Protocol of the Session on July 3, 2008

(Bernd Kränzle (CSU): Angemessenheit!)

Erforderlichkeit – da kann man bei der Rasterfahndung sicherlich unterschiedlicher Meinung sein, aber nicht bei der Verhältnismäßigkeit. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung entspricht dem auf keinen Fall. Ich möchte nur mal in Erinnerung rufen, was Rasterfahndung im Bund bedeutet: Das sind 8,3 Millionen Datensätze, 19 000 Prüffälle. Ein Verfahren ist eröffnet worden, das aber eingestellt wurde. Das heißt: Null Erfolg. Nun erklären Sie mir einmal, wie hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nachdem so viele unbescholtene Menschen in die Rasterfahndung geraten sind, eingehalten worden ist.

Ganz sicher ist aber auf jeden Fall die Rasterfahndung kein geeignetes Mittel. Es wurde, das mussten Herr Beckstein ebenso wie Herr Schäuble eingestehen, nicht einer der islamistischen Schläfer gefunden. Die Stärke der Rasterfahndung liegt nämlich nach Untersuchungen des Max-Planck-Instituts für Internationales Strafrecht in der Vorbereitung von DNA-Reihenuntersuchungen.

DNA-Reihenuntersuchungen werden aber nach einem Verbrechen durchgeführt. Damit sind wir wieder im repressiven Bereich und außerhalb der Gesetzgebungskompetenz des Landes. Für präventive Arbeit ist die Rasterfahndung ungeeignet.

Zum Kennzeichenscanning: Hierzu gibt es Änderungsanträge der CSU und der GRÜNEN. Es erfolgt die gleiche Prüfung wie bei der Rasterfahndung: Gesetzgebungskompetenz, erforderlich, verhältnismäßig, geeignet. Hier

Sie kitten provisorisch, wo eine rechtspolitische Generalsanierung notwendig wäre.

Ich gehe mit Ihnen gerne die polizeilichen Instrumente der Reihe nach durch. Erstens gilt für alle: Es handelt sich beim PAG um präventive Maßnahmen, nicht um solche der Strafverfolgung. Das muss ich Ihnen leider immer wieder sagen. Das sind zwei verschiedene Dinge. Sie mögen gleichwertig nebeneinander stehen, aber sie haben trotzdem andere Voraussetzungen. Zweitens. Diese Maßnahmen sind darauf zu überprüfen, ob sie verfassungskonform sind, ob sie erforderlich sind, verhältnismäßig, geeignet, und ob die Formulierungen auch dem Bestimmtheitsgebot unterworfen worden sind.

Kommen wir jetzt zur Rasterfahndung. Das Verfassungsgericht setzt ganz enge Grenzen für eine präventive Rasterfahndung. Es darf keine reine Vorfeldmaßnahme sein. Sie darf auch nicht mit einer allgemeinen Bedrohungslage begründet werden. Sie darf nur durchgeführt werden, wenn eine konkrete Gefahrenlage besteht, das heißt, wenn konkrete Tatsachen auf eine solche Gefahr hindeuten. Weil diese Kriterien bisher in Art. 44 nicht eingehalten worden sind, musste die Staatsregierung eine Änderung vornehmen. Insofern ist der Problemaufriss, den wir im Gesetzentwurf finden, eine bodenlose Unverschämtheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In eine ähnliche Richtung geht das, was Herr Dr. Weiß hier gesagt hat. Das ist wirklich eine Geschichtsklitterung, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe, wenn im Gesetzentwurf steht:

Die bestehende Befugnis zur Rasterfahndung in Art. 44 PAG ist nach diesem Beschluss zwar im Grundsatz verfassungsgemäß. Die Tatbestandsmerkmale und die Verfahrensregelungen bedürfen jedoch weiterer gesetzlicher Klarstellungen,...

Bitte, was sind das für Geschichten? – Das ist absurd, das ist Vertuschungslyrik! Herr Dr. Weiß verkennt hier, dass Recht Recht ist, egal, ob das in Nordrhein-Westfalen in einem Gesetzentwurf steht oder in Schleswig-Holstein oder hier in Bayern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie mussten deshalb eine Änderung vornehmen, weil die Regelung verfassungswidrig war. Die Regelung wird auch nicht besser durch die Änderungen, die die CSU hier einbringen will.

