Protocol of the Session on October 19, 2004

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNEN haben für die heutige Aktuelle Stunde eine sehr interessante Überschrift gewählt: „Notstand an Bayerns Schulen: Kein Konzept, kein Personal, kein Geld“. Wenn ich Lehrer wäre und das, was ich heute gehört habe, als Aufsatz bewerten müsste, käme ich zu dem Ergebnis: Die GRÜNEN und die SPD haben das Thema klar verfehlt. Ungenügend. Bitte setzen.

Meine Damen und Herren, Sie behaupten, wir hätten kein Personal. Wir haben von 1993 bis 2004 5400 neue Lehrer eingestellt. Allein im Schuljahr 2005/2006 werden wir durch die Erhöhung der Unterrichtspflichtzeit 887 neue Stellen schaffen.

(Marianne Schieder (SPD): Sie sparen sich die Besetzung dieser Stellen!)

Wir haben in Bayern insgesamt 108 000 Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt. Die These, wir hätten kein Personal, trifft also nicht zu.

Ihre nächste These lautet, wir hätten kein Geld. Der Haushalt für die Schulen ist von 1999 bis 2004 um 19 % gewachsen. Heute beläuft sich der Bildungshaushalt auf rund 7,5 Milliarden Euro. Das ist ein knappes Viertel des Gesamthaushalts des Freistaats Bayern. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Maget, auch diese These ist widerlegt. Im Freistaat Bayern regiert nicht der Rotstift.

Die nächste These lautet, wir hätten kein Konzept. Auch diese These ist objektiv falsch; denn alle internationalen Schulleistungsstudien, zum Beispiel Pisa und Iglu, haben bewiesen, dass Bayern ein hervorragender Bildungsstandort ist. Meine Damen und Herren, das sind natürlich keine Gründe für ein Ausruhen. Wir müssen uns den Herausforderungen stellen, die in der globalisierten Arbeitswelt und im Internetzeitalter auf unser Bildungssystem zukommen.

Weitere Herausforderungen sind die steigende Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund und natürlich auch die Veränderungen unserer Gesellschaft, die sich besonders in den Familien widerspiegeln. Ich möchte das am Beispiel der Situation in Unterfranken deutlich machen. Dort sind 52 % der Erstklässler Einzelkinder. Ein Drittel der Erstklässler kommt aus allein erziehenden Haushalten, das heißt, es fehlt ein Elternteil, der für die Erziehung wichtig wäre. Die Kinder lernen heute nicht mehr in ihren Familien, sich einzuordnen oder sich in die Gemeinschaft einzubringen.

Meine Damen und Herren, alle diese Herausforderungen müssen von der Schule gemeistert werden. Der Freistaat Bayern stellt sich in seinem Bildungssystem diesen Herausforderungen. Ich darf Sie alle einladen, an diesem System mitzuwirken. Meine Damen und Herren, ich lade die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die SPD herzlich dazu ein, an der weiteren Gestaltung unseres Lehrangebots mitzuarbeiten. Der Blick in die führenden Pisa-Länder hat gezeigt, dass die Leute dort ihr eigenes Schulsystem nicht schlecht reden, sondern stolz auf ihr Schulsystem und auf ihre Länder sind.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf ein paar Äußerungen der Frau Kultusministerin antworten: Sie hat ihre Rede mit dem Vorschlag begonnen, die Bildung müsse bei Franz Maget ansetzen. Liebe Frau Kultusministerin, wir verwahren uns gegen jegliche Belehrungen von Personen, die ihre eigenen Kinder auf Privatschulen schicken, weil sie kein Vertrauen in das öffentliche Schulwesen haben.

(Beifall bei der SPD)

Das zum Ersten – in der CSU-Fraktion soll es bekanntlich noch Weitere geben.

Zum Zweiten: Wir verwahren uns auch gegen Vorwürfe der Unehrlichkeit in der Politik; Frau Kultusministerin, Sie haben den Anspruch auf Ehrlichkeit seit der Münchner CSU-Affäre verloren, und deswegen lassen Sie es, über Ehrlichkeit zu sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Sie werfen der Opposition Panikmache gegenüber dem G 8 vor. Ich hoffe, dass Sie das auch dem Philologenverband und den anderen Lehrerverbänden mitteilen. Ich darf aus der Pressemitteilung des Philologenverbandes zum Schulanfang zitieren: „Die Politik täuscht sich und die Öffentlichkeit.“ Gemeint ist die CSU-Staatsregierung; Frau Hohlmeier, Sie täuschen sich und die Öffentlichkeit. Das ist die Auffassung des Philologenverbandes zu der Behauptung, das G 8 funktioniere wunderbar. Wir hören, es laufe alles perfekt, aber der Philologenverband sagt das Gegenteil. Genauso sagen auch die übrigen Lehrerverbände das Gegenteil; Sie müssen das nur nachlesen, dann wissen Sie es. Offensichtlich ist Ihnen das entgangen.

