Es war auch ein Problem der Weimarer Republik, die die erste Demokratie in unserem Land geschaffen hatte, dass sie sich in der Tat solchem Missbrauch der Freiheitsrechte nicht richtig zur Wehr zu setzen wusste.
Ich sage des Weiteren, dass es in der Tat – auch da schließe ich an eine oder zwei Bemerkungen von Ihnen an, Herr Kollege Schindler – der Bund in den letzten Jahren versäumt hat, sein Versammlungsgesetz an die im wohlverstandenen Sinn anspruchsvolle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen, und zwar in mancherlei Hinsicht. Es gab verschiedene Ausformungen sowohl hinsichtlich der Betonung der Freiheitsrechte, aber genauso hinsichtlich der notwendigen Grenzen der Demonstrationsfreiheit.
Folge ist, dass heute – da haben Sie Herrn Professor Battis zu Recht zitiert – die versammlungsrechtliche Praxis deutlich stärker durch eine kaum mehr zu überschauende Einzelfallrechtsprechung geprägt ist als durch klare gesetzgeberische Grundentscheidungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir das nun wieder vernünftig in einem Gesetz zusammenführen.
Wichtiger aber noch als dieser Aspekt ist, dass das Versammlungsgesetz des Bundes nur unzulängliche Antworten auf bedenkliche Entwicklungen bei Versammlungen aus den extremistischen Bereichen gibt. Unser neues bayerisches Versammlungsgesetz muss auch auf diese Entwicklungen reagieren. Dies gilt zum einen für Versammlungen von Rechtsextremisten, die durch den Tag oder Ort einer Versammlung oder die dort geäußerten Meinungen vielfach an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft anknüpfen und damit in unerträglicher Weise provozieren. Bedenklich sind aber auch Entwicklungen im Bereich linkextremistischer militanter Gruppierungen, die Versammlungen missbrauchen, um aus der Menge heraus Straftaten zu begehen, oder nur Gelegenheit suchen, Randale zu machen. Uns allen sind
ben hat, die dergleichen behauptet haben. Zeigen Sie mir doch bitte eine einzige Gewerkschaftsversammlung in Bayern, die eine Versammlungsbehörde oder die Polizei zu verbieten oder behindern versucht hat. Sie werden sich schwer tun, ein Beispiel anführen zu können, bei dem Gewerkschaftsdemonstrationen behindert worden sind.
Das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein, weil niemand auf diese Idee kommt und das nicht im Geringsten im Blick hat.
Wir haben in der Tat als erstes Land in der Bundesrepublik Deutschland von der neuen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, die wir durch die Föderalismusreform erhalten haben, und das ist richtig.
Egal, wie man diese Entscheidung der Föderalismuskommission und der Reform von Bundestag und Bundesrat bewertet, ich freue mich, dass auch Sie erkannt haben: Jetzt haben wir die Zuständigkeit, nun sollten wir davon auch Gebrauch machen. Ich bedanke mich insofern für die Bemerkung des Herrn Kollegen Schindler.
Ein wesentliches Ziel ist es – das haben wir vom ersten Tag an erklärt –, rechtsextremistische Umtriebe wirksamer als bisher bekämpfen zu können und rechtsextremistischen Umtrieben auf unseren Straßen besser als bisher entgegentreten zu können. Wir haben in Bayern nun mal – zum Beispiel mit den ehemaligen Konzentrationslagern Dachau und Flossenbürg, mit den sogenannten Täterorten des NS-Regimes wie dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, dem Platz vor der Feldherrnhalle in München oder mit dem Königsplatz in München – eine besondere Verantwortung für den Schutz der Würde der Opfer des Nationalsozialismus und damit auch eine besondere Verantwortung für den Umgang mit rechtsextremistischen Aufmärschen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, ob Sie gestern zufällig in die „Süddeutsche Zeitung“ geschaut haben. Dort ist vor einem völlig anderen Hintergrund, aber meines Erachtens für unsere Debatte sehr bemerkenswert, ein großer Bericht über aktuelle politische Entwicklungen in Ungarn zu lesen gewesen. In dieser „Süddeutschen Zeitung“ – wohlgemerkt: „Süddeutschen Zeitung“ – war die Überschrift: „Gefährliche Nebenwirkungen der Meinungsfreiheit. Ungarns Demonstrationsrecht ist eines der liberalsten in Europa – Rechtsextreme Schlägertrupps profitieren davon.“ Es wird dann näher ausgeführt, dass sich in Ungarn Übergriffe rechtsextremer Vereine und Schlägertrupps häufen und sich bei ihren Aktionen die liberalen Gesetze des Landes zunutze machen. Bislang haben die demokratischen Parteien und Gruppen noch kein Mittel gefunden, um den immer öfter gewalttätigen Auftritten der rechten Trupps Einhalt zu gebieten. Der sozialistische Ministerpräsident Gyurcsány unternimmt nun den Versuch, eine „Charta gegen rechte Gewalt“ ins Leben zu rufen, die parteiübergreifend alle demokratischen Institutionen des Landes zum Widerstand zusammenführen soll. Ich will den Wortlaut nicht in allen Einzelheiten zitieren. Aber es ist offensichtlich richtig und notwendig, dass wir uns damit auseinandersetzen.
