Protocol of the Session on November 11, 2004

(Karin Radermacher (SPD): Da sehen Sie mal! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Weil Ihre Reihen noch nicht geschlossen sind! – Zurufe der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD) und Margarete Bause (GRÜNE))

Bitte lassen Sie mich doch zunächst einmal ganz sachlich sagen, zunächst einmal haben Sie das formale Verfahren kritisiert. Die Staatsregierung hat dazu im September den Entwurf eines Paketes Zwei zur Verwaltungsreform vorgelegt. Dieses Paket ist in die öffentliche Diskussion gegangen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Freistaats Bayern per E-Mail zugeleitet worden und hat zu einem ganz intensiven Diskussionsprozess geführt, zu dem Ihr Beitrag mit Sicherheit nicht der Beste ist, Herr Kollege Dürr. Es hat landesweit bei den Gewerkschaften, bei den Personalvertretungen, bei den Kommunalpolitikern, in den Fraktionen, in der Öffentlichkeit eine durchaus lebhafte Diskussion ausgelöst. Und damit

ist ein Prozess der Entscheidungsfindung in Gang gekommen, der in der nächsten Woche zur Entscheidung führen wird. Ich glaube, dass das ein offenes und gutes Verfahren ist. Dass es bei diesen Dingen immer unterschiedliche Bewertungen geben kann, das liegt auf der Hand. Aber ich meine, das ist allemal sehr viel besser als das, was parallel dazu im Moment der Bundesminister für Verteidigung macht,

(Zuruf von der CSU: Sehr richtig!)

der am 2. November verkündet: 105 Standorte in Deutschland werden geschlossen. Ein Anhörungsverfahren für Länder und Kommunen findet nicht statt. Die Entscheidung steht. Da lasse ich mit mir nicht diskutieren. – Bringen Sie doch Ihre demokratischen Belehrungen in Berlin an, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wir haben doch hier genug zu tun!)

Zweitens, zum Prozess, Herr Dürr. Gehen wir doch einmal davon aus, was die Verfassung sagt.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Schön! Endlich mal!)

In Artikel 77 Absatz 1 Satz 2 der Bayerischen Verfassung steht: „Die Einrichtung der Behörden im Einzelnen obliegt der Staatsregierung und aufgrund der von ihr erteilten Ermächtigung den einzelnen Staatsministerien.“ Damit ist eindeutig klar, wer nach der Verfassung zuständig ist. Dass die Staatsregierung in dieser nicht einfachen Willensbildung den Schulterschluss mit der Mehrheitsfraktion im Landtag herbeiführt, ist eine Frage der politischen Vernunft.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ihr wollt doch auch Geld, oder?)

Deshalb ist es logisch, dass wir sagen, wir klären, bevor die Staatsregierung eine Entscheidung trifft, alle Auswirkungen, die mit der Verwaltungsreform zusammenhängen, mit der Mehrheitsfraktion ab. Dann kommt die Entscheidung der Staatsregierung.

(Susann Biedefeld (SPD): Sie haben dazugelernt!)

Dort wo es notwendig ist, wird es Gesetzesvorlagen geben. Es sind in einer Reihe von Fällen Gesetzesänderungen notwendig. Sie werden dem Hause zur entsprechenden parlamentarischen Beratung zugeleitet werden. Im Übrigen sind die Beschlüsse der Staatsregierung immer dem Kontrollrecht des Parlaments unterworfen. Wo hier auch nur ein Millimeter undemokratischen Verhaltens wäre, bleibt Ihr Geheimnis, Herr Dürr. Lassen Sie doch diesen Unsinn, möchte ich dazu sagen.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben auch die Inhalte der Entscheidung angesprochen. Wir haben uns über die Verwaltungsreform in der

Tat das Ziel gesetzt, die Effizienz zu steigern und Personalausgaben einzusparen. Aber Sie werden in allen Veröffentlichungen lesen, dass wir dabei auch die regionale Ausgewogenheit berücksichtigen.

Ich möchte doch an die Debatte von heute Vormittag im Zusammenhang mit der Föderalismuskommission erinnern. Da ist von Sprechern, gerade von der SPD und von den GRÜNEN, gesagt worden, was wir in Berlin vertreten, nämlich die Forderung nach mehr Föderalismus, sollten wir doch bitte in Bayern machen. Bayern sei zu zentralistisch, da müsse eine Änderung her. Wenn wir jetzt in einem Verwaltungsbereich vorsehen, die Dezentralisierung zu verstärken, dann passt es Ihnen auch wieder nicht. Ich kann nur sagen, so kann wirklich nur eine Opposition reden: Am Vormittag Hü, am Nachmittag Hott. Regierungsfähig sind und werden Sie damit sicherlich nicht.

