Protocol of the Session on July 19, 2007

Die vorliegende Kostenschätzung geht von 6 Milliarden Euro aus. Das hat auch Herr Wiesheu, als er am Dienstag hier vor den beiden Ausschüssen gesprochen hat, erheblich infrage gestellt. Damit steht die Finanzierung dieses Projektes momentan noch in den Sternen, aber nicht nur, weil die Schätzung mit 6 Milliarden Euro nicht stimmt. Diese 6 Milliarden Euro sind noch nicht fi nanziert. Ich teile die Forderung, die EU soll mitfi nanzieren, es ist ein europäisches Projekt. Speziell Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, fordern für all Ihre Projekte wie die Strecken Nürnberg – Erfurt, Stuttgart – Ulm – München, München – Mühldorf – Freilassing – Salzburg bis hin zum unsinnigen Transrapid TEN-Mittel. Der Topf der TEN-Mittel ist in den letzten Jahren geschrumpft, die Projekte sind nicht kleiner geworden. Man darf die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen.

(Beifall der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Die Bundesregierung hat klar erklärt, Deutschland wird sich am Brennerbasistunnel fi nanziell nicht beteiligen. Ein Blick in die Haushalte zeigt, dass wir mit den hier genannten Zulaufstrecken eigentlich schon fi nanziell überfordert sind.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Rotter (CSU))

Wir sind momentan hiermit eher überfordert. Es ist richtig, das wir uns nicht in dieses – aus meiner Sicht – fi nanzielle Abenteuer „Brennerbasistunnel“ hineinstürzen. Ich sehe nach wie vor enorme geologische Risiken bei dem Projekt. Wir können eigentlich erst dann in

Euphorie verfallen, wenn der Probestollen, dessen Bohrung läuft, abgeschlossen ist und wir Kenntnisse darüber haben, welche Risiken uns unter diesem Berg erwarten. Ich nenne nur das Beispiel der ICE-Strecke Ingolstadt – Nürnberg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Risiken sind in diesem Fall noch wesentlich größer.

Ich habe auch noch gewisse Zweifel. Es gibt – das ist Ihnen allen ja bekannt – die von der BrennerbasistunnelGesellschaft in Auftrag gegebene Progtrans-Studie. Sie sagt klar und deutlich: Im Angesicht der niedrigen Mautgebühren, die wir momentan haben, wird es kaum Entlastungseffekte und Verlagerungen, also das, was wir uns alle wünschen und was auch unser Anliegen ist – Verlagerung von der Autobahn auf die Schiene –, geben. Das heißt, dieses Projekt müsste eigentlich europaweit noch einmal in einen ganz anderen Kontext gestellt werden,

(Beifall bei den GRÜNEN)

was Straßenmaut anbelangt, was Einschränkungen auf der Straße anbelangt, damit wir wirklich die gewünschten Effekte erzielen.

Und dann noch etwas: Sie führen bei den Zulaufstrecken natürlich wieder fast alles an, was auf Ihrem Wunschzettel steht, bis hin zu diesem Projekt Nürnberg – Erfurt, zu dem wir klar und deutlich sagen: Das ist nicht zielführend, das ist zu teuer, das können wir uns nicht leisten.

Und es geht – Kollege Beyer hat es schon gesagt; Sie haben es Gott sei Dank noch in die Ausführungen hineingenommen – um die wahnsinnig wichtige Elektrifi zierung der Stecke in Richtung Lindau, in Richtung Schweiz. Das ist wirklich ein Trauerspiel, wo wir nicht weiterkommen. Wenn wir dieses hätten, mit der Schweizer NEAT zusammen, könnten wir

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

eine riesige Entlastung relativ bald und mit relativ geringen Mitteln erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass Sie die Strecke München – Mühldorf – Freilassing hier wieder bringen, freut mich natürlich; das kann man nicht oft genug fordern, wobei ich auch hier sagen muss: Das haben wir in den letzten 20 Jahren schon so oft debattiert, es ist ein Trauerspiel, dass wir nicht weiterkommen. Verkehrsminister Gustl Lang hat 1990 gesagt, 1994 fahren wir auf der Strecke. Mittlerweile sind 13 Jahre vergangen, und wir haben noch nicht einmal Baurecht für die Strecke, geschweige denn einen zügigen Ausbau.

