Protocol of the Session on June 27, 2001

(Namentliche Abstimmung von 15.51 bis 15.56 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Ich werde es später bekannt geben.

Jetzt führen wir die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/7018 durch. Die Urnen sind wie vorhin aufgestellt: die Urne für die NeinStimmen bei der CSU-Fraktion, die Urne für die Ja-Stimmen auf der Oppositionsseite.

Mit der Abstimmung kann jetzt begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 15.57 bis 16.02 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaales ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt.

Zu einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung erteile ich Herrn Abgeordneten Freller das Wort.

Herr Präsident! Hohes Haus! Als Abgeordneter möchte ich erklären, warum ich mich der Stimme enthalten habe. Ich gebe diese Erklärung auch für den Kollegen Regensburger ab.

Wir sind örtlich betroffen. Ohne Zweifel ist die Sondermüllentsorgung in Schwabach und Ebenhausen ein großes Problem.

Ich bitte um etwas Aufmerksamkeit, damit Herr Freller nicht nur für das Protokoll spricht. Bitte, Herr Kollege Freller.

Die Sondermüllentsorgung in Schwabach und in Ebenhausen ist tatsächlich ein großes Problem. Wir haben daher Sympathien für eine Reihe von Forderungen, die auch von Oppositionsseite erhoben wurden.

Ich möchte jetzt für mich persönlich ausdrücklich erklären, dass sich in vielem, was Frau Schmitt erklärt hat, auch meine Meinung sowie die der Schwabacher Bürgerschaft wiederfindet. Trotzdem enthalte ich mich der Stimme und stimme ebenso wie der Kollege Regensburger nicht für die beiden Oppositionsanträge, und zwar aus zwei Gründen, die ich Ihnen gern bekannt gebe.

Zum einen möchten wir uns nicht vor den Wahlkampfkarren in Ingolstadt spannen lassen. Es hat uns weh getan, dass dieses Problem offensichtlich genutzt wird, in Ingolstadt Wahlkampf zu machen.

Zum Zweiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, stelle ich eine große Widersprüchlichkeit bei der Argumentation der GRÜNEN fest. Ich wiederhole noch einmal, was ein grüner Stadtrat in den „Nürnberger Nachrichten“ erklärt hat:

Da wird Stimmung gegen ausländischen Müll gemacht, der eigentlich aus Europa kommt. Wir sollten uns vielmehr darüber freuen, dass die Pestizide nicht einfach in den Urwald gekippt werden.

In dem Antrag der GRÜNEN kommt genau das Gegenteil zur Sprache. Wegen dieser Widersprüchlichkeiten und wegen dieser Wahlkampfstrategie in Ingolstadt sind wir nicht bereit, den Anträgen zuzustimmen, sondern enthalten uns der Stimme. Ich bitte um Verständnis bei den Kollegen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich rufe nun auf den

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Christine Stahl, Paulig und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erhalt des mittelständischen Handels in Märkten und Städten – keine FOCs auf der grünen Wiese (Drucksache 14/6970)

Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? – Frau Kollegin Paulig.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es tut mir fast Leid, unseren netten Umweltminister schon wieder attackieren zu müssen. Da haben wir zunächst die Geschichte mit dem Dosenpfand gehabt, danach die Problematik mit dem Sonderabfall und jetzt haben wir auch noch die Einzelhandelsgroßprojekte auf der grünen Wiese, in Stadtrandlage oder weiter weg oder auch im Zentrum. Nur, ich kann es einfach nicht verstehen, wie sich ein Umweltminister zum Vorreiter bei dem Bemühen macht, die restriktive Haltung beispielsweise gegen Factory-Outlet-Centers zur Disposition zu stellen und

