Protocol of the Session on December 12, 2007

Noch einmal: Wenn ich eine Sondertruppe will, muss die unabhängig sein von allem und jedem. Sie gehört personell draufgesetzt, nicht irgendwo herausgeholt. Sie muss aus dem täglichen Geschäft herausgehalten werden und ihren eigenen Weg gehen dürfen, um sicherzustellen, dass das erreicht wird, was notwendig ist, nämlich die Menschen vor Kriminellen und die Verbraucher vor Betrügern zu schützen. Ich sage Ihnen noch ein Beispiel:

Herr Kollege, wir sind über der Redezeit.

Danke. Noch ein Satz, dann bin ich fertig. – Wie kann es sein, dass ein Unternehmen, das mehrfach aufgefallen ist, heute wieder mit Lebensmitteln handeln darf? Erst durch unsere Hinweise im Untersuchungsausschuss ist die Gewerbeaufsicht darauf gekommen, dass da etwas nicht stimmen kann. Wenn ich dazu einen Untersuchungsausschuss brauche, stimmt doch etwas mit unseren Behörden nicht. Dies wollten wir korrigiert haben. Diese Absicht verfehlt das Gesetz aber.

(Beifall bei der SPD – Christian Meißner (CSU): Der Satz ist immer länger geworden! – Ludwig Wörner (SPD): Das macht ja nichts!)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Sprinkart.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, der uns hier vorliegt, hat hehre Ansprüche. Diesen Ansprüchen wird er bestenfalls in ganz kleinen Ansätzen gerecht. Ich beginne mit dem Unproblematischen: Die Zusammenführung der Fleischhygiene und der Lebensmittelüberwachung bei den Kreisverwaltungsbehörden geht in die richtige Richtung. Wenn das auch noch auf gleicher Augenhöhe stattfinden würde, könnte das ein kleiner Fortschritt sein. Die Einführung von Spezialteams ist auch okay. Das, was allerdings mit der Spezialeinheit beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit geschaffen wurde, ist nun wahrhaftig nicht der große Wurf. Schon die Tatsache, dass diese Spezialeinheit im Wesentlichen auf Anforderung der Kreisverwaltungsbehörden hinzugezogen wird, ist unseres Erachtens systematisch falsch. Sie könnte dort Kontrollmängel aufdecken – und wer holt sich schon gern jemanden ins Haus, der einen auch noch kritisiert.

Wir wollen die Zusammenfassung der Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung in einer eigenständigen Behörde unter dem Dach des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das haben wir in einem eigenen Antrag schon gefordert.

Nun zu den Null-Nummern in diesem Gesetzentwurf: Dadurch, dass die amtlichen Tierärzte künftig auf der Gehaltsliste des Freistaats und nicht mehr auf der der Landkreise stehen, wird sich ihre Bezahlung nicht verbessern, schon gar nicht wird dadurch die Kontrolle besser. Der Chef bleibt nach wie vor der Landrat.

Die zweite Null-Nummer ist die Rotation der Kontrolleure. Sie wurde von Ex-Minister Schnappauf zweimal groß angekündigt. Das, was nun im Gesetz zu finden ist, ist nichts anderes als ein Kotau vor den Amtsveterinären. Zudem wird sie nicht verpflichtend eingeführt, sondern mit einer wachsweichen Formulierung. Ich zitiere:

Die für die Wahrnehmung der Aufgaben … zuständigen Behörden haben dafür Sorge zu tragen, dass die mit der Erfüllung von Kontrol

laufgaben … beauftragten Fachkräfte im Rahmen der personellen und organisatorischen Möglichkeiten regelmäßig ihr Kontrollgebiet wechseln oder sonstige ausgleichende Maßnahmen getroffen werden.

Das ist schon Graus genug, wäre aber noch hinzunehmen, wobei eine klare Formulierung mit konkret formulierten Ausnahmen besser wäre. Aber dass im Gesetz nicht ein einziges Wort darüber verloren wird, in welchen Zeiträumen die Rotation erfolgen soll, ist eine Bankrotterklärung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn die Tierärzte jetzt alle zehn Jahre durchwechseln, ist das auch regelmäßig. Sie könnten das ja noch vollmundig als „große Rotation“ verkaufen. Es soll ja führende Amtstierärzte geben, die manchen Betrieb schon in der dritten Generation kontrollieren. Das könnten Sie auf eine Generation zurückfahren; das wäre auch etwas Ähnliches wie eine Rotation.

(Christian Meißner (CSU): Welcher Zeitraum wäre denn richtig?)

Vier, fünf Jahre maximal. Dazu komme ich aber gleich.

Die Einführung der Rotation hat zunächst überhaupt nichts mit Misstrauen zu tun, um das klar zu sagen. Sie steigert die Qualität der Kontrollen, indem sie zumindest einer gewissen Betriebsblindheit vorbeugt und die Berechenbarkeit reduziert. Ich sage das aus eigener Erfahrung, als jemand, der selbst einige Jahre als Kontrolleur im biologischen Landbau tätig war – hier gibt es eine Rotation von drei bis vier Jahren –, und als einer, der regelmäßig selbst kontrolliert wird.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist auch gut so!)

