Protocol of the Session on July 3, 2008

(Beifall bei der SPD)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 11 bis 22 gemeinsam auf:

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Ludwig Wörner u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst I Arbeitsbedingungen verbessern (Drs. 15/10379)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst II 42-Stunden-Woche zurücknehmen (Drs. 15/10380)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst III Altersgerechte und gesunde Arbeitsplätze schaffen (Drs. 15/10381)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst IV Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen schaffen (Drs. 15/10382)

Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt auf Drucksache 15/10942 die Ablehnung. Wer entgegen diesem Ausschussvotum für Zustimmung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zu einer persönlichen Erklärung nach § 133 Absatz 2 der Geschäftsordnung hat Herr Kollege Dr. Beyer das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Nach meiner Geschäftsordnung hätte ich nach § 133 Absatz 2 fünf Minuten Redezeit – keine persönliche Erklärung, sondern eine Erklärung zur Abstimmung. Ich wollte begründen, warum ich bei den Tagesordnungspunkten 3 und 4 mit Enthaltung votiert habe, genauer gesagt: nicht an der Stimmabgabe teilgenommen habe, sondern mich enthalten habe. Das habe ich nicht etwa deshalb getan, weil ich der Auffassung wäre, wie wir das heute hier von interessierter Seite gehört haben, das Gesetz sei ein großer Wurf. Das ist nicht der Fall.

Ich habe mich auch nicht deshalb der Stimme enthalten, weil mich der zwischenzeitliche Anwurf von Herrn Unterländer sonderlich beeindruckt hätte, ich hätte ein Problem mit Herrn Fussek und anderen Pflegekritikern. Ich darf dazu ergänzen – wir haben das eben abgestimmt –, dass der Kollege Unterländer sich mir persönlich gegenüber so geäußert hat, dass er damit nicht sagen wollte, dass er die Arbeiterwohlfahrt besonders im Fokus von Herrn Fussek sieht. Das träfe auch nicht zu. Im Übrigen, Herr Unterländer, bin ich sehr oft und sehr eng mit der gleichen Zielsetzung wie Sie in Gesprächen mit Herrn Fussek.

Ich habe mich auch nicht deshalb der Stimme enthalten, weil ich nicht die Kritik, die der Vorsitzende des sozialpolitischen Ausschusses Joachim Wahnschaffe hier vorgetragen hat, vollinhaltlich teilen könnte. Diese Kritik wurde – das ist angeklungen, aber nicht inhaltlich umgesetzt worden – auch von den Verbänden in der Anhörung geäußert. Es ist in der Tat so, wenn ich ein Gesetz dieser Art erlasse, mich damit brüste und das Einbettzimmer nicht hineinschreibe, gleichzeitig aber von Menschenwürde oder gar guter Pflege rede, dann ist das ein Skandal, wenn man es genau nimmt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich die Fachkraftquote nicht im Gesetz festschreibe, kann ich nicht den Anspruch erheben, ein gutes oder gar bestes Heimgesetz zu haben. Wenn ich die Ausbildung nicht regle, obwohl jeder Fachmann und jede Fachfrau weiß, dass wir einem Pflegenotstand entgegengehen, dann ist das nicht das Merkmal eines guten Gesetzes.

Aus all diesen Gründen hätte es weiß Gott Anlass gegeben, gegen das Gesetz zu stimmen. Es hätte auch Anlass gegeben, dagegen zu stimmen, weil Sie die Investitionskostenförderung vollständig der staatlichen Verantwortung entziehen und weil Sie das Ganze bei den Kommunen nach Kassenlage ausgestalten, und zwar sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Auch das ist keine gute Pflege.

Bildungspolitik, gerade eben über die Baustelle Sozialpolitik, und ich rede jetzt über die nächste Baustelle, nämlich die im Bereich des öffentlichen Dienstes. Denn wenn alles in Ordnung wäre, müssten wir heute nicht über den Themenkomplex „Gute Arbeit im öffentlichen Dienst“ sprechen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Frage stellen, ob es einen Grund dafür gibt, dass Herr Staatsminister Huber, der für den öffentlichen Dienst zuständig ist, bei der Behandlung dieses so wichtigen Antragspaketes nicht anwesend ist.

(Beifall bei der SPD)

Anscheinend interessieren ihn die Beschäftigten nicht besonders, die er vor einiger Zeit als „Frösche“ bezeichnet hat. Das ist offenbar die Art und Weise, wie man weiterhin mit den Beschäftigten umgeht.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Freistaat Bayern haben sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert. Die Verwaltungsreform, der massive Stellenabbau, die Einführung der 42-StundenWoche, ein riesiger Überstundenberg, der über Jahre von den Beschäftigten weitergeschoben wird, und nur wenige Neueinstellungen sind Gründe dafür, dass die Beschäftigten auf Dauer überbelastet und demotiviert sind, krank werden und vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen.

