Protocol of the Session on July 12, 2001

Da müssen Sie sich schon fragen lassen, was Sie in Berlin überhaupt zu reden haben und erreichen können.

Es wird ständig an die Staatsregierung appelliert. Das ist durchaus vernünftig. Das tun wir auch. Sie müssen aber, so glaube ich, einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Staatsregierung und insbesondere Minister Wiesheu – ihm möchte ich auch von dieser Stelle aus ganz herzlich danken, weil er sich in dieser Frage massiv engagiert hat – seit Wochen für diese beiden Werke kämpfen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Wiesheu hat gesagt: Wir nehmen Geld in die Hand. – Wir haben bis heute noch nicht klären können, wie viel Geld Nordrhein-Westfalen angeblich in die Hand nimmt. Wir haben gesagt: Wir nehmen Geld in die Hand, wir helfen bei den Investitionen. – Was hat Herr Bodewig gemacht? Er hat an die Deutsche Bahn geschrieben und gebeten, den Abbau der Arbeitsplätze sozialverträglich zu gestalten. Das war die bisherige Unterstützung der Bundesregierung, und das müssen die betroffenen Arbeitnehmer auch wissen.

Weiter hat Otto Wiesheu gesagt: Das ist ein so massiver Schlag gegen die Arbeitnehmer, aber auch gegen die Wartungssituation in Süddeutschland, dass ich das zum Anlass nehmen werde, die Bestellpolitik des Freistaates Bayern zu verändern. – Auch das ist ein Punkt, an dem klar Flagge gezeigt wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Inzwischen ist von der Deutschen Bahn den Leuten, jedenfalls in München, gesagt worden: Sucht euch bei Dritten einen Arbeitsplatz! – Es stimmt überhaupt nicht, dass die Bahn bereit ist, die Arbeitnehmer in anderen Bereichen unterzubringen. Ihnen ist empfohlen worden, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Dabei muss man wissen, dass diese Bahnwerker eine Zulage von

etwa 800 DM im Monat erhalten. Das heißt, selbst wenn sie bei der Bahn einen anderen Arbeitsplatz bekommen, ist das bei einem Bruttogehalt von 4500 DM eine Menge Geld. Wenn es dazu kommt, wird die soziale Situation der Arbeitnehmer also erheblich verschlechtert.

Ich will an die Adresse der Bahn auch Folgendes sagen: Die Bahn braucht uns immer wieder. Bei mir im Stimmkreis wird eine ICE-Strecke gebaut. Dabei gibt es viele Diskussionen über Lärmschutz und anderes mehr. Die Bahn braucht auch die Politik in Bayern. Ich will deshalb an die Adresse der Bahn sagen: Das, was hier geschieht, auch überfallartig geschieht, ist völlig unakzeptabel und wird das Klima zwischen Bahn und mir und sicherlich auch anderen massiv verschlechtern. Das muss auch die Deutsche Bahn AG wissen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich will auch Folgendes noch einmal deutlich herausstellen: Der Freistaat Bayern engagiert sich nachhaltig – ich habe das geschildert –, aber die Verantwortung und vor allen Dingen die Entscheidung liegt bei der Deutschen Bahn und beim Eigentümer Bund und Bundesregierung. Wir setzen uns gemeinsam ein, aber auch das muss klar herausgestellt werden und allen Betroffenen klar sein.

Die letzte Bemerkung von mir: Es liegt nicht an der Privatisierung. Die Privatisierung war dringend notwendig und ist auch von allen politischen Kräften, Herr Wörner, unterstützt worden, weil eine Verfassungsänderung notwendig war. Aber weil Sie gerade so lachen, komme ich jetzt noch einmal auf die Landeshauptstadt München und deren Unterstützung für den Erhalt des Bahnausbesserungswerks München zu sprechen.

Stadtrat Pfundstein hat folgenden Antrag gestellt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

Der Stadtrat der Landeshauptstadt München appelliert nochmals eindringlich an den Bundeskanzler und an den Bundesverkehrsminister, die Vorschläge des Betriebsrates des DB-Ausbesserungswerkes Neuaubing zu unterstützen und auf die Bundesregierung entsprechend einzuwirken.

