Protocol of the Session on July 21, 2004

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Lachen bei der CSU)

Ich weiß nicht, worüber Sie sich amüsieren; denn die Lage vor Ort ist nicht so, dass man sich darüber amüsieren könnte. Von den forschen Reden, von den flotten Sprüchen, von den großspurigen Auftritten können unsere Schulen, wie man so schön sagt, nichts abbeißen.

(Gerhard Wägemann (CSU): Das ist bloßes Schlechtreden!)

Das ist kein Schlechtreden. Jetzt einmal im Ernst: Das ist eine Analyse der Situation, Herr Kollege Wägemann, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Durch das Ignorieren der Wahrheit vor Ort wird man die richtigen Lösungen auch nicht finden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Manche bauen sich eben ihre Realität!)

Ich meine, wer nach solch hitzigen Debatten um das G 8 eine derart schlechte Arbeit vorlegt, sollte sich schämen und zugeben, dass er seinen Aufgaben nicht gewachsen ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

So kann man mit den Menschen vor Ort nicht umgehen. Die Frau Kultusministerin hätte wirklich besser daran getan, sich, wie ich das heute in der „Süddeutschen Zeitung“ gelesen habe, um ihre eigentliche Aufgabe als Kultusministerin zu kümmern und weniger um den Saustall der Münchner CSU.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie können wirklich von niemandem in diesem Parlament, der seine Aufgabe ernst nimmt, erwarten, dass man einem solchen Chaos zustimmt. Es zeigt sich doch jeden Tag aufs Neue, dass all diejenigen Recht hatten – der Philologenverband, die Opposition in diesem Haus, auch meine Fraktion –, die immer und immer wieder darauf hingewiesen haben, dass es gar nicht möglich sein kann, eine so umfangreiche Veränderung in der Schulstruktur an unseren Gymnasien mit einem solchen Tempo und mit einer derart schlechten Vorbereitung durchzuziehen.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten wirklich besser daran getan, die Befürchtungen der Betroffenen ernst zu nehmen und unsere Forderungen und Vorschläge aufzugreifen. Zunächst einmal hätte eine intensive Debatte geführt werden müssen über das Für und Wider. Dann hätte man bei einer entsprechenden Akzeptanz für ein G 8 sich genügend Zeit lassen müssen, um eine gründliche Vorbereitung zu ermöglichen. So aber, wie Sie diese Reform jetzt angelegt haben, kann man ihr keinesfalls zustimmen.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Franz Josef Pschierer (CSU): Das reicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe bekannt, dass die SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt hat. Als Nächste hat sich Frau Kollegin Bause gemeldet. Bitte, Frau Kollegin.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Herr Kollege Sibler, Ihre Rede ging völlig am Thema vorbei. Was Sie hier abgeliefert und verbreitet haben, das war Propaganda.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie sind mit keinem Wort auf die aktuellen Probleme eingegangen, die die Einführung des G 8 mit sich bringt. Sie haben kein Wort dazu gesagt. Dabei hatte die CSU-Fraktion doch erst heute Morgen eine Sondersitzung über die Probleme an den bayerischen Gymnasien und über die Mängel, die sich im Moment gerade herausstellen, über den Alarm, den die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen derzeit schlagen, und zwar zu Recht schlagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Franz Josef Pschierer (CSU): Schmarrn!)

Frau Kollegin Schieder hat in dankenswerter Klarheit ausgeführt, welche Probleme im Moment an den bayerischen Schulen, an den bayerischen Gymnasien herrschen. Das angeblich beste Gymnasium, das die Welt jemals gesehen hat, das neue G 8, das Frau Hohlmeier einführen will, beginnt mit Chaos. Es beginnt mit übervollen Klassen, mit Lehrermangel, mit Stundenausfall.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Intensivierungsstunden, von denen Sie hier gerade noch so geschwärmt haben, stehen in den Sternen, weil die Lehrer noch nicht einmal den Pflichtunterricht abhalten können. Es sind einfach zu wenig Lehrer an den Schulen, und wir wissen heute, am Ende dieses Schuljahres, noch nicht, was zu Beginn des neuen Schuljahres, in sechs Wochen, tatsächlich in den Schulen los ist. Wir wissen nicht, wie groß die Klassen sind, wie viele Lehrer sie haben werden und ob sie ihren Unterricht überhaupt ausführen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das soll für Sie der Start in die angeblich beste Schule sein, die wir je gesehen haben.