Kein Mensch möchte eine Planwirtschaft von München aus. Im Gegenteil, wir wollen mehr selbstständige Schulen – das haben wir oft genug gesagt. Wir würden uns aber auch wünschen, dass im Kultusministerium überhaupt etwas zur Bildungspolitik geplant wird. Aber dort herrscht Chaos; es herrscht nicht Planwirtschaft, sondern Chaos.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Frau Kultusministerin, seit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im letzten Jahr sind die Bildungspolitik und die Schulpolitik in Bayern chaotisiert. Sie sind beauftragt, dieses Chaos zu verwalten, und das machen Sie auch noch schlecht. Das ist die Realität.

Zur Frage der Investitionen, die Sie immer gerne hochhalten, muss ich Ihnen sagen, dass Sie in Bayern bei dem Anteil der Ausgaben für Schulen am Bruttoinlandsprodukt bei 2 % liegen, während der Bundesdurchschnitt 2,3 % beträgt. Dabei handelt es sich um den schlechtesten Durchschnittswert aller OECD-Staaten; Sie liegen also bei

weitem nicht im Durchschnitt der Ausgaben der Bundesländer; denn es fehlen 0,3 Prozentpunkte, und das sind exakt 1,1 Milliarden Euro, die Sie weniger ausgeben als der Schnitt der Bundesländer. So viel zum Thema „Mit dem Finger auf Berlin zeigen“.

Apropos mit dem Finger auf Berlin zeigen: Was Sie bei Ihrem ewigen Kampf gegen Berlin immer wieder vergessen, ist, dass von Berlin immerhin vier Milliarden Euro für Ganztagsschulen bereitgestellt wurden. Das ist eine Leistung, die Sie in Bayern nicht nachweisen können, was auch der Haushalt zeigt. Herr Faltlhauser, der offensichtlich die Bildungspolitik in Bayern übernommen hat, hat vor, 550 Millionen aus Verkäufen von Eon-Aktien für den Haushalt zu verwenden. Er hat die 550 Millionen noch nicht erhalten, aber er verwendet sie schon. Gerade mal 2,7 % dieser Investitionen gehen an die Schulen.

Das ist die bittere Wahrheit über die bayerische Schulpolitik und die Wahrheit über das Ausmaß der Investitionen. Von diesem Anteil im Umfang von 2,7 % – auch das muss man einmal sagen – werden Treppenhäuser in Ihrem Ministerium saniert anstatt Schulhäuser. Wir sagen Ihnen: Machen Sie es wie der Bund: Anstatt zu schimpfen, sanieren Sie besser Schulhäuser anstatt Treppenhäuser im Ministerium. Ich glaube, dann kommen wir weiter. Hören Sie endlich mit dem ewigen Schönreden auf – das will in der bayerischen Politik keiner mehr hören und kann keiner mehr glauben –, dann können wir vielleicht gemeinsam zu einer besseren Lösung kommen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Prof. Waschler.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf einleitend eine kleine Anmerkung zum Stil in diesem Hohen Hause machen: Ich empfinde es als im negativen Sinn bemerkenswert, wenn in das Persönliche so eingegriffen wird, dass man mit falschen Informationen die Familie der Ministerin in irgendein Licht zu rücken versucht, zumal, wenn man weiß, dass sich ein Sohn der Ministerin an einem staatlichen Gymnasium befindet. Wenn man – schlimm genug – solche gemeinen Angriffe praktiziert, sollte man sich zumindest richtig informieren.

Ich darf beim Kollegen Maget bleiben: Er hat immer den Begriff Realitätsverlust verwendet. Ich möchte den Ring schließen und am Ende eine Frage speziell an ihn stellen. Zunächst mache ich ihm ein Angebot, weil er behauptet hat, die Klassen seien heute größer als früher. Wenn Herr Kollege Maget mir nachweist, dass die Klassen heute größer sind als früher, gehe ich eine Woche als Gymnasiallehrer freiwillig als Mobile Reserve an irgendein Gymnasium, das mich braucht.

(Franz Maget (SPD): Das nehme ich an!)

Umgekehrt hoffe ich sehr, Herr Kollege Maget, dass Sie dann auch für eine Woche in irgendeiner Form einem staatlichen Gymnasium zur Verfügung stehen. Die Klassen seien heute größer als früher – das ist die Marke, die

Sie gesetzt haben. Über die Auslegung – das ist eine andere Sache – können wir uns noch trefflich unterhalten.

