Protocol of the Session on May 31, 2001

(Hofmann (CSU): Wie die Zeit vergeht, gell!)

Ich will nur noch in wenigen Sätzen deutlich machen, Herr Präsident, dass selbst die bayerische Wirtschaft – keine sozialdemokratische Klientel – darstellt, was in der Schulreform an bayerischen Schulen alles fehlt: die Vermittlung von Kern- und Methodenkompetenzen. Die unterschiedlichen Bildungsinstitutionen seien zu undurchlässig,

der erzieherische Auftrag des Staates müsse bekräftigt werden, und die Investitionen in den Bildungsbereich seien zu niedrig. „Wir brauchen eine inhaltliche und organisatorische Bildungsrevolution“ – das ist das Fazit der bayerischen Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt müssen Sie aber bitte doch einen Punkt machen, weil Sie schon über elf Minuten reden, Herr Irlinger.

Das ist mein Schlusssatz. Frau Ministerin, Sie haben vor einiger Zeit deutlich gemacht, dass die am meisten Gewinn bringende Investition die in Kinder sei. Wir nehmen Sie beim Wort und hoffen, dass Sie unseren bayerischen Schulen endlich Hilfe bringen.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Sackmann

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat von einem „Notstand in Bayern in der Bildungspolitik“ gesprochen. Herr Irlinger, nachdem ich seit fast sieben Jahren im Haushaltsausschuss für den Bereich der Schul- und der Bildungspolitik zuständig bin, werde ich heute den – wahrscheinlich wiederum untauglichen – Versuch machen, Sie davon zu überzeugen, dass bei uns nicht der Notstand herrscht, sondern dass sich die bayerische Bildungspolitik sowohl im nationalen wie im internationalen Vergleich sehr wohl sehen lassen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Werner (SPD): Mit „untauglich“ haben Sie Recht gehabt!)

Ich verweise dazu auf die Ausgabe des „Focus“ vom vergangenen Montag, in der die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht wurden. Deutsche Bürgerinnen und Bürger waren gefragt worden, wofür Bayern als Vorbild stehe. Danach haben 66% aller Deutschen, also eine Zweidrittelmehrheit, gesagt, für sie habe die bayerische Bildungs- und Wissenschaftspolitik Vorbildcharakter für ganz Deutschland. In Deutschland insgesamt wird die bayerische Bildungspolitik also ganz anders gesehen als von Ihnen.

Sie haben im Haushaltsausschuss in den letzten Jahren – dabei nehme ich den letzten Doppelhaushalt aus, weil dort ein neuer Weg beschritten wurde, auch von Ihren Haushaltspolitikern – häufig Hunderte, ja Tausende von Planstellen gefordert, ohne auch nur ein einziges Mal nachzuweisen, wie diese finanziert werden können.

(Beifall des Abgeordneten Knauer (CSU)

Ich weiß aus Gesprächen mit Ihren Kollegen, dass die Haushaltspolitiker Ihrer Partei dabei allergrößte Sorgen hatten.

Jetzt nenne ich Ihnen einzelne Zahlen für Bayern. Erstens: Ein Drittel aller Ausgaben in diesem Doppelhaushalt – das sollte man immer wieder erwähnen – gehen in den Bereich Wissenschaft und Bildung. Im letzten Doppelhaushalt sind 40% aller Mehrungen allein dem Kultusetat zugute gekommen. In konkreten Zahlen bedeutet das für die Schulpolitik 11,7 Milliarden DM im Jahr 2001 und im Jahr 2002 über 12 Milliarden DM. Das ist ein Bat

zen Geld, der in die Hand genommen wird, um Schule ganz konkret lebendig werden zu lassen.

Zweitens. Vor 30 Jahren hatten wir 54000 Lehrer für knapp 1,8 Millionen Kinder, heute sind es über 80000 Lehrer für 1,5 Millionen Kinder. Das zeigt, dass auch in diesem Bereich gewaltige Veränderungen eingetreten sind.

Wir haben im Doppelhaushalt 1350 Lehrerplanstellen geschaffen und darüber hinaus Anfang April beschlossen, noch einmal 460 Planstellen einzusetzen z.B. bei den FOS, BOS, dort, wo es notwendig ist. Das heißt, dass wir seit 1989 über 6400 zusätzliche Lehrer eingestellt haben. Herr Irlinger, auch da stimmen Ihre Relationen nicht. Wir können uns im Vergleich mit anderen Bundesländern mehr als sehen lassen, und das sollte man ruhig immer wieder deutlich machen.

(Werner (SPD): Das Protokoll vermerkt aber keinen Beifall!)

Sie werden jetzt vielleicht darauf verweisen, dass das Land Nordrhein-Westfalen vor einigen Monaten beschlossen bzw. bekannt gegeben hat, dass bis zum Jahr 2005 über 6000 neue Lehrer eingestellt werden. Das zeigt zum einen, dass dort ein dringender Bedarf besteht, um den Schülerberg und weitere dringende Maßnahmen zu bewältigen. Zum anderen darf ich auch darauf verweisen, wie das alles finanziert werden soll. Zum Beispiel werden alle Förderprogramme und Sachausgaben der Ressorts mit einem linearen Bildungsabschlag belegt, das heißt, sie müssen für neue Lehrerstellen über 1 Milliarde DM erbringen. Es wird Landesvermögen verkauft. Bau- und Liegenschaftsbetriebe werden umstrukturiert, um daraus mehr Geld zu ziehen, und es soll sogar eine Bildungsabgabe geschaffen werden. Aber all das sind Ankündigungen, die noch nicht umgesetzt wurden. Wir dagegen haben gehandelt, das darf ich heute feststellen.

