Herr Präsident, meine Herren und Damen! „Für die Pipeline kann niemand enteignet werden, weil für den Bau kein öffentliches Interesse defi niert ist“; Herr Weidenbusch, das ist ein Zitat – und ich bringe es doch wieder –, so der Pressesprecher David Bösinger des Regierungspräsidiums Stuttgart. Ich bringe das Zitat nicht, weil er darüber entscheidet, wer diese Rohrleitung letztlich baut und zu welchen Bedingungen, sondern ich bringe es, weil er sehr einfach und klar beschreibt, dass mit diesem Gesetzentwurf eine Enteignung schlicht und einfach nicht möglich ist. So klar können Aussagen sein, und die CSU sollte sich ein Beispiel daran nehmen.
Bei der Ethen-Pipeline – ich musste mich belehren lassen, dass es Ethylen nicht mehr gibt, sondern das heißt mittlerweile Ethen – handelt es sich um ein Lieblingsprojekt und damit Vermächtnis von Herrn Stoiber. Genützt hat es ihm nichts, dass er der Petrochemie 45 Millionen Euro hinterhergeworfen hat. Letztendlich ist aber schon in Frage zu stellen, ob hier Projekte, die Herr Stoiber meinte unbedingt durchziehen zu müssen, jetzt unterstützt werden müssen.
Für uns gilt der Grundsatz: Es ist Vorsicht geboten, wenn die Staatsregierung wirtschaftspolitisch tätig wird. Ich
nen, Schneider mit Subventionen, Nokia und viele andere Unternehmenszweige. Da hat das alles nichts genützt. Überall hat es geheißen, man sichere die Arbeitsplätze, wenn man hier Geld hineinstecke; aber es ist letztlich gescheitert.
„Selbst falls im Einzelfall privatrechtliche Hindernisse bestünden, wären kleinräumige Umplanungen möglich, gegebenenfalls auch nach Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses nach Artikel 76 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetzes, sodass an der privatrechtlichen Verwirklichung keine ernsthaften Zweifel bestehen.“
Ich frage mich, ob hier nicht Umplanungen möglich sind oder ob man einfach den leichteren Weg gehen will, indem man enteignet, weil man als gut gepolsterte Petrochemie nicht bereit ist, den Preis zu zahlen, den nun einmal Angebot und Nachfrage bei Grundstücken erfordern.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen Bau und Betrieb der sogenannten Ethylen-Pipeline-Süd, kurz EPS, ermöglicht werden. Damit erlangt die bayerische EthylenInsel im Chemiedreieck Anschluss an den nordwesteuropäischen Ethylenverbund.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Schindler, dass Sie die Rechtssituation noch einmal korrekt dargelegt haben. Es geht in der Tat nicht um eine Enteignung, sondern es geht um die Einräumung eines Wegerechts, und die Landwirte haben die Möglichkeit, ihren Grund und Boden auch zu nutzen. Wir als Staatsregierung und auch Sie schützen natürlich das Eigentum, und wir wollen auf jeden Fall nicht in die Eigentumsrechte eingreifen. Deswegen fi nde ich das in dieser Art und Weise auch in Ordnung.
Ich möchte sagen, dass wir auch mit dem Bauernverband intensive Gespräche geführt haben. Präsident Sonnleitner war bei uns im Haus, und wir haben die Situation diskutiert. Mit sehr vielen Grundstückseigentümern ist die Situation ohne Gesetzesgrundlage einvernehmlich geregelt worden. Dafür sind wir sehr dankbar.
Das Projekt dient in der Tat der Arbeitsplatz- und Standortsicherung. In der ost-/südostbayerischen Chemieindustrie – das ist mehrfach gesagt worden – sind 25 000 Menschen beschäftigt. Deren Arbeitsplätze stehen und
nungen mit diesem Gesetzentwurf für zulässig erklären wollen, sehr, sehr intensiv auf dieses Urteil ein.
Ich nenne diese Punkte noch einmal: Erstens muss der mittelbar verwirklichte Enteignungszweck deutlich umschrieben sein. Zweitens müssen die grundlegenden Enteignungsvoraussetzungen und das Verfahren zu ihrer Ermittlung festgelegt sein. Drittens – das halte ich mit diesem Gesetzentwurf für sehr wichtig – müssen mit diesem Gesetzentwurf auch die Vorkehrungen zur Sicherung des verfolgten Gemeinwohlziels getroffen worden sein.