Der Stadtrat bekräftigt, dass als Ersatz für die verdrängten Bahnnutzungen auf dem Gelände Neuaubing kein wirtschaftliches Aufwertungspotenzial realisiert wird.

Das bedeutet also, dass nicht augenzwinkernd in der Zwischenzeit mit der Bahn die Aufwertung des Geländes und die Flüssigmachung von Geld besprochen wird. Die Stadt Nürnberg hat Letzteres im Übrigen beschlossen, was ich sehr begrüße. Was hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München getan? Rot und Grün haben diesen Antrag eiskalt abgelehnt. Sie sollten also nicht immer behaupten – deshalb habe ich auch darauf bestanden, dass das aus Ihrem Dringlichkeitsantrag herauskommt –, dass die Stadt München die Eisenbahner hier unterstütze.

Ein Letztes zu unserem Antrag. Im letzten Spiegelstrich soll hinter den Worten „der Deutschen Bahn AG“ eingefügt werden: „und beim Vorstand der DB AG“.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Dr. Bernhard. Herr Dr. Scholz, bitte.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Gestern war hier im Landtag eine Delegation von etwa 400 Mitarbeitern des Ausbesserungswerkes Nürnberg. Das sollte keine offizielle Demonstration sein. Die Mitarbeiter wollten mit diesem Besuch nachdrücklich darauf hinweisen, dass es dringend notwendig ist, hier helfend einzugreifen und seitens des Landtages Unterstützung zu geben. Sie hatten ein an uns gerichtetes Flugblatt dabei, in dem es sinngemäß heißt: Sehr geehrte Damen und Herren! Sie entscheiden heute in der Landtagssitzung, ob Sie den Erhalt des letzten DB-Instandsetzungswerkes in Bayern, ja in Süddeutschland unterstützen. –

Die Beschäftigten des Werkes Nürnberg und ihre Gewerkschaft, die Transnet, haben dem Vizepräsidenten Ritzer eine Resolution mit über 5000 Unterschriften übergeben. Das ist eine Unterstützung, die weit über die 800 Betroffenen hinausgeht. Von den 800 betroffenen Arbeitsplätzen befinden sich etwa 620 direkt im Ausbesserungswerk und 90 weitere in einem anderen Teilbereich. Außerdem sind 100 Ausbildungsplätze betroffen. In der Resolution wird an den Landtag appelliert, eine gemeinsame Beschlussfassung zu ermöglichen. Nachdem so manche Kröte geschluckt werden musste, sollte gemeinsam mit den Arbeitnehmerorganisationen und den Beschäftigten über alle politischen Grenzen hinweg einheitlich vorgegangen werden.

Weiter heißt es in der Resolution:

Wir sind uns sicher, dass der Vorstand der DB AG, Herr Mehdorn, Gesprächsbereitschaft, gar Beweglichkeit in der Standortfrage nur durch ein deutliches Signal des Bayerischen Landtages und der Bayerischen Staatsregierung erkennen lassen wird. Die Gründe für das Berger-Gutachten sind im Wesentlichen widerlegt.

Kolleginnen und Kollegen, der Adressat bei diesem Kampf um die Arbeitsplätze ist eindeutig die Deutsche Bahn AG. Die Nürnberger haben im Stadtrat eine gemeinsame Resolution verfasst, in der sie übereinstimmend ihre Forderungen an die Deutsche Bahn AG richten. Darüber, wie es in München vorangeht, wird Kollege Ludwig Wörner berichten, auch im Namen von Anne Hirschmann, die sich um Neuaubing ebenfalls sehr bemüht hat. Die Stoßrichtung, meine Damen und Herren, muss die Deutsche Bahn AG sein. Zwar gehört die DB AG zu 100% dem Bund; Grundlage für die Privatisierung aber war ein Beschluss, der von allen getragen wurde. Dieser Beschluss setzt den Vorstand der DB AG in die Lage, die Geschäftspolitik zu betreiben.

Um zu zeigen, dass von den Schließungen nicht nur CSU- oder CDU-Länder betroffen sind, möchte ich darauf hinweisen, dass zum großen Erstaunen der Nordrhein-Westfalen auch das Werk Leverkusen-Opladen

geschlossen werden soll. Dabei handelt es sich um den Stimmkreis des Herrn Bodewig.

