein, dass Sie es sich mit dem Rest Ihrer konservativen türkischen Freunde und Freundinnen verdorben haben. Den anderen Teil haben Sie wegen Ihrer Haltung zum Beitritt der Türkei zur EU ohnehin schon vergrault. Den politischen Bandscheibenvorfall, den Sie nach diesem Spagat bekommen werden, möchte ich nicht haben.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich eine grundsätzliche Aussage machen. Bei der Rede von Frau Stahl hat man den Eindruck gehabt, sie rede über irgendeinen Gesetzentwurf, aber nicht über unseren. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Stahl, bin ich zwar keine Juristin, aber ich habe den Gesetzentwurf gelesen. In diesem Gesetzentwurf steht, dass das Tragen aller religiösen und weltanschaulichen Symbole verboten ist, welche bei Schülern oder auch Eltern den Eindruck hervorrufen können, dass sie sich gegen das Grundgesetz und gegen die Bayerische Verfassung richten. Herr Schindler hat infrage gestellt, dass der Empfängerhorizont überhaupt herangezogen werden dürfe, da das Bundesverfassungsgericht etwas anderes ausgesagt habe. Herr Schindler, Sie hätten das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Begründung
durchlesen sollen. Dort ist ausdrücklich aufgeführt, dass der Gesetzgeber auf eine abstrakte Gefahr reagieren dürfe und dass es nicht auf die Botschaft ankomme, welche die Trägerin des Kopftuchs vermitteln wolle, dass es also nicht auf ihre innere Einstellung ankomme, sondern dass der Empfängerhorizont ausreiche.
Damit ist die Deutungsmöglichkeit gemeint, die bei Schülern und Eltern entstehen kann, wobei diese nicht die Mehrheit bilden müssen. Das ist die eindeutige Interpretation des Bundesverwaltungsgerichts.
Nein, das hat er nicht gesagt. Ich habe mir seine Aussage exakt notiert. Es reicht erstens der Empfängerhorizont, und zweitens ist das auch der Horizont, auf den es uns ankommt.
Wir können uns auch nicht danach richten, wie viele Fälle es sind, sondern wir müssen uns danach richten, was innerhalb eines Schulwesens notwendig ist. Ganz unabhängig von der Zahl der Fälle tritt sehr deutlich das Problem zutage, dass der Schleier und das Kopftuch von islamistisch-fundamentalistischen Kreisen mehr als nur politisch missbraucht worden sind. Sie wurden als Symbole für einen Gottesstaat und insbesondere als Symbole für die Unterdrückung der Frau gewertet, und so werden sie auch heute noch eingesetzt.
Es gibt an unseren Schulen junge Mädchen, die zum Teil im Alter von 13, 14 und 15 Jahren dazu gezwungen werden, einen Schleier zu tragen, obwohl sie es nicht wollen. Sollen solche Mädchen unter Umständen dadurch unter Druck gesetzt werden, dass eine Lehrerin ein Kopftuch oder einen Schleier trägt, selbst wenn sie damit persönlich eine Unterdrückung gar nicht ausdrücken will? Der Schleier ist nun einmal politisch missbraucht worden als Symbol für einen Gottesstaat und gegen unser Grundgesetz, für die Unterdrückung der Frau und somit gegen unsere Verfassung. So etwas geht schlicht und einfach nicht. Wir können an unseren Schulen kein religiöses und kein weltanschauliches Symbol zulassen, welches von den Schülern als etwas interpretiert werden kann, was sich gegen unser Grundgesetz und unsere Bayerische Verfassung richtet.
Dabei kann man auch nicht auf die Anzahl der Fälle abstellen, sondern man muss ein solches Symbol grundsätzlich verhindern und grundsätzlich aufhalten.
Ein Zweites, Frau Stahl. Ich bitte Sie wirklich, diesen Gesetzentwurf durchzulesen. Dieser Gesetzentwurf unterstellt keiner einzigen Frau, die ein Kopftuch oder einen Schleier trägt, dass sie Fundamentalistin ist. Ich weiß nicht, wo Sie das aus dem Gesetzentwurf herauslesen. Das ist nirgendwo enthalten. In diesem Gesetzentwurf ist dies in keiner Art und Weise erwähnt. Tatsache ist, dass der Schleier von fundamentalistischen islamischen Gruppierungen politisch massivst missbraucht worden ist und dass fundamentalistische und islamistische Kreise unsere freiheitlich rechtsstaatliche Demokratie immer mehr ausnutzen, um ihre Ideen auf subtile Art und Weise durchsetzen und ihre Ideologie innerhalb unserer Gesellschaft platzieren zu können. Das wissen wir, und dem wollen wir, auf welchem Weg die Islamisten das auch immer versuchen, entgegentreten. Wenn dies unter Umständen dadurch eintreten kann, dass ein Symbol getragen wird, welches politisch missbraucht worden ist, dann müssen wir das von vorne herein verhindern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier gilt es sensibel zu sein. Auch von jemanden, der den Lehrerberuf ergreift, erwarte ich, dass er bereit ist, ein solches Symbol nicht zu tragen.
Das, was er in seinem Privatleben tut, geht uns nichts an. Liebe Frau Stahl, der Gesetzentwurf bezieht sich nicht auf das Privatleben. Das, was die jeweilige Frau in ihrem privaten Leben freiwillig oder nicht freiwillig tut, haben wir nicht zu bestimmen. Innerhalb der Schule haben wir zu verhindern, dass bei Schülerinnen und Schülern der Eindruck entsteht, dass jeder jedes Symbol tragen kann, welches sich gegen das Grundgesetz oder die Bayerische Verfassung richtet.
