Protocol of the Session on July 17, 2002

(Glück (CSU): Hört! Hört!)

Mangelnde Rechtschreibleistungen in der Schule sind bei genügenden sprachlichen Kommunikationsfähigkeiten kein Grund für die Benachteiligung eines Schülers.

Man kann dort weiterhin lesen, ansonsten sei die Rechtschreibung dazu da, „Missverständnisse beim Lesen von Texten zu verhindern.“

(Lachen bei der CSU)

Das ist der Originalton aus den „wunderbaren“ SPDRahmenrichtlinien aus Hessen. Sie können so etwas auch in den Richtlinien aus Nordrhein-Westfalen oder Bremen nachlesen. Sie können es sich aussuchen, welches Land auch immer Sie nehmen, das von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, regiert wurde: Solche Richtlinien galten bis in die Neunzigerjahre. In Hessen galten sie sogar bis zum Regierungswechsel, als Roland Koch Ministerpräsident wurde. Diese Richtlinien wurden von der CDU also erst 1999/2000 abgeschafft.

Parallel dazu hat man aber diejenigen, die in der Schule für Bildung und Erziehung sorgen sollen, nämlich die Lehrkräfte, in ihrer Autorität beschädigt und oft sogar herabgewürdigt. In Niedersachsen gehört ihre pauschale Beschimpfung, seit Schröder Ministerpräsident war, schon zur Tradition. Schröder hat billige Vorurteile mit seiner unsäglichen Aussage, Lehrer seien „faule Säcke“, gesellschaftsfähig gemacht. Herr Gabriel hat am

1. Juli, nachdem er den ersten Pisa-Schock überwunden hatte, die gesamten Lehrerverbände als die Hauptschuldigen ausgemacht. Er bezeichnet sie als „hauptamtliche Betroffenheits- und Besitzstandsarmada“, als „politische Traditionskameradschaften,... die sich nicht um die Ausbildung der Kinder kümmern.“ Früher waren es die Lehrerverbände, mit denen er gegen Bayern angetreten ist – innerhalb von Niedersachsen war es schwerpunktmäßig die GEW –, um nachzuweisen, wie rückständig der Freistaat Bayern in seiner Bildungspolitik ist. Wie ändern sich doch die Zeiten!

Mit solch primitiven Anwürfen kann man niemanden zu mehr Engagement motivieren. Man kann damit vor allem seine eigene bildungspolitische Verantwortung nicht wegdrücken. Sie sind außerdem ungerecht und diffamierend; denn nicht die Lehrerinnen und Lehrer tragen die Verantwortung für die Bildungspolitik, sondern die Regierung und das Parlament eines Landes.

(Beifall bei der CSU)

Die niedersächsische Linie heißt permanente Mehrbelastung und Stellenabbau. Unter Schröder wurden zwischen 1995 und 19972300 Lehrerplanstellen ersatzlos gestrichen. Erst vor vier Wochen verkündete die Landesregierung in Hannover, dass „der... zusätzliche Unterricht... mit dem heutigen Bestand an Lehrerstellen befriedigt werden kann.“ Das heißt, man kann schon sehr deutlich erkennen, wo Bildungspolitik Priorität genießt und wo es bloß Lippenbekenntnisse bzw. eigentlich gar kein Bekenntnis zur Bildungspolitik gibt.

In Bayern dagegen wurden junge Lehrerinnen und Lehrer auch eingestellt, als anderswo ein totaler Einstellungsstopp bestand. Das Ergebnis ist, dass wir heute unter den alten Ländern die günstigste Altersstruktur unter den Lehrkräften und die insgesamt jüngste Lehrerschaft im deutschlandweiten Vergleich haben.

Die verfügbaren Planstellen sind von 51000 Lehrerinnen und Lehrern im Jahre 1970 auf heute über 83700 staatliche Vollzeitlehrkräfte gestiegen. Rechnet man die Teilzeitlehrkräfte noch hinzu, kommt man auf über 103000 Lehrkräfte an den bayerischen Schulen. Dabei sind die privaten und kommunalen Schulen noch gar nicht mitgezählt. Im Schuljahr 2002/03 gibt es in Bayern erneut einen Einstellungsrekord. Über alle Schularten hinweg werden über 5200 junge Lehrerinnen und Lehrer eine Anstellung im staatlichen Schuldienst finden.

(Beifall bei der CSU)

Die Sicherung der Unterrichtsversorgung bei steigenden Schülerzahlen hat bei uns oberste Priorität. Bei uns werden Planstellen nicht eingespart, sondern es werden innerhalb von drei Schuljahren weit über 4000 Lehrerplanstellen dazugegeben. Wenn man den gesamten Sportbereich mitzählt, sind es 4400 Lehrerplanstellen, die innerhalb von drei Schuljahren zusätzlich zur Verfügung gestellt und im Haushalt eingeplant werden.