Das vorgelegte Berger-Gutachten ist deutlich widerlegt. Ich schaue dabei meinen Kollegen Dieter Appelt an. Beim Stichwort „Berger-Gutachten“ haben wir auch so unsere Erfahrungen. Ich muss hier im Bayerischen Landtag einmal öffentlich sagen: Roland Berger und seine Consulting-Gesellschaft brauchen sich in unserer Region eigentlich nicht mehr sehen zu lassen.

Dabei hat mir Herr Berger einmal gesagt, er habe für Nürnberg durchaus einiges übrig, weil er dort immerhin sein Abitur gemacht habe.

Das Berger-Gutachten ist insofern widerlegt, als eine andere Beratungsgesellschaft, SCI, festgestellt hat, dass die vorgelegten Planungen im Grunde nicht wirklich durchgerechnet und mit den Alternativen verglichen worden sind. In dem SCI-Gutachten steht sogar: Theoretisch besteht daher die Möglichkeit, dass aufgrund der fehlenden Daten die produktivsten Werke geschlossen und die unwirtschaftlichsten erhalten werden.

Die Überlegungen, warum die Bahn so einen Unsinn macht, gehen dahin – auch öffentlich geäußert –, dass sich die Werksleiter in dem Gremium, welches die Vorschläge erarbeitet hat, für die Erhaltung ihrer eigenen Werke eingesetzt und die anderen – dazu gehört eben München-Neuaubing, insbesondere auch Nürnberg, was für alle überraschend war; Neuaubing war nicht so überraschend – für die Schließung vorgesehen haben. Die Werksleiter, die dort tätig waren, hatten ihren Sitz ja in ganz anderen Werken und haben deren Interessen verfolgt.

Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen zustimmen: Das Vorgehen der Bayerischen Staatsregierung und der Städte Nürnberg und München, durch das man andere vor den Kopf geschlagen hat, ist wirklich nicht geeignet. Geschäftspartner der Deutschen Bahn AG sind der Freistaat Bayern und die Bayerische Eisenbahngesellschaft. Der Freistaat ist deswegen sehr wohl ein wichtiger Partner für die Umsetzung der Forderungen, die wir in Richtung auf Erhaltung der Werke haben.

Alle Bundestagsabgeordneten der SPD haben sich gemeinsam sowohl an Herrn Mehdorn als auch an Herrn Verkehrsminister Bodewig gewandt und die Unmöglichkeit dieser Entscheidung herausgestellt. Sie werden auf diesem Sektor sicher weiter kämpfen. Ich sage noch einmal: Der Adressat ist die Deutsche Bahn AG, das heißt, ihr Vorsitzender Mehdorn und die anderen Herren des Vorstands.

Ich komme jetzt zu den Aktivitäten in Bayern und dazu, weswegen wir der Meinung waren, dass wir hier die Gesamtstoßrichtung anders angehen sollten. Die Schienenverkehrstechnik insgesamt ist ein wichtiger Bereich der Wirtschaftspolitik, und das muss auch so gesehen und anerkannt werden. Dazu gehört eben mehr als – unter dem aktuellen Aspekt – die Ausbesserungswerke. Man muss den gesamten Bereich sowohl in der Herstellung als auch in der Wartung und Instandhaltung in Angriff nehmen.

Dies hat man in Nordrhein-Westfalen zu unserem Leidwesen erfolgreich getan. Dort gibt es ein landesweites Konzept Bahntechnik. Dazu gehören die Herstellung und die Industrie, aber auch die Wartung und die Instandhaltung. Nordrhein-Westfalen hat in dieser Technologie, die durchaus auch eine Zukunftstechnologie ist, sowohl in der Forschung als auch in der Entwicklung als auch in der Strukturpolitik Erhebliches geleistet. Ein solches Konzept, Kolleginnen und Kollegen, fehlt für den Freistaat Bayern. Da nützt es nichts, wenn man laut protestiert und dieses Konzept einfordert. Es liegt bisher jedenfalls nicht vor.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Dr. Scholz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Bernhard?