Herr Kollege Sibler, ich kann für Sie nur ins Feld führen, dass Sie hier als braver CSU-Abgeordneter die Propaganda des Ministeriums ablesen. Tatsächlich verantwortlich ist die Ministerin. Frau Ministerin Hohlmeier, ich muss Ihnen nach dieser Woche sagen: Sie haben versagt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Sie haben als Münchner CSU-Vorsitzende versagt, das haben Sie gestern eingestehen müssen.

(Widerspruch bei der CSU)

Sie haben auch als Kultusministerin auf der ganzen Linie versagt, nicht nur als Münchner CSU-Vorsitzende.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CSU)

All unsere Befürchtungen durch die überhastete Einführung des G 8 sind nicht nur bestätigt worden, sie sind bei weitem übertroffen worden; Frau Schieder hat das ausführlich dargestellt. An den Schulen herrschen Unsicherheit und Chaos. Für dieses Chaos tragen Sie, Frau Ministerin, die volle Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben Dinge versprochen, die Sie nicht einhalten konnten. Sie haben die Betroffenen über die wahren Bedingungen getäuscht, die an unseren Schulen in Zukunft herrschen werden. Sie haben versucht, das Ganze auch noch schönzureden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind deshalb nicht nur als Münchner CSU-Vorsitzende unfähig, Sie sind auch als Kultusministerin unfähig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Georg Stahl (CSU): Das ist unfair! – Weiterer Widerspruch bei der CSU)

Sparen Sie sich Ihre heuchlerische Empörung. Zum Teil werden die Messer von den eigenen Leuten unter den Tischen schon gewetzt, nicht wahr, Herr Spaenle?

Der entscheidende Unterschied ist: Wenn Frau Hohlmeier der Münchner CSU Schaden zufügt, dann habe ich nicht wirklich etwas dagegen. Aber wenn sie unseren Kindern Schaden zufügt, dann ist das unerträglich und muss abgestellt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Renate Dodell (CSU): Unverschämtheit!)

Es kann nicht sein, dass unsere Kinder ausbaden, was die Kultusministerin nicht auf die Reihe bekommt. Das ist nicht hinnehmbar, das können wir unseren Kindern nicht zumuten.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Es geht aber nicht nur um Unfähigkeit: Ich frage mich, Frau Hohlmeier, wie Sie zukünftig Ihr Amt ausfüllen wollen. Was wollen Sie denn unseren Schülerinnen und Schülern bei Schulbesuchen von sozialer Verantwortung erzählen? Wie wollen Sie ihnen klarmachen, dass Kopfnoten notwendig sind, wie wichtig die Bewertung des Sozialverhaltens der Schülerinnen und Schüler ist, wie wichtig es ist, ehrlich und anständig zu sein? Wie wollen Sie ihnen das erhobenen Hauptes, ohne rot zu werden und ohne dass die Schülerinnen und Schüler Sie auslachen, klarmachen? Sie haben nicht nur in der Sache versagt, Sie haben auch moralisch versagt, Frau Hohlmeier.

(Beifall bei den GRÜNEN – Georg Stahl (CSU): Das ist unchristlich! – Lachen bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Das war ein schönes Eigentor, Herr Kollege. Weiter so!

Frau Hohlmeier, Sie sind selbst in eine Wahlfälschungsaffäre verstrickt und mussten deswegen zurücktreten. Wie wollen Sie dann noch politischen Unterricht in der Schule vertreten? Wie wollen Sie Demokratie in der Schule vertreten?

(Widerspruch bei der CSU)

Sie versuchen, Ihren Kopf mit Druck und Erpressung aus der Schlinge zu ziehen. Kollege Spaenle hat das bestätigt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Wenn Sie, Frau Hohlmeier, meinen, ein Amt mit Druck und Erpressung ausüben zu müssen, dann sind Sie nicht weiter fähig, Kultusministerin zu sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)