Entschuldigen Sie, der reine Gesetzestext erfüllt die Voraussetzungen in Punkt 2 nur bedingt und in Punkt 3 überhaupt nicht. Lesen Sie den Gesetzestext! Sie werden das nicht fi nden. Sie werden stattdessen eine Begründung fi nden, die unglaublich wortreich und sehr ausführlich und mit vielen Verrenkungen uns klar machen oder beweisen will, dass das Gemeinwohl hier tatsächlich gesichert ist.
Ich komme aus Nürnberg, und hier sitzt eine Reihe von Kollegen, die auch nicht unbedingt aus Regionen kommen, die gut bedient sind, weil die Regionen außerhalb Oberbayerns schon starke Anstrengungen unternehmen müssen, um tatsächlich Arbeitsplätze zu sichern. Ich weiß einfach, dass es eine ganz wichtige Aufgabe ist, Arbeitsplätze zu sichern. Aber ich lege die Betonung auf „zu sichern“. Die Behauptung der Staatsregierung, die Enteignung würde durch den dann möglichen Bau der Pipeline Arbeitsplätze wirklich sichern, stellt aus meiner Sicht keine ausreichende Sicherung dar. Eine Behauptung genügt nicht.
Ich frage mich, wenn Sie die Arbeitsplätze als Gemeinwohlziel nehmen, welche zusätzlichen Sicherungen Sie haben außer der Behauptung, dass mit dem Bau der Pipeline diese Arbeitsplätze sicher seien. Welche Begründungen haben Sie?
Oder haben Sie ein anderes Gemeinwohlziel? Wollen Sie als Gemeinwohlziel die Stärkung der Petrochemie? Ich denke, das kann es nicht sein.
Ich möchte noch einmal den Satz 1 des Verfassungsgerichtsurteils in Erinnerung holen. Dort heißt es: „Enteignungen nach dem Bundesbaugesetz allein zum Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und dadurch die regionale Wirtschaftsstruktur zu verbessern, sind nicht zulässig.“
Subventionen und damit zusammenhängende Enteignungen ohne zusätzliche Arbeitsplatzzusicherungen sind aus unserer Sicht keine Lösung, denn auch die 45 Millionen Euro müssen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Steuergelder hart erarbeitet werden. Ich habe hier in Bayern in Erinnerung: die Maxhütte mit Subventio
Beispiel OMV in Burghausen oder Basell in Münchsmünster. Die Realisierung der Pipeline und die staatliche Unterstützung haben das Vertrauen der Firmen in die langfristige Zukunft des Chemiedreiecks gestärkt und ihnen diese Investitionen auch ermöglicht.
Die Situation beim privaten Wegerecht hat sich weiterhin positiv entwickelt. In Bayern und in Rheinland-Pfalz haben sich fast alle betroffenen Eigentümer freiwillig mit der EPS geeinigt. Dies liegt nicht zuletzt an den äußerst günstigen Rahmenbedingungen, die mit den Bauernverbänden jeweils vor Ort abgeschlossen wurden. Da in Baden-Württemberg eine solche Vereinbarung erst zehn Monate später zustande kam, ist der Wegerechtserwerb dort noch nicht so weit fortgeschritten.
Die EPS ist als Verbindungsstück zwischen Nord- und Südosteuropa für den baden-württembergischen Raffi neriestandort Karlsruhe von extrem hohem Interesse. Sie bietet den strukturschwachen Gebieten Baden-Württembergs ein großes Potenzial für die Ansiedlung chemischer Industriebetriebe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Gesprächen mit dem baden-württembergischen Wirtschaftsminister gehe ich davon aus, dass auch die dortige Landesregierung alle für den Bau der Pipeline erforderlichen Maßnahmen treffen wird. Ich halte mich nicht an Aussagen vom Regierungspräsidenten aus Baden-Württemberg, sondern ich richte mich nach den Aussagen des Wirtschaftsministers.
Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung im weiteren gesetzgeberischen Verfahren und bedanke mich für die bisherige Beratung und Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht unnötig in die Länge ziehen, aber doch noch Folgendes sagen:
Liebe Frau Stahl, Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, unter Bezugnahme auf die Boxberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, das Bundesverfassungsgericht lasse eine Enteignung mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, nicht zu. Das ist nicht wahr. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Bundesbaugesetz eine Enteignung mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen usw., nicht zulässt. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, wer so etwas will, muss dafür ein Gesetz schaffen.
fallen nicht zuletzt mit einer ausreichenden Ethylenversorgung. Man kann sowohl „Ethen“ als „Ethylen“ sagen, aber die Formel ist immer die gleiche. Das möchte ich in diesem Zusammenhang aus meinem alten Background heraus sagen.
