Protocol of the Session on March 12, 2008

Das ist ein Ursprung Ihrer Partei. Was ist heute die Realität?

(Anhaltende Unruhe)

Eine Partei, die sich in dieser Tradition wähnt, schämt sich nicht, jetzt auch in Hessen gemeinsame Sache mit denen zu machen, die in der Tradition von Honecker und Ulbricht stehen. Das ist die Realität, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CSU)

Ich sage Ihnen: Das werden Ihnen die Menschen nicht honorieren, auch nicht in Bayern.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Blockfl öten! – Unruhe)

CSU-Politik in Bayern bedeutet nach wie vor, dass es bei uns mehr Jobs für die Menschen gibt als anderswo,

(Zurufe des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

dass es bei uns weniger Armut unter den Menschen gibt als in jedem anderen Bundesland, dass wir exzellente Universitäten und mehr innere Sicherheit haben als anderswo. Ich kann Ihnen nur sagen: Rot-Grün ist eine Gefahr für diese Erfolgsgeschichte Bayerns.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, deshalb werden wir alles dafür tun, dass diesem Land hessische Verhältnisse erspart bleiben. Wir werden alles dafür tun, dass diese erfolgreiche Politik für Bayern fortgesetzt werden kann, und daran werden Sie sich die Zähne ausbeißen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe der Abge- ordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 a auf:

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) eines Gesetzes zur Sicherung der Versammlungsfreiheit (Versammlungsfreiheitsgesetz) (Drs. 15/9951) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich darf Frau Kollegin Kamm das Wort erteilen. Frau Kollegin, wollen Sie Begründung und Aussprache zusammen machen? – Sie machen es getrennt. Dann haben Sie fünf Minuten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Versammlungsrecht ist nun – das war die Idee der CSU und nicht unsere; wir hätten eine bundeseinheitliche Regelung für richtiger und sinnvoller gehalten – aufgrund der Föderalismusreform Landeskompetenz. Die Bayerische Staatsregierung hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der das Versammlungsrecht in weiten Bereichen einschränken will.

Sehr geehrter Herr Innenminister Herrmann, die in Ihrem Gesetzentwurf geplanten Beschränkungen des Versammlungsrechts und die von Ihnen vorgesehenen Möglichkeiten, Versammlungen zu verbieten, widersprechen unserer Verfassung.

(Herbert Ettengruber (CSU): Wir reden doch über den Gesetzentwurf der GRÜNEN!)

Das kommt gleich, einen kleinen Moment bitte! Ich will nur den Gegensatz kurz darstellen. Herr Kollege Ettengruber, wenn Ihr Entwurf zum Gesetz würde, könnten Veranstaltungen verboten werden aufgrund von Gummiparagraphen, die so unbestimmte, diffuse Begriffe enthalten wie „unzumutbare Beeinträchtigung der Rechte Dritter“ oder „Gefahr einer Verletzung grundlegender sozialer und ethischer Anschauungen“.

Dazu kommen noch umfassende und teilweise unerfüllbare Pfl ichten für die Veranstalter – denen teilweise Polizeiaufgaben übertragen werden sollen –, Einschränkungen des Datenschutzes und vieles mehr.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir hoffen, dass dieser Entwurf der Staatsregierung gründlich überarbeitet wird, bevor er in die Beratungen kommt. Wir müssen verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger, die das Versammlungsrecht wahrnehmen wollen, eingeschüchtert oder gar kriminalisiert werden.

Ich darf Ihnen heute unseren Gesetzentwurf für ein liberales Versammlungsgesetz vorstellen, für ein Versammlungsgesetz, das sich auf die Bayerische Verfassung bezieht und dem Gedanken der Bayerischen Verfassung auch gerecht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Herbert Ettengruber (CSU))

Die Bayerische Verfassung besagt, dass alle Bürgerinnen und Bürger Bayerns das Recht haben, sich ohne Anmeldung und ohne besondere Erlaubnis

friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Dieses Recht wollen wir sicherstellen.

(Herbert Ettengruber (CSU): Wir auch!)

Der Versammlungsfreiheit wird in unserer Verfassung ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt. Das Versammlungsrecht ist ein elementarer Grundpfeiler unserer Demokratie. Die Meinungsfreiheit bedingt, dass Meinungen auch einmal zu zweit öffentlich gezeigt und geäußert werden können. Die Versammlungsfreiheit ist gerade für die normalen Bürgerinnen und Bürger besonders wichtig, die im Gegensatz zu Politikern, Parteien und zu einfl ussreichen Menschen wenig Möglichkeiten haben, ihre Meinungen öffentlich zu publizieren und zu verbreiten. Versammlungsfreiheit ist also ein wichtiges Korrektiv gegenüber der Macht der Medien und muss den normalen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, aus ihrer Sicht auf Missstände öffentlich wirksam aufmerksam machen zu können.