Wir wissen, was wir an unseren Lehrkräften haben, und wir wissen auch, was wir unseren Kindern schuldig sind. Die Lehrkräfte waren es, die Bayern auf einen so guten

Platz geführt haben und die den Kindern all das vermittelt haben, was die Kinder nunmehr im Rahmen von Pisa auch bewiesen haben. Der Bundeskanzler sollte zur Kenntnis nehmen, dass Kinder aus Bremen, Niedersachsen oder Brandenburg doch eigentlich die gleichen Begabungen haben wie bayerische oder baden-württembergische Kinder, dass sie den gleichen Anspruch auf Bildung und Förderung und damit auf Zukunftschancen haben.

(Beifall bei der CSU)

Der Föderalismus hat den Beweis für die besten Lösungen im Bildungswesen ermöglicht. Dem Föderalismus verdanken wir, dass wir in Bayern heute dort stehen, wo wir sind. Dabei müssen wir uns aber im Klaren sein: Dezentralisierung – sei es nun die Verteilung der Kompetenzen auf die Länder oder auch die Verlagerung von mehr Selbstständigkeit auf die Schulen – bedeutet mehr Freiheit, mehr Wettbewerb, mehr Wahlmöglichkeiten.

Das bedingt dann auch mehr Unterschiedlichkeit. Unterschiedlichkeit in Deutschland muss aber endlich das Ringen um die besten bildungspolitischen Konzepte bedeuten, erfordert Offenheit und Transparenz und verlangt die Bereitschaft, bessere Ideen im eigenen Land zu adaptieren. Das, was die Bildungspolitik der SPD und auch der GRÜNEN über viele Jahre ausgezeichnet hat, waren jedoch Nivellierung des Bildungsniveaus, Wagenburgmentalität und ideologische Grabenkämpfe.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt ruft Rot-Grün nach der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse und nach gerechten Bildungschancen.

Der Bundeskanzler weiß genau: Seine Ankündigung vom 27. Juni, dass die „föderale Organisation der Bildungspolitik auf dem Prüfstand steht“, kann ohne eine Änderung des Grundgesetzes nicht verwirklicht werden. Er weiß auch, dass er die dafür nötige Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat nicht erhalten wird. Seine eigenen SPD-Ministerpräsidenten haben ihm eine ziemlich deutliche Abfuhr erteilt. Aber es macht sich ja so schön, die Bayern zu beschimpfen, weil sie besser sind als die langjährig von der SPD geführten Länder.

Man beschwört die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse und unterstellt, die Bayern mit ihren guten Leistungen würden dagegen verstoßen, Nordrhein-Westfalen mit seinen schlechten Ergebnissen sei jedoch besonders sozial. Und die bayerische SPD macht dann dieses Schmierentheater auch noch mit, indem sie Bayern kritisiert und die SPD-regierten Länder lobt.

(Beifall bei der CSU)

Bayern kämpft seit Jahrzehnten um gute Qualitätsstandards und deren Einhaltung. Wir wurden dabei allerdings in der Kultusministerkonferenz von SPD-regierten Ländern nicht gerade unterstützt. Es erinnern sich sicherlich noch viele an die jahrelangen Diskussionen – lieber Hans Zehetmair, du erinnerst dich besonders gut und lange daran – um die viersemestrige Verpflichtung von Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprache in der

Kollegstufe – es dauerte immerhin zehn Jahre, bis die SPD-regierten Länder dazu bereit waren – oder an die Substitutionswünsche zum Beispiel des früher SPD-regierten Hamburgs, nach denen Deutsch durch Darstellendes Spiel ausgetauscht werden sollte.

Erst kürzlich erhielt ich den Brief eines mittlerweile pensionierten Kultusbeamten. Nachdem mir auch Herr Maget geschrieben hat, will ich ihm jetzt gern bestätigen, wie sehr die SPD-regierten Länder immer wieder versucht haben, Standards zu unterlaufen und gegenseitige Prüfungen zu verhindern.

(Maget (SPD): Ich habe aber etwas anderes gefragt!)

Der mittlerweile pensionierte Kultusbeamte schrieb, dass es bereits vor 23 Jahren eine bayerische Initiative für „Einheitliche Prüfungsanforderungen“ am Gymnasium gegeben habe.

(Maget (SPD): Könnten Sie meine Frage beantworten?)

Herr Maget, wenn sie glauben, dass Sie mich mit Ihrer billigen Dazwischenschreierei durcheinander bringen, dann irren Sie sich ganz gewaltig! Es ist immer dasselbe.