Das waren also einige Anmerkungen, die ich zu dieser ganzen Geschichte machen musste. Was ich mir dringend wünschen würde, wären wirklich Sofortmaßnahmen, zum Beispiel Lärmschutzmaßnahmen im Inntal,

vielleicht auch einmal auf diesem Abschnitt ein Tempolimit,

(Beifall bei den GRÜNEN)

sodass die Leute tatsächlich von heute auf morgen relativ zügig Entlastungen bekommen. Immer wieder die Leute zu vertrösten und zu sagen, irgendwann einmal bauen wir dann den Brennerbasistunnel, das kann es letztendlich nicht sein!

Deshalb werden wir uns bei diesem Antrag – weil er einige Punkte enthält, die wir nicht mittragen können, obwohl wir das große Ganze befürworten – der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir liegt keine weitere Wortmeldung vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CSUFraktion und die SPD-Fraktion. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen und dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Die übrigen Dringlichkeitsanträge 15/8670, 15/8674, 15/8675, 15/8671, 15/8672 und 15/8673 werden wie üblich an die Ausschüsse verwiesen.

Damit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, schließen wir diese Plenarsitzung, wie immer vor der Sommerpause und zum Abschluss dieser Sitzungsphase des ersten Halbjahres, mit einigen abschließenden Bemerkungen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Gestern war die 100. Plenarsitzung dieser Legislaturperiode, aber heute haben wir ein noch imposanteres Jubiläum: die 2000. Vollversammlung des Bayerischen Landtags seit der ersten Sitzung der 1. Wahlperiode im Jahr 1946.

Dies ist Beweis für eine gefestigte Demokratie, ist auch Erfolg und Verpfl ichtung, ist Beweis für eine Demokratie, die gewachsen ist aus den Verheerungen des Dritten Reichs, den geistigen und den materiellen Verheerungen. Es ist auch Beweis für das rege parlamentarische Leben. Dieses große Erbe ist uns natürlich auch Verpfl ichtung, uns auch in Zukunft für die parlamentarische Demokratie entsprechend zu engagieren, auch, um in der parlamentarischen Arbeit immer wieder in der aktuellen Situation unsere Arbeitsweisen zu überprüfen und weiterzuentwikkeln.

Im letzten Sitzungsjahr haben wir probeweise einige Veränderungen eingeführt mit der Zielsetzung „lebendigeres Parlament“: eine neue Form der parlamentarischen De

batten mit der Ministerbefragung, einen neuen Sitzungszyklus – in der Regel eine Sitzung pro Woche, um aktuell und rascher reagieren zu können –, die Verabschiedung des Doppelhaushalts in einer neuen Form in einer eigenen Haushaltswoche und auch die Korrektur der Sitzungszeiten im Hinblick auf die Medien am Dienstag.

Der „Tag der offenen Tür“ am 23. Juni dieses Jahres mit circa 7000 Besuchern war eine sehr erfolgreiche Aktion, um den Bürgerinnen und Bürgern den Landtag und seine Arbeit näherzubringen. Dies, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind auch weiterhin notwendige Aktivitäten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den nächsten Monaten werden wir uns in den Landesparlamenten auch damit befassen müssen, welche Schlussfolgerungen wir aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Veröffentlichung von Nebentätigkeiten und Einnahmen bei Bundestagsabgeordneten ziehen. Beim Bundesverfassungsgericht gab es in der Sache praktisch ein Patt. Das Urteil bringt insoweit auch keine Klärung. Es hat eine formale Entscheidung für den Bundestag gebracht im Hinblick auf die Veröffentlichungen. In diesem Urteil stehen sich aber grundsätzlich bei den Richterinnen und Richtern zwei zahlenmäßig gleich starke Positionen gegenüber mit einer grundsätzlich unterschiedlichen Sichtweise im Hinblick auf das parlamentarische Mandat in unserer Demokratie und in unserer Gesellschaft. Es geht hier um mehr als um technische Regelungen. Es geht letztlich im Kern – das kann man in diesem Urteil aus zwei ganz unterschiedlichen Positionen heraus gut studieren – um sehr grundsätzliche Fragen des parlamentarischen Mandats im Selbstverständnis und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen.