Dies ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht der Fall. Unser Gesetzentwurf geht auf die Kritik der Rechtswissenschaften und der Bürgerorganisationen gegenüber dem derzeitigen Versammlungsrecht ein, so beispielsweise auf die derzeit praktizierte Anmeldepfl icht, auf das Fehlen von Bestimmungen bei Spontanversammlungen. Unser Gesetzentwurf geht auch auf Kritik im Hinblick auf den unzureichenden Datenschutz ein, auf die fehlenden Rechtsgrundlagen für Minusmaßnahmen und auf etliche andere Aspekte, die in der Praxis zu weitgehenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit führen.

Die Versammlungsfreiheit erfährt auch zunehmend Einschränkungen durch die immer weitergehende Privatisierung öffentlicher Räume. Durch die privatrechtliche Wertung der Eigentumsverhältnisse an Flughäfen oder an Bahnhöfen – mit großem Umgriff –, in Fußballstadien oder in Einkaufszentren wird die Versammlungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger und ihre Möglichkeit, auf Missstände aufmerksam zu machen, empfi ndlich eingeschränkt. Wenn beispielsweise der ADFC – Allgemeiner Deutscher Fahrradclub e.V. – auf die fehlenden Abstellplätze für Fahrräder bei der Allianz-Arena aufmerksam machen will, dann wird ihm das untersagt. Wenn Umweltschützer vor Baumärkten auf die Problematik von Teakholz aufmerksam machen wollen, wenn Menschenrechtsorganisationen am Münchner Flughafen bei Abschiebungen auf die Menschenrechte aufmerksam machen wollen, dann ist das nicht möglich. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, dass die Räume, die von ihrer Bestimmung her öffentlich genutzt werden, und die zur öffentlichen Nutzung bestimmt sind, künftig wieder dem Versammlungsrecht geöffnet werden.

Machen Sie mit dem Anspruch der Bayerischen Verfassung ernst, sichern Sie das Versammlungsrecht. Probleme kann man nicht durch Totschweigen lösen. Gegen den Missbrauch unserer Demokratie durch Neonazis und Rechtsradikale hilft, liebe

Kolleginnen und Kollegen, nur mehr Demokratie und nicht weniger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich eröffne die Aussprache und darf Herrn Kollegen Ettengruber das Wort erteilen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Wenn er ausgeratscht hat!)

Herr Kollege Ettengruber, ich darf Sie um das Wort bitten. Bitte schön.

(Allgemeine Heiterkeit)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise pfl ege ich einen Gesetzentwurf nicht bereits in der Ersten Lesung abzulehnen. Dieses Mal muss ich es aber tun. Dieser Gesetzentwurf der GRÜNEN ist derart unsäglich, dass man ihm mit Sicherheit nicht zustimmen kann, weil er Dinge enthält – –

(Christine Stahl (GRÜNE): Wir haben eine andere Vorstellung von Freiheit!)

Ich werde das begründen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Freiheit, wie wir sie meinen!)

Das ist aber nicht die Freiheit, die wir meinen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)

Ich gehe gleich darauf ein. – Sie wollen die Versammlungsfreiheit auf mehr oder weniger alle Veranstaltungen ausdehnen, auch auf solche mit privatem Charakter. Das würde bedeuten, dass so etwas wie die Loveparade, eine so unappetitliche Veranstaltung, die mit Sex, Drogen und sonst etwas einhergeht, nicht mehr anmeldepfl ichtig wäre. Das ist in Ihrem Gesetzentwurf offenbar enthalten. Überhaupt wollen Sie die Anmeldepfl icht mehr oder weniger aufheben. Ja, wo sind wir denn eigentlich?

(Christine Stahl (GRÜNE): Lesen Sie unseren Gesetzentwurf doch einmal durch!)

Sie wollen die Aufhebung des Vermummungs- und des Schutzwaffenverbots. Sie arbeiten damit doch den Rechtsextremen beider Seiten in die Hände. Das ist unglaublich!

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Wieso? Gibt es da zwei Seiten? Gibt es zwei verschiedene Rechtsextreme?)

Ich bin Ihnen für diesen Entwurf dankbar. Mit diesem Gesetzentwurf können wir nämlich einen Teil unseres Landtagswahlkampfs bestreiten.

(Lachen bei den GRÜNEN)

So einen Entwurf haben Sie schon einmal vorgelegt, und zwar für ein Integrationsförderungsgesetz. Jenes Gesetz war damals absolut gegen die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung. Jeder, dem man es vorgelegt hat, hat gesagt: Das darf doch nicht wahr sein!

(Christine Stahl (GRÜNE): Sie kennen die Positionen im Hintergrund nicht!)