Protocol of the Session on July 11, 2002

Das sind die kleinen fachlichen Fehler, auf die ich hinweisen wollte. Wir gehen davon aus, dass sich diese Untersuchung erübrigt, da aus fachlicher Sicht feststeht, dass Artikel 10 Absatz 1 Nummer 10 gestrichen werden muss.

Nun möchte ich auf die Vergabe der Integrierte Leitstelle an Dritte eingehen. Aus Sicht der SPD-Fraktion handelt es sich bei den in Artikel 2 Absatz 1 genannten Aufgaben um hoheitliche Aufgaben. Deshalb kommt für uns die Privatisierung nicht infrage.

(Beifall bei der SPD)

Ich will aber deutlich machen, dass mit unserem Antrag nicht das Rote Kreuz als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemeint ist, das bereits im ganzen Land Leitstellen unterhält. Unser Antrag wurde dahingehend geändert. Wir wollen nur verhindern, dass private Unternehmen Integrierte Leitstellen übertragen bekommen.

Ich möchte Artikel 2 Absatz 1 vorlesen, um die Wichtigkeit und Aufgabenvielfalt der Integrierten Leitstellen zu unterstreichen:

Die Integrierte Leitstelle hat die Aufgabe, alle Notrufe, Notfallmeldungen, sonstige Hilfeersuchen und Informationen für Rettungsdienst und Feuerwehr in ihrem Leitstellenbereich entgegenzunehmen. Sie alarmiert die erforderlichen Einsatzkräfte und -mittel, begleitet alle Einsätze und unterstützt die Einsatzleitung. Außerhalb der üblichen Dienstzeiten übernimmt sie für dringliche Fälle die Funktion eines Meldekopfes für die Kreisverwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden.

Diese wichtigen Aufgaben könnten nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung auch Dritten übertragen werden, wenn diese Zuverlässigkeit und Fachkunde besitzen. Ich frage Sie: Wie will man bei der Beauftragung bereits Zuverlässigkeit feststellen? – Die Zuverlässigkeit kann erst nach einer gewissen Zeit, nachdem die Leitstelle geführt wurde, festgestellt werden. Dann kann es bereits zu spät sein.

(Beifall bei der SPD)

Hier geht es um Notfallmeldungen und die kann man keinem – ich nenne das so – Callcenter überlassen. Hier handelt es sich um hoheitliche Aufgaben.

Vor allem wird in Artikel 10 Absatz 1 Nummer 4 geschrieben:

(1) Das Staatsministerium des Innern kann durch Rechtsverordnung... 4. den Nachweis der nach Artikel 4 Absatz 2 erforderlichen Fachkunde regeln: Hierzu gehören insbesondere Vorschriften darüber, welche Prüfungen der Betreiber einer Integrierten Leitstelle nachzuweisen hat und unter welchen Voraussetzungen von der Ablegung einer Prüfung befreit werden kann; Man will anscheinend den privaten Betreibern durch Rechtsverordnung schon wieder entgegenkommen und eventuell von der Ablegung einer Prüfung Abstand nehmen. Ich kann mich nur noch einmal wiederholen: Hier handelt es sich um hoheitliche Aufgaben, die nicht an private Betreiber vergeben werden dürfen. Hinzu kommt – das wissen Sie so gut wie ich: Die Entscheidungen der Oberbürgermeister und Landräte richten sich immer mehr nach finanziellen Gesichtspunkten – was auch richtig ist. Wenn ein privater Träger ein finanziell attraktives Angebot, unabhängig davon, ob es fachlich und sachlich qualitativ hochwertige Leistungen beinhaltet, unterbreitet, könnte es durchaus sein, dass ein privater Träger zum Zuge kommt. Artikel 10 Absatz 1 enthält eine Vielzahl von Ermächtigungsnormen zu ganz wesentlichen Regelungen über Standards, Kosten und Qualifikation. Hierbei handelt es sich teilweise um Vorgaben, die sich unmittelbar kostensteigernd auswirken können. Derart weitreichende Regelungen zu Kernbereichen eines Gesetzes auf den Verordnungsgeber zu übertragen, ist unserer Einschätzung nach nicht richtig. (Beifall bei der SPD)

Hierdurch wird die Zuständigkeit des Parlaments in einer inhaltlich nicht erforderlichen und sachlich nicht nachvollziehbaren Weise eingeschränkt. Ein typisches Beispiel dafür ist der Artikel 10 Absatz 1 Nummer 2, in dem es heißt:

Das Staatsministerium des Inneren kann durch Rechtsverordnung das Nähere über die Qualifikation, die Aus- und Fortbildung des Personals Integrierter Leitstellen, einschließlich der Pflicht, die dadurch entstehenden Kosten zu tragen, regeln.