(Beifall bei der CSU)

Nach 34 Sitzungen in über zwei Jahren wollte die KMKArbeitsgruppe – wohlgemerkt: nach 34 Sitzungen! – diese „Rahmenabiturprüfungsordnung“ verabschieden. In der letzten Sitzung hat Nordrhein-Westfalen das vereitelt.

Es ist an der Zeit, in der Kultusministerkonferenz eine Neuorientierung einzuleiten. Es darf nicht mehr sein, dass der Letzte im Geleitzug Niveau und Tempo bestimmt.

(Beifall bei der CSU)

Die unionsregierten Länder haben bereits vor Pisa gemeinsame Standards erarbeitet und in Eisenach bei der KMK auch durchgesetzt.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Eine Lüge!)

Das Erstaunliche war, dass selbst diejenigen SPD-regierten Länder, die sich seit Jahren gegen zentrale Leistungsüberprüfungen wehrten, nunmehr angesichts der öffentlichen Diskussion auf Unionskurs umschwenkten:

Erstens. Es wird in Deutschland zum ersten Mal länderübergreifende Standards für alle Schularten geben.

Zweitens. Zur Sicherung des Bildungs- und Prüfungsniveaus werden exemplarische Aufgabensammlungen erstellt.

Drittens. Jedes Land wird durch Jahrgangsstufentests oder Orientierungsarbeiten die Einhaltung des Bildungsniveaus überprüfen. Wir sind im Übrigen das einzige Land, das die Jahrgangsstufentests schon seit einigen

Jahren durchführt und die Orientierungsarbeiten sowie auch die Jahrgangsstufentests jetzt sogar mit internationaler wissenschaftlicher Begleitung organisiert, was mittlerweile zu deutschlandweiten Anfragen aus allen anderen Ländern führt, weil die anderen Länder noch nicht so weit sind. Wir sind mittlerweile auch so weit, dass wir durch diese Jahrgangsstufentests analysieren können, warum in welchen Schulen besondere Probleme bestehen oder was die besonderen Faktoren sind, weshalb zum Beispiel in bestimmten Schulen in Deutsch oder in Mathematik besonders schlechte oder besonders gute Leistungen erreicht werden.

Viertens. In regelmäßigen Zeitabständen wird in länderübergreifenden Vergleichsuntersuchungen die Entwicklung des Bildungsniveaus in den Ländern untersucht und veröffentlicht.

Fünftens. Die deutschen Länder werden sich natürlich auch weiterhin an internationalen Vergleichsuntersuchungen beteiligen. Wenn ich aber den Vorlauf zu dieser Angelegenheit betrachte – jetzt, Herr Maget, antworte ich Ihnen gleich noch einmal im Zusammenhang mit dem, was ich bei der Pisa-E-Diskussion und bei den für die nächsten Jahre angesetzten Untersuchungen, die ICLU, die DESI oder wie auch immer heißen, aber letztlich denselben Kontext haben wie Pisa, miterlebt habe –, so muss ich Ihnen sagen: Wir mussten jetzt über ein Jahr lang kämpfen, bis einige SPD-regierte Länder bereit waren, auch in diesen neuen Untersuchungen Ländervergleiche zuzulassen. Wir haben über Monate hinter den Bühnen still und leise – –

(Frau Dr. Baumann (SPD): Das sind doch Verdrehungen!)

Das sind keine Verdrehungen! Sie sitzen nicht drin, aber ich sitze drin, und im Gegensatz zu Ihnen telefoniere ich mit den Kollegen. Ich höre am Telefon, wenn sie Bedenken haben bzw. wenn sie es nicht wünschen. Reden Sie bitte nicht, wenn Sie es nicht wissen.

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Das ist eine glatte Lüge!)

Ich halte das wirklich für unglaublich. Die Show, die derzeit draußen veranstaltet wird, stimmt mit den internen Vorgängen überhaupt nicht mehr überein.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Viele Kolleginnen und Kollegen werden sich an die Debatten erinnern, die wir hier im Landtagsplenum seit langer Zeit um zentrale Abschlussprüfungen und erst vor kurzem um die Orientierungsarbeiten geführt haben. Damals waren SPD und GRÜNE noch strikt gegen jegliche Evaluation. Herr Irlinger bezeichnete die Jahrgangsstufentests und die Orientierungsarbeiten sogar als „Instrument zur Stigmatisierung von Kindern“ und zur – ich zitiere wiederum im Original – „Verstärkung des Auslesedrucks“! Beides ist Originalton. Ich könnten Ihnen Ihre Reden im Parlament noch vorlesen.

(Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)