Unsere Regelungen sind leider auch durch die jüngste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verbot des Heß-Gedenkmarsches in Wunsiedel nicht hinfällig geworden. In den Ausschussberatungen war immer wieder zu hören, dass diese Entscheidung zeige, dass das bisherige Instrumentarium doch ausreicht. Das ist aber leider nicht der Fall. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lassen sich zwar hoffentlich künftig die rechtsextremistischen Aufmärsche in Wunsiedel verhindern. Ich erinnere aber daran, dass bayerische Verwaltungsgerichte im Jahr 2007, also bereits nach der Änderung des § 130 Absatz 4 des Strafgesetzbuches, Versammlungsverbote für München und Gräfenberg nicht gehalten haben, obwohl es sich in beiden Fällen offensichtlich um Ersatzveranstaltungen für die verbotene Veranstaltung in Wunsiedel gehandelt hat.
Das ist nur ein Beispiel für den nach wie vor bestehenden Regelungsbedarf, den wir mit unserem Gesetzentwurf aufgreifen, weil wir meinen, dass die Strafnorm des § 130 Absatz 4 StGB den verfassungsrechtlichen Regelungsspielraum noch nicht ausschöpft. Ich halte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für ein klares Signal an die Gesetzgeber, ihre Regelungsspielräume gegen rechtsextremistische Veranstaltungen tatsächlich auch zu nutzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben mit unserem Gesetzentwurf aber nicht nur Rechtsextremisten im Auge, sondern in der Tat auch militante Linkextremisten. Wir wollen das bisherige Uniformierungsverbot um ein allgemeines Militanzverbot erweitern, um gewaltbereite Rechtsextremisten und linksextremistische schwarze Blöcke daran zu erinnern, dass – ich sage es noch einmal – das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung nur friedliche Versammlungen schützen. Nicht zum ersten Mal legen wir damit in Bayern einen Maßstab vor, an dem sich – davon bin ich fest überzeugt – in den nächsten Jahren auch eine ganze Reihe anderer Bundesländer orientieren werden.
Die Kritik, die hiergegen geäußert wurde, ist exemplarisch für viele Vorwürfe. Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Versammlungsgesetz des Bundes seit jeher ein strenges Uniformierungsverbot enthält, das wegen seiner tatbestandlichen Reichweite oft kritisiert wurde.
Nach seinem Wortlaut verbietet es „jedwede gleichartige Kleidung als Ausdruck einer politischen Gesinnung in der Öffentlichkeit und in Versammlungen“. Es umfasst daher streng genommen auch Verhaltensweisen, die unverfänglich sind. Mit unserem Gesetzentwurf tragen wir dieser Kritik am Bundesgesetz gerade Rechnung und schränken das Uniformierungsverbot auf die Fälle ein, in denen die Uniformierung tatsächlich Indiz für eine potenziell unfriedliche Veranstaltung ist.
Wir verlangen daher für das Verbot künftig zusätzlich, dass die Uniformierung bzw. die gleichartige Kleidung „einschüchternd“ wirken muss.
die abschreckenden Bilder aus Rostock anlässlich des G-8-Gipfels 2007 oder auch die Bilder von den Krawallen am 1. Mai dieses Jahres in Hamburg oder in Berlin noch in Erinnerung. Ich unterstreiche ausdrücklich: Artikel 8 des Grundgesetzes schützt friedliche Versammlungen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Friedliche Versammlungen sind im Grundgesetz geschützt, nicht gewalttätige Auftritte von Chaoten auf unseren Straßen.
Unser Gesetzentwurf schöpft in diesem Punkt die verfassungsrechtlichen Grenzen in der Tat aus, um die Probleme, die von rechtsextremistischen Versammlungen ausgehen, besser bewältigen zu können.