Es ist sicher richtig, dass das Innenministerium die Qualifikation und die Ausbildung des Personals Integrierter Leitstellen durch Verordnung regeln kann. Eine solche Regelung muss nicht im Gesetz stehen; sie kann gar nicht Inhalt eines Gesetzes sein. Aber über eine Verordnung die Pflicht, die dadurch entstehenden Kosten zu tragen, zu regeln, kann und darf nicht sein. Hierfür ist das Parlament zuständig.

(Beifall bei der SPD)

Es muss im Gesetz stehen, wer die Kosten trägt, und das kann aus unserer Sicht nur der Staat sein. Die Gesetzesinitiativen und die Forderungen, Integrierte Leitstellen einzuführen, gehen vom Staat aus. Der Staat hat deshalb auch die Kosten zu tragen, zumal er sich durch den Ausstieg der Polizei aus der Notrufalarmierung entlastet. Wenn wir schon bei der Frage der Finanzierung sind: Nach dem Gesetzentwurf sollen die Bauinvestitionen nur mit 35 Prozent bezuschusst werden. In Anbetracht der finanziell angespannten Lage der Kommunen ist es für uns unerlässlich, die baulichen Maßnahmen bei den Feuerwehren ebenfalls mit einem Zuschuss von 70 Prozent zu fördern.

(Beifall bei der SPD)

Des weiteren müssen auch Erweiterungen von bereits bestehenden Integrierten Leitstellen in dieser Höhe bezuschusst werden. Die zukünftigen Belastungen aus den jährlichen Betriebskosten, die gerade die kreisangehörigen Gemeinden über die Kreisumlage ohne finanziellen Ausgleich treffen, rechtfertigen eine Erhöhung der Bezuschussung im baulichen Sektor auf 70 Prozent. Der Ausstieg der Kassenärztlichen Vereinigung wird die Betriebskosten, die allein die Kommunen zu tragen haben, noch erhöhen. Daher wäre es richtig, die Kommunen an einer anderen Stelle zu entlasten. Dies könnte durch die Bezuschussung der baulichen Maßnahmen geschehen.

(Beifall bei der SPD)

Des weiteren fordern wir, bei dem Erlass von Verordnungen nach Artikel 10 die kommunalen Spitzenverbände stärker zu beteiligen. Bisher heißt es nur:

Im Verfahren zum Erlass der Verordnung sollen die kommunalen Spitzenverbände, die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen und der Landesverband Bayern und Sachsen der gewerblichen Berufsgenossenschaft gehört werden.

Dies ist aus unserer Sicht zu wenig: „sollen gehört werden“ heißt „können gehört werden“, sie müssen aber nicht gehört werden. Wir fordern daher eine stärkere Einbindung der kommunalen Spitzenverbände. Die Verordnung soll daher im Benehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden getroffen werden. Die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen und der Landesverband Bayern und Sachsen der gewerblichen Berufsgenossenschaften müssen gehört werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich bitte Sie daher, aus fachlicher Sicht unseren Änderungsanträgen zuzustimmen.

Bedanken möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei den beteiligten Verbänden, den Feuerwehrverbänden – der Vorsitzende sitzt hinten –, dem Bayerischen Roten Kreuz und den kommunalen Spitzenverbänden für ihre Bemühung und die Mitarbeit am Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Kreuzer.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Ich möchte zunächst für meine Fraktion zu diesem Punkt namentliche Abstimmung beantragen.

