Protocol of the Session on November 11, 2004

Die Diskussion über ein Kopftuch-Verbot wird auch nicht nur in Deutschland und Bayern, sondern mit höchst unterschiedlichen Argumenten und Ergebnissen in vielen anderen Ländern – zum Beispiel Frankreich, Großbritannien und ganz aktuell in der Türkei – geführt und hat schon mehrfach den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte befasst. Anleihen aus der dortigen Diskussion verbieten sich aber, weil wir natürlich nicht – schon aus verfassungsrechtlichen Gründen – das französische Modell übernehmen können, aber auch nicht übernehmen wollen. Das Gleiche trifft auf das türkische Modell und auf das Modell in Großbritannien zu.

Ganz im Gegenteil: Es stellt sich die Frage, ob wir in Bayern das Kopftuch generell verbieten oder es weiterhin erlauben wollen; diese Frage ist natürlich zu messen an den Vorgaben unseres Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung. Hierbei haben wir zur Kenntnis zu nehmen, dass die Bekenntnisfreiheit auch für die Lehrerinnen und Lehrer gilt, dass sie ein individuelles und korporatives sie Freiheitsrecht ist, das aber natürlich nicht – Sie haben in diesem Punkt selbstverständlich recht, Herr Eisenreich – schrankenlos sein kann, sondern seine Grenze an den Freiheitsrechten anderer findet und dass der Staat selbst weder ein Bekenntnis hat noch eines abverlangen kann, sondern sich selbst neutral zu verhalten hat. Neutralität – das ist gemeinhin bekannt – ist nicht im Sinne einer Distanzierung, im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche gemeint. Eine solche haben wir – wie ich meine, aus guten Gründen – in Deutschland und in Bayern nicht. Gemeint ist eine offene, übergreifende, die Glaubensfreiheit aller Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung.

Das gilt allgemein für die gesamte Sphäre des Staates, spitzt sich im Schulbereich aber immer wieder zu. Ich verweise auf den Streit um die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern bayerischer Schulen. Wie das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Diskussion in Bayern über die christliche Gemeinschaftsschule festgestellt hat, sind christliche Bezüge in der Schule möglich und auch eine Erziehung nach christlichen Grundsätzen, aber nicht im Sinne einer Verbindlichkeit christlicher Glaubensinhalte und einer christlich-konfessionellen Fixierung, sondern nur im Sinne einer Bejahung des Christentums als dem prägenden Bildungs- und Kulturfaktor, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat. In welchem Ausmaß der Gesetzgeber die öffentlichen Schulen – nur über solche reden wir – für religiöse Bezüge öffnet und der Bekenntnisfreiheit Raum gibt oder beide zurückdrängt, ist – man muss dem Bundesverfassungsgericht dafür dankbar sein, dass es das erneut festgestellt hat – der Beurteilung und der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen. Aber der Gesetzgeber muss hierbei alle Religionsgemeinschaften und deren Anhänger gleich behandeln und darf nicht den Vorrang oder Nachrang eines bestimmten Bekenntnisses statuieren.

Bei einer ernsthaften und nicht nur reflexhaften Diskussion dieses Problems ist nicht nur dieser verfassungsrechtliche Kontext zu beachten, sondern auch die Realität in unserem Land. Die Realität sieht so aus, dass der Anteil der Christen in Deutschland nicht einmal mehr zwei Drittel beträgt, dass in den neuen Ländern die Zahl

derjenigen, die sich zu einer christlichen Glaubensgemeinschaft bekennen, insgesamt nur noch bei etwa 30 % liegt und bei Kindern und Jugendlichen gar nur noch um 15 %. Selbst in München beträgt der Anteil derjenigen, die Mitglieder einer christlichen Kirche sind, nur noch 56 %. Längst schon sind die Muslime mit immerhin 3,5 Millionen die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland geworden. Längst schon gibt es auch in Bayern Schulklassen, in denen christlich getaufte Kinder in der Minderheit sind. Die Folge davon ist, dass, wie es der frühere Kultusminister Hans Maier ausgedrückt hat, die christlichen Kirchen nicht wie in der Vergangenheit, nachgerade prototypisch, ja ausschließlich für die Religion in Deutschland stehen. Sie haben vielmehr an öffentlichem Einfluss verloren, sind von Erosion und Glaubensschwund bedroht und vor allem haben sie Konkurrenz bekommen. Neben ihnen, so Hans Maier, wächst in raschem Tempo die Konfession der Konfessionslosen heran. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich in Deutschland oder in Bayern von dem verabschieden müsste, was wir mit der christlichen Gemeinschaftsschule meinen. Es relativiert aber die Behauptung, dass andere als christlich-abendländische Einflüsse und Symbole in Deutschland und in Bayern fremd seien und deshalb zurückgedrängt werden müssten.