Spätestens, wenn ein Kontrolleur zum dritten Mal auf meinem Hof ist, weiß ich, welche Vorlieben er hat und was er garantiert nicht kontrolliert. Entsprechend kann ich mich darauf einrichten. Wenn regelmäßig ein Neuer kommt, muss ich meinen Betrieb ganz anders führen. Wenn ich als Kontrolleur zu einem Betrieb gehe, habe ich ein bestimmtes Bild von einem Betrieb, das nur schwer zu ändern ist. – Diese zwei Gründe kenne ich aus meiner eigenen Erfahrung. Es gibt also keinen Zweifel, dass wir hier etwas machen müssen. Ex-Minister Schnappauf hat im Untersuchungsausschuss die kühne Äußerung getätigt, angesichts des Terrorismus müsse man die Sicherheitsgesetze alle paar Monate nachschärfen. So sei es auch angesichts der kriminellen Energien im Lebensmittelbereich der Fall.

Abgesehen davon, dass ich nicht der Meinung bin, dass wir die Gesetze alle paar Monate ändern müssen – gründlich und richtig würde reichen –, sehe ich das in Ihrem Gesetzentwurf nicht. In der Problembeschreibung heißt es so schön: „Aktuelle Vorfälle haben gezeigt, dass eine

weitere Optimierung in diesem Bereich geboten ist“. Mit dem, was Sie in diesem Gesetzentwurf vorschlagen, hätte die Veterinärüberwachung nicht eine einzige der in Bayern bekannt gewordenen Fälle aufdecken, geschweige denn verhindern können.

Schließlich zur Privatisierung der Kontrolle. Gerade der Fall Kollmer hat gezeigt, dass die Übertragung von Fleisch- und Hygienekontrollen an Private mehr als problematisch ist. Dort wurde bei der Abwicklung der Firma die Warenausgangskontrolle einem privaten Institut übertragen. Es sei sogar ein renommiertes Institut gewesen, wie man hört. Pikanterweise hat just dieses Institut bei der Nachfolgefirma das Gegengutachten zum Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – LGL – gemacht. Untersuchte Proben, die vom LGL als für den menschlichen Verzehr nicht geeignet eingestuft wurden, wurden von dieser Firma als voll genusstauglich eingestuft. Glücklich, wer ein solches Institut für die Beprobung und Kontrolle seines Warenausgangs hat! Das zeigt: Sie haben aus den aktuellen Vorfällen diesbezüglich nichts gelernt.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Vielleicht noch einen Satz zu dem Vorwurf, wir forderten nur mehr Personal.

Lieber Herr – –

Ich komme zum letzten Satz.

Ja, bitte, den letzten Satz.

Wenn wir feststellen, dass wir für die Kontrolle und Untersuchung von Fasanen nur wenige Sekunden zur Verfügung haben, kommen wir nicht umhin, mehr Personal zu fordern. Das allein ist es aber nicht. Es geht vielmehr auch darum, dass jeder Betrieb damit rechnen muss, in überschaubaren Zeiträumen zu 100 % kontrolliert zu werden. Es geht dabei nicht an, dass nur die Kühlraumtür aufgemacht wird und angeschaut wird, was in der ersten Reihe liegt. Diese Situation haben wir nämlich.

Der Gesetzentwurf ist in seinen wesentlichen Teilen mehr als schwach. Er wird seiner Zielsetzung in keinster Weise gerecht. Von unserer Seite kann es gar nichts anderes geben als Ablehnung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe noch eine vorsorgliche Bitte: Achten Sie auf die Redezeit. Wir haben noch ein ganz schönes Programm vor uns. In diesem Fall hatten wir eine Überschreitung von 1 Minute 23 Sekunden.

(Oh-Rufe und Lachen bei den GRÜNEN)

Ich sag’ ja nur.

(Thomas Kreuzer (CSU): Abzug!)

Nächste Wortmeldung : Herr Staatssekretär Huber. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Lebensmittelsektor haben wir in den letzten Jahren vollkommen veränderte Verhältnisse bekommen. Die Marktstrukturen und die Vermarktungsstrukturen haben sich geändert. Wir haben einen Markt, in dem oftmals große, international agierende Firmen anonym globale Warenströme abwickeln. Gleichzeitig wurden Inhalt und Systematik rechtlicher Vorgaben auf EU- und auf Bundesebene entscheidend geändert. Wir müssen jetzt schauen, dass wir diese neuen Gegebenheiten in unser Gesetz übernehmen, vor allem auch aus der Erfahrung, dass Kriminelle diese neue Situation geschickt für sich ausnutzen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist aber nicht neu!)

Entschuldigung, aber wir sind jetzt bei der Gesetzeslesung. Wir versuchen, dies zusammenzufassen.