Zur Realität, Tatsache Nummer eins: Für Bildung wurde und wird sehr viel getan. Das belegen die Steigerungsraten im Haushalt. Wenn man die Einzelhaushalte akribisch vergleicht, kann man feststellen, dass die Steigerungsraten im Bildungshaushalt – auch unter Herausrechnung von Sonderumständen wie der Versorgung – ein Rekordniveau erreichen. Schauen Sie sich den Einzelplan 10 an, dann werden Sie feststellen, dass die Steigerung von 2004 bis 2005 4,5 % ausmacht. Das beruht praktisch ausschließlich auf dem Anstieg gesetzlicher Leistungen. Im Einzelplan 07 können wir eine Steigerung um 2,3 % feststellen. Das beruht eindeutig auf Bahnregionalisierungsmitteln, also auf durchlaufenden Bundesmitteln. Einzelplan 13 – kommunaler Bereich: Hier sind zusätzliche Mittel für die Kommunen aufgenommen.

(Zuruf der Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Frau Kollegin, hören Sie doch einmal zu. Das sind Tatsachen, die Sie aus dem Entwurf herauslesen können.

Wenn man sich den Doppelhaushalt ansieht, stellt man bei der Wissenschaft unter Einbeziehung der Privatisierungserlöse einen Zuwachs von 6,8 % und im Bildungsbereich einen solchen von 4,3 % fest. Wenn man ein klein wenig in die Vergangenheit schaut – ich weiß, dass das alles weh tut –, dann ist festzustellen: Insgesamt ist ohne Einrechnung von Privatisierungserlösen der Gesamtstaatshaushalt von 1999 bis 2004 um 6 %, der Schulhaushalt dagegen um 19 % gestiegen. Im Doppelhaushalt 2005/2006 – wie gesagt – ergibt sich eine Steigerung für den Gesamthaushalt von 3 % und für den Bildungshaushalt von 4,3 %.

Tatsache Nummer zwei:

(Zurufe von der SPD)

Ich bitte darum, diese Tatsachen sachlich, neutral und ruhig zur Kenntnis zu nehmen. Es ist nichts Böses.

Seit Jahren erfolgt eine Stärkung des Schulbereichs, die in verschiedenen Quellen nachzulesen ist. Stelleneinsparungen von 1993 bis 2004 nach den entsprechenden Artikeln – Artikel 6 a und 6 b des Haushaltsgesetzes und 20-Punkte-Programm der Staatsregierung –: 9541 Stellen, davon nur 441 Stellen im Kultusbereich. Jetzt komme ich auf den Punkt. Ich beziehe mich als Quelle auf die Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der Kollegin Naaß – es kann jeder nachlesen –, Drucksache 15/1590. Wenn man den gesamten öffentlichen Dienst nimmt, dann stellt man fest, dass es von 1993 bis 2004 ein relativ geringes Plus von 1316 Stellen, im Schulbereich aber eine spürbare Mehrung um 4732 Stellen gegeben hat.

Tatsache Nummer 3: Bildung hat Vorrang in Bayern. Das zeigt sich bei den Lehrerstellen. Es ist richtig gesagt worden: Es sind effektiv mehr Lehrerstellen zur Verfügung, nämlich 846.

(Marianne Schieder (SPD): Wo sind die denn?)

Die Lehrerarbeitszeit spielt hierbei eine Rolle. Ich hab das schon einmal erläutert, Frau Kollegin. Diese Zahl beinhaltet 241 echte effektive Stellen, 645 Stellen stammen aus der UPZ-Erhöhung. Daraus ergibt sich als Fazit folgende Feststellung – damit komme ich zum Schluss: Wir haben in Bayern hoch motivierte und gut ausgebildete Lehrer. Bei den Leistungsvergleichen steht Bayern immer an vorderster Stelle. Das G 8 läuft brauchbar an.

(Hans Joachim Werner (SPD): Brauchbar!)

Hier sind an verschiedenen Ecken noch Dinge zu schleifen. Das ist klar. Hier ist Verbesserung angesagt. Die Lehrer/Schüler-Relation in Bayern insgesamt ist brauchbar und günstiger als anderswo.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das war eine Kritik! – Franz Maget (SPD): Brauchbar heißt vier minus!)

Wenn man die Verantwortung für weitere zusätzliche Stellen sucht, so kann man sagen: Wer vermeidet mehr Gelder im Haushalt? – Rot-Grün. Wer fordert eine Bildungsmilliarde und sagt nicht, woher das Geld kommen soll? – Die Antwort ist einfach: auch Rot-Grün. Wer leidet unter Realitätsverlust? – Diese Frage lasse ich offen, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Pranghofer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tauchte tatsächlich die Frage auf, was brauchbar ist.

Ich möchte noch einmal auf die Schulwirklichkeit zurückkommen. Notstand heißt, sich mit der Schulwirklichkeit auseinander zu setzen. Frau Ministerin, Sie und die Kollegen der CSU werden mir zustimmen, dass es noch nie nach einer Pressekonferenz zu Schuljahresanfang so negative Mitteilungen von allen Verbänden gegeben hat. Ich zitiere aus einer Zeitschrift des Verbandes der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern e.V. – VLB. Hier heißt es:

Eine perfekt inszenierte Schau.

So schreibt Herr Peter Thiel.