Protocol of the Session on July 19, 2007

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Damen des Präsidiums wünschen Ihnen einen guten Morgen.

Ich eröffne die 101. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde – wie immer – erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Ihnen sagen, dass wir heute drei Geburtstagskinder haben: Wir gratulieren ganz herzlich zum Geburtstag Frau Kollegin Christa Götz. Dann dürfen wir ebenfalls einen herzlichen Glückwunsch an Kollegen Herbert Ettengruber richten. Kollege Ernst Weidenbusch ist noch nicht hier; aber auch ihn sollen unsere Glückwünsche begleiten. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Gesundheit und weiterhin viel Erfolg!

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Als Ersten rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, HansUlrich Pfaffmann, Karin Pranghofer u a. u. Frakt. (SPD) Aussetzen des Büchergelds (Drs. 15/8667)

Ich eröffne die Aussprache und darf als Erstem Herrn Kollegen Pfaffmann das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir machen heute einen weiteren Versuch, den Griff in den Geldbeutel der Familien zu korrigieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts anderes ist das Büchergeld. Es hat sich in den letzten Monaten gezeigt: Büchergeld ist sinnlos; es hat sich erwiesen, dass sowohl die Bearbeitung der Anträge willkürlich als auch die Höhe völlig falsch berechnet ist. Büchergeld, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nichts anderes als eine Bildungsgebühr, die Sie in Bayern eingeführt haben, ist die faktische Abschaffung der Lernmittelfreiheit.

Ich möchte an die Rede des Ministerpräsidenten anknüpfen, der vorgestern zum Schwerpunkt Bildung hier gesagt hat: Wir konnten eine kontinuierliche und konsequente Bildungspolitik für unsere Kinder betreiben. Mir kommt es so vor, liebe Kolleginnen und Kollegen, als würde die CSU in diesem Hause eine konsequente Bildungspolitik gegen die Familien und deren Kinder betreiben. Das zeigt die Einführung des Büchergelds.

Es gibt überhaupt keine sachliche Begründung dafür, ein Büchergeld einzuführen; auch das hat sich in den letzten Monaten erneut erwiesen. Mir wäre es lieber, wir würden über die Rahmenbedingungen an unseren Schulen diskutieren, über die Tatsache, dass wir zu wenige Lehrer haben, zu große Klassen, und darauf in der politischen Auseinandersetzung unser Gewicht legen, nicht auf die Randdiskussion um Büchergeld.

Die größte Bildungsungerechtigkeit in Bayern besteht darin, dass die Zukunftschancen der Kinder vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

(Beifall bei der SPD)

Das zeigt der Bildungsbericht, und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben hier einen weiteren Baustein hinzugefügt.

Die Eltern sind bereits jetzt belastet – alle, die Kinder in der Schule haben, wissen das – durch die zusätzlichen Kosten für Hefte, Arbeitshefte, Zusatzbücher, ergänzendes Unterrichtsmaterial, die unterstützende Literatur in vielen Fächern, Mittagsbetreuung, Betreuungskosten, Hortkosten, das Mittagessen, die Aktivitäten außerhalb des Schulalltags wie Ausfl üge, Schullandheimaufenthalte, Busfahrten. Hinzu kommen – auch das muss hier noch einmal erwähnt werden – die Kosten für Nachhilfe, Nachhilfelehrer, Nachhilfematerial. Jeder vierte Schüler in Bayern – bereits in der Grundschule, 3. und 4. Klasse – braucht Nachhilfe. Alle diese Kosten belasten die Eltern in einem Ausmaß, dass sich sehr viele gute Bildungschancen für ihre Kinder nicht mehr oder nur mit höchsten Schwierigkeiten leisten können.

Das Büchergeld ist zwar in der Höhe nun nicht der ausschlaggebende Punkt, aber ein Baustein in dieser Kostenstruktur, und führt weiterhin dazu, dass die Geldbeutel der Eltern immer dünner werden, wenn sie gute Bildungschancen für ihre Kinder haben wollen.