(Beifall bei der CSU)

Ich muss auch sagen, in dieser Art und Weise den Kollegen Schnappauf persönlich anzugehen und zu beleidigen, Herr Kollege Dürr, das ist unter dem Niveau des Parlaments.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ist „schwacher Minister“ eine Beleidigung?)

Wenn man es genau nimmt, dann leisten Sie damit auch der Demokratie keinen Dienst. Wenn Sie sachliche Entscheidungen immer in das Zwielicht von personellen Dingen hineinziehen, schaden Sie damit insgesamt der Glaubwürdigkeit der Demokratie in ganz erheblichem Ausmaß.

(Beifall bei der CSU – Margarete Bause (GRÜ- NE): Wenn jemand der Demokratie schadet, dann Sie!)

Man sollte keine Krokodilstränen darüber weinen, dass in anderen Teilen Deutschlands radikale und extremistische Parteien immer stärker werden, wenn man selber lupenreine demokratische Prozesse in dieser Art und Weise diffamiert und herabsetzt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Jetzt wird es immer noch schöner! – Christine Stahl (GRÜNE): Wer hat denn gesagt, dass man den rechten Rand stärken muss? Das war doch Ihr Beckstein!) : Lassen Sie mich noch eine Überlegung aussprechen. Warum Hof? Warum Oberfranken? Es ist mit Sicherheit niemandem, der für Informationen offen ist, entgangen, dass dieser Raum mit die größten Probleme in der wirtschaftlichen Umstrukturierung hat. Im Grunde ist es der älteste Industrieraum Deutschlands mit einer immer noch sehr hohen Industriedichte. Allerdings ist in den dortigen Schwerpunktbereichen Porzellan und Textil heute im globalen europäischen Wettbewerb leider nichts mehr zu gewinnen unter den Bedingungen, unter denen wir heute in Deutschland produzieren. (Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Deshalb hat sich Oberfranken mit großem Einsatz daran gemacht – und da haben, meine verehrte Kollegen von der SPD, auch sozialdemokratische Kommunalpolitiker ihre Verdienste –, Neues zu finden. Dass die GRÜNEN dafür keinen Sinn haben, kann man ad acta legen. Klar ist doch, dass dieser Raum in einem ganz harten Kampf steht mit dem Versuch, durch Zulieferbetriebe im Automobilbereich oder im IT-Bereich etwas zu tun. Und der Freistaat Bayern versucht, mit den Universitäten Bayreuth und Bamberg sowie den Fachhochschulen Hof und Coburg sowie durch den Verkehrsausbau diesem peripheren und wirtschaftlich schwierig zu gestaltenden Raum zu helfen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): An der Virtuellen Hochschule arbeitet eine Hoferin und der Geschäftsführer wohnt in München!)

Das alles ist ein wichtiger Beitrag, der fleißigen und qualifizierten Bevölkerung in Oberfranken eine neue wirtschaftliche Zukunft zu geben.

(Beifall bei der CSU)

Das ist unser Ziel. Herr Dürr, Sie wissen, dass ich viel Verständnis für Leidenschaft in der Politik, auch für Polemik habe. Aber wenn es jetzt darum geht, für diesen schwierigen Raum Oberfranken etwas zu tun, sollte man der Versuchung widerstehen, aus jedem Punkt, der in Bayern entschieden wird, eine massive Kritik und Polemik an CSU und Staatsregierung zu machen.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh, oh!)

Sie tragen dadurch nicht dazu bei, dass in Bayern auf hohem Niveau demokratisch diskutiert wird.

(Lachen und Zurufe von den GRÜNEN – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wir diskutieren wenigstens! Sie diskutieren nicht einmal!)

Uns geht es um die schwierige, harte und uns fordernde Aufgabe, für diesen Raum Oberfranken die wirtschaftliche Entwicklung wieder voranzubringen. Und es kann keinen Zweifel geben, dass dafür eine Fülle von Maßnahmen notwendig sind. Tun Sie doch nicht so, als ob wir nur an eine Behördenverlagerung denken würden.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Und tun Sie nicht so, als ob das Problem erste heute entstanden wäre!)

