Frau Kollegin, Sie wissen als Mitglied des Präsidiums doch genau, was in der Geschäftsordnung steht für den Fall, dass ein Mitglied der Staatsregierung spricht.
Herr Kollege Schieder, ich habe Ihnen wirklich hier in aller Ruhe zugehört. Ich darf Ihnen aus eigener Erfahrung sagen – ich kenne das –: Denken Sie doch auch ein bisschen an Ihren eigenen Blutdruck. Es war jetzt nämlich schon etwas schwierig, all die Zwischenrufe noch hinzunehmen. Bitte.
(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie sollten an Ihren eigenen Blutdruck denken, Frau Präsidentin!)
Es gibt jetzt also zwei Veränderungen, die diese Initiative begründen, nämlich einmal den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs, der sehr eindeutig ist, und zweitens sollten wir auf die horrend gestiegenen Energiepreise reagieren. Für mich ist die Fahrt zur Arbeit etwas anderes als eine Fahrt zum Golfplatz. Wer jeden Tag zur Arbeit fährt, wer fleißig ist und wer letztlich auch den wirtschaftlichen
Das war eine Politik, die vielen Verbrauchern und Verbraucherinnen, Ökobauern und -bäuerinnen, Tierschützern und Tierschützerinnen und den Steuerzahlern Mut gemacht hat. Das war eine Politik auf dem richtigen Weg.
Agrarwende, das ist das Stichwort dafür, dass die Landwirtschaftspolitik in Deutschland nicht länger von der Industrielobby und der Agrarmafia beherrscht wird, sondern dass die Politik im Interesse der Verbraucher und der Verbraucherinnen gemacht wird, im Sinne von Tier-, Klima- und Umweltschutz und damit auch im Interesse der bayerischen Bauern.
Diese Agrarwende wollen wir. Was aber will Seehofer? – Er will genau das Gegenteil. Er will zum alten Lobbyismus zurück und zur Industrialisierung der Landwirtschaft. Er macht das aber nicht so plump wie Funke (Anm. 1998 bis 2001 Bundeslandwirtschaftsminister) oder Miller und Konsorten, sondern er gibt dem Ganzen eine trendige Verpackung. Seehofer ist zurzeit jedes Mittel recht, wenn es Schlagzeilen bringt. Dann tritt er auch antikapitalistischer auf als Oskar Lafontaine oder Erich Honecker. Seehofer hat gesagt, er will nicht CSU-Vorsitzender werden. Vielleicht will er jetzt Vorsitzender der Linken werden. Er hat jedenfalls gesagt – und das macht er mit ziemlicher Vehemenz –, die großen Nahrungsmittelkonzerne seien Erpresser. Seehofer wirft den Konzernen also Erpressung vor. Er sagt, diesen Konzernen gehe es in erster Linie um Gewinnmaximierung und nicht um die Versorgung der Menschen.
Den Unternehmen geht es also um Gewinnmaximierung, Herr Minister Huber. Wir leben in einer Marktwirtschaft, hätten Sie das gedacht? – Es ist wirklich erstaunlich. So steht es heute also um die Wirtschaftskompetenz der CSU!
Seehofer hat aber, ehrgeizig wie er ist, noch eins draufgesetzt. Er hat sich empört: „Es kann doch nicht sein, dass in den USA im Wesentlichen nur noch ein Konzern Saatgut anbietet.“ Er sagte, die Landwirte dort würden erpresst. Auch die Entwicklungsländer würden erpresst. Dieser eine Konzern, Herr Kollege Brunner, das ist Monsanto. Dieser Konzern will auch in Deutschland seinen Gen-Mais verkaufen und seinen Gewinn maximieren. Wer aber sorgt in Deutschland dafür, dass dieser Konzern freie Bahn bekommt? – Natürlich Seehofer!