Herr Kollege Schuster, wir haben diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen sachlich diskutiert. Es häufen sich die Vorkommnisse, so dass ich zum Verhalten der SPD bei den Gesetzesberatungen zu Beginn meiner Rede ein paar Takte sagen will: Man hat den Eindruck, als versuchten Sie, den Gesetzentwurf madig zu machen. Man hat den Eindruck, als hätte sich die SPD-Fraktion mit den konkreten Bestimmungen nur sehr spät und nur sehr unzureichend befasst. Mit anderen Worten: Sie hat sich sachlich zu wenig mit den Dingen befasst.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich will Ihnen zwei Bespiele nennen: Sie haben gestern im Kommunal- und Innenausschuss einen Änderungsantrag gestellt. Wenn die CSU Ihrer Formulierung gefolgt wäre, wäre das Rote Kreuz von den Rettungsleitstellen ausgeschlossen gewesen. Das haben Sie nicht bemerkt, weil Sie die Dinge nicht geprüft haben.

(Beifall bei der CSU)

Erst auf unseren Hinweis haben Sie Ihren Antrag notdürftig mit einer miserablen Formulierung umgebaut.

(Zuruf von der SPD: Herr Oberlehrer!)

Sie treten hier oberlehrerhaft auf, Frau Kollegin, wenn ich Ihre Änderungsanträge sehe.

Zweitens. Sie geben eine Pressemitteilung heraus, in der der Kollege Schuster – anscheinend der Experte bei Ihnen in diesen Fragen – heute schreibt:

Hinzu kommt, dass die Nummern 110 – Polizei –, 19222 – Sanitäter – und 112 – Feuerwehr – nur im Festnetz ohne Vorwahl zu erreichen sind. Handybesitzer müssen die jeweilige Ortsvorwahl kennen und wählen.

Das ist falsch, Herr Kollege Schuster: Die Nummern 110 und 112 sind heute schon vorwahlfrei und im ganzen Land erreichbar. Sie kennen nicht die Fakten.

(Beifall bei der CSU)

Es kommen Änderungsanträge heraus, die fachlich nicht durchdacht sind, sondern ein Sammelsurium von Wünschen von Verbänden darstellen, die nicht zu 100 Prozent erfüllt sind; man hängt dem Populismus nach und meint, man könnte sich, obwohl man sich mit dem Thema nicht befasst hat, noch beim einen oder anderen Verband beliebt machen und abstauben. Das reicht nicht aus.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Im Abstauben sind Sie besser!)

Ihre Änderungsanträge sind zu Recht abgelehnt worden. Ich will kurz darauf eingehen: Wir haben Ihnen gestern mühsam versucht zu erklären, dass selbstverständlich auch die Alarmierung im Katastrophenfall, ebenso wie in anderen Fällen, durch den Gesetzeswortlaut gedeckt ist und somit nicht eigens aufgenommen werden muss. Wir haben Ihnen gesagt, dass die bestehenden Feuerwehreinsatzzentralen aufrecht erhalten werden können, aber nur dann, wenn dies auf Kosten der Landkreise geschieht und in einem Fachgutachten, in dem das Staatsministerium des Inneren den Inhalt vorgibt, dargelegt wird, dass sie die gleichen Leistungen wie die Integrierten Leitstellen erbringen, insbesondere dass es zu keinen Verzögerungen kommt.

Wir wollen Private nicht von vornherein ausschließen, obwohl wir uns nicht vorstellen können, dass dieser Vorschrift in der Praxis eine große Relevanz zukommen wird. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Flughafenfeuerwehr München ist ein privater Betreiber. Wenn sich der Rettungszweckverband einigt, dort die Leitstelle anzusiedeln, wird aus fachlichen Gründen wahrscheinlich nichts dagegen sprechen. Dagegen spricht nur ihre grundsätzliche Angst, Privaten etwas zu übertragen, was auch der Staat kann. Wir haben diese Angst grundsätzlich nicht, sondern wir prüfen im Einzelfall, ob die Übertragung sinnvoll und notwendig ist. Dies werden wir auch in diesem Fall tun. Das Rote Kreuz kann sich auf jeden Fall nach unseren Vorstellungen – im Gegensatz

zu Ihrem ursprünglichen Vorschlag – auch um den Betrieb einer Integrierten Leitstelle bewerben. Die Hoheitlichkeit ist gegeben, da Träger der Einrichtung auf jeden Fall der jeweilige Zweckverband ist; dieser ist in jedem Fall hoheitlich und öffentlich-rechtlich.