das in der Presse auch noch als Erfolg zu verkaufen. In dieser Weise handelt Herr Umweltminister Schnappauf tatsächlich umweltfeindlich und mittelstandsfeindlich.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wir wissen doch aus der jahrelangen Diskussion und auch aus der Bewährung der restriktiven Haltung, dass es nur dann gelingt, die Innenstädte attraktiv und lebendig zu erhalten, wenn wir die Einzelhandelsgroßprojekte auf der grünen Wiese verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Genau dies soll jetzt mit einem Beschluss, der wohl durch das Kabinett gedeckt ist und ins Landesentwicklungsprogramm übergeführt werden soll, ausgehebelt werden. Das ist, wie viele CSU-Abgeordnete mit Recht gesagt haben, ein Dammbruch. Das ist ein Dammbruch; denn ist erst einmal in Ingolstadt grünes Licht gegeben, dann wird es in vielen weiteren Projekten zu weiteren Großverkaufsflächen kommen und dann ist hier keine Schwelle mehr einzuziehen, dann ist hier der Damm gebrochen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dem Einzelhandel in den Städten wird mit dieser Vorgehensweise das Wasser abgegraben.

Und ein Zweites ist festzustellen: Vor wenigen Wochen haben wir Bayern als Spitzenreiter bei der Flächenversiegelung kennen gelernt. Bayern ist im Vergleich mit allen Bundesländern, was die Flächenversiegelung betrifft, mit 28,6 Hektar täglich absoluter Spitzenreiter. Und jetzt plötzlich öffnen wir für diese Großverkaufsflächen Tür und Tor.

(Dr. Bernhard (CSU): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Damit werden wir den Flächenfraß nicht vermindern, sondern massiv beschleunigen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns die einzelnen Argumente anschauen, so haben sich doch gerade jetzt die Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern und der Landesverband des Bayerischen Einzelhandels ganz klar dagegen ausgesprochen, in dieser Weise Großverkaufsflächen zuzulassen. „Mit großem Unverständnis“ – so wörtlich – hat sich die Arbeitsgemeinschaft geäußert. Der Präsident des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels, Erich Vorwohlt, sagte: „Gerade die Entwicklung in den neuen Bundesländern hat gezeigt, dass der Handel auf der grünen Wiese funktioniert, allerdings zulasten der Innenstädte.“ Und eine bisher relativ erfolgreiche bayerische Strukturpolitik in diesem Bereich wird damit ausgehebelt.

Wenn ich mir Ingolstadt anschaue, so verstehe ich das schon gar nicht. Dort ist eine Verkaufsfläche von etwa 10000 Quadratmetern außerhalb des Stadtgebiets geplant und gleichzeitig soll hier eine Genehmigung nur möglich sein, wenn 10% der innerstädtischen Kaufkraft abgezogen werden. Nach den Berechnungen des Einzelhandels würde ein solcher innerstädtischer Kaufkraftabzug aber etwa einer Fläche von 5700 Quadratmetern auf der grünen Wiese entsprechen. Ingolstadt plant aber 10000 Quadratmeter. Wie wollen Sie dies zusammenbringen?

Der Bayerische Gemeindetag steht diesen Regelungsvorschlägen ebenfalls sehr, sehr kritisch gegenüber. Es ist nicht nur so, dass diese Regelung eben zu unbestimmt ist, dass die Zielformulierungen nicht klar sind, dass der Begriff der städtebaulichen Integration, der qualifizierten Anbindung durch den öffentlichen Verkehr nicht klar ist. Der Bayerische Gemeindetag weist auf einen ganz großen Widerspruch hin: Wenn eine Gemeinde, eine Stadt eine hohe Attraktivität im innerstädtischen Bereich aufgebaut hat und gerade für das innerstädtische Gewerbe viel getan hat, so muss sie befürchten, dass die Verkaufsfläche des Projekts auf der grünen Wiese größer sein darf. Gerade die Städte, die die Attraktivität der Innenstadt in besonderer Weise erhöht haben, haben nun die Sorge, dass anteilsmäßig wesentlich größere Einzelhandelsgroßprojekte entstehen können, wenn der Abzug der innerstädtischen Kaufkraft zugrunde gelegt wird.