Im Dezember 2005 schrieb der Stern: „Horst Seehofer gegen Bio und pro Gen-Food“. Im Artikel hieß es dann, auch den Anbau von genveränderten Pflanzen will Seehofer, anders als Künast, vorantreiben. Gentechnisch veränderte Pflanzen, hieß es, würden weltweit immer stärker angewendet. Deshalb, so Seehofer, müsse das doch auch
Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Heidi Lück, Susann Biedefeld u. a. u. Frakt. (SPD) Konsequenzen aus dem Welternährungsbericht ziehen: Keine Förderung agrarischer Energieträger zulasten der Lebensmittelproduktion (Drs. 15/10541)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erstem darf ich Herrn Kollegen Dr. Dürr das Wort erteilen. Bitte schön.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Weltagrarmarkt ist in einer schweren Krise mit schlimmen Auswirkungen in den armen Ländern, aber auch mit Krisensymptomen bei uns. Auf dem Weltagrarmarkt tobt sich die Globalisierung zum Schaden von Millionen von Menschen aus, weil ökologische und soziale Regeln bisher fehlen. Regenwälder werden in riesigem Ausmaß abgebrannt, damit noch mehr Soja als Viehfutter für die reichen Industrieländer angebaut und noch mehr Palmöl für die dicken Spritfresser erzeugt werden kann. Das Vieh der Reichen frisst das Brot der Armen. Das ist und bleibt der wirkliche Skandal dieser Tage.
In Ländern wie Mexiko, Haiti, Ägypten und Honduras ist es zu ersten Hungeraufständen gekommen, weil die Lebensmittelpreise zu hoch sind. Auch bei uns in Bayern gibt es Proteste. Die bayerischen Bauern unter ihrem Anführer Sonnleitner protestieren gegen Aldi & Co., weil die Preise für Milch zu niedrig sind. Die Weltbank und die Welternährungsorganisation FAO haben letzte Woche einen grundlegenden Wandel der globalen Agrarpolitik gefordert. Die industrielle Landwirtschaft mit Monokultur, Massentierhaltung, Pestiziden und Agrogentechnik habe die Produktion in den letzten Jahrzehnten zwar deutlich gesteigert – sagen die Weltbank und die FAO –, aber einfache Bauern, Arbeiter, ländliche Gemeinden und die Umwelt müssten weltweit den Preis dafür zahlen. Darum fordert die Welternährungsorganisation eine angepasste Landnutzung und bäuerliche Strukturen, traditionelles Saatgut und nachhaltige Produktionsmethoden. Nur noch eine nachhaltige Landwirtschaft dürfe gefördert werden.
Genauso ist es. In Deutschland hat sich am Wochenende Landwirtschaftsminister Seehofer lautstark und auf allen Kanälen zu Wort gemeldet. Auch er fordert eine Wende in der Agrarpolitik.
Sie werden sich erinnern, „Agrarwende“ war der Begriff für die neue Verbraucherschutzpolitik von Renate Künast. Sie war wirklich gut.
Die Agrarindustrie und die Agrogentechnik werden keinen einzigen Menschen vor dem Hunger retten. Im Gegenteil. Selbst Vertreter von BASF räumen das inzwischen ein. Die Agrogentechnik sei nur eine Technik für die Industrieländer, die die teuren Saaten auch bezahlen könnten. Abgesehen davon sind sich alle Expertinnen und Experten darüber einig, dass der Hunger kein Mengenproblem ist. Entscheidend ist, ob die Armen selbst Lebensmittel anbauen oder ob sie sich wenigstens welche kaufen können. Beide Voraussetzungen werden aber von der Agrarindustrie und von der Agrogentechnik zerstört. Die Kirchen in Deutschland warnen seit Langem, dass die Agrogentechnik die Existenz und die Marktfähigkeit von lokal angepassten, standortgerechten Landbausystemen gefährdet. Die Kirchen sagen klar und deutlich, und zwar seit Jahren, das Versprechen, mit Hilfe der Gentechnik den Hunger auf der Welt zu besiegen, ist unglaubwürdig. In der Welt werden nämlich nicht zu wenig Lebensmittel produziert, sondern es gibt gravierende Defizite bei den Zugängen zu und bei der Verteilung von Lebensmitteln.
Bauernpräsident Sonnleitner leugnet jeden Zusammenhang zwischen unserer Agrarpolitik und der Nahrungsmittelkrise in der Welt. Auch Sonnleitner spart übrigens nicht mit antikapitalistischem Vokabular. Er wirft den Preisdrückern Aldi & Co. vor, das sei schlimmer Frühkapitalismus. Der Einzelhandel kontert kühl, in der Marktwirtschaft würden Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Wie sieht es denn auf der Nachfrageseite aus? – Die Lebensmittelpreise sind in den letzten Jahren massiv angestiegen, dank der größten Steuererhöhung aller Zeiten durch CSU und SPD.
Dieser Preisanstieg blieb aber stets deutlich unter der allgemeinen Preisentwicklung. Wenn es in den Haushaltskassen vieler knapp wird, dann sind nicht die Lebensmittel daran schuld. Schuld ist vielmehr die Lohnentwicklung, denn seit etwa zwanzig Jahren stagnieren die Bruttolöhne. Die Nettoeinkommen der abhängig Beschäftigten sinken sogar. Wir brauchen hier endlich eine Trendwende, wir brauchen einen Mindestlohn!