Dieser Befund einer zunehmenden religiösen Indifferenz einerseits und einer zunehmenden religiösen Pluralität andererseits macht die Lösung unseres Problems nicht leichter, hat allerdings Einige dazu geführt, das Maß religiöser Züge im öffentlichen Bereich und insbesondere an den Schulen neu zu bestimmen, und zwar in Richtung einer Zurückdrängung jedweder religiöser Symbole, so wie es zum Beispiel in einem Gesetz in Berlin gemacht worden ist. Diesen Weg wollen wir ausdrücklich nicht gehen.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann das Kopftuch erlaubt bleiben, es kann aber auch verboten werden.

Da dies während der Diskussion des letzten Jahres fast aus dem Bewusstsein verdrängt worden ist, möchte ich dies noch einmal klar stellen, denn das Bundesverfassungsgericht hat nicht vorgeschrieben, dass die Länder Gesetze zum Verbot des Tragens von Kopftüchern machen müssen. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht zum Leidwesen mancher nur entschieden, dass es für die Ablehnung der Beschwerdeführerin – Frau Ludin – wegen mangelnder Eignung infolge ihrer Weigerung, das Kopftuch in Schule und im Unterricht abzulegen, an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage gefehlt habe – diese hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage fehlt auch in Bayern –, dass die Vorschriften des Beamtengesetzes, wonach sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen haben und für deren Erhaltung eintreten müssen, das religiös motivierte Tragen eines Kopftuches nicht erfassen und, meine Damen und Herren, dass es dem Landesgesetzgeber freistehe, die bislang fehlende rechtliche Grundlage zu schaffen, etwa indem er das zulässige Maß der religiösen Bezüge neu bestimmt. Diesen Aspekt, Herr Kollege Eisenreich, scheinen Sie etwas unterbelichtet zu haben. Hierbei hat der Gesetzgeber sowohl die Glaubensfreiheit der Lehrer als

auch die der Schüler bzw. der Eltern, aber auch das Gebot der weltanschaulich-religiösen Neutralität in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Ebenso unmissverständlich hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Einführung einer Dienstpflicht, die es Lehrern verbietet, in ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Religionszugehörigkeit erkennbar zu machen, auch deshalb einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfe, weil eine solche Dienstpflicht in verfassungsgemäßer Weise nur begründet und durchgesetzt werden könne, wenn Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften dabei gleichbehandelt werden. Das ist das Problem, nichts anderes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nimmt man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ernst, dürfen religiöse Symbole – nur das kann man der Entscheidung entnehmen – vom Kopftuch bis zur Kippa und letztlich zum Kreuz nicht unterschiedlich behandelt werden. Dieses Problem hat die Staatsregierung erkannt und meint, es damit umgehen zu können, dass in ihrem Gesetzwurf formuliert wird:

Äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, dürfen von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden, sofern die Symbole oder Kleidungsstücke bei den Schülerinnen und Schülern oder den Eltern auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten … nicht vereinbar ist.

Untersagt werden soll demnach das Tragen solcher äußeren Symbole oder Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken und zugleich – zugleich – als Ausdruck einer mit dem verfassungsrechtlichen Grundwerten unvereinbaren Haltung verstanden werden können – nicht müssen. Ganz entscheidend ist der folgende Satz: Der Grund für dieses Verbot liege nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht im religiösen oder weltanschaulichen Motiv der Lehrkraft. Maßgeblich sei nicht ihre Intention, sondern die mögliche Interpretation. Das Tragen eines Kopftuches – nur eines Kopftuches, nicht eines anderen religiösen Symbols – soll deshalb unstatthaft sein, weil zumindest ein Teil seiner Befürworter damit eine mindere Stellung der Frauen in der Gesellschaft usw. verbindet. Das Gebot, die verfassungsrechtlichen Grundwerte einschließlich der Gleichberechtigung von Männern und Frauen glaubhaft zu vermitteln, könne eine Lehrkraft mit einem solchen nach außen getragenen Symbol nicht erfüllen – so heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Konstruktion ist gewagt, die Argumentation meines Erachtens unzulässig. Die daraus gezogenen Konsequenzen halten wir für falsch.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Problem, dass es verschiedene Deutungsmöglichkeiten des Kopftuches gibt – warum eine Frau ein Kopftuch trägt – natürlich er