Wir haben hier schon 2006 ein umfangreiches Maßnahmenpaket dargestellt und erörtert. Ich möchte ganz klar sagen: Es handelt sich hierbei nicht um ein Placebo, nicht um eine Nullnummer, sondern wir haben ganz wesentliche neue Strukturen eingebaut. Wir entwickeln die Organisation der Lebensmittelüberwachung deutlich weiter und geben ihr ganz neue Instrumente an die Hand.

Wir haben die Zuständigkeiten neu geregelt. Es gilt der Grundsatz: Lebensmittelsicherheit muss aus einer Hand kommen. Aus diesem Grunde haben wir als Erstes die Fleischhygieneüberwachung verstaatlicht, und wir führen sie mit der Lebensmittelüberwachung zusammen. Das sieht im Übrigen auch das europäische Hygienerecht mit dem Hygienepaket vor.

Zweitens haben wir dann konsequenterweise bei den kreisfreien Städten über 100 000 Einwohnern Lebensmittelüberwachung, Veterinäramt und Futtermittelkontrolle in kommunaler Hand zusammengeführt.

Wir haben dann, drittens, die Regierungen als einheitliche Zulassungsbehörden definiert.

Es gilt also der Grundsatz: Ein Territorium, eine zuständige Behörde.

Wir wollen damit die verschiedenen Elemente der Lebensmittelsicherheit besser ineinander fügen, die Verantwortlichkeiten klarer bündeln und die Transparenz erhöhen. Dass die kreisfreien Städte dadurch zusätzliche Kosten

haben, haben wir berücksichtigt. Wir werden nach dem Konnexitätsprinzip für diese neuen Aufgaben Finanzzuweisungen machen. Diese Zuweisungen wollen wir in einem Zeitraum von zwei Jahren überprüfen, nicht jedoch die Zuordnung der Aufgaben.

Neben der Bündelung und Straffung haben wir noch einen weiteren Schwerpunkt gesetzt. Wir gestalten die Kontrollen risikoorientiert. Die besonderen Kontrollaufgaben werden damit gebündelt und mit dem notwendigen Sachverstand durchgeführt. Ich muss klar betonen: Es geht hierbei nicht um den Metzger an der Ecke oder um den Hofladen, sondern es geht um die großen, schwer zu durchschauenden Strukturen, die hier ein anderes Vorgehen notwendig machen. Wir können den Sachverstand dafür nicht in allen 96 Kreisverwaltungsbehörden vorhalten; denn es geht dort wirklich um sehr spezielle Dinge. Deswegen haben wir im Juli letzten Jahres die Spezialeinheit für Lebensmittelsicherheit am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – LGL – ins Leben gerufen. Wir beabsichtigen, dort das jährliche Kontrollprogramm für Betriebe mit besonderem Risiko aufzustellen. Federführend für die Kontrollen bleiben allerdings die Kreisverwaltungsbehörden vor Ort; sie werden von der Spezialeinheit nur unterstützt. Wir kombinieren also die Kreisverwaltungsbehörden mit den Spezialistenteams. Wir führen die Vorteile der Ortskenntnis mit der überregionalen Sachkompetenz zusammen.

Zur Rotation möchte ich kurz sagen: Flexible Handlungsfähigkeit draußen ist notwendig, um es praktisch umzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle ganz klar herausstreichen: Die Pflicht zur Rotation bedeutet nicht Misstrauen, schon gar nicht Generalverdacht. Ich bedanke mich bei dir, lieber Adi, dass du das gerade explizit erwähnt hast. Die pauschalen Verdächtigungen, denen sich die Behörden und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Vergangenheit ausgesetzt sahen, waren kränkend und durch nichts gerechtfertigt. Sehr viele Tierärzte führen seit Jahrzehnten mit großem persönlichem Engagement und großer Loyalität ihren Kampf für die Lebensmittelsicherheit. Die Rotation ist als bewährtes Instrument der Personalentwicklung zu sehen. Die Kontrollerfahrung in wechselnden Betrieben erweitert mit Sicherheit den persönlichen Horizont.

Die Lebensmittelüberwachung erfüllt eine verantwortungsvolle und oft sehr komplexe Aufgabe im Rahmen schwieriger Rechtsvorschriften, bei großen Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch der Lebensmittelwirtschaft. Wir müssen Entscheidungen oft unter hohem Druck und unter hohem Schadensersatzrisiko treffen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bayerischen Lebensmittelüberwachung leisten dabei seit Langem hervorragende Arbeit. Es ist jetzt an uns, ihnen Strukturen und Instrumente an die Hand zu geben, damit sie das weiterhin gut machen können. Das Gesetz ist geeignet, die Strukturen wesentlich zu verbessern. Raffiniertes kriminelles Handeln werden wir damit auf Dauer zwar wohl nicht verhindern können, aber es ist ein wesentlicher Beitrag, die Lebensmittelsicherheit zu verbessern. Deswegen bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU)