Protocol of the Session on February 12, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nach den Erfahrungen mit der Maxhütte – auch zu diesem Thema ein Satz –, wo Sie über eine halbe Milliarde DM – ich springe in den Währungen – aus dem Fenster warfen, wage ich mir gar nicht auszumalen, wie „hervorragend und preiswert“ die CSU die Strukturprobleme Nordrhein-Westfalens gelöst hätte, wo ein Wirtschaftsraum von sieben Millionen Menschen umzustrukturieren war. R01124 Ich sage soviel zu Ihrer Vorliebe – Herr Kollege Ach, Herr Minister –, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, wenn Sie über die Haushalte anderer Bundesländer reden,

(Beifall bei den GRÜNEN)

um von Ihren eigenen Fehlern abzulenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Pleiten und Pannen-Liste – Pech ist da selten dabei – belegt mit großer Deutlichkeit: Die vom verw a l t u n g s i n t e rnen Controlling offensichtlich wenig belastete Staatsregierung taugt selbst in keiner Weise als Vorbild für eine sparsame Finanzpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Folgerichtig kommentieren der Gesetzentwurf zum Nachtragshaushalt und die damit verbundene Änderung des Finanzausgleichsgesetzes die Absicht, den Landeshaushalt maßgeblich zu Lasten Dritter zu sanieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hatte Anfang dieser Woche noch das große Vergnügen, einem Vortrag des Landtagspräsidenten zum Thema Bürgergesellschaft beiwohnen zu dürfen. Er sprach von der großen Bedeutung des Ehrenamtes und der Verantwortungsgemeinschaft von Bürgern und Staat, ohne die unsere Gesellschaft nicht gedeihen könne. Da sind wir einer Meinung; das unterschreibe ich.

Diese Worte ergeben aber nur dann einen Sinn, wenn der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern und den von Ihnen getragenen Vereinen, aber auch den Kommunen zum Einen mehr Autonomie gibt, selbstverantwortlich zu handeln, zum Anderen aber auch die materiellen Voraussetzungen und Fre i r ä u m e dafür schafft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer von Bürgergesellschaft redet, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, damit aber nur das Hohelied der Armut moralinschwer verbrämt, der macht es sich zu einfach, der stiehlt sich aus der politischen Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer Bürgergesellschaft sagt, der muss das Ehrenamt fördern. Mit Ihrer Finanzpolitik machen Sie das Gegenteil davon: ob Kürzungen bei der Jugendpolitik, beim Sport, bei vielen sozialen Selbsthilfeorganisationen – mit Ihrer Politik schaden Sie dem Ehrenamt in ganz Bayern und damit letztlich der gesamten bayerischen Gesellschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gehen Sie selbst zu den Gemeinden ins Land, zu den Kommunen, den vielen Organisationen: Sie stoßen dort nicht nur die Menschen vor den Kopf das wissen Sie alle, sondern Sie erziehen sie förmlich zum Rückzug aus ihrem unglaublich wichtigen ehrenamtlichen Engagement. Unsere Gesellschaft wird ärmer, das soziale Klima rauer. So manche Aufgabe wird auf den Staat zurückfallen, womit die

Kosten für den Staatshaushalt erhöht werd e n. Haushaltslogik sieht anders aus, Herr Faltlhauser, und diese Politik können wir deshalb nicht akzeptieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

„Klamme Kommunen fühlen sich vom Freistaat verlassen.“ „Indiskutabel.“ „Deimer wirft Stoiber Ignoranz vor.“ Meine Redezeit würde nicht annähernd ausreichen, wahrscheinlich der ganze Tag nicht, um Ihnen nur die Schlagzeilen der Kommunalpolitiker aus Ihren Reihen vorzulesen, die sich in der letzten Zeit zu den Konsequenzen Ihrer föderalen Finanzstruktur und Politik geäußert haben.

Die unterste Ebene im föderalen Staatsaufbau sind die Kommunen, die Gemeinden, Kreise und Bezirke. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität sind sie die Keimzellen des föderalen Staates; das habe ich von Ihnen gelernt, damit haben Sie Recht.

Recht haben aber auch die Ve r t reterinnen und Vertreter aller kommunalen Ebenen, quer durch alle Parteien, die in ihrem scharfen, ja verzweifelten Protest, gegen die Bayerische Staatsregierung, gegen die finanzielle Strangulierung der Kommunen aufstehen. Diese Politikerinnen und Politiker im Land handeln verantwortlich, Sie nicht.

Der Ministerpräsident – leider kein gelernter Ökonom, das merkt man häufiger – fordert auf Bundesebene immer wieder neue Steuerentlastungen, wohl nicht wissend, dass dafür mittlerweile das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Ich erinnere nur daran, dass in Bayern nur noch 73 % der Staatsausgaben d u rch Steuereinnahmen gedeckt sind, vor zwei Jahren waren es noch über 80 %.

(Engelbert Kupka (CSU): Was schließen Sie daraus?)

Das Ende der Fahnenstange für weitere Steuerentlastungen ist erreicht, Herr Kupka.

(Zuruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Ihr Finanzminister verschiebt die Haushaltslasten ungerührt auf die Kommunen.

(Zuruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Ich hab Ihnen Antwort gegeben, Herr Kupka, das muss für den Augenblick reichen.

Viele Kommunen können doch jetzt schon nur noch durch Veräußerung ihres Tafelsilbers einen Haushalt aufstellen, andere können ihren Haushalt gar nicht mehr ausgleichen. Doch nicht nur den bayerischen

Städten und Gemeinden geht es schlecht: auch die Bezirkshaushalte treiben Sie gnadenlos in die Pleite. Zum Einen – dafür können Sie nichts – durch die hohen und steigenden Bezirksausgaben in dem Bereich der Ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben im Sozial- und Jugendbereich, zum Zweiten – dafür können Sie auch nur zum Teil etwas durch Ihre Wirtschaftspolitik – durch den teilweise massiven Rückgang der Umlagekraft in den Bezirken.

Im Herbst noch hatten alle Bezirkstagspräsidenten deswegen zu Recht gefordert, die Zuweisungen des Freistaats für die Bezirke müssen um 300 Millionen Euro aufgestockt werden, damit die Bezirke handlungsfähig bleiben. Dann hatten die kommunalen Spitzenverbände mit der Staatsregierung vereinbart – Sie haben es eben angesprochen –, die Mittel nur um 140 Millionen Euro aufzustocken. Die Sachlage ist richtig beschrieben; die Frage der Freiwilligkeit nicht. Diese Einigung war nicht freiwillig, wie Sie hier Glauben machen wollen. Sie war vom Finanzminister erzwungen worden: „Entweder Ihr einigt Euch auf der Grundlage der 140 Millionen Euro, oder ich streiche Euch das Geld wieder“.

Erzwungene Einstimmigkeit ist das, für die Sie eben, Herr Faltlhauser, sich selbst und die CSU gerade intensiv gelobt haben. Einstimmigkeit – das zeigt Ihre Aussage aber auch wieder – muss in der CSU kein Ergebnis von Erkenntnis und Vernunft sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund erinnere ich an die Äußerungen des Finanzministers, kein Bezirk müsse bei einer Gesamtzuweisung aus FAG-Mitteln in Höhe von 440 Millionen Euro seine Umlage erhöhen. Natürlich war das falsch. Tatsache ist, was Insidern schon lange bekannt war, dem Finanzminister bis zu seiner heutigen Rede aber offensichtlich nicht: Das Geld reicht für die Bezirke hinten und vorne nicht. Eine Erhöhung der Mittel ist zwingend erforderlich.

(Manfred Ach CSU: Woher?)

Die CSU lehnte aber einen entsprechenden Antrag noch vor wenigen Wochen ab. Die logische Folge, im Unterschied zu der von Herrn Faltlhauser aufgestellten Behauptung, kein Bezirk muss seine Umlage erhöhen: sechs der sieben Bezirke planen als absehbares Ergebnis der bayerischen Finanzpolitik eine deutliche Erhöhung der Bezirksumlage; 2 Prozentpunkte werden nicht reichen.

Doch wie sollen das wiederum unsere Städte und Gemeinden zahlen? Sie stehen heute bereits mit dem Rücken zur Wand. Zum Einen sind sie mit Steuerausfällen belastet, zum Anderen will die Bayerische Staatsregierung mit dem heute vorgelegten Finanzausgleichsgesetz die Gemeinden, Städte und Landkreise noch weiter schröpfen. Sie schlagen vor,

den Umfang des kommunalen Finanzausgleichs massiv zu kürzen. Diese Kürzungen, gerade im Investitionsbereich, treffen aber nicht nur die Einrichtungen der Daseinsvorsorge in den Kommunen, sondern auch die örtlichen mittelständischen Unternehmen, für die öffentliche Aufträge immer noch ein wichtiges Standbein und damit auch ein wichtiges Standbein für die regionale Wirtschaft sind.

In dieser Situation ist für die Kommunen weder eine Erhöhung der Bezirksumlage verkraftbar, noch können sie die geplanten drastischen Kürzungen des Landes bei vielen sozialen Aufgaben damit auffangen.

Die kommunale Ebene am langen Arm verhungern zu lassen, hat weder etwas mit dem Grundsatz der Subsidiarität zu tun, noch mit einer sonst irgendwie v e r a n t w o r t b a ren bayerischen Finanzpolitik. Dafür gibt es unsere Zustimmung nicht, und ich hoffe, nach den Haushaltsberatungen auch nicht mehr die Zustimmung der übrigen Fraktionen des Landtags.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist eine Sanierung auf Kosten der Basis unserer Gesellschaft, auf Kosten des Ehrenamtes, auf Kosten der subsidiären Staatsebenen, die Sie in Ihren Sonntagsreden gerne lobpreisen: Da überrascht es nicht – jedenfalls mich nicht –, dass auch die künftigen Generationen für Ihre Haushalts-Show bluten müssen. Ich spreche jetzt nicht über die Bildungs- und Hochschulpolitik, das ist ein eigener Bereich. Den meisten von uns dürfte klar sein, dass es nicht nur ein schlimmes Vergehen gegenüber der Jugend ist, hier den Rotstift anzusetzen. Als Beispiel für die Fehler sei nur genannt, dass Sie den heute wirklich unbestritten überfüllten Universitäten Geld wegnehmen. Sie haben offensichtlich nicht begriffen, dass Bildung die einzige Ressource ist, über die unser Land wirklich verfügt. Wer daran spart, gefährdet die Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft.

Aber Sie gehen den künftigen Wählerinnen und Wählern auch direkt an den Geldbeutel. „Privat Public Partnership“ heißt das Zauberwort, für das Sie Verpflichtungsermächtigungen von nicht weniger als 130 Millionen Euro in den Haushalt einstellen. Das soll erst der Anfang sein. „Privat Public Partnership“, das heißt genauer: Im Haushalt weisen Sie – Grundsatz von Wahrheit hin und Grundsatz von Wahrheit her – die Summe von null Euro aus.

Heute wollen Sie Straßen und Gefängnisse bauen, die im heutigen Haushalt nicht ausgewiesen sind. Baue heute, zahle später – Finanzminister als Schnäppchenjäger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kreative Buchführung, Herr Faltlhauser, ist eben nicht das Gleiche wie eine stetige Finanzpolitik, die den Grundsätzen von Wahrheit und Klarheit verpflichtet ist. Es ist eine Verschleierung, ein Einnebeln – mit diesem Terminus kennt sich die Bayerische Staatsregierung ja aus – von Zahlen und das damit verbundene künstliche Herunterrechnen von Haushaltslöchern, welches das Problem der privaten Vorfinanzierung ausmacht. Es ist so, dass Bauprojekte durch private Vorfinanzierung in der Regel auch teurer werden, weil die privaten Kapitalgeber natürlich auch Profit machen wollen. Das haben im Übrigen auch sowohl der Bayerische Oberste Rechnungshof als auch der Bundesrechnungshof bereits im Jahre 1994 festgestellt. Vor allem nehmen sie den künftigen Generationen heute schon das Geld aus der Tasche, das diese morgen und übermorgen brauchen, um nach ihrem eigenen politischen Willen die Entscheidung zu treffen, zu bauen und das Geld zu verausgaben.

Die Bayerische Staatsregierung will ihren Haushalt auf dem Rücken der Städte, Gemeinden und Bezirke sowie auf Kosten vieler engagierter Menschen und künftiger Generationen sanieren.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Ach (CSU))

Herr Ach, Sie können gleich noch etwas sagen.

(Manfred Ach (CSU): Das lohnt sich nicht!)

Diese Politik halten wir für unredlich und eine unredliche Politik werden wir nicht mittragen. Lieber Herr Kollege Ach, weil Sie mich gerade angesprochen haben: Auch ich freue mich natürlich auf die Haushaltsberatungen. Vielleicht – auch wenn das vielleicht der einzig naive Ansatz in meinem Papier ist – überwinden Sie doch noch ihre bisherige Beratungsresistenz und wir kommen gemeinsam zu einem vernünftigen Gesamtergebnis.