kannt und umfassend erörtert und ist im konkreten Fall – nur diesen galt es zu entscheiden – zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschwerdeführerin – Frau Ludin – das Kopftuch als Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses trägt. Auch wenn es für die Beurteilung der Frage, ob die Absicht einer Lehrerin, im konkreten Schul- und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, einen Eignungsmangel begründe, darauf ankomme, wie ein Kopftuch auf den Betrachter wirken kann – den so genannten objektiven Empfängerhorizont – ändere dies, so sagt das Bundesverfassungsgericht – nichts daran, dass sich die Beschwerdeführerin für dieses Verhalten auf den Schutz des Artikels 4, Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes berufen könne. Deswegen hat das Gericht im Kopftuch-Urteil im Vergleich und zur Abgrenzung zum Kruzifix-Urteil hervorgehoben, dass das Kopftuch erst im Zusammenhang mit der Person, die es trägt und mit ihrem sonstigen Verhalten eine dem christlichen Kreuz vergleichbare religiöse Wirkung entfalten kann.

Was bedeutet das, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Das bedeutet, dass dann, wenn eine Lehrerin ein Kopftuch im Unterricht als religiöses Symbol tragen will, die von ihr dem Symbol beigemessene Bedeutung maßgeblich ist und dass es deshalb unzulässig ist, ihr Deutungen zuzurechnen, die sie selbst als Person nicht vertritt. Wenn diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts ernst genommen werden soll, ist es unzulässig – wie es im Gesetzentwurf gemacht wird – das Motiv der jeweiligen Lehrerin, weshalb gerade sie ein Kopftuch trägt, völlig beiseite zu schieben und nur auf die mögliche Interpretation abzustellen, was andere mit dem Kopftuch verbinden können. Wenn das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Motivationen erfolgt und sich so als Wahrnehmung der Bekenntnisfreiheit darstellt, muss sich diese Grundrechtsausübung andere Deutungen nicht gegen den eigenen Willen zurechnen lassen. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern das hat jemand gesagt, der auch in ihren Kreisen – wie ich lese und höre – höchst geschätzt wird und vor kurzen mit dem Romano Guardini-Preis ausgezeichnet worden ist. Ich rede von Ernst-Wolfgang Böckenförde, der diese Position immer wieder vertreten hat, die ich für richtig halte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die von Ihnen gewählte Konstruktion verbietet sich auch deshalb, weil es bei der Einstellung in den Schuldienst um die Frage der Eignung eines Bewerbers geht. In Klammern gesagt: Wie eigentlich prüfen wir die Eignung eines männlichen Anhängers dieser Religion?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dafür haben wir bislang kein Kriterium. Diese Person trägt möglicherweise nicht einmal einen Bart zur besseren Erkennbarkeit ihrer Weltanschauung, sondern geht ganz normal wie wir anderen auch durch die Welt. Wie prüfen wir dessen Eignung? – Diese Frage ist nicht geklärt. Und wir maßen uns an, die Frage, ob jemand Beamter werden darf, davon abhängig zu machen, welches Kleidungsstück er trägt und welche Bedeutung andere diesem Kleidungsstück beimessen. Schließlich wäre es dann, wenn das Kopftuch nicht als religiöses Symbol sondern als ausschließlich politisches Symbol mit einem Gehalt, das unserer Verfassungsordnung zuwiderläuft,

gewertet und deshalb verboten werden muss, nicht erforderlich, ein Gesetz zu machen. Für ein solchermaßen begründetes Verbot reichen nämlich die Vorschriften des Beamtenrechts durchaus aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Staatsregierung befindet sich deshalb nach unserer Einschätzung auf verfassungsrechtlich außerordentlich dünnem Eis, weil er entgegen den klaren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ein bestimmtes, auch religiöses Symbol diskriminiert. Ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, Herr Kollege Eisenreich, dass wir die Entscheidung, die das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf das baden-württembergische Gesetz getroffen hat, nicht eins zu eins auf das bayerische Gesetz übertragen und Rückschlüsse ziehen können, dass das zu beschließende bayerische Gesetz von Haus aus verfassungswidrig wäre. Ich sage das ausdrücklich nicht. Ich sage, dass die Konstruktion, von den Motiven der Trägerin des Kopftuchs zu abstrahieren und bei der Prüfung der Eignung ausschließlich darauf abzustellen, was andere dem Kopftuch beimessen können, letztlich zu einer gewollten Diskriminierung eines bestimmten religiösen Symbols führt und deshalb gegen das Gleichbehandlungs- und Neutralitätsgebot verstößt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch Folgendes sagen: Die Problematik ist durchaus schwierig. Wir als SPD-Landtagsfraktion verkennen natürlich nicht, dass es Argumente auch für ein generelles Kopftuchverbot gibt. Richtig ist, dass die Schule ein sensibler Bereich ist. Die Schülerinnen und Schüler können sich der Konfrontation mit den Lehrern, auch mit einer Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, nicht entziehen. Darauf ist Rücksicht zu nehmen. Deshalb verlangen wir ja von allen Lehrerinnen und Lehrern, dass sie sich im Politischen wie auch im Religiösen mäßigen und zurückhalten. Kein Lehrer, keine Lehrerin, ob mit oder ohne Kopftuch, darf an der Schule missionieren, jedenfalls nicht außerhalb des Religionsunterrichts.