(Beifall bei der SPD)

Der Ministerpräsident hat vorgestern hier von Leuchtturmprojekten in der Bildungspolitik gesprochen. Das Büchergeld, das Sie eingeführt haben, ist ein echtes Leuchtturmprojekt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Eltern müssen sich die Zukunft und die gute Ausbildung ihrer Kinder von der Zweidrittelmehrheit in diesem Hause erkaufen. Das ist die bittere Wahrheit, die wir hier diskutieren. Das ist eine Blamage und zeigt auch, dass der von der Mehrheit in diesem Hause hochgehaltene Schwerpunkt Bildung nichts als eine Worthülse ist. Die Wahrheit schaut ganz anders aus, wenn man hinter die Kulissen blickt.

Stoiber hat gesagt: Bildung ist der wichtigste und nachhaltigste Beitrag für die weitere Entwicklung Bayerns. Unser Ziel lautete zu jeder Zeit: Beste Bildung für unsere Kinder.

Die Wahrheit ist: Sie sparen jährlich 15 Millionen Euro im Haushalt auf dem Rücken dieser Kinder. 15 Millionen! Wenn das nun der Schwerpunkt Ihrer Bildungspolitik ist, dann können die Kinder, die Schülerinnen und Schüler und die Eltern in diesem Lande gerne auf diesen Schwerpunkt verzichten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es Ihnen ernst ist mit diesen schönen Reden hier in diesem Hause, wenn Sie es wirklich ernst damit meinen, dann beenden Sie die Abzockerei der Eltern, dann beenden Sie den Griff in die Kassen der Familien und sorgen dafür, dass Bildung im Interesse der Kinder kostenfrei zur Verfügung gestellt wird,

(Beifall bei der SPD)

wie es im Übrigen das Gesetz auch vorsieht. Wir haben in diesem Lande schließlich eine Lernmittelfreiheit; mit dem Büchergeld schaffen Sie diese Lernmittelfreiheit faktisch ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist die Wahrheit Ihrer Bildungspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Und warum? – Sie sparen 15 Millionen Euro. Das steht in keinem Verhältnis zu dem Büchergeld in der Summe. 4 Millionen Euro sind „auf Halde“, können in Bayern nicht ausgegeben werden, weil die neuen Jahrgänge gar keine Bücher bekommen, da viele Bücher noch in Ordnung sind, weil die weiterführenden Schulen – Berufsoberschule, Fachoberschule – überhaupt keine Bücher brauchen, bzw. die Schüler kaufen die Bücher selbst, weil sie sie später weiterverwenden.

Das steht in keinem Verhältnis zueinander. Es zeigt sich, was wir schon damals bei der Gesetzeslesung kritisiert haben: Die Höhe des Büchergeldes ist völlig willkürlich gegriffen und hat keinerlei realen Hintergrund.

(Beifall bei der SPD)

Sie belasten nicht nur die Geldbeutel der Familien, sondern greifen auch in die Kassen der Kommunen. Fast 500 000 Euro gibt allein die Landeshauptstadt München jährlich für die Abrechnung des Büchergeldes aus. In München musste eine eigene Verwaltungsabteilung eingerichtet werden, um das Büchergeld zu organisieren. Es fragt sich, ob das ein Beitrag zum Bürokratieabbau ist. Auch hier zeigt sich also, wie sinnlos das Büchergeld ist, das Sie mit Mehrheit durchgesetzt haben.

Willkür gibt es hier nicht nur in der Sache, sondern auch in der Höhe. Bis heute können Sie nicht erklären, warum der Beitrag 40 Euro sein muss und nicht 20 oder 25 oder 30 Euro. Es gibt keine Berechnungen zur Höhe des Büchergelds. Auch das zeigt, wie willkürlich diese Maßnahme letztlich ist.