Zusätzlich zieht sich der Freistaat Bayern immer mehr von seiner Ausbildungsverpflichtung zurück, was einerseits dazu führt, dass wir in den verschiedenen Verwaltungen Überalterung zu verzeichnen haben, und andererseits fehlt der dringend notwendige Nachwuchs, um die Aufgaben, die der Staat zu erledigen hat, weiterhin im gleichen Umfang und auf gleichem Niveau erledigen zu können.

Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein. Gesundheitsförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen. So steht es in der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation – WHO. – Der zweite Teil der Potsdamer Lehrergesundheits-Studie zeigt auf, dass zum Beispiel gesunde Lehrkräfte besseren Unterricht halten. Deshalb müssen Belastungen reduziert werden. Außerdem werden Gestaltungsempfehlungen zur Gesundheitsförderung gegeben. Arbeitsbedingte Erkrankungen durch körperliche Belastungen haben bereits im Jahr 1998 in Deutschland Kosten von mindestens 28,4 Milliarden Euro verursacht. Psychische Arbeitsbelastungen verursachten 11,1 Milliarden Euro direkte Kosten und 13,4 Milliarden Euro indirekte Kosten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Auch wir hier in Bayern müssen solche Fakten zur Kenntnis nehmen und darüber reden, welche Rahmenbedingungen wir schaffen müssen, damit die Menschen, die im öffentlichen Dienst im Freistaat Bayern in Arbeit stehen, gesund arbeiten können.

(Beifall bei der SPD)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst V Einstellungsverhalten ändern (Drs. 15/10383)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst VI Überstundenabbau und -vermeidung (Drs. 15/10384)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst VII Wiedereingliederung von Erkrankten (Drs. 15/10385)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst VIII Fort- und Weiterbildungspläne entwickeln (Drs. 15/10386)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst IX Einschränkung von befristeten Arbeitsverträgen (Drs. 15/10387)

Antrag der Abg. Christa Naaß, Stefan Schuster, Reinhold Strobl u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter: Gute Arbeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst X Familienfreundliche Arbeitsplätze ausbauen und gleichstellungspolitische Defizite beseitigen (Drs. 15/10388)

Antrag der Abg. Prof. Dr. Walter Eykmann, Ingrid Heckner, Jakob Schwimmer u. a. (CSU) Fortbildung im öffentlichen Dienst (Drs. 15/10482)

Antrag der Abg. Prof. Dr. Walter Eykmann, Ingrid Heckner, Gertraud Goderbauer u. a. (CSU) Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst (Drs. 15/10483)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Rednerin: Frau Kollegin Naaß.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Über viele Baustellen in Bayern haben wir heute schon gesprochen, heute Vormittag über die Baustelle

nommene lineare Besoldungserhöhung und die Einmalzahlungen waren längst überfällig und führten zu keiner Kompensation der Arbeitszeitverlängerung. Wir sind der Meinung, dass im Sinne des Gleichklangs mit den Tarifbeschäftigten die 42-Stunden-Woche zurückgenommen und die im Tarifvertrag vereinbarte Arbeitszeit auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden muss.

Die 42-Stunden-Woche bedeutet Arbeitsplatzvernichtung. 5000 Arbeitsstellen wurden wegen der 42-StundenWoche überflüssig gemacht, und sie stellt ein massives Einstellungshindernis dar. Der durch die Arbeitszeitverlängerung reduzierte Einstellungskorridor verhindert Verjüngung und Nachwuchsförderung und stellt die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes massiv infrage. Die Bayerische Staatsregierung kommt ihrer Ausbildungsverpflichtung bei Weitem nicht mehr nach. Eine Verwaltung ohne Nachwuchs ist eine Verwaltung ohne Zukunft. Das kann doch nicht im Sinne des eigenen Auftrags sein, den wir als Freistaat Bayern haben.

(Beifall bei der SPD)

Die Überstunden sind nach wie vor in einer Größenordnung vorhanden, die wir auf Dauer nicht akzeptieren können. Punktuelle Spitzen abzufedern, ist in Ordnung. Aber hier handelt es sich nicht um ein punktuelles Problem, sondern um ein strukturelles Problem, das dazu führt, dass Verwaltungen auf Dauer massiv Überstunden fahren müssen, weil zu wenig Personal vorhanden ist.

Die bayerische Steuerverwaltung ist um 23 % unterbesetzt. Bei den Betriebsprüfern liegt Bayern an drittletzter Stelle unter den Ländern. Dem bayerischen Fiskus gehen dadurch jährlich 1 Milliarde Euro Steuergelder verloren. Dass in Bayern keine Steuergerechtigkeit mehr vorhanden ist, hängt damit zusammen, dass zu wenig Personal vorhanden ist. Die SPD will, dass altersgerechte und gesunde Arbeitsplätze geschaffen werden, damit die Menschen ihre Arbeitskraft länger gesund dem Freistaat Bayern zur Verfügung stellen können.