Das sind wir vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte unseren Bürgerinnen und Bürgern und unserem Ansehen im Ausland auch schuldig. Der Gesetzentwurf stellt dazu den Schutz der Würde der Opfer des Nationalsozialismus in den Mittelpunkt. Droht diese Würde verletzt zu werden, lässt der Gesetzentwurf Einschränkungen rechtsextremistischer Versammlungen zu. Dies gilt sowohl für herausgehobene Tage und Orte also auch für Meinungen, die das nationalsozialistische Gewalt- und Willkürregime billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen. Wir reagieren damit auf das unerträglich provozierende Auftreten Rechtsextremer, die die Würde der Opfer des Nationalsozialismus im wahrsten Sinn des Wortes mit Stiefeln treten.
Aber auch wenn es darum geht, ob dieses Gesetz notwendig ist, müssen wir es genauso machen. Mein sozialdemokratischer Amtskollege in Sachsen-Anhalt hat sich in diesem Jahr schon zum zweiten Mal anlässlich des 20. April der dort in den letzten Jahren leider in Mode gekommenen neonazistischen Umtriebe nicht anders zu helfen gewusst, als dass er für diesen 20. April wie im Jahr 2007 so auch in 2008 ein landesweites totales Demonstrationsverbot erlassen hat, weil er anders die Umtriebe der Neonazis am 20. April in Sachsen-Anhalt nicht mehr in den Griff bekommen hätte.
Meine Damen und Herren, es ist schlimm genug, dass wir in Teilen Ostdeutschlands inzwischen wieder so weit sind. Aber wenn ich das, was wir an Maßnahmen in einem bayerischen Versammlungsgesetz vorschlagen, in Relation dazu setze, dass für ein gesamtes Bundesland für einen ganzen Tag ein totales Demonstrationsverbot erlassen wird – ganz egal für wen und um welches Thema es geht –, dann ist das die absolut geringere Schwelle und das wesentlich Harmlosere
gegenüber dem – ich will das gar nicht kritisieren –, was aus zwingenden Gründen in Sachsen-Anhalt getan wurde.
Herr Staatsminister, würden Sie bitte dem Hohen Haus klarstellend erläutern, dass meine Fraktion in ihrem Änderungsantrag nicht beantragt hat, den Artikel 7 Absatz 1 Ihres Gesetzentwurfes zu ändern, sondern den Absatz 3 zu streichen. Außerdem sollten Sie klarstellen, dass die CSU-Fraktion diesen Vorschlag in ihren Gesetzentwurf übernommen hat. Wir haben also nie über Artikel 7 Absatz 1 gestritten, den Sie eben zitiert haben, sondern wir haben Absatz 3 kritisiert. Ich bitte, das hier klarzustellen.
Das ist mir bewusst, Herr Kollege Schindler, und deswegen habe ich Sie auch mit keiner Silbe attackiert, sondern mich sehr deutlich an die Fraktion der GRÜNEN gewandt, die in der Tat einen wörtlich nahezu gleichen Text vorlegen,
gleichzeitig draußen im Lande aber Propaganda treiben, als ob wir den Jugendverbänden, wie beispielsweise den Pfadfindern, das Auftreten erschweren wollten.
Herr Innenminister, ich frage mich, woher Sie wissen, was ich wem erzähle und außerdem frage ich mich, ob Sie tatsächlich wissen, wie wir die Gesetzentwürfe mit den einzelnen Verbänden besprochen haben. Das ad eins.
Zweitens bitte ich mir zu erklären, wieso Sie etwas an unserem Gesetzentwurf kritisieren, was geltende Rechtsprechung ist und wir somit in unserem Gesetzentwurf genau alles das aufgenommen haben, was bisher im Bundesrecht gerichtsfest festgestellt worden ist. Sie bauen jetzt die ganze Zeit einen Mythos um unseren Gesetzentwurf auf, der so schlicht und einfach nicht gerechtfertigt ist. Ich fordere Sie auf, das hier jetzt endlich richtigzustellen.
Damit schaffen wir in Bayern nun auch ausdrücklich das liberalste Uniformierungsverbot in Deutschland. Wie man diese Regelung daher als Verschärfung oder zu weitgehende Einschränkung kritisieren kann, ist für mich wirklich nicht nachvollziehbar.
Ich will, weil das wirklich ein besonders bezeichnender Punkt für die Irreführung in der Debatte der letzten Wochen ist, noch einmal ausdrücklich zitieren
Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.