4 Millionen Euro – das konnten wir in der Presse lesen – liegen auf Halde. Das ist nichts anderes als ein zinsloser Zwangskredit, den die Eltern aufzubringen haben. Ich meine, dieser Staat könnte bei der derzeitigen Finanzlage sehr gut auf diese Belastung der Eltern verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Als Sie das Büchergeld einführten, wussten wir über die Steuereinnahmen noch nicht so viel wie heute. Heute wissen wir, dass in diesem Land deutlich mehr Geld zur Verfügung steht. Wir sollten es für die Bildung ausgeben. Sie haben heute die Möglichkeit, Ihre Fehlentscheidung zu korrigieren.

Kein Mensch will das Büchergeld haben, weder die Kommunen noch die Eltern noch die Schüler noch die Lehrerinnen und Lehrer, die angesichts des Personalmangels mit der Organisation des Büchergeldes enorm belastet werden. Kein Mensch will das Büchergeld haben, nur Sie hier im Parlament. Ich sehe das so: Sie missbrauchen Ihre Zweidrittelmehrheit, Ihre Zweidrittelmacht, um diese Maßnahme durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben heute die Möglichkeit, Kolleginnen und Kollegen, das durch ein Moratorium zu korrigieren. Setzen Sie das Büchergeld aus, damit die Eltern zu Beginn des neuen Schuljahres wenigstens dieses Geld für die Zukunft ihrer Kinder sparen können.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Eisenreich.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit diesem Thema zum wiederholten Male. Wir haben zum wiederholten Male nichts Neues gehört. Deswegen verweise ich auf die unzähligen Debatten; ich will mich auch nicht wiederholen.

Ich treffe zwei Feststellungen, die tatsächlich neu sind.

Die erste Feststellung ist – auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen –: Um das Büchergeld ist es ruhig geworden. Der Grund ist, - das ist die zweite Feststellung -, dass das Büchergeld den Schulen gutgetan hat. Man muss es ganz deutlich feststellen: Das Büchergeld hat den Schulen gutgetan. Es hat den Schülerinnen und Schülern gutgetan. Es hat den Lehrern gutgetan, denn damit ist ein Defi zit bereinigt worden. Dies war auch der Grund für die Einführung. Wir hatten zum Teil veraltete Bücherbestände. Diese sind in den letzten Jahren sukzessive erneuert worden. Dabei war die Einführung des Büchergeldes ein Riesenvorteil. Deswegen hat es den Schulen gutgetan.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass es sich hierbei nicht um einen bayerischen Sonderweg handelt.

Der Vorwurf der Privatisierung wird nicht dadurch richtig, dass man ihn ständig wiederholt. Ich weise darauf hin: Der Freistaat gibt pro Schüler je nach Schulart zwischen 3700 und 5000 Euro jährlich aus. Wenn man das Büchergeld hierzu ins Verhältnis setzt, muss man sagen, dass es sich wirklich um einen maßvollen Beitrag handelt. Es handelt sich nur um eine Beteiligung der Eltern. Es ist keine Abschaffung der Lernmittelfreiheit.

Was den Verwaltungsvollzug und die Frage der Bürokratie betrifft, so muss man feststellen: An vielen Orten funktioniert das Büchergeld völlig reibungslos. Deswegen muss man das nicht immer wieder zu einem Problem aufbauschen.

Vielmehr muss überprüft werden – das haben wir von Anfang an gesagt –: Erstens. Wie sind die tatsächlichen Kosten des Verwaltungsvollzugs? Zweitens. Nach einer gewissen Zeit – das ist ja schon im Gesetz angelegt – muss auch die Höhe des Büchergeldes überprüft werden. Dies ist eine klare Sache; das steht so im Gesetz. Wir werden die Überprüfung auch durchführen.

Ich treffe eine letzte Feststellung. – Herr Pfaffmann, vielleicht hören Sie wenigstens einmal zu. – Danke schön. – Wenn Schülerinnen und Schüler ihre Bücher selber kaufen – –