Ich möchte daran erinnern, dass Bayern mit dem Ertüchtigungsprogramm mit 100 Millionen Euro für den Grenzlandbereich als einziges Land in Deutschland etwas getan hat, um die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die Europäische Union für unseren Bereich abzufedern. Der Bundeskanzler hat im Dezember 2000 in Weiden kräftige Hilfe des Bundes versprochen. Das ist bald vier Jahre her. Die Hoffnung, dass da überhaupt noch ein Euro fließt, muss man aber leider begraben.

Ich möchte es noch einmal sagen: Ich bitte Sie herzlich, statt reiner Polemik hier an der Stelle, wo Sie es selbst entscheiden können, nämlich in Berlin, etwas für Oberfranken zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Es ist natürlich leichter, sich hierher zu stellen und eine polemische Rede zu halten.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wollen wir tauschen? Wir tauschen gern!)

Es ist viel schwieriger, sich der harten und fordernden Aufgabe zu unterziehen, eine Reihe von Instrumenten zusammenzuholen, Finanzierungen zu ermöglichen und Sonderprogramme aufzulegen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Reicht Ihre Zweidrittelmehrheit nicht mehr? Wir machen es gern!)

Der Bund lässt dieses Gebiet im Stich, aber wir kommen unserer Verantwortung nach, und deshalb meine ich, es steht Ihnen sehr viel besser an, ein bisschen nachzudenken, statt nur den Kehlkopf zu strapazieren.

(Dr. Sepp Dürr: Ihr seid zu schwach! – Zurufe von der CSU)

Ich habe das Ertüchtigungsprogramm genannt. Wir haben uns für Hof und Oberfranken um das BMW-Werk bemüht. Wir haben alles getan und versucht, Hof für BMW zu schmücken. Leider hat man sich bei BMW für Leipzig entschieden. Der Staatssekretär und der Wirtschaftsminister sind im Grunde unermüdlich tätig, um diesen Raum Hof/Wunsiedel/Nördliche Oberpfalz voranzubringen, und da ist eben auch eine Behördenverlagerung in der Tat etwas, was nicht nur zur Imagepflege beiträgt, sondern auch Arbeitsplätze dort hinbringt.

Wenn wir von der Wirtschaft fordern, sie solle doch bitte im Hofer Raum investieren, sollte auch der Staat, wo immer er die Möglichkeit hat, ein gutes Beispiel geben und dort Arbeitsplätze hinbringen. Das wäre die richtige Logik und wäre glaubwürdig.

Herr Kollege Schnappauf hat den Entscheidungsablauf zu diesen Ämtern kurz erwähnt. Ich möchte den Entscheidungen, die in den nächsten Wochen fallen, nicht vorgreifen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ihr habt im Kabinett doch schon entschieden!)

Wir haben den Entwurf auf den Weg gebracht und wir werden in der nächsten Woche entscheiden.

Die Kollegen aus dem Raum Oberbayern und München hier im Landtag wie auch die Bediensteten bitte ich um ein gewisses Verständnis. Wenn eine Entscheidung fällt, dass eine Behörde oder ein Teil eines Landesamtes nach Hof verlagert werden soll, weiß jeder, dass viele Bedienstete, die sich auf München eingerichtet haben und darauf vertrauen konnten, dass das Amt noch länger in München bleibt, zunächst betroffen reagieren und versuchen, Kritik zu üben oder auch Fragen zu stellen. Ich bitte aber

auch Folgendes zu sehen: Wir zahlen in München im Jahr 20 Millionen Mietkosten für die Unterbringung von Behörden. Weil im Münchner Raum etwa 20 % der Bediensteten des Freistaates angesiedelt sind, kann man so etwas wie eine Behördenverlegung durchaus erwägen. Dabei müssen wir selbstverständlich die Vor- und Nachteile abwägen und es müssen die Belange der Bediensteten ebenso eine Rolle spielen wie die strukturpolitischen Überlegungen. Man muss überlegen, in welchem Zeitraum etwas geschehen kann. Es ist klar, dass es nicht von heute auf morgen geht und dass es sozialverträglich sein muss, wie wir es in Bayreuth und Schweinfurt gemacht haben. Darauf muss man sich verlassen können.

Deshalb möchte ich Sie, meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktion, aber auch alle anderen, bitten, die Debatte dem Ernst der Frage gemäß zu führen und sich nicht in reiner Polemik zu ergehen. Wir müssen uns der Auswirkungen für Oberfranken wie auch für München und das Landesamt bewusst sein und versuchen, für die Ziele, die wir erreichen wollen, eine sachgerechte Lösung für ganz Bayern zu finden. Bayern ist ein Flächenstaat. Deshalb sollte der Staat mit wichtigen Behörden auch im ganzen Land vertreten sein.