Diese Versorgungssicherheit kann nur mit der geplanten Pipeline erreicht werden. Das möchte ich wirklich klar zum Ausdruck bringen. Die EPS bietet den Unternehmen die erforderliche Planungssicherheit und damit einen Anreiz für Investitionen und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Darüber hinaus hat die wirtschaftliche Bedeutung der EPS eine gesamteuropäische Dimension. Sie ist Voraussetzung für den Anschluss an bestehende Leitungssysteme in Frankreich, Österreich und Osteuropa. Bayern wird in dem künftigen trans-europäischen Netz eine Schlüsselstellung einnehmen. Ich bin dem Kollegen Weidenbusch dankbar dafür, dass er das schon in dieser Art und Weise formuliert hat.
Die Ausschüsse haben diese Ethylenpipeline mit einer breiten Zustimmung befürwortet. Dafür bin ich den Kolleginnen und Kollegen absolut dankbar. Ich habe aber auch Verständnis dafür, dass sich einige Abgeordnete aus Rücksicht auf betroffene Landwirte enthalten haben.
Auch mir wäre es lieber – das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen -, wenn das Projekt ohne staatlichen Zwang realisiert werden könnte. Deshalb hat die Staatsregierung stets auf den vorrangigen freiwilligen Erwerb der Rechte bestanden. Auch der Bayerische Landtag hat mit Beschluss vom 14. Februar 2008 die zeitnahe Vorlage des Gesetzentwurfes gefordert.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Zweckbindung der staatlichen Förderung. Zum Beispiel sollten die beteiligten Betriebe den langfristigen Erhalt der Arbeitsplätze im Chemiedreieck zusagen. Soweit es die Pipeline selbst betrifft, muss die Förderung zurückgezahlt werden, wenn sie nicht fachgerecht gebaut und betrieben wird. Dies ist im Zuwendungsbescheid auch so sichergestellt. Der Artikel 4 des vorliegenden Gesetzentwurfes sieht für diesen Fall sogar eine Rückenteignung vor. Ich glaube, dass das auch ein richtiger Passus ist.
Eine weitere Zusicherung der Industrie wäre illusorisch. Den Erhalt der Arbeitsplätze für die Lebensdauer der Pipeline kann und darf kein verantwortungsvoll handelndes Unternehmen zusagen, weil es damit auch seine eigene Zukunft riskieren würde.
Der beste Beweis dafür, dass die staatlichen Zuschüsse nachhaltig gut angelegt sind, sind die millionenschweren Investitionen der Unternehmen im Chemiedreieck, zum
tiere einmal aus dem Pressespiegel des Landwirtschaftsministeriums von Baden-Württemberg, wiedergegeben in der „Gmünder Tagespost“ vom 2. April 2008:
Druck gegen die Ethylen-Pipeline. Landwirte und Gemeinden im Ostalp- und Rems-Mur-Kreis bekräftigen ihr Nein.
Ich bin nach den Debatten, die ich erlebt habe, der festen Überzeugung: Es geht den Landwirten nicht nur um die Grundstückspreise, sondern auch um die Gefährdung. Aber wir haben uns darauf geeinigt, dass wir dazu weiter nicht reden. Es geht auch um die weitere Nutzung der Grundstücke. Die Dinge sind gar nicht so einfach. Es ist nicht so, dass da ein Bereich für die Pipeline entsteht und man dann außen herum mäht.
Ich entnehme Ihren Worten auch, dass das Wirtschaftsministerium zwar eine Ankündigung gemacht hat, aber keine irgendwie gearteten festen, greifbaren Ergebnisse da sind. Es heißt, man werde etwas auf den Weg bringen. Das ist mir für die Zahlung von 45 Millionen Euro einfach zu wenig. Die Dinge hängen doch miteinander zusammen.
Es wurde argumentiert, ich kenne das Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht. Ich habe meinen Redebeitrag mit der Feststellung begonnen: Es gibt eine ganze Reihe von Vorgaben. Das betrifft Satz 2 des Urteils. Die Vorgaben müssen erfüllt sein. Aber ich sehe sie nicht als erfüllt an.
Im Übrigen stimmt es, was Herr Schindler gesagt hat: Das Bundesbaugesetz lässt eine Enteignung mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, nicht zu. Was ich dazu gesagt habe, habe ich nicht anders gemeint.