Wir wissen aber spätestens seit einem Brief mit dem heutigen Datum – 3. Juli 2008 –, dass hier im Landtag gesetzliche Bedingungen unterschiedlich gewertet werden: Wir werden in dem Schreiben vom Landtagspräsidenten aufgefordert, wenn wir hier wieder einmal eine Veranstaltung haben – das bezieht sich auf die gestrige Veranstaltung „Integration wird Mode“ –, uns an rechtsstaatliche

formationssysteme ermöglichen, wollen Sie die OnlineDurchsuchung ermöglichen und wollen Sie die – ich zitiere – „notwendigen Begleitmaßnahmen“ ermöglichen wie Einbruch der Polizei, heimliche Wohnungsbegehung, Durchsuchung persönlicher Gegenstände, Löschung und Veränderung der Daten auf dem PC.

(Zuruf des Abgeordneten Bernd Kränzle (CSU))

Das steht alles in Ihrem Antrag so drin, Herr Kränzle.

(Zuruf des Abgeordneten Bernd Kränzle (CSU))

Heimliches Betreten, was ist denn das? Wie machen Sie denn das? Wenn ich jetzt bei Ihnen heimlich in die Wohnung gehe, wie würden Sie denn das nennen?

(Peter Welnhofer (CSU): Sie sind nicht die Polizei! Das fehlt noch!)

Es geht weiter: Löschung und Veränderung der Daten auf dem PC, und dies wohlgemerkt nicht nur bei Personen, bei denen die Polizei aus welchen Gründen auch immer vermutet, dass sie eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit verursachen, sondern auch bei Personen, bei denen die Polizei vermutet, dass solche Personen in ihren Räumen einmal ihre Informationssysteme benutzen könnten oder benutzt haben könnten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, aufgrund dessen ist der Kreis der Personen, der befürchten muss, von einem solchen heimlichen Polizeibesuch mit anschließender Online-Durchsuchung und möglicherweise auch Datenveränderung betroffen zu sein, sehr groß. Personen – ob Studienkollege der Kinder, Arbeitskollege, Nachbar, Austauschschüler oder wer auch immer –, die sich zeitweise in Ihrer Wohnung aufhalten, können die Ursache dafür sein, dass Polizei, BKA und Verfassungsschutz oder wer auch immer – im Ernstfall wissen Sie nachher gar nicht mehr, wer das war – Ihre E-Mail-Konten durchsuchen. Dies ist besonders fatal angesichts der heutigen Funktion des Computers, der einen viel detaillierteren Einblick in die privaten und persönlichen Lebensumstände zulässt, als es beispielsweise Ihre Telefongespräche, Ihre Wohnungseinrichtung oder Ihr Tagebuch tun. Unabhängig von der tatsächlichen Zahl der durchgeführten Online-Durchsuchungen führt diese von Ihnen geschaffene Möglichkeit dazu, dass eine große Zahl von Menschen sich von einem weitreichenden Eingriff in die Privatsphäre bedroht fühlt.

Ich denke, in der Sicherheitspolitik sollte man auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Die Alternative zu einer heimlichen Durchsuchung wäre eine offene Beschlagnahmung und eine offene Durchsuchung des PCs. Dies wäre sachgerecht, dies wäre richtig. Ich denke, bei dieser Vorgehensweise sollten wir in Bayern bleiben.

Die Aufgabe der Polizei ist es vor allem, Erkenntnisse für die Strafverfolgung von Tätern zu gewinnen. Wenn aber die Polizei oder das BKA oder der Verfassungsschutz oder wer auch immer Daten an PCs verändert, dürfte eine

ist es so, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Gesetzgebungskompetenz offen lässt, weil die Vorschriften Hessens und Schleswig-Holsteins, die zu diskutieren waren, bereits aus anderen Gründen rechtswidrig waren. Ich sage aber, die Praxis in Bayern spricht Bände.

Am intensivsten – und das möchte ich Ihnen gern mit auf den Weg geben – wird das Kfz-Kennzeichenscanning in Bayern praktiziert; das verwundert nicht. 35 Scanner im Dauerbetrieb erfassen fünf Millionen Fahrzeuge pro Monat. Die Trefferquote liegt bei 0,03 %, während der Abgleich zu 99,97 % ohne Ergebnis bleibt.