Es kann auch nicht bestritten werden, dass nicht jede Frau, die heutzutage ein Kopftuch trägt, dies aus freien Stücken tut. Manche werden dazu gezwungen – aus einem Rollenverständnis heraus, das wir in Deutschland überwunden haben. Es kann auch nicht verkannt werden, dass das Kopftuch bei einer Lehrerin Eltern muslimischer Mädchen erst dazu ermuntern kann, von ihren Mädchen auch zu verlangen, ein Kopftuch zu tragen. Das kann ich nicht bestreiten, das will ich nicht bestreiten, das habe ich vielmehr als Fakt zur Kenntnis zu nehmen.

Als Fakt muss ich aber auch zur Kenntnis nehmen – und glauben Sie mir, dass uns das nicht gefällt, dass die erste Generation der Gastarbeiterinnen in Deutschland im Regelfall ohne Kopftuch ausgekommen ist, wohingegen ein gehöriger Anteil der zweiten und dritten Generation aus bestimmten Gründen meint, nun ein Kopftuch tragen zu müssen. Das gefällt uns nicht, und dieser Umstand muss Anlass für uns sein, zu überlegen, wie gut oder wie schlecht Integration in diesem Land funktioniert hat. Offensichtlich hat sie nicht so sonderlich gut funktioniert. Denn der Umstand, dass jemand meint, im öffentlichen Raum in Deutschland und Bayern mit einem bestimmten

Kleidungsstück, sei es auch religiös motiviert, auftreten zu müssen, beweist nicht unbedingt, dass Integration in diesem Land gut funktioniert hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

All das verkennen wir nicht, meine Damen und Herren.

Aber gegen ein generelles Kopftuchverbot, zumal in Bayern, spricht völlig unabhängig von der angesprochenen verfassungsrechtlichen Problematik erstens der Umstand, dass es meines Wissens keinen einzigen Fall in Bayern gegeben hat, in dem das Tragen eines Kopftuchs zu Konflikten an der Schule geführt hat. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird also kein Problem gelöst, sondern es wird erst eines geschaffen, wo überhaupt keines vorhanden ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens. Gegen ein generelles Verbot spricht auch, dass unterschiedliche religiöse Symbole, die man an den Schulen zulässt, gerade dazu beitragen können, dass Verständnis füreinander und Toleranz eingeübt und verstanden werden.

Drittens spricht gegen ein generelles Verbot, dass damit auch in einer pluralistischen bayerischen Gesellschaft ein falsches Signal hinsichtlich unserer Integrationsbereitschaft gesetzt würde. Ein generelles Verbot ausschließlich eines auch religiös begründeten und motivierten Kleidungsstücks kann dazu führen – ich sage nicht: „muss“ –, dass mittelfristig ungewollt auch andere religiöse Symbole und Kleidungsstücke ferngehalten werden müssen. Das ist im Übrigen die Sorge der katholischen Bischöfe und auch des Landeskomitees der Katholiken in Bayern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer will, dass religiöse Symbole auch künftig ihren Platz im öffentlichen Leben, gerade auch an den Schulen, haben können, darf kein Gesetz beschließen, mit dem wegen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot die Gefahr der Verbannung aller religiösen Symbole nachgerade heraufbeschworen wird.