Ich plädiere deshalb für eine sehr gründliche Analyse und bin persönlich auch gegen wohlfeile und schnelle Schlussfolgerungen für die anderen Parlamente. Dass vieles in der Regelung des Bundestages ungereimt ist und nicht sichtbar wird, ist eine Sache, die der Bundestag zu regeln hat. Was aber an grundsätzlichen Fragestellungen damit verbunden ist, ist unsere gemeinsame Aufgabe und auch Verpfl ichtung, uns damit auseinanderzusetzen, in jeder Beziehung grundsätzlich und ergebnisoffen; denn diese Entscheidungen haben eine große Auswirkung – da bin ich sicher – auf die künftige Zusammensetzung der Parlamente und auf die Stellung des freien Mandats in der Demokratie. Deshalb sind wir über unsere eigene momentane Interessenlage hinaus zur gründlichen Beratung verpfl ichtet.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen herzlich für die Arbeit, die Sie hier im Haus, in den verschiedenen Gremien und in Ihren Stimm- und Wahlkreisen zum Wohle unseres Landes geleistet haben.

Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten und den Mitgliedern der Bayerischen Staatsregierung für die gute Zusammenarbeit.

Aber mein besonderer Dank gilt Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber, über dieses Jahr

hinaus für 14 Jahre Zusammenarbeit mit Ihnen in dieser Aufgabenstellung. Legislative und Exekutive haben dabei unterschiedliche Aufgaben und Rollen, aber unser Gemeinsames ist der Dienst für unser Volk und die parlamentarische Demokratie.

In der Reihe der sieben bayerischen Ministerpräsidenten haben Sie mit 14 Jahren nach Alfons Goppel – bei ihm waren es 16 Jahre – die zweitlängste Amtszeit als Ministerpräsident. In der Aufgabenverteilung von Legislative und Exekutive ist jedoch auch die Zugehörigkeit zum Kabinett zu zählen, und mit knapp 25 Jahren sind Sie das dienstälteste Kabinettsmitglied der bayerischen Nachkriegsgeschichte,

(Beifall bei der CSU)

gefolgt von Max Streibl mit 22 Jahren.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, das Parlament dankt Ihnen für diese lange Wegstrecke der Zusammenarbeit, zu der die Kontroverse genauso gehört wie die Gemeinsamkeit der Aufgabenstellung für Volk und Demokratie. Ich danke Ihnen auch persönlich als Präsident des Parlaments. Vielen Dank!

(Beifall bei der CSU)

Ich danke den beiden Vizepräsidenten, den Mitgliedern des Präsidiums und des Ältestenrates, den Fraktionsvorständen und den Ausschussvorsitzenden und deren Stellvertretern. Ich danke allen, die in besonderen Funktionen die Arbeit hier besonders prägen und tragen.

Danken möchte ich auch den Vertretern von Presse, Hörfunk und Fernsehen für ihre Berichterstattung.

Darüber hinaus gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionsgeschäftsstellen, den Landtagsbeauftragten sowie den Beamten der Polizei für die geleistete Arbeit.

Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtagsamts sowie dem Amtschef ein herzlicher Dank für ihr Engagement und die konstruktive Unterstützung!

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mitteilen, dass dem Bayerischen Landtag im März dieses Jahres das Grundzertifi kat zum Audit „berufundfamilie“ von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen erteilt wurde. Das Landtagsamt hat da eine sehr anerkennenswerte Leistung erbracht.

Ich will Sie darüber informieren, dass wir in den letzten Monaten im Landtagsamt eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt haben, begleitet von der Akademie für Verwaltungsmanagement und der hausinternen Projektgruppe „Mitarbeiterbefragung“. Laut dieser Befragung bewerten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Schulnoten ausgedrückt, das Landtagsamt mit „Gut“. Das ist ein sehr erfreuliches Ergebnis.

Besonders erfreulich ist, dass vonseiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtagsamts die Zusammenarbeit mit Ihnen, den Abgeordneten und den Fraktionsgeschäftsstellen, außerordentlich positiv bewertet wird.

(Allgemeiner Beifall)