Das ist in der Tat ein großer Widerspruch, der quasi dazu führt, dass alle Bemühungen in den Städten unterbleiben. Denn wenn ich eine hohe Attraktivität in der Innenstadt habe, dann kann das Einzelhandelsgroßprojekt, die Verkaufsfläche auf der grünen Wiese entsprechend noch größer werden.

Wo ist denn da die Sinnhaftigkeit, abgesehen von der Ökologie, frage ich mich. Dieser Dammbruch ist mit uns GRÜNEN nicht zu machen. Wir sagen ganz klar: Wir wollen die restriktive Haltung, wie sie quer durch alle politischen Fraktionen und Parteien gängig war, trotz gelegentlich anderer kommunaler Interessen beibehalten; denn nur dann werden wir eine vernünftige ökologische und wirtschaftliche Strukturpolitik für Bayern sichern.

In diesem Zusammenhang möchte ich gern an ein paar Äußerungen der CSU erinnern. In einem Bericht vom 5. Februar 1998 aus dem Umweltministerium heißt es:

Im Einzelhandel ist seit Jahrzehnten ein tiefgreifender Strukturwandel im Gange. Dieser Strukturwandel ging besonders zu Lasten einer vielschichtigen kleinteiligen Einzelhandelsstruktur. Diese preisaggressive Vermarktungsform, –

mit Hilfe derer verschiedene Hersteller Teile ihrer Produktion in gebündelter Form über Direktverkäufe absetzen, stellt insbesondere für den innerstädtischen Fachhandel mit seinen guten Angeboten eine hohe Bedrohung dar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir aus diesem Bericht weiter zitieren, dann können wir beispielsweise lesen, dass die CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth im Januar 1998 ebenfalls vor den möglichen Konsequenzen der Ansiedlung von FOCs gewarnt hat. Sie hat insofern davor gewarnt, „dass damit auch durchaus gesunde und leistungsfähige Strukturen zerstört werden, dadurch viele sichere und meist wohnortnahe Ausbildungs- und Arbeitsplätze im Handel vernichtet werden, der herkömmliche Einzelhandel hat bei gleichem Umsatz durchschnittlich 2,3-mal mehr Beschäftigte als ein FOC“ – die Zahl wird sogar auf das Vierfache hochgerechnet – „dass damit wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten für mobilitätsbehinderte Menschen noch mehr verloren gehen, die Urbanität und Lebensfähigkeit vieler Märkte kleiner und mittlerer Städte in Gefahr geraten und eine oft denkmalgeschützte Bausubstanz in den Innenstädten keiner sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung mehr zugeführt werden kann.“

Bezüglich der Ökologie stellte die CSU-Fraktion fest: „längere Anfahrtswege und damit mehr Verkehr..., größerer Flächenverbrauch für Gebäude und Parkplätze und zusätzliche Versiegelung und Zersiedlung der Landschaft“. Daher wurde in dieser Fraktionsklausur beschlossen, „solche neuen Mega-Einkaufsformen grundsätzlich abzulehnen“.

(Zuruf von der SPD: Grundsätzlich!)

Ich frage Sie heute, warum Sie jetzt plötzlich vor einzelnen Konzernen einknicken und Bayern dem Verkauf auf der grünen Wiese opfern wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns hat diese mittelstandsfeindliche, ökologisch unverträgliche Politik der CSU einen hohen Aufmerksamkeitsgrad. Ich weiß von vielen kritischen Stimmen auch innerhalb der CSU-Fraktion, aber auch außerhalb dieses Hohen Hauses. Damit Sie Ihre Position klar zum Ausdruck bringen können, verlangen wir selbstverständlich für diesen Dringlichkeitsantrag eine namentliche Abstimmung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Paulig. Ich nutze die Zeit des Rednerwechsels dazu, Ihnen die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt zu geben.

Zunächst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion, betreffend Verantwortungsvolle Sondermüllentsorgung in Bayern, Drucksache 14/6969. Mit Ja haben 57 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 81 und 6 haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.