Natürlich muss man, wenn man sich aus den genannten Gründen gegen ein generelles Verbot ausspricht, die Frage beantworten, wie ein eventuell entstehendes Problem dann gelöst werden kann. Zunächst einmal möchte ich für meine Fraktion festhalten: Bislang ist dieses Problem nicht aufgetreten. – Wenn es aber morgen an einer bayerischen Schule auftritt, weil sich Schülerinnen und Schüler oder ihre Erziehungsberechtigten durch eine Kopftuch tragende Lehrerin in ihren eigenen Grundrechten beeinträchtigt fühlen, ist für uns als SPD-Fraktion klar, dass das Erziehungsrecht der Eltern und die negative Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler Vorrang haben müssen vor der Ausübung der Glaubensfreiheit einer verbeamteten Lehrerin im Unterricht. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Der Beamte und auch die Beamtin haben sich dann zurückzunehmen, wenn es durch ihr Verhalten, sei es auch nur verbunden mit einem äußeren Symbol, zu Konflikten an der Schule kommt. Ich kann nicht verlangen, dass die Schülerinnen und Schüler zurückweichen; ich kann auch nicht verlangen, dass die Eltern einen Teil ihres Erziehungsrechts aufgeben, sondern ich muss verlangen können, dass die Lehrerin quasi als Veranlasserin eines Konflikts letztlich auch bereit ist, die Toleranz zu üben, die sie für sich selbst einfordert. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Deswegen sage ich ausdrücklich, auch wenn manche es nicht verstehen, weil es kompliziert ist: Wenn es zu einem Konfliktfall an einer bayerischen Schule kommt, sind wir der Meinung, dass von einer Lehrerin verlangt werden können muss, zur Beilegung des Konflikts letztlich das Kopftuch auch abzunehmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Frage, ob in einem Klassenzimmer ein Kreuz angebracht werden darf oder abzunehmen ist, kann über eine bestimmte Regelung, die wir zur Lösung des Konflikts gefunden haben, an der Schule gelöst werden. Da stellt sich doch die Frage, warum ein Konflikt, der aufgrund eines Kopftuchs entsteht, nicht auch an Ort und Stelle gelöst werden kann. Wir teilen deshalb die Position des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, das die Bayerische Staatsregierung – ich muss sagen: leider – vergeblich gebeten hat, im Streit um das Tragen eines Kopftuchs von muslimischen Lehrerinnen im öffentlichen Schuldienst von einem generellen Verbot abzusehen und stattdessen die Gesetzesnovelle so zu formulieren, dass im Konfliktfall eine Lösung an Ort und Stelle gefunden werden kann, die dem Schulfrieden dient.

Wir teilen die Meinung von Böckenförde und Hans Maier, dass ein generelles Verbot keine Antwort auf das Problem ist, sondern dass eine flexible Regelung erforderlich ist, eine Abwägung an der Schule, die auch dazu führen kann, dass auf das Kopftuch verzichtet werden muss. Wir stimmen Hans Maier zu, wenn er sagt, dass eventuelle Probleme im Einzelfall pragmatisch in einem schonenden Ausgleich unterschiedlicher Positionen – die Betonung liegt auf „schonendem Ausgleich“ – nach den Maßstäben praktischer Vernunft gelöst werden können. – Genauso ist es.

(Wolfgang Hoderlein (SPD): Exzellent!)

Ich würde mich freuen, wenn die jetzige Kultusministerin das genauso abgewogen sähe wie einer ihrer Vorgänger.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diesen schwierigen, aber sachlich gebotenen und verfassungsrechtlich sauberen Weg wollen Sie aus Gründen, die ich nicht verstehen kann, nicht gehen. Möglicherweise spielt auch hier die Vorstellung von null Toleranz eine Rolle. Ich will die Diskussion aber nicht verschärfen. Stattdessen meinen Sie, ein Gesetz vorlegen zu müssen, das auch bei wohlwollender Interpretation

immer in der Gefahr schwebt, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht zu genügen. Daher müssen Sie die Verantwortung für dieses Gesetz auch alleine tragen. Wir können ihm wegen der Argumente, die ich versucht habe deutlich zu machen, letztlich nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schindler. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Es hat lange gedauert, bis wir heute die Zweite Lesung des Gesetzentwurfes zum Kopftuchverbot auf der Tagesordnung haben. Allerdings hätten wir eine Beschleunigung nicht unbedingt begrüßt. Denn wir lehnen den Gesetzentwurf als nicht zielführend ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Gesetzentwurf entspricht weder den Vorgaben des Verfassungsgerichtsurteils, auch wenn sich Kollege Eisenreich hier verbogen hat, um das Gegenteil darzustellen, noch löst es – das ist uns besonders wichtig – die Probleme, die Mädchen und Frauen in streng patriarchisch denkenden Gesellschaften haben, im Gegenteil: Sie bereiten denjenigen, die möglicherweise Opfer sind, zusätzliche Probleme, und begegnen den Frauen, die sich freiwillig für das Kopftuch, für ihren Glauben entschieden haben, respektlos.

(Beifall bei den GRÜNEN)