Einer solchen differenzierten Diskussion ist es auch nicht würdig, dass man Vollbärte von Männern mit dem Kopftuch vergleicht. Auf welches Niveau wollen wir denn sinken? Noch nie ist bei uns ein Mann gezwungen worden, einen Vollbart zu tragen. Diese Diskussion ist einfach lächerlich. Ich habe noch in keiner Literatur gelesen, dass das Vollbarttragen auf dieser Erde ein entsetzliches Problem im Sinne der Unterdrückung der Menschheit oder von Menschenrechten geworden wäre.
Einen solchen Gesetzentwurf sollte man schon ein bisschen ernsthafter behandeln und ihn nicht in die Lächerlichkeit ziehen.
Mit dem Verbot wird auch nicht gegen das Gleichheitsgebot verstoßen. Denn wir verbieten alle Symbole religiöser oder weltanschaulicher Art, die von Schülern als verfassungswidrig interpretiert werden können. Sollte es je andere Symbole geben, sollten sie auftreten und sollte jemand versuchen, sie zu tragen, werden diese anderen Symbole auch verboten werden. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebots kann man es aber nicht verstehen, dass auch die Symbole verboten werden sollen, welche völlig unproblematisch sind und von unseren christlichen Kirchen oder auch jüdischen Glaubensgemeinschaften getragen werden, welche sich klipp und klar zu Grundgesetz, Verfassung und unserem Staat bekennen. Diese Symbole können nicht von Haus aus nur deswegen verboten werden, damit einzelne Symbole verboten werden können, die einmal politisch massiv missbraucht worden sind. Das kann wohl auch nicht im Sinne des freiheitlichen Rechtsstaats sein.
Herr Schindler, einen Satz möchte ich zum Abschluss noch hinzufügen. Sie haben erwähnt, dass die zweite und dritte Generation von Einwanderern, welche Muslime sind, zunehmend Kopftuch trägt. Ich halte das ebenso wie Sie für ein Problem. Ich nehme dieses Problem auch sehr ernst. Sie führen es aber ausschließlich auf mangelnde Integration zurück. Ich will deutlich sagen,
dass Integration natürlich auch keine Einbahnstraße ist, die nur von uns gewährleistet werden kann. Diejenigen, die zu uns kommen, müssen auch bereit sein, sich in unsere christlich-abendländische Gesellschaft und Kultur mit ihren Werten einzuleben.
Auch die Zuwanderer müssen dies in unsere Gesellschaft mit einbringen. In diesem Sinne bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Gesetzentwurf zu verabschieden, denn ich glaube, dass er letztendlich eine grundlegende Fragestellung beantwortet, unabhängig davon, ob es 10, 20, 100 oder 1 000 Fälle werden. Ich hoffe, dass damit die Fragestellung grundlegend geklärt ist.
Frau Ministerin, nachdem ich aus Ihrem Gesetzentwurf mehrmals zitiert habe, dürfte es an sich schon klar sein, dass ich ihn auch gelesen habe. Sie haben uns auch sehr viel Zeit dazu gegeben, deswegen nehme ich einmal diese Bemerkung so en passant und gehe nicht weiter darauf ein.
Da ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtes, die besagt: Ein Symbol per se kann noch nicht als unterdrückend gewertet werden, auch wenn Sie natürlich zu Recht feststellen, dass ein Kopftuch, dass im Unterricht getragen werden könnte, - was bis jetzt noch gar nicht der Fall ist – , von den Schülerinnen und Schülern missverstanden werden kann. Beides muss zusammentreffen, Symbol und Verhalten, damit festgestellt werden kann: Hier missioniert jemand unzulässigerweise. Das ist zu verhindern.
Dass ich mich in meinem Beitrag auch auf andere politische Punkte bezogen habe, liegt natürlich daran, dass Herr Kollege Eisenreich den Gesetzentwurf sehr ausgiebig damit begründet hat, dass die Frau unterdrückt wird und dass es so viele politische Missverständnisse geben kann. Er hat sich auch auf den islamischen Fundamentalismus bezogen; er hat es nur etwas anders ausgedrückt. Deswegen brauche man diesen Gesetzentwurf. Sie werden mir doch bitte gestatten, dass ich den Kollegen ernst nehme und darauf eingehe, so wie ich auch in der Debatte darauf eingehe,
wie in den vorherigen Monaten von Ihren Kollegen aus der CSU-Fraktion argumentiert wurde. Vielleicht haben Sie sich nicht darüber abgesprochen, was eigentlich Sache ist.
Ich komme zu den Beispielen, die Sie genannt haben, insbesondere zum Bart. Ich muss Ihnen sagen: Das hat mich schon etwas erschüttert. Das zeigt, dass die Dimension der Debatte, die Sie mit diesem Gesetzentwurf lostreten, überhaupt nicht erkannt wird.
Ist Ihnen bekannt, dass der Bart tatsächlich ein religiöses Symbol ist? Ist Ihnen das bekannt? – Herr Kollege, Sie lachen. Wussten Sie, dass in Afghanistan Männer, die sich nach der Befreiung den Bart als Symbol der Unterdrückung abrasiert haben, ermordet worden sind?