Auch bei den letzten drei Punkten, die ich ansprechen möchte, beziehe ich mich auf das, was Sie gesagt haben. Bei der Schüler-Lehrer-Relation – eines der Kriterien, die man zur Bewertung von Bildungspolitik vergleichend heranziehen kann – kann sich Bayern überall sehen lassen. Bei der Grundschule kommen auf einen Lehrer 20,7 Kinder, im Bundesdurchschnitt sind es fast 22. Bei der Realschule sind es 17 Schüler pro Lehrer in Bayern, im Bundesdurchschnitt über 19,

(Irlinger (SPD): Wo haben Sie denn die Zahlen her?)

und beim Gymnasium sind es 15 gegenüber fast 16 im Bundesdurchschnitt.

(Dr. Schuhmann (SPD): Aus welcher Quelle ist das?)

Aus einem Vergleich, den ich mir besorgt habe.

(Gürteler (SPD): Wo, von wem?)

Aus einem Vergleich der Bundesländer. Sie können das auch im Heft „Schule“ bzw. in der Schulstatistik des Kultusministeriums finden.

(Güller (SPD): Das zeigt, dass der Unterricht in der Schule verbesserungswürdig ist!)

Um dem Unterrichtsausfall zu begegnen, haben wir in Bayern über 2000 Lehrer, also in der Relation so viele Lehrer für die mobile Reserve eingesetzt wie kein anderes Land. Auch dies zeigt, dass wir uns mit unserer Politik sehen lassen können.

Da können Sie noch so oft predigen, dass bei uns der Notstand herrscht – ich glaube, „Spiegel“, „Focus“ und viele andere haben in den letzten Monaten deutlich gezeigt, dass dies die Eltern in Bayern und die Bevölkerung darüber hinaus in der ganzen Bundesrepublik ganz anders sehen.

Alles, was gut ist, kann noch besser werden. Daran arbeiten wir und hoffen darauf, dass Sie nicht nur immer Sprechblasen bringen und utopische Forderungen stellen, sondern dass wir ganz konkret darangehen können, dies alles zu finanzieren, um auch für künftige Generationen einen Haushalt vorzulegen, der solide finanziert und akzeptabel ist. In diesem Sinne glaube ich, dass Sie heute das Thema absolut verfehlt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das Wort hat nun Frau Kollegin Münzel, die einen Zehnminutenbeitrag bringt.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. Es ist auffallend, dass die CSUBildungspolitiker die Diskussion über die Schule den Finanzpolitikern überlassen.

(Knauer (CSU): Das ist eine Fehleinschätzung von Ihnen! – Hofmann (CSU): Unsere Geheimwaffe kommt noch!)

Herr Kollege Knauer, die Priorität liegt doch bei dem, der den Auftakt macht. Beim letzten Plenum, als wir über die Ganztagsschulen diskutierten, haben nur Haushaltspolitiker der CSU geredet, und heute macht Kollege Sackmann den Anfang. Er schlägt sozusagen den ersten Pflock ein.

(Hofmann (CSU): Und dann kommt der K.o.!)

und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, verheißt nichts Gutes für die Schülerinnen und Schüler in Bayern

(Beifall der Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und der Frau Werner-Muggendorfer (SPD))

Nun zum Thema. Sie können sich wieder beruhigen, Herr Hofmann. Jetzt kommen ein paar Worte, die Sie vielleicht sogar gerne hören.

(Hofmann (CSU): Vier Minuten sind schon um!)

Ich kann in zehn Minuten alles sagen, was wichtig ist.

Wenn ich der Frau Ministerin zuhöre, denke ich mir manchmal: Das könnte auch meine Rede sein. Die Frau Ministerin zieht übers Land und spricht mit meiner Zunge,

(Willi Müller (CSU): Und wer spricht jetzt bitte?)

und manches von dem, was ich von ihr lese, könnte auch aus meiner Feder stammen. Aber leider handelt sie nicht, und wenn sie handelt, dann nur sehr zögerlich. Lassen Sie mich das an einigen Bereichen beleuchten.

Stichwort Ganztagsschule: Die Ministerin spricht von Ganztagsschulen. In Wirklichkeit werden es, wenn überhaupt, nur zehn Ganztagsgymnasien werden. Bei der letzten Plenarsitzung zu diesem Thema, die ich schon angesprochen habe, haben die Haushälter der CSU ein mehr als deutliches Nein gesprochen. Diese Haltung ist außerordentlich bedauerlich, denn das Thema Ganztagsschule ist nicht allein eine Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie; es ist auch eine Frage der Qualität, und ich befürchte, dass dieser Qualitätsaspekt hinten runterfällt, wenn auf Seiten der CSU jetzt die Haushaltspolitiker Bildungspolitik machen.

Bei der Ganztagsschule geht es auch um eine Qualitätsverbesserung der Schule. Denn Ganztagsschulen bieten Zeit und daher eine hervorragende Möglichkeit, zuOrten intensiven, forschenden und neugierigen Lernens zu werden, aber auch zu Lebensorten, in denen Demokratie erprobt, Teamarbeit geübt, Theater gespielt, Sport getrieben, musiziert und gearbeitet wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Nachdem die Finanzpolitiker der CSU dazu aber ein so überdeutliches Nein gesagt haben, bleibt diese Chance den Schülerinnen und Schülern in Bayern verbaut.

Stichwort: Mehr Demokratie: Frau Hohlmeier spricht davon, dass die Schüler und Schülerinnen mehr echte Mitspracherechte bekommen.

Sie sagt: „Warum sollte es nicht möglich sein, in diesem Gremium“ – gemeint ist das Schulforum, – „mitzureden und Beschlüsse zu fassen, die eine bindende Wirkung haben.“ Getan und geändert hat sie jedoch noch nichts, obwohl dafür wirklich nicht viel Geld notwendig wäre.