Aus den Abgleichstatistiken lässt sich nicht ablesen, inwieweit infolge von Meldungen konkrete Erfolge erzielt worden sind – wie immer in Bayern. Deswegen wollen Sie auch eine Befristung nicht; denn da müssten Sie irgendwann einmal eine Evaluierung durchführen, und genau die scheuen Sie. Es gab einen Fall, ein wegen Mordes Verdächtiger wurde gestellt. Das geschah zwei Tage nach dem Mord. Da muss ich Ihnen vorhalten, es hätte auch gereicht, wenn man eine zeitlich begrenzte und gezielte Suche nach dem entsprechenden Kennzeichen vorgenommen hätte. Der Massenabgleich von Millionen von Datensätzen wäre überhaupt nicht nötig gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Änderungsantrag der CSU ändert nichts an der Praxis und hält auch der Prüfung nicht stand. Weder verfügen Sie über Gesetzkompetenz, noch halten Sie sich an verfassungsrechtlich gebotene Spielregeln. Es wird Sie deshalb nicht wundern, dass wir Ihren Antrag und auch die Gesetzentwürfe, die damit zusammenhängen, ablehnen.

Leider ist es so, dass Sie das alles überhaupt nicht interessiert. Sie holen gleich aus zum nächsten Schlag, was bedeutet, Sie stellen Anträge zur Online-Durchsuchung durch die Polizei und – in Tagesordnungspunkt 8 – durch den Verfassungsschutz, beide mit Rechten zur heimlichen Wohnungsbetretung und Wohnungsdurchsuchung. Meine Kollegin wird hier explizit auf die Online-Durchsuchung eingehen.

Das, was Sie hier kurz vor dem Ende der Legislaturperiode bieten, ist aus meiner Sicht ein bürgerrechtspolitisches Desaster. Sie haben unser Vertrauen nicht verdient, und es wird mir eine Freude sein, das den Bürgerinnen und Bürgern im Landtagswahlkampf deutlich zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächster Rednerin darf ich Frau Kollegin Kamm das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, mit den von Ihnen geplanten Änderungen im Polizeiaufgabengesetz wollen Sie den verdeckten Zugriff auf die In

Nun darf ich Herrn Kollegen Ettengruber das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Was Sie, Frau Kollegin Stahl, abgeliefert haben, entspricht der impertinenten Ignoranz, mit der Sie mit diesem Thema umgehen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)

Ich sage so etwas nicht leichtfertig.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist auch nicht angebracht! – Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Wenn Sie formulieren, dass der CSU seit vielen Jahren das Verantwortungsbewusstsein abgehe, regieren zu können, wenn Sie sagen, das Ganze sei eine Unverschämtheit, wenn Sie mit solchen Begriffen operieren, nenne ich das impertinente Ignoranz.

(Beifall bei der CSU)

So kann man mit dem Thema nicht umgehen. Wir haben uns sehr intensiv und verantwortungsbewusst mit der Thematik befasst.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Ich sage nur: Unappetitlich!)

Darauf will ich jetzt nicht eingehen.

(Karin Radermacher (SPD): Das können Sie auch nicht!)

Sonst würde mir schon was einfallen!

Unser Anliegen ist, die Sicherheit unserer Bürger zu schützen. Wir leben in einer Welt, in der es nicht anders möglich ist, als solche Dinge mitzumachen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Auf das Wie kommt es an!)

Es gibt kein zivilisiertes Land der westlichen Welt und auch nicht der östlichen Welt, in dem solche Dinge nicht gesetzlich geregelt und erlaubt wären. Wir waren vor kurzem in den skandinavischen Ländern. Auch dort können diese Dinge überall mit den entsprechenden Kautelen – Richtervorbehalt usw. – gemacht werden, weil man eingesehen hat, dass dies notwendig ist. Ich wehre mich deshalb dagegen, dass Sie in unverschämter Weise sagen, wir würden verantwortungslos handeln. Ich weise das zurück.

Auf die Thematik im Einzelnen will ich nicht mehr eingehen. Glauben Sie mir aber, bei den Bürgern wird das, was wir tun, sehr wohl verstanden. Wären Sie nicht nur in