Ist Ihnen bekannt, dass der Freistaat Bayern versucht, in Nürnberg ein Kompetenzzentrum Verkehr etc. zu etablieren, und dass sich die Deutsche Bahn, so weit ich informiert bin, dem verweigert hat?

Das ist noch kein Konzept Schienenverkehrstechnik. Wir haben vor kurzem im Wirtschaftsausschuss den Schienennahverkehrsplan behandelt und dabei festgestellt – da schaue ich jetzt Kollegen Runge an –: Ein Konzept, wie es insgesamt für Schienenverkehr und Schienenverkehrstechnik vorliegen müsste, fehlt. Das geht auch zulasten beispielsweise von Aktivitäten der Firma Adtranz, die den ICE und die S-Bahnen fertiggestellt hat. Das ist sehr zulasten dieser Aktivitäten gegangen. Wir hatten und haben in Nürnberg sehr darunter zu leiden.

Kolleginnen und Kollegen, das ist es, was nach unserer Meinung fehlt. Man darf nicht nur Life Sciences und IT betreiben, sondern man muss auch an die wichtigen Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung denken, für die auch der Freistaat Bayern ein Konzept machen muss.

(Beifall bei der SPD)

Die Industriepolitik des Freistaats auf dem Gebiet der Bahntechnik ist konzeptionslos und so, wie sie angelegt ist, langfristig zum Scheitern verurteilt. Da wird dies nicht der letzte Grund sein, so etwas zu beklagen, es sei denn, dass wir die Thematik fokussieren und sagen: Wir wollen, dass es in der Zukunft auf diesem Gebiet weitergeht.

Die Bahn hat in dem Berger-Gutachten eine Vorlage gemacht, in der die Standorte Delitzsch, Neuaubing und Nürnberg mit Begründung für das Zielszenario ausgeschlossen worden sind. Darin steht – man kann es fast nicht glauben –, bezogen auf Nürnberg: Fachpersonalmangel auch im Ingenieurbereich.

Wir haben – ich fordere sie häufig – keine Ingenieurausbildung für Verkehrstechnik und Schienenverkehrstech

nik, weder an der Universität noch an der Fachhochschule. Allerdings ist dieser Fachpersonalmangel im Ingenieurbereich ein vorgeschobenes Argument der Bahn. Aber wir müssen, wenn wir Strukturpolitik im Auge haben, dies ein bisschen längerfristig sehen. Jedenfalls sind da deutliche Mängel festzustellen.

Die Behauptung, es gebe bezüglich des ICE 3 kein Know-how, ist eine ausgesprochene Frechheit von Berger und der Deutschen Bahn. Das Know-how ist für den ICE 1 vorhanden und durchaus auf den ICE 3 übertragbar. Bezüglich des ICE 3 hatte bisher keines dieser Werke ein entsprechendes Know-how, weil das Projekt noch viel zu neu ist. Mangelnde Flexibilität in der Aufnahme zusätzlicher Produkte werfen diese Werkleiter und das Unternehmen Roland Berger den Nürnbergern vor. Auch das ist eine Frechheit; denn die Betroffenen haben gezeigt, dass sie im Zusammenhang mit dem ICE-Dilemma voll eingestiegen sind.

Kolleginnen und Kollegen, ich komme kurz zu den Anträgen. Wir werden dem CSU-Antrag in der geänderten Fassung zustimmen, weil er die Bahn AG mit ins Visier nimmt. Wir werden unseren Antrag wie folgt ändern – das entspricht der Intention der Mitarbeiter –:

Der Landtag unterstützt alle Aktivitäten der Staatsregierung, der Betriebsräte und Belegschaften zur Erhaltung der Kompetenzen und Arbeitsplätze in den Ausbesserungswerken Nürnberg und München-Neuaubing.

In Punkt 1 entfällt der erste Satz. Der zweite Satz, der der letzte Satz ist – „Im Werk Neuaubing ist zumindest der Bereich Bahnelektronik zu erhalten.“ –, wird durch folgenden Satz ersetzt:

In München sollen das Instandsetzungswerk Neuaubing mit dem Werk in Pasing zusammengelegt und der Kompetenzbereich Bahnelektronik erhalten werden.

Für diese Formulierung bitten wir um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)