Die Aus- und Fortbildung wird vom Staat in hohem Maße unterstützt. Wir richten eine Lehrleitstelle bei der Feuerwehrschule ein, die zur Verfügung gestellt wird. Allerdings ist die Alarmierung bei den Feuerwehren eine Aufgabe der kreisfreien Städte und Landkreise. Wer bei uns zuständig ist, trägt die Kosten. Es wäre völlig systemwidrig, dem Staat Kosten für Zuständigkeiten aufzubürden, die andere im eigenen Wirkungskreis haben.

Hinsichtlich der finanziellen Gesichtspunkte ist zu sagen: Der Staat trägt den Löwenanteil der Kosten. 87 Prozent der technischen Ausstattung kommen aus dem Haushalt. Nur bezüglich der Gebäude haben wir 35 Prozent gewählt.

Ich sage Ihnen auch, warum. Wir müssen sehen, dass es zu einer Förderung von Gebäuden von insgesamt 90% und darüber geführt hätte, wenn wir auch hier 70% angesetzt hätten. 80% sind sowieso auf den Rettungsteil umzulegen und in den Kosten den Krankenkassen zu erstatten. Nur 20% bleiben übrig. Bei einem Zuschuss in Höhe von 70% haben Sie eine Förderung eines Gebäudes von über 90%. Doch eine Förderung von über 90% ist grundsätzlich ungesund, weil vor Ort geprüft werden soll, ob eine Maßnahme notwendig ist. Es wird eben stärker geprüft, wenn man sich finanziell beteiligen muss. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CSU)

In Bayern steht das Notrufsystem historisch bedingt auf zwei Säulen: auf der Feuerwehralarmierung mit dem Notruf der Feuerwehr Nummer 112 einerseits und der Alarmierung des Rettungsdienstes mit der Nummer 19222 andererseits. Dieses System ist verbesserungswürdig, darin sind wir uns einig. Die Nummer 19222 ist vom Handy aus weder vorwahlfrei anwählbar noch gebührenfrei erreichbar. Allerdings steigt der Anteil von Notrufen aus Mobilfunknetzen ständig. Zudem können unterdrückte Rufnummern in der Rettungsleitstelle nicht angezeigt und Anrufe nicht zurückverfolgt werden, wenn ein Gespräch abbricht oder sich der Anrufer nicht verständlich machen kann. Die Mitbenutzung der Notrufnummer 112 durch den Rettungsdienst bietet eine effiziente Möglichkeit, diese Nachteile zu beseitigen. Allerdings müssen dazu die Alarmierungsstrukturen zusammengeführt werden, das heißt: Notrufannahme und Notrufalarmierung aus einer Hand.

Auch im Alarmierungssystem der Feuerwehr treten Probleme auf. Bei der Alarmierung kommt es zum Beispiel zu Zeit- oder Informationsverlusten. Lagen und Einsatzentwicklungen werden nicht immer richtig beurteilt, Feuerwehren werden teilweise falsch oder gar nicht alarmiert. Die Ursache hierfür ist unter anderem, dass die Notrufstrukturen sehr häufig nicht mit den Alarmierungsstrukturen übereinstimmen und dass an der Alarmierung zu viele Stellen beteiligt sind.

Bundesweit ist ohnehin der Trend erkennbar, Integrierte Leitstellen zu errichten, bei denen die Alarmierung der Feuerwehr und des Rettungsdienstes zusammengefasst sind. Darüber hinaus hat sich die EU für die Einführung einer europaweit einheitlichen Notrufnummer 112 entschieden. Bisher gibt es in Bayern 26 Rettungsleitstellen für die Koordinierung von Rettungsdiensteinsätzen. Bei den Feuerwehren finden sich 330 unterschiedliche Alarmierungsstellen, also 24 Feuerwehreinsatzzentralen, 80 Polizeidienststellen und 127 Nachalarmierungsstellen.