Wie sieht es auf der Angebotsseite aus? Im Jahr 2007 wurde in Bayern die größte Milchmenge seit elf Jahren produziert, Herr Kollege Ranner. Diese Milchmenge wurde mit wesentlich weniger Kühen als früher erzeugt. 6260 Kilogramm Milch pro Jahr und Kuh vermeldet man stolz. Das bedeutet eine neue Höchstmarke. Diese Milchmenge kann keine bayerische Kuh liefern, wenn sie nur mit bayerischem Futter gefüttert wirt. Allein mit Gras und Wasser geht das sowieso nicht. Die EU muss für ihre Nutztiere deshalb jedes Jahr 35 Millionen Tonnen Futtermittel importieren. Je mehr Milch bei uns produziert wird, desto höher ist die Nachfrage nach Soja auf dem Weltmarkt. Je mehr Milch produziert wird, desto höher die Nachfrage. Das Vieh der Reichen frisst also immer mehr Brot der Armen.
Bayern ist übrigens das größte Milcherzeugerland Deutschlands. Rund ein Viertel der Milch stammt von
in Deutschland möglich sein. Damit das möglich wird, hat sich Seehofer kräftig für die Gentechnik eingesetzt. Er hat sich über die Bedenken des Bundesamtes für Naturschutz hinweggesetzt und die Zulassung von MON 810 genehmigt. Bis heute lehnen er und Ihre Parteifreunde in Berlin, Kolleginnen und Kollegen von der CSU und von der SPD, ein Verbot wie in Frankreich ab. Seehofer sorgt dafür, dass Monsanto seine Gewinne maximieren kann, und dann stellt er sich hin und mimt den antikapitalistischen Kämpfer. Das ist an Dreistigkeit und Verlogenheit nicht mehr zu überbieten.
Seehofer will keine Agrarwende, das habe ich schon gesagt, sondern er will Schlagzeilen. In Wirklichkeit will er aber, was noch schlimmer ist, eine noch intensivere Bewirtschaftung. Er will den Ausbau der Agrarproduktion. Deshalb rief er am Wochenende dazu auf, stillgelegte Flächen zu nutzen, um Hungerkatastrophen zu vermeiden. Das ist pure Propaganda!
In Bayern gibt es noch ungefähr 19 000 Hektar Stilllegungsflächen, die noch nicht genutzt werden. Das ist noch nicht einmal 1% der Ackerfläche in Bayern. Mit diesem einen Prozent will Seehofer den Welthunger bekämpfen. Das ist doch unglaubwürdig. Es geht Seehofer doch weder um die Stilllegungsflächen noch um den Welthunger. Es geht ihm um ein Signal an die Bauern. Das ist nichts anderes als ein Aufruf, noch intensiver und noch rücksichtsloser als bisher zu produzieren. Wenn auch die letzten noch nicht genutzten Flächen bewirtschaftet werden, dann machen Seehofer und Miller der Artenvielfalt in Bayern endgültig den Garaus. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie wissen, dass der bayerische Ministerrat am 1. April eine Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern beschlossen hat. Wenn Sie sich nur einen Funken Glaubwürdigkeit erhalten wollen, dann sorgen Sie endlich dafür, dass nicht noch intensiver gewirtschaftet wird!
Das Argument Welthunger muss immer dann herhalten, wenn die CSU ihre schmutzige Agrarpolitik rechtfertigen will,
sei es für die Genlobby oder für die weitere Industrialisierung der Landwirtschaft. „Mit konventioneller Nahrungsmittelerzeugung allein ist der Hunger in der Welt nicht mehr zu besiegen. Wenn Frau Künast sich der grünen Gentechnik aus ideologischen Gründen weiter verweigert, handelt sie schlicht verantwortungslos“. Sie klatschen gar nicht, Kolleginnen und Kollegen von der CSU? – Das hat die damalige Umweltstaatssekretärin Emilia Müller noch vor wenigen Jahren erklärt. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie sind es, die damals verantwortungslos gehandelt haben. Sie sind diejenigen, die auch heute verantwortungslos handeln.
sozusagen. Es geht um eine grundlegende Umgestaltung unserer Wirtschaft, von Produktion, von Verbrauch, um eine grundlegende Agrarwende. Fangen Sie endlich in Bayern damit an!