Eine Möglichkeit ist die Altersteilzeit, die Ende 2009 ausläuft und die die Staatsregierung noch nicht verlängern will. Die Altersteilzeit weiterzuführen, ist eine Forderung, die die SPD hat, damit Menschen, die nicht mehr arbeiten können, aussteigen können, ohne dass sie finanzielle Nachteile haben.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD will, dass Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden, damit auch Menschen mit Behinderungen an ihrer Arbeitsstelle bleiben können und die Möglichkeit erhalten, innerhalb der Verwaltung besser wechseln zu können. Diese Woche hat die Staatsregierung einen Bericht vorgelegt, in dem aufgezeigt ist, dass sehr wohl eine gewisse Sensibilität vorhanden ist. Es werden Arbeitsplätze gestaltet, damit Menschen mit Behinderungen an ihrem Arbeitsplatz weiter arbeiten können. Das Problem ist mittlerweile erkannt, und es wird versucht, es zu beseitigen. Trotzdem stellen wir fest, dass in manchen Ministerien das Problem noch nicht in

Gesundheitsmanagement, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Führungsaufgabe, die derzeit von der Bayerischen Staatsregierung nicht wahrgenommen wird.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Arbeits- und Gesundheitsschutz im Schulwesen und in der öffentlichen Verwaltung wird mehr als sträflich vernachlässigt. Im Zusammenhang mit der Dienstrechtsreform wird einerseits von der Staatsregierung die Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten geplant, andererseits viel zu wenig dafür getan, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Menschen in die Lage zu versetzen, dass sie gesund bis zum 65. Lebensjahr arbeiten können. Das müsste der erste Schritt, der erste Ansatz sein. Erst dann kann man darüber reden, wie man die Arbeit bis zum 67. Lebensjahr organisiert.

Die SPD hat ein Zehn-Punkte-Programm für eine bessere Arbeit im öffentlichen Dienst auf den Weg gebracht. Die zehn Punkte will ich Ihnen nachfolgend vorstellen.

Vor allem geht es darum, belastungsfreies Arbeiten für alle Alters- und Beschäftigtengruppen sicherzustellen, damit Arbeit nicht krank macht. Die Staatsregierung wird aufgefordert, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie von den Beschäftigten als Motivation, Chance und Bereicherung empfunden werden, der Persönlichkeitsbildung dienen und ein hohes Selbstwertgefühl vermittelt wird. Belastungsfreies Arbeiten muss für alle Alters- und Beschäftigungsgruppen sichergestellt werden. Arbeit darf nicht krank machen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Die Verwaltungsreform, der massive Stellenabbau und die Einführung der 42-Stunden-Woche bei gleichbleibendem und sogar zusätzlichem Arbeitsanfall bei neuen Aufgabenstellungen haben dazu geführt, dass Beschäftigte auf Dauer überbelastet sind, demotiviert werden, krank werden und vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen. Im Schuldienst liegt das durchschnittliche Pensionseintrittsalter derzeit bei 61,69 Jahren. Im übrigen Bereich der Beamtenschaft liegt es bei 62,69 Jahren und bei den Menschen mit den besonderen Altersgrenzen bei 58,87 Jahren. Diese Zahlen zeigen auf, dass ein Großteil der Beschäftigten es derzeit nicht schafft, gesund bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten. Hier muss angesetzt werden, Kolleginnen und Kollegen. Es dürfen nicht immer noch mehr Belastungen auf die Menschen verlagert werden. Deshalb ist in dem Zusammenhang ein wichtiger Punkt: Die 42-Stunden-Woche muss endlich zurückgenommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Einführung der 42-Stunden-Woche für die Beamtinnen und Beamten war eine Fehlentscheidung der CSU und der Staatsregierung. Die Besoldungseinbußen infolge der Arbeitszeiterhöhung liegen bei 3 %, bei den Schichtdienstleistenden sogar bei 6 %. Die mittlerweile vorge

Herr Staatsminister, ich denke an die vielen Beförderungsmöglichkeiten, die Sie im Rahmen der Dienstrechtsreform angekündigt haben. Sie sollen ja auch Teil einer künftig leistungsgerechteren Bezahlung sein. Aber hier bitte ich einmal, genauer hinzuschauen. Vielleicht können Sie uns nachher auch sagen, wie die 10 000 Beförderungsmöglichkeiten auf die verschiedenen Bereiche der öffentlichen Verwaltung aufgeteilt werden sollen. Die Antwort, die ich heute aus Ihrem Hause bekommen habe, ist mehr als unbefriedigend. 10 000 Beförderungsmöglichkeiten anzukündigen, aber keinen Ton darüber zu sagen, wohin diese Beförderungsmöglichkeiten gehen, ist mir zu wenig. Das ist Wählertäuschung. Das ist Täuschung der Beschäftigten. Wir wollen, dass Fakten auf den Tisch kommen, nicht solche nebulösen Vorschläge, die Sie noch nicht genauer bezeichnen konnten.

(Beifall bei der SPD)